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CÜLTÜRGESCHICHTE
IN IHRER
NATÜRLICHEN ENTWICKLUNG
RIS ZUR
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VON.
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FRIEDRICH VON HELLWALD.
ZWEITE NEU BEARBEITETE UND SEHR VEKMEIIRTJi AUFLAGE.
ZWEITER BAND.
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AVGHUl'RG
L A M P A K T & COM V.
1877 cj
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CÜLTÜRGESCHICHTE
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NATÜRLICHEN ENTWICKLUNG
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GEGENWART
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FRIEDRICH VON HELLWALD.
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ZWEITER BAND.
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Inhalt des zweiten Bandes.
— >•<
AariBfe «eh MfttelalierK 1—44
Wardigung des MittelalterH. S. 1. — l>a8 Chrisieuthum
im Orient. S. 4. — Da« Chrioieuthum bei deu germaui-
mrhen Völkeni. S. 7. — Möiichthiim und Klosterwescn.
S. 12. — Die gei-niauiHchen Reiche. S. 21. — Die Franken
in <tallien und DeutHchland. S. 24. — Bedeutung der
Herr^hermacht. S. 30. — Die Cultur im Frankenreiche.
S. 31. — DaM rönii^ch-deutAchc Reich. S. 12.
Earoiia*!» Normen ■■« Osten . 4r>— iHi
Die AngelMU^hsen in Britannien. 8. 15. — DaH heidnische
^5<:hweden. i<. 54. - - Die alte Cultur der Schweden. S. 60.
- Die heidniffcheu Nonnannen. S. 60. — Urzustände
dor 81av»»n. S. 70. — Die nördlichen Slaveii und der
Kani)>f mit dem iiermaniHmus. iS. 77. — Das nmitischc
slaTenthum. H, 8JL — Die Slaven in öfidoftteuropa. 8. 90.
— Ungarn und die .\varen. S. 92.
Der Orient ■■« 4er IffUin 97-165
Blick auf da» vtvri^lftmiiiH^'b** Y>)(dorf|KieUr' 8. 97. —
UrKprflnge de« Isluni.* ^.-11)3. — -fiiftwicklüng und Wir-
kungen de» iMläm. 8. lOf. -iz,» Aut«breitung dei4 iHläni.
S. ll;l. — Die Kroberung« ii der Aral>er. 8. 115. — Die
l^atriarchaJiMThe Zeit d«*K, .Cjialyf'vtij^- .H: 121. — Dan
.iral»i«ohp CIientelw»*M«-ii; 1^. '129. — r/mmajaflleu und
Abhaniden. 8. 134 — ReligiAK-philoriophiMche Entwick-
lung d«*i« Ifläm. 8. lliH, — Der lüliUu in 8])auien und
Africa. S. 147. — WOrdiguug der arabincbeu Cultur.
S. 155.
ly Inhalt des sweiten Bando^.
Seite
Asien Im Mittelalter 166—211
Die Ural - altaischen Völker. S. 166. — Das moiiam-
medanische Indien. S. 172. — Ausbreitung des Buddhis-
mus. S. 179. — Cultui-werth des Buddhismus. S. 185. —
Die CuUurnationen Hinterindiens. S. 190. — Die Malayen-
Völker. S. 196. — Das Inselreich des Ostens. S. 202.
Rellgrl5se und geistige Ent^leklnug des Mittel-
alters 212—279
Europa 8 Süden. S. 212. — Die Kreuzzüge. S. 219. -
Entwicklung und Ausbildung der päpstlichen Macht. S. 223.
— Zeitalter der Scholastik. S. 233. — Die Religion im
Mittelalter. S. 239. — Aberglauben und Wunder. S. 244.
— Sagen-Bildung. S. 256. — Die Literatur des Mittel-
alters. S.261. — Kunstentwicklung de« Mittelalters. S. 266.
— Erfindungen und Entdeckungen. S. 272.
Sociale Entwidmung des Mittelalters .... 280—373
Gesetzmässigkeit der mittelalterlichen Culturentwicklung.
S. 280. — Der Feudalismus und seine Entwicklung. S. 283.
— Sclaverei und Leibeigenschaft. S. 296. — Ackerbau
und Landwirthschaft. S. 301. — Entwicklung der Gewerbe.
8. 303. — Das mittelalterliche Zunftwesen. S.310.— Die
Städte im Mittelalter. S. 313. — Die Handelsr epublikeu
Italiens. S. 318. — Die Handelseutwicklung im Norden.
S. 324. — Materielle Cultur. S. 330. — Kleidung und
Nahnmg. S. 332. — SteUung des Weibes. S. 338. — Die
Juden und ihre Lage im Mittelalter. S. 343. — Parias
und andere Ausgestossene. S. 349. — Rechtsverhältnisse
im Mittelalter. S. 356. — Uexeuglaube und üexenprozesse.
S. 363. — Die heilige Inquisition. S. 368.
Die neue Welt 374-111
Die vorhistorischei^ y^dlj^ttp« <^^ iQuprifuiii^lipn Nordens.
S. 374. — Alt-MQ^'o;Jr.:&.575*. -A.-Vi^Äi^i-Cultur luif
Yucatan. S. 382. — Der pal^ciiriiscbeiÜi^turkreis. S. 387.
— Das Volk derChibcha^ijaj^Ii-r.peHi und die Cultur
der Jnca-Kechua. S. S9J.«*T-«*«Dje;l!Xtit)pi^'r in America.
•• ••• • • •»• ••• • •
8. 406. • ••• ••••••••••
Renaissance und Reformation 412-407
Folgen der Entdeckung America's. 8.412. — Die Renais-
sance. S. 415. — Der Humanismus in Italien. S. 420. —
Die deutschen Humanisten. S. 427. — Die Vorläufer
InksU d«f xwaitMi R«id«f .
8eiU
der Reformation. S. 438. — Die Zustände der Kirche.
S. 437. — Die Keformation bei den Germanen. S. 440. —
Folgen der Reformation. S. 449. — Die Gesellschafl;
Je8u. S. 45G.
Enropa ^Is zam XIX. JakrliaMdert 4^8—538
Ausbildung der absoluten Ffirstenmacht. 8. 468. —
Sociale Folgen des Absolutismus. S. 470 — Bewegung
der geistigen Cultur. 8. 478. ~ Producte des Mysticis-
mus. S. 48.5. — Die politischen Zustände in England.
Ö. 493. — Die Entwicklung in Deutschland. 8. 500. —
Uussland. S. 504. — Die Cultur der Mediceer. 8. 508. —
Frankreich und sein Oultureinflnss. 8. 516. — Die Ue-
Kellschaft des Ancien R<^gime in Frankreich. 8. 521. —
Die französische Revolution. S. 527.
EKtwf eklniig Europa^ bis zur Gegenwart . . 539—591
Wirkungen der napoleonischeu Herrschaft. 8. 539. —
Die Zeit der heiligen Allianz. 8. 542. — Gestaltung der
Diuge in Italien. 8. 545. — Das deutsche Reich. 8. 553.
— Dan moderne Frankreich. 8. 561. — Frankreich'«
lieTOlkeruugsrQckgang. 8.569.— Grossbritannien. 8.576.
— Oesterreich-Ungarn. 8. 582. — Da« Zarenreich. 8. 589.
Orieat aad Ostasiea 592-634
Culturzustände im türkischen Reiche. 8. 592. — Muham-
uiedanisches 8taatsleben. 8. 601. — Türken und Slaven.
8. »>06. — Arabien und Nonlost-Afriwi. 8. 611. — Fort-
und Rflckfichritte des Islam. 8. 618. — Die Russen in
Asien. 8. 620. — Die Culturzu^nde in Ostindien. 8. 623.
— China in der Gegenwart. 8. 626. — Da« moderne
lafido. 8. 631.
iMeriea aad die Coloalalwelt «33.3-697
Allgemeine Erscheinungen der Colonial-Cultur. 8. 635.
— Entstehen der amcricani sehen R«»publik. 8. 640. —
rr«qu*hi*n und Folgen des Secessionskrieges. 8. 646. —
Die Cultur der Union. 8. 654. — Dan romani»(che oder
lateinische America. 8. fi<i3. Die Entwicklung im
romaniHchen America. 8. 64)7. — Die Euroi>aer in der
AiHiuatorialzone. 8. 676. — Die Colonisation der Romanen
und Gornianen. 8. 679. — Christen- und Europil«^rthuui
in der Frt.'mdo. 8. 685. — D(*r McnHch'Mihandel in der
Gegenwart. 8. 691.
TT InhtU (Im sweit^n Biindoi.
Sehe
Die Coltur der C^egrenwart 698-712
Entwicklung der modernen materiellen Cultur. Ö. 698. —
Sociale Wirkungen der Maschine. S. 708. — Socialismus
und Socialdemokratie. S. 711. — Geistige Triumphe der
Neuzeit. 8. 713. — Der Culturkampf. S. 717. — Die
Presse und ihre Wirkungen. S. 724. — Sociale Onltur-
phänomene der Gegenwart. S. 728. — Der Culturstrom.
ein Bnckblick. S. 734. — Die Ideale und die Wissen-
schaft. Schlusswort. S. 738.
>jj^> »■ ••-
ZWEITER BAND.
MITTELALTER UND NEUZEIT.
\
Anfange des Mittelalters.
WOrdigfun^ des Mittelalters.
An dioser Stolle, in den mciKtcn I>arRt^11nnf;:on als Beginn
<k*s Mittolaltprs lH»zcichnet, inag der Ii(»sor zn hören on^-arten, wie
Nk'h auf (trund der natürlichen Kntwicklnngslehre eine I^nrtbeilung
lyt»M^s Zfntniumefl gestaltet Seit hundert Jahren hat diese di'ei Sta-
dien durchlaufen: ein l^ekänipfendes^ ein l)ewundemdes, ein verstehendes.
IHe zweite Hälfte di»s XVIII. Jahrhunderts hatte ein Interesse daran,
das Mitti^lalter mögliclist herabzusetzen; die Zeit wollte derart ihre
eiKf*ne VoUkommenlu^it iniie werden. Man suchte zusammen, was
ernste Sotyriker, was liegeisterte PredigcT des Mittelalters ilin»n Zeit-
ippmwsen Schlechtes nachsagten; alle Klagen iX\>cr sittlichen Verfall
wonk^n luTlieigeholt Man schildeste die mittelalterlichen VerfiSssungen
iumI Rechtsordnungen und hatte leichte Mfihe zu beweisen, dass sie
den Staatszweck wenig erfüllten, für Wohlfahrt, HechtspHegc, äussere
nnd innere Sicherheit der Untertlianen schlecht gesorgt war, dass ein
System givenseitiger Auslieutung herrsi'hte, in welchem der Schwac»he
ninceiifLH Schatz fand, — die Eingriffe Feudalismus und Faustrecht Ikv-
zpirhn«*ten das Aergste, was sich ein gebildetiT Politiker vorstellen
kfinnte. Man wies darauf hin, dass eim* Menge nüt/lich(T Krfindungen
nM*ht gemacht waren, daher Industrie und I^quemlichkeit des liebcns
M*hr hn Arg<*n lagen. Man glaubte vollends g(^woimen S))i<*l zu halten,
1N1IB man df*n Zustand der Kc^ligion und Wissenschaft prüfte, man
kmintt» dir blind<>ste Krgelmng in <lic Autorität, den crass(*sten Al>er-
glaiilN'n vcr/eichn<»n, der Stand der Naturwissenschaften war der nitnl-
riicsti", die Philosophie nicht pHnluctiv, di(» Philologie iinnlich iK'stellt,
die Alks lK»hemjchende Theologie konnte nicht zur Ikfreiung der
Get>t4T führen.
So urtlH'ilte man noch Knd(^ des vorigen Jahrhunderts. Kaum
f-in Ihitzend Jahre sjWlter liatte sich l>enMts ein grosser IJmsi-hwung
d»T .\asichten vollzogiMi, das Mitt<»lalter «»inen ganz andern Sinn ge-
«•inn**n. Uie romantische St'lude sali ein glän/endes IJchtmeer von
l»l«-nd»-nder Pracht dort, wo man frülier nur dunkle S<-liatteniua.vM*n
eri»lickf liatte. (ieg(>nülMT die.s«Mi IwMden Standpunclen, g(»genülK»r AIh
«rb**a nnd Ven*hrung, Venlammung und Anbetung, gibt es aber noch
V. II«nw*14, Caltorgttekieht«. % Aafl. II. 1
2 Anfänge des Mittelalters.
einen dritten, len Standpnnct des Verstehens, des Begreifens, der ob-
jectiven historischen Durchdringung, — den Standpunct der Gerechtig-
keit. Wir werden weder lauter Schatten noch lauter Licht erblicken,
auch für uns ist der mittelalterliche Zastand ein Zustand relativer
rnvollkonimenheit, auch wir können die Bezeichnung der Nacht für
das Mittelalter acceptiren. Aber es ist eine helle, eine glänzende
Nacht, in der unzählige Sterne mit theils mildem, theils klüftigem
Lichte leuchten ') „Das alte Indien und Aegypten mit ihrer Kastcn-
oinrichtung, sowie das alte Griechenland mit seiner Sclaverei und mit
d<T Abgeschlossenheit der Frauen bieten zweifelsohne, trotz aller schönen
Phrasen, im Grossen und Ganzen doch weniger Freiheit dar, als das
ouroi)äische Mittelalter. Auch die Rechtsverhältnisse und das llechts-
l)ewusst8ein des germanischen Mittelalters müssen, trotz zahlreicher
individueller Rechts- und Machtüberschreitungen und trotz der Rauh-
heit der Sitten, dem ^Vlterthum gegenüber als ein Fortschritt anerkaimt
worden." ^) Das Völkerrecht, im weitesten Sinne des Wortes, ist ein
Proiluct des Mittelalters. Im Alterthume herrschte nach dieser Richtung
die Gewalt und der Kampf um's Dasein in seiner rohesten Gestalt^)
Gewö^lich werden die Einbrüche roher Horden in die Gebiete ge-
sitteter Völker als grosse Drangsale augeseheiL Vielleicht genügt aber,
so belehrt uns ein treiliicher Kenner, ein wenig Nachdenken zu der
Ueberzeugung, dass die meisten, wenn nicht alle erspriesslich gewesen
sind. „Wo solche Kämpfe um das Dasein sich entzünden, wird unser
Geschlecht ruckweise einer höheren Entwicklung näher gebracht, sie
mögen enden wie sie wollen, denn entweder gelingt es den älteren
Culturvölkern, dem Vordringen der neuen Volkstiuth eine Mauer zn
ziehen, \ind sie erstarken während der Bewältigung, oder es gilt, wenn
sie aus Schwäche unterliegen, die Regel, dass der Verdrängende rüstiger
gewesen sein müsse als der Verdrängte. Stürzt selbst eine edle Cultor
in Trümmer, werden ihre Herrlichkeiten vom Erdreich bedeckt nnd
geht zuletzt der Pflug über das verschüttete Mosaikgetäfel, eins hatte
jedenMls der siegreiche Barbar vor dem bedrängten Römer voraoa,
nämlich seine Jugend und die Anwaltschaft auf eine höhere Zukunft^ ^)
Die neue „Gestaltung der Welt", angeblich mit dem verscheidenden
V. Jahrhundert beginnend, umfiisste nur einen winzigen Bruchtheil
derselben: Em-opa's Westen und Süden. Hier war's, wo neue Völker
mit neuen Sitten und Gebräuchen, jedenfalls andern Geistesgaben und
*) Mit diesen Betrachtungen leitete Prof. Dr. Wilhelm 8cherer (jetzt in
HtrasBburg) seine Vorlosungen über altdeutsche Literatur an der Wiener Universität
1870 ein. (Vortiäge und Aufsätze zur Qeschichto dos geistigen Lebens in Deutsehland
und Oofltcrrelch. Berlin, 1874. 8" 8. 832—328.) Ich eigne mir diesen Htandpunet meine«
Freundes und Landsmannes, den übrigens früher schon August Comte und Kdm.
Littre (Ktudea tur Ut Barbarts et U Moffn-Age) eingenommen, um so lieber an, ala
dcrsolbo, meiner Ansicht nach, der in einer natürlichen £ntwioklung!4ge»ohicKte d«r
Menschheit einzig mögliche ist.
^Lilicnfold, Gtdanksn über dU Social- Wiuwcha/t d$r Zukunft. II. Bd.
8. 340.
*) A. a. O. 8. 341.
•) Peschel, Völktrkitttdt» 8. 447.
WQrdicnnc dM MittoUlUrs. 5
rthnMchen Eigenschaften sicli auf der breiten., festen ftisis der alten
[l\ilMati4m erhoben. Die alte Cultur war nicht in TrttinmtT gegangen,
h» HUibe Rßmertham, als Yolkgthuiu längst dahin, als C<ultunnonicnt
nirht vernichtet, vi(»lniehr, wie schon Ix^tont, fortI(»lKMul mid i>ulsirend
in taoflend Adern, begierig aufgesogen von d(Mi gennanischen Eindring-
üi^ren. Trotz der Mode, die X'ölkerwandening als EjMXjhe unsäglicher
firÄucI, Verwüstung, wilder Zei-störuiigslust zu schildeni, mit der die
fiin*htlKiren Horden sicli nacheinander über das Köincrreich ei*goss(^n,
und zu U'liaupten am Ende» sei fast jede Spur römischer Cultur ver-
Firhwnnd(*n gewesen, Regierungsfonuen, Gesetze, Sitten, Kleidung, Sj»rache,
Nanit'n von M<»nschen und (»egenden, kurz. Alles erscheine neu,
hat man doch sich vor ülK^ilriebenen Auffassmigen zu hüten. Unsere
Kenntniss jener P2iK>die beruht auf (leschichtsschreilKTii, deren Treue
keineswegs jeglichem Zweifel trotzt. Möchte es doch darnach sclM?inen
als oll e8 ganze Völkenuassen gewesen, die ihren Weg mit Blut und
Verwüstung l)ezeichnet, als ob die alten Einwohner mit l>eispiellost»r
(iraoMUiüceit ausgerottet, eüi neues Volk plötzlich an deren Stelle ge-
treten wäre. Vom astgothi-schen Ueiche in Italien möchte man meinen,
m Kei damals Italien gothiscli gewesen, während doch nur Adel, Gross-
Krnndbesitzer, HerrscherfamiUe und Grosswürdenträger dieser Nation
mgi'hörtea. die sich im alten Gothenlande^ nördlich vom Kaukasus und
im Schwaraen Meere bis in's XVI. Jalirhundert forterhielt. Nur die
ObenchOssige, answanderungslustigc Menge, nach den gothischen und
langobardischen Staimnessagen ein Drittel der Ik'völkcTung, zog nach
Werten, und diese Schaaren waren oft numerisch schwach genug, jeden-
bJh zn schwach zu solch ausgiMlehnter Verheerung. Sie wollten aber
Dicht einmal verheeren. Die Westgothen schonten Athen j^iuer Er-
innming willen, der Ostgothe Alarich, den Ruhuisucht oder Hache,
nklit Zerstörungswuth unwiderstehlich vorwärts tric^b, schmückte seine
pnrhtvoUe Beute und schützte sie in A(|uileja vor (h'U luirbarischen
Hannen. M Endlich lag damals die alte Cultur schon fast auss4ldiesslich
m HirisUiclien llftmlen, das ]leid<'nthmn verkrrK*)i sich in seine letzten
Mihipfwinkel ; die meisten (Jermanen wan»n aber ebenfiills Christen
and achteten dcsshalb, wi<f Alaricli, ihre christlichen Brüder; <lie Zer-
■tiyrang traf die Ileidcnti^miM*!, s^iümte aber die christlichen Kirchen. ^)
Jüi der Vemicbtung der lieidnischtMi Denkmäler arbeiteten jtnloch, mehr
nb ilie fremd<*n lUirharen, unter der Anleitung ihnr i*ri<'stcr tlie
rJkniM*lK*n Christen «»ll^t, die» ja in den Pn)vinz(Mi ü!)er den Fall
Rnai\ i. J. i'M) il Hir., frolüockteiu ^) Mag immerhin die Zeit von
') Bryee, lfm* htiligt rSmisch« Rgieh. 8. 18.
% Hi^ke FcrdinaDd Uregoroviu-«, Geichiehf der Stadt Rom im MitteiuUtr,
BtaCtc»rt. IHM. »• 1. B4. H. 115, 149 155.
^ Ilrftper. E-tttieklmmf/ Kuropa'g. H. 231. — Or «»g o r n v i u n , « « O., liefert «l.'ii
lC*rli««ri«. 4««« diegermftnUehen HftrhAren, w«>«l«>r die 0»then unter Atarirli, noch die Vnn-
4*1*«. « •th Tr»tiU dir M onamente der ewigen Stadt vernichtet haben. ,.I)ie Oothen/* ^agt er,
„ttmmmn allr« (*iih#n an Rom au«, welchem mit einer l'Iünderunn unzertrennlich ver-
»•«d»a i«t; «1« b«<ichAdigten die Qebftude der bt*dt, aowelt nie der liaub be<rb&'Iigt,
«•l«k«r Back dem BctitM dm BewegUeben, nicht Dftch der Kentdrang des Uubewag-
4 Anfinge d« Mitt«Ulteri.
TlH^KkwiuK' Ir A)>lc'b(»n hi» zur fpRton Niedcrlassang der lAn^^ohorden
<l(iht/fr j^cfwr?wn wfin, die Periode, während welcher der Zustand des
nM'iiHchlii'iKMi (U^'hU'chUm der fiirchtliarste, elendste der ganzen Welt-
K<w'hi<'hte war, war hw kaum. Und <la«8 sie nicht jegliche Spur röroi-
M'hcr (fesittung l*egnih, dic^se erst ein hingii'ieriger lYocess aufzehrte,
7.(*igen die dultur/ustände der neuen, unter germanischer Ilerrscbaft
ei-Htand^*nen Itiiche.
DaH ChriHtenthnm Im Orient.
KIm? wir der Kntwicklnng der germanischen Welt uns zuwenden,
niÜKM'n wir n(H'h dem (liristenthnme einige Betrachtungen widmen.
I)icK(»H war im /(»italter Justinian's zu grösser Macht und liohem
AMH4'lH*n gf^Iangt und ei*8trockte sich ausnahmslos ühcr alle künftigen
('UlturvOlker. In s<»inen Ursprüngen neigte es stark zu communistischen
Tondenzen und Lehren, die sich nur für kl(4nc Mengen und kurze
ZeitränuK* cngnen. In dieser P'omi wäre es trotz aller inneren Vorzüge
11 immer Weltr(»ligi()n geworden. Seihst noch unter Constantin hen-scJite
di(» hihchftfliche Fonn vor, in die seit Ende des I. Jahrhunderts die
Macht der ersten Versammlungen sich allmählig coucentrirt hatte; ein
Hi('.lithan»H Oherhaupt der Kirche gah es noch nicht; alle Bischöfe stan-
dvn einander in Hang und Ansehen völlig gleich.') Darin darf man
gross<»ntheilM die Ursache der vielfachen Spaltungen und Sectcn der
chriHtlichcMi Urzeit erkennen. Mnheitliche Leitung ist in allen Dingen,
im H(»ligions- wie im Staatswesen, nur dort möglich, wo ein Oherhaupt
evcMituelb seinem Willen jc<le ahweichendc Meinung zu beugen vermag.
Tot cnpita, tot sensus; genoss jeder Bischof gleiches Ansehen, so
konnte jinler auch für seine abweichende Auffassung einzehier Lehrsätze
Itrhcn trAchtct. In dio Tcmp«l, Thornien und PalUsto oinbreohend, entrissen sie ihaen
dai« KiUtliohMtc, und unter ihren plumpen lUndeu, selbst unter dorn Strolche des Math-
willrns, wird mftnche schüne Bildsäule von Marmor auf Strassen un<1 Pliltsen lu Oraode
KOK^iiiK^^n sein. Nicht minder musste das Feuer einige Verheerung angerichtet haben.**
Ho glaulillrh es auch klingt, daM dio von hoher Achtung vor dem r(imi<*rhen Staati^ge-
bHude und Imperium erfüllten Rarbaren die Monumente einer Stadt schonten, die ihnen
der InbegrifT aller llerrliehkeitan auf Krden dUnkte , so Hegt doch auf flacher Hand,
Oa'*)« die Wiederholung Ähnlicher PlttnderungAseenen, >vie »ie Qregorovlua schildert, auch
die besten Absichten vereiteln und aur Störung vieler Denkmäler führen musste. Die
foine rntemcheidung awinchen gründlicher Ausplünderung und Vernichtung wird steh
in der Wirklichkeit nur schwer haben durchführen lassen, und t^enn auch nachweislich
kiMu elnsigeH Monument bei einer bentimmten dii>ser Plünderungon au Orunde ging, 90
nuiHnti« doch die Humiiie aller der Vorheerungan, welche Rom durch die germanischen
Hnrharen jedwetlen l^alibers im liauf» der ersten Jahrhunderte des Mittelalters au er-
dulden hatten, auch die Uenkmäler empflndlleh treffen. So gut wir daher glauben, dase
dio frenidiMi Kiudringlinge von der allgemeinen Beschuldigung, Rom aerstort au haben,
Irci f\\ «prechen sri(*n, da*« vielmehr die Uümer selbst, und awar schon seit den l^ea
r.tuMinniins, Hand an ihre Monumente legten, so sicher Ist es d^.ch, dass die Gothen
unter Vitigc!« VJ! n. Thr. mehr denn einen Altar aertrttmmerten , und der Lonbanle
Ai-tiulf 7,%<< n. rhr. die christlichen Friedhöfe verwiUtete.
*) l> I a p c r , A. a. O. )d. äul— SU«.
Dm Gkriiimiibain im Ortont 5
(Ue fj^dic Berechtigung beansprucheiL Alle Spaltungen der Kirche
Ringen in der Tliat von Bischöfen <Klcr hen'orragcndon kirchlichen
E*erMHieu aus; zwar sollten die Coucilien, die VcTsainmlung aller
Uihdiöfc, dein Uel^el Einhalt tliun, natürlich vergohlich, da ei-fiihmngs-
{inuAMH in wdchen Versamndungen die Meinungen nur desto heftiger
luf einnnd<'r]>lat/en. Ein Blick auf das Zustandekommen von sogenannten
Jk•^4'hltt^^i<'n'* im miNlemen Vereinsleben und deren Werth oder hesser
Wenhlo}>igkeit ist in dieser Hinsicht sehr Iwlehrcnd. Die (Jeschichto
iksiiT theologischen Streitigkeiten verdient in einer allgemeinen Cultur-
icescfaichte keine weitere Beachtung und ist nicht wichtig(T als andere
i^ftnkereien (iber Meinung8>'erscliiedenheiten; genug, dass bis Mitte des
V. Jdbrimnderts die Bischöfe von Rom, Constantino])el und Aiexandrien
nh einsuider in Hader lagea. eigentlich um die Obergewalt rangen.
Am dieiKMi Kämpfen ging, noch unter den weströmischen Kaisern, der
röaüedie Biseliof diu*chweg als (rewinner hersor, und nuin beachte, dass
er es verdiente, denn sein Verfahren war stets wünlevoU, oft edel»)
Hatte er so die hocluftigesehene Stellung eines pnmus tnter pares
gewonnen, so fiel die weitere Entwicklung zur päpstlichen Macht
■idit schwer. Aus dem Primua int er pares winl allemal gern ein
.Ufeinberrsdier, wie die (leschichte der hellenischen Freistaaten und
las l'jititelien der Bofts in America sattsam b(>weist. Warum nicht
liiar» zumal der römische Bischof gar iKild vtm diT kaiserlichen llegierungs-
madii eine rnterstOtzung em))fiiig, die auch fortdauerte, als da« byzan-
tnuacfae Kaiserthum allein die alte Keiclisidee verköri)erte.
^Wenn man aufinerksam l>etrachtet, wie viele alte Institutionen
fioftdaiierten, und wenn man die Anschauungen jener Zeit, wie sie uns
ilflritig in ihren w<>nigen Urkunden erhalten sind, eingehend studiert,
•dKint 08 kaum zu viel gesagt., dass im VllL Jahrhundert das römische
Rrirli im Westen noch fortbestand: es lebte im (TCthlc^htniss der
llenadMm als eine zwar geschwächte, til)ei*tragene, unttTbrochene, al>er
i^ch nicht zerstörte Macht fort/'^) Weit mehr war dies imtürlich
Bodi im (>st(*n d(T Fall, ja so sehr, dass seilet die heutig(*n (rrieclien
■idi iMKÜi Uomäer, ihre Sprache die romäische nennen, in Byzanz
thffunle flcT KaisiT fort, an dessen Anwesenheit man sich schon seit
IcB Zeiten des getheilten Ki'iches gcw()hnt liatte; hier fand sich
rOmisdien C'ulturelenienten ein, was etwa der (iemmnenherrwhaft
Wttiti'u entll<»h; hier endlich ti(»ss, wie si'it Jahrtausenden, zusammen,
<b<' B<TUhningen mit dem Orient liebte. Wenn (Lts allgemeine
l'rlhfil üInt «las bv/antinische Kaiserreich dahin laut4>t, dass es die
rlnrrhweg gi^niiiLste un<l vehU*htlicliste Fonn war, welche die Civillsation
pmaü» angeniHumen liat/'j so ist dies theils au:^ der geogmphisi'hen
I.dire, «eh'lM* die V<Tquiekung alKMidiitndise.hiT lde<'n mit onentalischen
ABM-Iiauungen mehr wi(* irgend anderwiiils iN'fördeil, theils aus den
rlbBiM-lN'n Wamiluiigen des ui*siirüiiglichen hellenischen tllementes
nrilflriit'lL War diesi' Zivilisation auch gemein und viTä^'htlich, sie
*> Iirapor, A «. O. 8 225.
M Brjre«, A. a. O, S. 23.
*i L«ek]r. A. a. O. II. Bd. B. 10.
0 Anfinge des MltteUUcrt.
war doch immerhin nocli bcFsor als edle und achtens^erthe Rohheit.
Wnd m der That strahlte im VI. Jahrhundert Byzaiiz als Hrennpunct
aller C^vilisation und wahrlich keiner geringen. Das Zeitalter der
IJarbart^i machte sich hier nicht fühllmr; denn uunmelu» kam die erste
umfa.ssende Gesetzessammlung, d. h. die Verschmelzung def gesammten
Masse des vorhandenen Kechtsstofft^s im Corpus juris zu einem
Ganzen, zu Stande; mmmehr schmückt« sich Byzaiiz mit dem Neubau
der S(»phienkirche, wurden die Manufecturinteressen durch die von
^Mönchen aus Asien gebi-achte Seidenfabrication untersttttzt und die
Kaupenzucht über ganz Griechenland eifrig verbreitet. Andererseits
nnisste in Byzanz das Christ^nthum vom Hauche des Orients, seiner
Wiege, getroffen werden. Dieser Einfiuss des Morgenlandes, srar all-
mähligen Verheidnischung der cliristlichen Ijehre führend, ist in der
einen oder der anderen Weise stets wirksam gewesen. Im alt^n
Griechenland trafen zuerst asiatischer und europäischer Geist zusammen;
unsere gesammte KuiLst., soweit sie hellenischen Ursprungs, beniht auf
asiatischer Grundlage; all unsere ethischen und metaphysischen Systeme
sind nur neue Adaptirungen altorientalischer Philosophie; der ganze
hierarchische Iku der Gesellschaft, so weit derselbe auf der Id(»o der
relK'i'einanderschichtung vei"schi(^dener ('lassen, nicht auf blosser Macht-
tiberlegenheit beruht, ist nur die Entwicklung, sei es unter dem Namen
des Feudalisnms, des Clanwesens oder der Aristokratie, eines Begi-iffes,
der in die illtesten ])atriarchalischen Zfuten hinaufreicht. Nicht anda*8
ist (»s mit uiLsercT Religion. Die Bibel ward von Anfang bis zu Ende
von Asiaten g(»schrielH^n, die ersten allgemeinen ('oncilien waren asiatiscli,
und sowohl der (ilaul)e als die leitenden Ideen der Kircheno]*ganisatiou
stannnen aus dem Orient.*)
Das Clu'ist^nthum besass wie keine Lehre zuvor die innere Eig-
innig zu einer Weltr(»ligion, daher die Frage, ob es als solche angolc^
gewesen, ziemlich ülKJiHüssig. Di(»se ausserordentlic^he Fähigkeit brachte
mit sich, dass, nachdem — Dank dem wachsenden Ans(»hen des Bischofii
in Rom — tlie theologischen Streitigkeiten endlich beigelegt und das
Christenthuni in seiner Fomi als Katholicismus festgestellt wanl, die
vom (hi(»nt erluiltencni Einflüsse d. h. die Verheidnischung üIkt die
ganze Christenheit, also auch ülier den Westen, verbreitet wurden.
Die alten (iiitter wurden alhnühlig mit Dämonen identiftcirt und ilir
Dienst als ^Ligie gobrandmarkt. l>aran knüpfte sich logisch die Ver-
folgung der alten Philoso])hie und ihrer Hüter, endlich die Unt<^r-
(Irückung und Ausrottung der altcMi (felehrsjimkeit, welche mit jener
lügenhaften l*hih)sophie in unlöslicher Verbiinhuig zu steJien schien,
glcichwwhl aber die Grundlage der antiken Ciütur bildete. Ganz un-
merklich liatten nändich zwei Ansichten die Allgemeinheit der Menschcit,
und zwar vcm unten nach oben ergriffen; sie waren ihr v(m keinerlei
(iewalthalMTU auferlegt, und hattcMi sich doch fester eingenistet als es
je auf Befelil eines Des]M)ten geschehen wäre; sie waren zum völligen
Gemeingute geworden und es gab nm* eine versclmlndende Minderheit,
*) Aubrey de Vere, Victuretqu» iketchfs of Gretc$ and Tur^f^. London 1800^
8'. II. Bd. 8. 178— 17».
Dm ChrialnttaB im Ortoiit 7
die ihnen nicht hnldigte. Diese zwei Ansichten waren erstens, dass
die heiligen Schriften Alles enthielten, was dem Menschen zu wissen
nöthitf und nützlich sei, — dies erklärt difi Unterdrückung der alten
WimeuM'haft — zweitens, und dies ist wieder nur consequent, dass es
rr«*ht sei, die Menschen zu zwingen, das zu glauben, was die Mehrheit
der Gesellschaft jetzt als Wahrheit angenommen habe, und dass, wenn
sie sich weigerten, es recht sei, sie zu strafen; dies erkläi't die Ver-
folgung der alten i'hiloso))hen. Dazu kamen bei Zerstörung der
V4iniefauüichsten Wissenssitze die B(»trügereien an's Licht, womit die
lYiestersi'iuift des Alterthums, wie jene s])ätcrer Zeiten, die gläubige
Menge betliOrte*, man darf demnach mit Recht sagen, dass die griechische
11ul<iso|»hie dne Lüge gewesen und gleich anderen Lügen aus der
Welt vcijagt wonlen sei, als man sie entdeckt habe. Die neue Ltkge,
die sich an Stelle der alten setzte, galt darum nur desto sicherer für
Wdbrbeit So führte denn der lliiiHuss dos Orients in durcliaus rich-
tiger Verkettung zm* Vernichtung der (redankcnfreiheit, welche
unter den römischen Cäsaren miumscluünkte AcJitung genosseiL*)
Diese uimüttelliare Wirkung der christlichen Intoleranz ist von
sehr verachiiMlener Ikdeutung für die christlichen Völker und deren
Kntwicklung gewe&iim; aus ilu* wenlen die schärßiten Waffen gegen die
ctdtiirliLitorisclie Höhe des Christenthums geschmieiU^t. Indess ist diese
Undiildsamkdt keine vereinzelte Erscheinung; seit den ui'äl testen Zeiten
wuhnt fiinatiflcla» Intoleranz dem Judenthmn inne, und noch intoleranter
als das Cliristenthum trat der Islam auf, mit Feuer und Schwert die
angeliürhe Walirheit seiner Iif'lire verkündend Wemi nun niu* bei
Mkii(*n Religionen, die der Schooss des Semitenthums gezeitigt, eine
to h<TTors}iringende Undnhlsamkeit wahrzunehmen ist, so wird man
diese wohl für einen si)ecitisch semitischen Cliarakterzng, für ein
IVudoct dc*s semitischen Oeistes halten dürfen. I)ii*s winl sicherlich
nicht durch die ßemerkung widerlegt, dass „die Ursache davon in der
Beschaffenheit der semitischen Religion, al)er nicht in dem (liarakter
der Träger dcr8<?lben*^ liege;") „eine Religion, welche jede andere miprt
nnd fOr Lüge erklärt, könne nicht so tolerant sein, wie eine Religion,
wddKf i*iuen mehr nationalen (liarakter halN>;^ vielmehr (Uirf man
di» als Zugestäntlniss lietrachten, denn die Ik^schaffenheit einer Religion
gi-fat stets aas dem (liarakter des Volkes hervor, das sie geliar. Rei
l'f-lMTtmgung auf fremde Stämme werden die Religionen, gleich anderen
in»tjtnti(men, je nach (reist und Racitnanlage modiliciit, wolnn dann
diu eine uler die andere fjg(*nscliaft zu iK'sonderein Aus^lrucke gelangt.
1h» Chrlstenthnin bei den ^nuaiilsehen VOIkem.
lK«m entsprcM-hcnd iiiusste das (liristenthum auf die gonnanisilien
Stliiimp eine total vers<'hi(*«lene Wirkung äussern, als auf Römer und
(ffiechen whr gar Asiaten und Africaner, uml nur al)Holuter Mangel
*i Kaake hierüber da« Capitol : „Europäisches ZeiUlier d«s OUabens im Ostern* bei
Df%ff, A. a. O. 8. S39— 346.
•) CkwoleoB. MemitUckt Vm^r, 8. 26.
H AiiAag« 4m MlltoUUtn.
IUI i'uHiirU''«Jii<'>»^Ji<*l»''ni ViThtämlniww» kann \on rinor allgemeinen
Wiiliiinj/ «l«*« riiriKti'nthiniiH Kprccliffn. Auf <lic alten Cultnnölkcr bat
!'=< t^ii'lM'iii'li k<*in<'ii wohltliiltif^cn KinflnKK gHUit, nml wenn auch nicht
itir iilti* (iiltiir 74'\HU)r\, doch g<-wiHH ihn^n rntergang besdileonigt.
itnIf'KK flii* V^ilkiT fi<*H Alt4'ilhuniK hatten Hich ausgeleht: sie rnuastcn
mIiiIh II, «h'iiii VolkiT sti'ilM'ii wi<» Individuen; sie wän'n auch gestorben
(ihiic (-hriHliMiÜiiitii, (»hiK* KrHrhcitu^n d(T nördlichc^n liarliaren; gttns-
HmihIcii FuIIh wUiw'ii s'ir kur/ dnnuif d^in wuchtigen Anpralle des Islftm
iiliy<Mi. AiidiTiTHcitK ward viel von der altni ('ultur in die mittel-
uHcrliclicti Kpochcn liiiiülMTg(*tnigeti, wo/u der Tnistand nüthalf, dass
^'w^or wie Ih'NJrgtp iU*r Mchr/alil nach da» gemeinBainc Band des
ChrhlrnlliiiniH tiiiiNrlilniig. Vja thut ni(!htH zur Sache, dass dieses sehr
A'Uh/cilig rntiirlct, cnt.stclh und entweiht wanl. Die Ui'sachen dieser
uimUNWcichlichcn Kiitnrtung nind schon JH^kannt. Religionen sind Kr-
/ciignlHHc der incnscIilichMi IMmntasic», keine höhei*en, etwa übernatür-
lichen Kingchiingni, thcilcn daher das I /<h>s aller irdischen Institutionen,
deren keint* lang die ursprüngliche Keinheit xu l)ewahren vermag.
Nniii (lirihtenthiinu' fonlern, es sollte diesem allgemeinen (Jesetxe sich
eiit/leheii, Ist sinnlos iwhT heisst ihm eine ül»eriiatürliche Stellung zu-
erkennen« womit man si<'h lossagt von den wiss<Miwhaft liehen Ei-kennt-
ni>seii, hi(« Mntaiiiing des Christ enthnms blieb vorzugsweise auf die
al»NtiM'lu*nden antiken Völk«»r als |k»wohner wanneivr Himmelsstriche
iMMlu'itnkt. l>ass Letztere ynivr Kntailung ül)erhaupt günstiger sind,
niochtt» eim» HmuNchau der heutigen Suhtn»]HMilH»wohner genügend
ilhistriit»n. rn|»jU't(»iiM'he Whnnen imh^ss ein, dass deniuH'h das (liristen-
ilinm s<»mn' ntn'h unter <U»n Alt«»n Ansihanungen gezeigt, die imeh
nuHlernen Ih^gritfen Iii^Ihmv genannt zu werden ])Heg«Mi, vdo z. l\, in
lUvug aurtiebnrtsibtn'ibnng, Kinfh'nnord, Ausätzen der KindiT, Sellist-
nionl; es trug endlich Ihm zur rnt(*nli*ückung der (iladiatorenspiele,
crwivkle ^Vider^^illen gtnjen die Tinh^sstrafe und einen ausgeiiiihnten
Sinn für \Nohllhaligki»il, th'in classischen AlttTthume durchaus fremd. •)
l ebcihaupt iM die «Jluiuanitilt*' eine fast auss4*hliessliche Kn*migi^nsi*lHift
d\*r chri>t Heben K|M>chen. rnhlugKtr mit wickelte «s die st^nilen Tu-
Jicnden» l^'unitb und licboiNim, die im .Mterthuuie wenig Achtung
c.ciuw»;rn und >or den giM'UO ülH*rs«»hjil/ten bünr^Tlicben Tugnulen weit
uiuckMaudeu Hing alvr die Knt^icklung dtT »servilen Tugi^ndtm
»uHinvemANs nur auf KtMcn der büiwrlichen \or Mch. w filbrte sie
.nulcn'tNcilN :\\ einer Milderung des l.^^^»N iler S'laxen. Kin'htMHlij*-
*^plin und iix»ii«*Ndienvi|ithe (icbn^nclie bnh*hlen Heim und S*hivon
i! Minder u;»hcr und N'lo'.Ahrlen «lic SolaxeiiU^freiimj: Ihi^ Mittelalter
«Kt ;tu Stelle der Nluxitvi die l.eibci»:en>ohatt, jcMonÜilis ein
c^Mdut^t l\»riN»-hvi!i in den Vuuen Jener, die an Vcr\««Ukonnnnuiig
\\\\k{ \eix>Uuv.c d^'! MeUM'hheit cUiilvn
In iM'p.vtV dev ittvnuLinvluuting d«> riiiiMontbum< stäuidon lUe
»;\:uuin^hii\ Xe'.NCv, VivjixlMihM*«, IV-iUMhc und N^sMiAudtT, in \i4l-
>;,v.Mxv: l v\".\ .t\>:vv.'.:iuuj: mi; i .v..tndvr Su* cxhen aus \o:i ciuoui
» >.,^. ?.,•.->;: if- IV v'-»r-".*- 5^. l Jtiy. -V •■ v^ U W ^ :«— 41
DM'ChristaiitlivBi b«l den fenB*nls«hen Völkern. 9
ftllanlinp:» dnspitigeii^ oft recht unbändigen^ immer alier kräftigem Per-
üönlirhkeftflgelühle. Männlich energischer Wille, Freiheit, Ehre, Keiiwh-
heit siiui hoch geachtet; das Hans nnd die Ileimath mit der sie uni-
grbdulen Natnr liebt man. Dies war der I*Yuditl)oden, in welolien die
iSaal des Kvangeliiims fiel. Daher das Christ nsbild, wie es sich dem
pCfTmanischen GemQthe eingeprägt hat, wie es ans der christlichen
Uiditimg uns entgegen leuchtet: Christus der lleldenkönig, tapfer,
mannesmuthig, huldvoll und aufopfernd. Dem entspricht das Bild des
durisleiiTolkes als eines mannhaften Heergefolges, dessen Beruf ist,
Streiter des Herrn Christi zu sein (denn das (•liristenleben ist ein
KamiiT), und dessen Elire in seiner Treue steht. Und je molir die
Seele freiwillig und ohne Vorbelialt dem hinmilischen König sich hingibt
und Alles von semer Hold erwartet, wie diese Gesinnung nicht selt(*n
in den Gesängen hindurchbricht, desto gewisser liegt darin schon eine
erangelische (resinnung, ein verlwrgener protestantischer (tnindzug. *)
tlinstweilen aber gelang es dem römischen Kirchenthume auch die
Geister der Franken in seinen Zauber zu liannen und mit ihrer Hülfe
eine geistige und weltliche Macht zu erringen, die bis in die (Gegen-
wart hinein vom grOssten Finfiuss auf die (n^schicke Kuro])as gebliel)en.
liftrin liesteht die dop]>elte Ik^leutung des Honifacius: indem er seine
Missions- und Refonnationsthätigkeit an das Papsttluun aiiknü])Ae, gab
er dem fränkischen Staate %uglei<*h jene Richtung, welche zur Kin-
flttsehang in die pohtischen Angelegenheiten Italiens fahrie. Die lk>-
seitignng des gallisdien Irrlehrers Aldebert und die Ik'kämpfung des
Ijmgobardenkönigs Aistulf stehen dadurch in engem Causal/usammen-
hange, nnd so wurde damals der (irund zu jener Entwicklung Italiens
wmI der Kirche gelegt, welche erst 1H7U zum A1)scliluss(? kam. Ikmifadus
war zwar nicht der Ik^gründer des ('hristentlnuns in Deutschland, alKT
er gab den vorgefundenen christlichen Ciemeindcn einen den Vci'liält-
nisHen seincT Zeit entsprechenden kirchlichen Zusannnenhang , welcher
dan Ik>wnsstscin religiös<*r Einheit in ihnen In^Iebte, um sie mit der
yjni anch zur damTuden n^ligiösen Freiheit durch gerne*] nsame iinu*re
KraHant^rengnng gelangen zu lassen. Auch in Reti-etf der kirchlichen
Kolwiddnng der Natiimen gilt das (icsetz: da.Ks di<» Freiheit, welche
vijn Mimschen errungen wenlen kann, nur durch <Uis Zuchtmittel dcT
Kinigong unter einer gesetzlichen Ordnung, <lie als göttliche* Autorität
irrucht^'t ^^inl, sich verwirklichen lilsst. Es ist zwar ausser Zweifel,
dasA die christlichen ( leineinsiiiaftcn , wolclie l^)infa('ius voifaml, in
Wirktichkeit liesser waren als er sie von seinciu röiinschcn Standpun<'t
ans charakterisirt liat. Al>er elMMi.sow(Mng kann auch in Abnilc gi^stcllt
werditu dass «iiese ersten PtLiiizungcn des Christcntliums in l)(>uts4thland
der kiniiliclien ErolK»rungsjM)litik Roms eineu sie^grciclKMi Widerstand
rntgitwmzttsetzen vennm'hten, obschon einz(»lm» I^inth^skirclien. wie <lie
bayerisdie, M'hr lange ihre Unabhängigkeit nom Rom zu erhalten wussten.
•) Vgl. Pf. Fr. Ilumni er i ch , Aeltette ehrittUche Ethik iler Angtltachten^
lHtii9eh0 1 nmd Sonllämdtr, Ein Btitruff wur Kirehgm/tiehtehU. Aus dem Diniscbcn von
X. Hickelaea. Udteriloh. 1674. 8*
10 Anfluge dM Hittelalten.
Es fehlte ihnen, um diesen Kampf gegen einen durch wissenschaftliche
lUidung, sittliche Lauterkeit und Idrchliche Ikgeistcrung so übcrmfichtigen
(ioKner, wie ]k)nifEu;ius war, siegi*cich (lurchzufü1u*en, sowohl an der
hier/u unentbehrlichen landeskirchlichen Verfassung als an den durch-
sirhhigcnden Waffen einer höheren wissenschaftlichen Bildung, als an
dem Schutze des Staates. Die Zeit war noch nicht reif zum Gedeihen
eines nationalen Kirchenthums; diese Keife konnte erst eintreten nachdem
die reichen Erfahrungen des Mittelalters den Grenius der deutschen
Nation liinreichend gekriiftigt- hatten, selbständig sich sein kirchlidies
lA^ben zu ordnen, und fiir diese Ordnung die göttliche Autorität zu
tinden und aufzustellen, welche eine kirchliche Gemeinscliaft nie
entlwhren kann. >)
Prüft man, worauf es hauptsfichlich ankommt, die Wirkungen des
Cliristenthums bei den nördlichen Barbaren, so ist sein wohlthätiger
„veredelnder" Eintiuss unverkennbar. Die alten Völker eilten olme-
hin ilirem nothwendigen Untergange entgegen und wie ihre letzten
Tage sich noch gestalten möchten, blieb für die fernere Ciüturent>
Wicklung von untei-geordnetem Belang. Die Ikirbaren aber wären
iK'im Vonhingen nach den Culturländern des Südens wahrscheinlidi
niomlisch zu Grunde gegangen und physisch erschlafft, hätte ihnen
das Christenthum nicht einen moralischen Halt gegeben. ^) W^ohl
konnte es nicht fehlen, dass unter den Händen der Germanen das
Christenthum eine ihrem Geiste und ilirer Culturstufe entsprechende
rohere Form annahm und in der That äusserte es sich später nur
wenig als Religion der Liebe. Ein gut Theil der inhumanen Aus-
schreitungen der Kirche darf man diesen barbarischen Einflüssen zu-
schreiben: hnmerhin blieb selbst dann ihre Wirkung stai*k genug, um
einige der oben erwähnten civilisatorischen Ideen sogar den rohen
^'ordländern einzuimpfen. Selbst die sogenannten finstersten Jahr-
hundertc zeigen viele Züge grossen und echten Seelenadels. Wenn sie ^
in bürgerlichen und imtriotischen Tugenden, in Liebe zur Freilieit, in
Zahl und in Glanz ihrer grossen Männer, in Würde und in Schönheit
ihres Charakteitypus tief unter den heidnischen Civilisationen standen,
so ül>ertrafen sie deren edelste Zeiten weit in thätigem Wohlwollen,
im Gefühle der Ehrfurcht und der Untcrthanen treue, während sie in
der Humanität, welche vor der Auferlegung des Schmerzes zurück-
*) Hiebe Auguni 'Wlornor, Boni/aeiut der ApogteJ der Deutgehen und die Roma-
nisirung von Mitteleuropa. Lcipxig. 1875. 8 Eino völlig nutzlose und mUMcigo Tift<>Iei
i<it (lor versuchte NAchwei», dAM Bonifaeius den Papsi als das Oberhaupt der katholincben
Kirche nicht al« unfehlbaren Autokraten verehrte; die Bedeutung des Bonifaciua wttrde
auch durch letalere Annahme nicht verringert. Die Gegenwart liebt es nur su aehr
MAnnern der Vergangenheit Ansichten su imputiren , welche erst die Früohto eiaer
KpHtnrn Entwicklung sind. Die Unfehlbarkeit dM Papntos konnte Bonifaeius unmögUcb
in einer Zeit beschilft igen , die sich den Pap^t Überhaupt nicht anders denn unfehlbar
7.U denken vermochte. Allgemein bekannt int übrigens der Widerspruch der Historiker
in den Urthoilen über Bonifaeius. Die vortrefllichste Charakteristik desselben acbeini
uns jene in Ludwig Oelsner. Jahrbücher dei fränkiechen Reiche» unter König
XHppin, Leipsig, 1871. 8* 8. 171.
') C h w o 1 8 0 n , A.A. O. 8. 2.
Dm ClirUtcBibiiBi bei den g«maiil«^«a Yölkern. 11
schredct, der römischen und in Bezog auf Keuschheit der griechischen
CffCftittiing Oherlegen waren. *) Sowohl an der Schatten- wie der lAi'htr
seile dieser (liarakteristik hat das Cliristenthuni zweifellos wesentlichen
Antheil, und el)en so lächerlich als verkehrt ist es zu sagen, es lassü^
eidi keine ilurchtharere Anklage gegen das Christenthum, wie es damals
aOgemein anfgefiftsst wurde denken, als die, alle Nationen und Völker
eines vollen Jahrtausends denuassen in geistigen landen und Fesseln
fn*halten zu haben, dass die ganze Menscliheit nach dieser langen
Periode zu dem gleichen Grade von Bildung noch nicht wieder gelangt
war, den die Barbaren — der Mehr/ahl nach bereits Christen — mit
dem ROmerthum vernichtet hatten. Denn die Barbaren hätten die
ahc Civilisation gerade so vernichtet, wären sie keine Christen gewesen,
wie das Beispid der Hunnen beweist; was aber von ihnen geschont
ward, ist grossentheUs auf Rechnung eben ihres Christenthums zu setzen.
Ilann veiigisst diese Anklage, dass (Ue gemmmsche Welt in derCultur
von vorne anfangen'^) musste, dass es kein Mittel gibt die Cultur
auf neue Völker zu tibertragen, ihnen gleichzeitig al)er den langen
mtibevollen Weg der Arbeit zu ersparen. Sind auch die heutigen
(*uhun'ölker die Erben geschichtlich begral)ener Nationen, die ihnen als
liehmieister in der Kindheit dienten, die gegenwärtige (xenittung musste
doch durch eigene Arbeit er^orlien werden, wie je<les Wissen nur durch
Studium erlangt winl Die Zeit des l>»nieiis, dieser häilesten Arbeit
des Kinde«, nicht des Wissens war das Mittelalter für die germanisdien
and neunmianischen Völher, und es ist durdiaus unzutreffend, wenn
nidit tendentiöH, die Blüthezeit der Hellenen damit in Parallde zu
ictiHlen. Diese musste als höchste Cultui-entfaltung der Alten mit der
modernen verglichen werden und dieser Vergleich flült kaum zu (inn-
igen d<*r dansischen Hellenen aus. Der hellenischen Blütliezeit ging
aber eine unberechenbare Periode voran; wie lange die Griechen zu
ihrer höchsten Culturentfaltung btMlurft haben, wissen wir nicht. Und
Dor diese dunkle Periode darf man dem Mitteküter zur Seite stellen;
% cm ihr aber ist sicher keine höhere Meinung gestattet.
W(T über den Entwicklungsgang der Cultur im erstem Jahrtausende
klare Anscliauung gewinnen, wer für das Mitt(»lalter den verstehenden
Standpunct eiiifielunen will, darf nicht eincTseits an totale Zerstörung
«ifT alt**n Civilisation glaul>en, andererseits ausser Acht lassen, dass er
\«»llkommen neuen, jugendlichen, also noch barliarischen Völkern be-
Upf^nfi. Diese Ikirliarei gon'icht dvw Völkern so wenig zum Vorwurfe
all» di*m Kinde seine Jugend. Sind auch nicht alle barkirischen Völker
iUr i'w^tm^'SLTi jugendliche, so sind doch unig<'kehrt jugendliche Völker
aU^nial harliariM'lK* (im (it^gensatz zu den cultivirten). Wie ein Kind
ViH*'« von dr»n Sitten siMuer erwa<*hseiu*n Cmgobung annimmt und doch
M-ino Eig«*nart iK'wahrt, wie es gläubig nachspricht, was man ihm vor-
lagt und doch plötzlich mit nm-h rngisjigteni ttl m Trascht , wi(» mit un-
^•Tständigen Händen mitunter es zerstört, was seiner Väter Stolz mid
MulK^n gewesen, ja was zu eigener ZukunA Nutz und Frommen, und
•) L«ek7, A. a. O. II. Bd. 8. 11.
*) L»Bg«, 0^9ekt€ki€ 4€$ MaitrMUmui. I. Bd. 8. 159.
12 Anf&nge dM MitUlalters.
(l(*nnoch 8]>ätcr wieder selber Grossos schafft, so tritt das Mittdalter
uns entge}j;eii. Die GeHchichto jedweder Kiitwicklung in der
oi'KinnHcheu Welt, also auch der menschlichen Cultiu*, besteht
ihirin ein Stadium zu erreichen, um es wieder zu verlasseit
Alh; Momente nun, welche ein bestinuntes Stailium herbeifülivcn, wirken
an dessen FurtiHiialtung mit, d. h. sind Hindernisse für des8eu Uebcr-
windung. ^) So darf es nicht befreni<len, dass das Christenthum, weiches
d(Mi nordiscluui Stummen aus ti(>fer Barbarei ilic Stufe der uiittelaiter-
liclien (iesittung Wissentlich erklinnnen half, sich später als Hemmniss
weiterer Entwicklung erwies und erst wieder überwunden werden mussta
Desshalb ist es doch nicht statthaft die IkKleutung des Cliristcnthums
für diese Jugendperioile unserer Voifalwen zu unterscMtzen oder etwa
gar (bissolbe zu verurtheileiu Was vom Christenthum im XV. und
XVI. Jahrhundert ge^sagt werden kann, findet ninmier auf jenes des V.
bis X. Anwendung. Durch dieses, welches jene Völker physisch und
moralisch erhalten hat, ist die moderne Cuitur möglich gewordeit ^)
MOnehthnm und Kloatorwesen.
Noch erübrigt es einer Institution zu gedenken, die mit dem
frühesten ('hristenthume im innigen Zusammenhange stand, des Mönchs-
und Kloster Wesens. Keiner meiner freundlichen Leser winl darüber
im Zweifel sein, dass die Heimat dieser seltsamen Institution im Süden
g<'suiiit wenh'u müsse. Die Schwärmerei, der das Mönchs-, Eremiten-
(wler Anachoretenthum seinen Ursin-ung verdankt, ist bei den eiTOgten
l'haiitasien des Südens, und zwar des südlichen Orients, zu Hanse.
Die Vorläufer des Mönchsthnms halKUi wir in der That sc^hon in den
asketischen Kssäern unter den Juden*) gefimden. Hei der grossen
*) Da ich erklärt habe, wie dem Uömerthumo von Anfang an ein rthnologii«cher
Procosn XU Urunde liege, der sowohl dansen Bildung als deitscn Untergang bedingt habe,
*io möchte hier ein AVider-prueh vorUegen. Dieser Widerspruch ist Indcas blos ein
scheinbarer. Denn eine Nationalität ist kein Culturstadium ; der othnologiiche ProooM
erklärt aber zurüchst den Untergang des rümisohen Volksthums, womit allordingt im
diei«om Falle der C'ulturgang eng vorknUpft war.
-) Ch wülson , A. a. O. 8. 2.
') Da^s die Askese nicht blos eine Ausgeburt dos christlichen Münehthuma iat,
Mtindcrn von Juden sognr heute noch geübt wird, seigt folgender sehr lehrreicher Fall :
In Wien wohnte seit mehreren .lehren ein armer Jüdischer Uollgionslchrer , welcher
eine Zeit lang sein Loben durch Unterricht im Hebrilschen fristete. Der Mann, J.
Horten bäum mit Namen, trug bei jeder Gelegenheit groaao FrUmmigkoit lur Hohau,
wolcho sich Spdtor lur Manie steigerte. Das Leben Hosen baum*8 war Jetit nur nock
der ItuAHo geweiht. Tagelangos Beten wechselte mit Fasten und Hchlafen auf hartem
Lager, und bald vereinigte der Unglückliche gar alle diese Bussarteu, betete und fasteto
o't acht Tage lang ununterbrochen und sehlief während der N&ohto auf einer
harten Bank. Hu ging es Monate hindurch fort bis lum 13. Februar 1870. An
diesem Tage wurde der Arst Dr. 8. Kreissler isu einem „Kranken** berufen. Kr folgte
dem Dien»tmann in die obere Donaustraxse, stieg hier mit ihm mehrere Treppen, die
XU einem Keller rührten, hinab unb befand eich bald ia einem niedrigen, von Miaamen
erfüllten naumo , in welchem ein mattes FUmmehen spirlieheB Lioht verbreitete. In
MöaehOmm und Klo«terw«Mn. 13
Miflse war mit der Annahme des Christeiithums eine Aendcning des
Lebern keineswegs verbanden, in der Christenheit selbst aber machte
«ich eine tiefgreifende VerÄOBserlichung in allen (tcbieten dos Ix^bens
geltend, die sich besonders in einer al)ergläiibischcn Ansicht von der
Kraft der Taufe, in aljgöttischer Werthschätzung dos Kreuzeszeichens,
der Reliiiuien, der Wall&iirten kund gab, zu welch letzteren die Kaiserin
Iletena durch Erliauang der heil. Gral)eskapelle den Anlass gab. Die
sittlichen Wiricungen, welche die Religion im Lel)en lien'orl)ringon soll,
Irmten immer mehr zurück, sehr begreitiicli, weil der (rlaube, der früher
im Herzen einer nur kleinen aber auserlesenen Schaar loderte, nun-
mehr die Allgemeinheit, die Gesammtheit mit ihren so mannigfaltig
zusammengewürfelten Elementen ergriffen hatte. Die frühor so hocli-
gerühmte Bruderliebe der Cliristen nahm ab, an ihrer Stelle traten
hftssliche Parteiungen, eine verweltlichte Geistlichkeit freute sich des
acMseriichen Pompes ihrer Stellung und mischte sich in Hof- und
SUatsintriguen, in den grcKssen Städten blieb der Pöl>el so sittenlos wie
zovor nml auch in den bessern Standen zeigten sich die bedenklichsten
Erscheinungen. Ein Rückschlag gegen dii^e Verweltlichuug war noth-
wendig, er bestand in einer allgemeinen Weltflucht der (»msteren
(remflther; zu stark drängte sich jedem aufinorks!imon Hoolmchter der
l'jndnick auf, dass es mit der alten Welt abwärts goho, ungestüm
kk>|iften die Rarliaren au die Pforten dos Röuiorreichs, alles was die
antike Welt auch an Gelehrsamkeit und Bildung besessen, st^hien dorn
Unteiyange geweiht, so schien es l)eRser, sich vor der Welt zurttckzu-
ziriien und zu scheiden. Ohnediess war die gefhhrlicho Unterschei(hmg
einer höheren und niederen Tugend aufgokonunen und diese Ansicht
von grösserer Vollkommenheit verlangte immer allgemeiner die Ehe-
#ia«Ai Winkel diMM RaumM lag angekleidet auf einer llolsbank eine nainnliehe QeeUU,
Aar F»ü«Bt Derselb« regte aleh beim Eintritte des Arites nieht mehr, auf eeinem
Aatlitse lagerte die Bli«ee des Todee, die Augen waren ntarr and weit geaiTnet. Was
di«M Erscbalnangen den Arsle verrletheDf bestütlgte ein Griff nach der Hand, der Pvl»
Miilag Bleht mehr, der Mann auf der Bank war ein Todter. Während der Wieder-
belebnogSTemaehe , weleha erfolglos verliefen, ersAhUe die l'mgebung de« Todten dem
Arat« die Krankengeschichte dieses Mannes, de« Fanatikers J. Rosonbaum, welcher
•Idi teehstiblieli ta Tode gequält hatte. Die letcte Kastenperiode des Bodauern^werthen
katle, wie dl« Leute sagten, neun bis sehn Tage angedauert. Während dieser Xeit
kaUe Roeaabauai weder Speise noch Trank su alch genommen und bis sura vorletxteD
Tage Toai Morgen bis sura Anbruche der Nacht in einem Nebengcraaehe dei* Tempels
la d^r 8chiffgA4«e gebetet. Abends begab er sieh von hier hinweg sa seinem Lager,
«elekeai selbst ein Kopfkissen fehlte. Die Stelle des letzteren verlrat eine vierfckige,
s€klef aa die Wand gelehnte Holstafel, i\ber welche er stets vor dem Schlafengehen
J SSI es klMierschÜrsenartige mit Hehaurädea versehene Gewand breitete , welches der
gfcreaggliiaMge als einen Talisman ununterbrochen am !>eibe behält. Die Aufregung
de« Amtae war in Folge dieser Hchilderung so gross, dasa er den Ilausleutan torief:
«Ihr eaid Mörder, warum habt Ihr den Mann verhungern lassen ?!'* Doeh diese, im
(iesaAtlie swar bewegt, entgegneten einfach: ^Er war ein Batltrhuic** (ein BOssar.)
• Vr*ee fT/ewer Taphlatt vom 17. Februar IS'6.) Wenn rin solcher erasser Fall von
religiiV*rm Fanatismus unter (!hri-«tcn sich sugetragcn hätte, welch iAiilk.»mmeneHpeis«
«are die» nicht für unsere angeblich aufgeklärte Prosse gewesen! Welch herrlirho
L astarUkal hAtten wir darüber au loaca bekommoal
14 AnAnge des MiiUUlteri.
lofiigkcit der Geistlicheuu Beinahe wirkungslos, wenigstens ohne sicht-
liarcii Ei*fblg vcrhallteu die Stimmen nüchterner Kirchenlehrer wie
Aerius, Jovinian, Vigilantius. Gerade jene Weltflucht, die in der
Trennung von der mcnscldichen Gesellschaft ein Verdienst sah, nahm
zu, das IkLspiel von Paul von Theben und Antonius, die in der
ägyptischen Wüste ein eriustes EiiisietUerleben fülnten, &nd unzälihge
Nachfolger. Längst st^ht fest, dass die Thüler des sinaitischen Alpen-
landes, vor allem tlie herrliche Oase Feimn, den Christen des II. und
111. Jahrhunderts eine willkommene Zufluchtsstätte boten. Die ganze
Gegenjl füllte sich mit Flüchtlingen aus den angrenzenden Ijändem,
nainentlicli Aegypten, in solcher Menge, dass ein Bischofssitz in Foirän
entstand. Eifriges Studium der heiligen Geschichte, tiefe Speculation
übi^r das Wesen Gottes und Christi, und Bussübmigen ernstester Art
zeichneten die Sinaichristen aus. Von hier ging das Mönchsleben und
Einsiodlerwesen aus. Am Djebel Serbai lebte Paulus der Eremite,
der 253 n. C*lir. die erste Congregatiou der Mönche gründete, hier der
Freund des grossen Bischöfe Athanasius, Antonius von Koma, hier
versanmielte der Bischof von Pharan die edelsten Männer und Glaubens-
helden, die begeistertsten Redner, welche Tausende von Christen an
sich zogen, die im Drange gottgefällige Askese zu üben oder aus
Ueberdruss an der Welt tVeuden in die Höhlen und Klüfte des Sinu
flüchteten.
Man irrt gewiss nicht, wenn man die Erscheinung des
Einsiedlerwesens mit der natürlichen Eigenthümlichkeit
des Berges in einen gewissen Zusammenhang bringt Der
Sorbalgi*aiiit zeigt nämlich ein höchst ausgeprägtes, kugelförmiges Ge-
füge, welches einer strahlenförmigen Anordnung der Feldspathkrystalle
entspricht, in Folge deren auch die Verwitterung der Granitmasse in
Kugel form vor sicli geht. Die weitere Folge davon ist die auch einem
Geognosten wirklich überraschende Erscheinung eine Granitwand voll
Höhlen und Grotten zu sehen. Der I^aie hält dieselben für Menscheii-
werk, mn so mehr als in die natürlichen Grotten Sitzbäuke, Nischen,
Bauchabzüge und Treppen eingehauen sind und in der Umgebung der
(xrotte Gescliirrscherben und Wasserleitungsröliren die Hand des Men-
schen bekunden. Die natürhchen Wohnstätten am Serbai, in einem
ewig milden Klima, in der Nähe von Oasen, die ohne Mühe dem
Ansiedler Nahrung boten, wairen einladend genug, ein einsiedlerisches
LelH»n zu führen und unbekümmert um die Sorgen dieser Welt einem
bescliauhchen Geistesleben sich hinzugeben.^)
El)enialls in Aeg>*i)ten ging das Einsiedlerleben in das Klosterleben
über durch Pachomius, der auf einer NiUiisel die erste Kloster-
gemeinschaft gründete; rasch breiteten sich die neuen Vereine ül)er
Kloinasien und S\Tien aus mid Basilius der Grosse gab ihnen die
Organisation, welche im (irun<le bei den Mönchen des Morgenlandes
heute noch Geltung hat. Im Abendlande fand das Mönchsthum viel
später Eingang. Athanasius brachte die ersten viel angestaunten
«) Osear Fraat, Per Sinai (Äu^lmmd 1878 Mr. 48 B. 050.)
Mönehtlmn ond KloiUrwMtii. 16
Möndie nach Rom, Cassianus in Marseille gab ihnen eine feste Ord-
nang, aber der eigentliche Organisator des Klosteriehens war Benedict
von NoTBia,') der seine Regeln den klimatischen Verhältnissen Italiens
and den geistigen RedQrfnissen seiner I^antlsleute anpasstc nnd so der
Stifter des Benedictinerordens ward , der so wichtig geworden
ist für das Klosterwesen des Mittelalters wie für die ganze Cultur-
gefichichte des Abendhindes.
Das Auseinandertreten der organischen Gebilde lässt sich beim
Ordenswesen eben so genealogisch verfolgen wie in der fll)rigen Natur.
Wie wir sahen besitzen die Orden ihren Ahnherrn in dem eigentlichen
Monaeßtus oder Einsiedler der Wüsten Aeg}i)tens und Palästinas.
Streng genonunen hatte auch er seine Vorgänger in dem noch sclioueren
Anaeboreten oder Zurückweicher, der die Annäherung von Menschen
nicht erträgt Konnte der Anachoret nicht mehr gera<ie aus, so suchte
er steile Felsen. Die Gebirgswände Süditaliens wunmelten einst von
solchen Bewohnern. Als indess die Menge der Anaeboreten und Ein-
siedler ein gewisses Mass 0l)cr8chritten hatten, mussten sie sich nach
fihysischen Gesetzen anziehen. So entstand in Oberäg}T>ten eine
organisirte Colonie von mehr als 10000 J^Iinsiedlem, die sogenannte
Tahenna, und nächst Jerusalem zählte die Laura des hl. Sabas
öCäMI Mönche. Alsbald verdichteten sich diese Institute zu förmlichen
(V>iiobien unter einem Dach und von einer Mauer umschlossen. Einige
Klöster — man kann sie wohl bereits so nennen — suchten das
Cönobioiii und die Einsamkeit mit eiimnder zu verbinden, indem man
bei Beginn der Fastenzeit die Thore öffnete, und so zu sagen „austriel)."*)
Ganz den nämlichen Vorgang können wir in der (regenwart bei
den siamesischen Phra oder Talapoinen beobachten, welche nur die
Regenzeit Ober in Ihrem Kloster bleiben, sonst aber als Bettelmöncbe
im I^ande umherschweifen. -*) Analoge Erscheinungen sind auch die
Derwisdie oder Bettehnönche des Islilm. Vollauf ist man daher be-
FMiitigt zu sagen: „So follen die Anfänge des Mönchswesens in Gegenden
md Zeiten, wo an ein Papalsystem noch gar nicht zu denken war;
man hat es also ursprünglich nicht mit einem hierarchischen
Manöver, sondern mit einem Stadium der menschlichen
Geistesentwicklung zu thun.^^^)
Die Klöster, dieses Vorbild des Socialismus, sind also nicht eine spe-
rübirh cJiristliche Institution. Eine dem Mönchsthume ül)eraus ähnliche
Fj^cfaeinung belassen in den VannpraAthaa die sinnenden Hindu,
an deren Weisheit die Völker Europa s zehren. Der Zweck ihrer Ent^
Hnung von dem geräuschvollen Treiben der Welt war Reinigung der
Se<*le nnd F^reichung des höchsten Grades von Vollkommenheit, dessen
'} la UmbrUn, gab. ij<0 n. Chr.
*» Martin Bchleleh, Zur Getehicht« und BttUutung dtr ,^iöil$rUeh€H 001*099^1^
b/Um,- iBttimg« aur ÄU§. Z0Hmng 1875 Nr. 107, 171, 173.)
*l I)a« N&liera übar da« Leben der Fhm und ihre Klöetar Mlahe in meinem Bodie:
Bitdmt'imditeht Länder nnd Y6lk4r. Btisan in dtn FlMatgebitttn d*9 Iratcmdd^ mnd Jfe>
tm Anmmm, Kamb^dteha mnd 84am, Leipslg 1876 8' B. 327 —331.
*) HarilB Sehleieb, A. a. O. Mo. 101 Tom IS. Janl ISIft.
Iß Anfang« des MiiUlalters.
die menschliche Natnr fähig ist Für die mit S(^clier Lebensweise
verbundenen Consequenzen gibt die Physiologie die nöthigenErkl&rungen;
kein Wunder, wenn ähnliche Folgen bald beim christlichen Mönchs- und
Eiiisie(lltTlel)en auftrateiL Nun beachte man, dass es für den Menschen
zweierlei Arten von Wahrheiten gibt, eine objective und eine sub-
jectivc. 1) Die seltsamen ßelianptungen göttlicher Inspiration u. dgL
seitens mancher Mönche oder Einsiedler beruhten auf Visionen und
llallueinationcn, welche von keinem Arzte oder Naturforscher gel&ugnet
werden, für die unter ihrem Einflüsse Stehenden also jedenfalls sub-
jective Wahrheit waren. Die Sinnestäuschungen beruhen auf einer
fiUsehen Verwerthung des sinnlichen Eindrucks, der offenbar da ist, nur
nicht von Aus8en angeregt. Die Illusion wird um so grösser, je mehr
Menschen daran theilnehmen, ^) und die feste, weil auf subjectiver
Wahrheit fussende üeberzeugung der Begnadeten verfehlte nicht auf
die Menge die tiefste Wirkung auszuül)en. Was das früheste Mönchs-
thum am meisten in modernen Augen zu discreditu*en geeignet ist,
war eine vollkommen natürliclie, physiologische Erschein wig. Genau
rlasselbe war das Orakelwesen der alten Hellenen, denen so wie den
Kölnern nachgerühmt wird, dass sie keine dem Mönchswesen ähnliche
Einrichtung hatten, wofür wohl die Gründe unschwer zu finden sind.
Unter den Gluthen einer heissen Sonne, in einem erschlaffenden
Ivlima, wo der Boden der Obsoi-ge für die Befriedigung leiblicher Be-
dürfiüsse enthebt, d h. das ]Sichtsthun begünstigt, entartete das
Münchthmn eben so naturgemäss wie das Cluistenthum. Die Reinheit
d(T ursprünghchen Institution ward getrübt durch den Hinzutritt von
Elementen aus den niederen Yolksclassen, denen eine sorgenfreie d. h.
mühelose Existenz Hauptsache war; damit riss auch Zügeliosigkeit in
den Sitten ein, denn, der Masse des Volkes entnonunen, hatten Mönche
und Nonnen keine anderen Sitten als jene der gi'ossen Menge.
Wie die christliche Religion nalun auch das Möncliswesen mit dem
Uel»ergange in kühlere Himmelsstriche und unter nüchternere Völker
andere Formen an. Unbestreitbar verlieh es dem Gehorsam und der
Denmth neuen Wertlr, Gehorsam al>er ist vor Allem zur Bildung
(Mnes Staates und Volkes nöthig, und man lebte in einer Epoche des
Völkei-werdens. Die Nationen des Alterthums waren abgestorben, die
germanischen und neui'omanischen wurdeiL So lange die Germanen
freie Horden freier Männer waren, bildeten sie weder Volk noch
Stiwt; Freiheit war gleichbedeutend mit Rohheit, Uncultur. Auch der
den Urwald durchschweifende Indianer ist frei. Um zum Staats- und
Voiksthume zu gelangen, musste diese Freiheit vernichtet werden mid
zu dieser Culturleistung trug das Klosterwesen Vieles bei, indem es
leid«'nden (Jelioi-sam und Denmth als das sitthche Ideal der Zeit hin-
stellte untl dieses im Mönche verköri)erte. Ist der Gehorsam ein emi-
') Virchow's Rede über die XaturwieeeneehafteH in ihrer Bedeutung /Br äi§
»ittiiche KrMiehung der Mentehheit. (AHeU^td 1873. No. 42. 8. 835.) Fant identisch
«pricht sich Prof. Dr. Ösear Schmidt aas in seiner Dencendentlehrt und DarwiHttmmt.
Lcipr.ig 1873. 8' 8. 13.
) A. a. O.
VOnththom ond Kloti«rweMn. l7
nMt ToUnbOdender Factor, so yerdanken wir dem eifrigen Einscfaftrfeii
der Dcmuth dio Mildernng mancher ursprünglichen Rohheit
An nnd für sich war das Mönchs- nnd Klosterwesen ein Gewinn,
wenn toch seine lieistnng nur darin gipfelte, einen Zustand zu schaffen,
aus dem die spätere Entwicklung mit allen Kräften herauszukommen
trachten muaste, der aber zweifelsohne ein nothwendiges Durchgangs-
stadium war. Wohin wir blicken, wir sehen diesen Satz allenthalben
bestätigt. Jene Völker America*s die durch höhere Gesittung und
staatliche Organismen Ober die freien Indianer hervorragten, schmach-
teten unter dem Joche grausamster Despotie, d. h. sie hatten das Sta-
^nm des Gehorsams erklommen. Unter dem milderen theokratischen
Regimente in Peru war die Unterwürfigkeit des Volkes nicht geringer
ala im blutigen Tenochtitlan. Später gelang das Experiment, ein
indianisches Staatswesen zu schaffen, blos den Jesuiten in Paraguay,
indem sie das Volk zum Gehorsam erzogen. Azteken, Peruaner unid
Ftfagniten stehen aber unzweifelhaft höher als die ungezähmten Apa-
cbesi, Comanches oder selbst die freien Germanen des Alterthums. Die
CiTififlation ist in der That nichts anderes als die Zähmung des Men-
schengesdilechtes. Wie jede Zähmung entwickelt sie gewisse Eigen-
sdiaften um gleichzeitig andere zu unterdrücken, und Alles, was
diesem Zwedce frommt, verdient die Anerkennung des Culturhistorikers.
Ich habe nicht zu untersuchen ob aus solcher Auffassung der Civifisation
der Pferdehuf des crassen Materialismus hervorblickt >), Thatsadie
*) Dmmo bttchaldlgi mich Otto Henne am Rhyn {D^uifeht Warft 1879.
Tin. B4. B. TT) nnd fOft bei: „Dleie Vergleiehang de« Meneehen mit den Obrigea
TIJotwi lil ftiekt aar grob, eondera hinkt eoeh. Der Menieh anierwirft lieli der
GivUieatiea IMwilUg oder gar nleht. Dee Thier hingegen, wenn nlekt tob sniunen
KMern geboren, wird aar dareb Gewalt getihmt. Oewalt hat aber Boek aie Moaeekoa
ClvIlleaUoa gtfUirt Die dTllitatloa Ut Tielmehr Ersiehnng and daker aar
bei VSUiern, welebe die elgentllehe Wildheit bereiU abgelegt haben, waa la
dar Bcgel darek den Aekerban geAChieht, der tekon um der Borg« für die Eiate willen
«• Wlldkeit aoeeeklie««t." Da di««e ganse Frage tod prineipieller Wiektigkeit ist, io
Win lak bei doreelbon Terweilen, obwohl Jeder leiebt eineehen kann, daee der ror-
gaWaelita Blawaad eia leeree Hirngespinnst ict, anf einer tiefen Unkeaatalee dar
dviliaatloBVTorgange berakend. Das Volk, weleket «iek freiwillig der ClTUitatioa
rworlen, wird kela Ktkaologe so nennen wiseen, TleUnekr lind alle Völker aaa-
iloe TOB jeker aar darek Oewalt elvllinirt wordea. Von wem dieee Gewalt
g*abt ward«, ob tob M#n»eken oder von swingenden Umstlnden, Indert nickte daran,
3Car swlagende Umetlnde f&hrAD den Uebergang lam Aekerban kerbei nnd Gewalt,
4. a. HMkigaag ist ja anek die Erslekang selbst, die als Gegensata wenigstens niekt
Ba%e(feiH werden kann. Jeder VSlkerkundige weiss , dase gans allgemein die Indianer
AMerina*e ta «sakme* und in ^wllde* serfallen, ond wie sekr diese Beseleknangen der
Wirkll4lkk«li antspreekea , gckt wokl daraus kervor , dsM die spaniscke Bpraeke genaa
41« aimliaaea Beseiekaangen (Indiot matttot und Indtot harhmrotj aaweadet. Aadi
Sckriftsleller bedleaen slek derselben ohne Bedenken («ieke Max von Versen
fesAe ArW/sif«. Leipt. 1876. 8. B. 149) und A. Sprenger eprickt gar
vaa dor «JCakmaag* der Beduinen (D/e AUt Ggofrmphit Ärahi€n$ att GmnäUt§0 dtr
m^f0UMwm§w§99ehUhi9 de« Stmttitmmt. D4rn 1975. 9. 8. 99$.) Das gewaltlkltlge
▼«rf»k«a darWelseea gegen die Indianer, oft als Nlektswttrdigkeit gebrandmarkt , let
kekennl geaag. «Die dSrre Wakrkeit iat aber, die sakmen Indianer sind darek Niekte-
wftrd^keMoa gesAknit wordea, wlkrend die wUdea BtAanie der Bioaz, CoiMaekee,
V. Hollwald, Caltargeeekickt«. S Aufl. II. 2
16 Anf&ngA des Mittel<erB.
(lio nioiiscliliclio Natiir fühig IbI. Für die mit solcher Lebensweise
vorbundcnoii (Km-scquen/ou fi^bt die Physiologie die nöthigen Erklärungen;
kein Wunder, wenn ähnliche Folgen bald ]mm christlichen Mönchs- und
Kinsi(Mli(Tl('lK'n auftraten. Nun iH^aohto niaii, dass es für den Menschen
zweierlei Arten von Wahrheiten gibt, eine objective und eine sub-
jc'etive. ^) Die seltsamen l(ehaui)tung(^n göttlicher Insiiimtion u. dgL
seitens maneher Mönche oder EinsiedhT lM*ruht«n auf Visionen und
llalhunnationiMi, welche von kehieni Ar/to (Hier Natuiforscher geläugnet
wenlen, für die unter ihrem Eintiusse Stx;hendeu also joden&lls sub-
jective Wahrheit waren. Die Sinnestäuschungen bendien auf einer
falschen Verwert huug des sinnlic^hen Kindrucks, der offenbar da ist, nur
nicht von Auss(mi ang(TOgt. Die lUasion wird um so grösser, je mehr
Menschen (hiran theilnehmeu, ^) und die fest«, weil auf subjecUver
Wahrheit fusstmde Ueber/eugung der Begnadeten verfehlte nicht auf
die Menge die tiefste Wirkung au.szuül)en. Was das früheste Mönchs-
thuni am meisten in mo<lernen Augen zu discreditiren geeignet ist^
war eine vollkonnnen natürliche, physiologische Erscheinung. Geiuui
diissellK» war das Omkelwesen der alt^Mi Hellenen, denen so wie den
Kömern nachg(Tühmt wird, dass sie keine dem Möncliswesen ähiüiche
Einrichtung hatten, wofür wohl die Gründe unschwer zu finden sind.
Unter den (rluthen einer htnssen Sonne, in einem erschlaffenden
Klima, wo (hu* Boden der Obsorge für die Befiiedigung leiblicher Be-
diU'fnisse enthebt, d h. das Nichtsthun begünstigt, entartete das
Mönchthma (.'ben so naturgemäss wie das Clu'istenthum. Die Reinheit
der ui-siuünglichen Institution ward getillbt durch den Hinzutritt von
Elementen aus d(*n niederen Volksclasscn, denen eine sorgenfreie d. h.
inülielose Existenz Hauptsache wai*; (Limit riss auch ZUgellosi^eit in
den Sitten ein, denn, der Masse des Volkes entnommen, hatten Mönche
und Können keine anderen Sitten als jene der grossen Menge.
Wie die clnnstliche Heligion nahm auch das Mönchswesen mit dem
Uebergange in kühlere Hinnnelsstriche und unter nüchternere Völker
anden^ Formen an. UnbestrcMtbar verlieh es dem Gehorsam und der
Dennith neuen Werth; (rehorsain aber ist vor Allem zur Bildung
eines Stiuites und Volk(^s nöthig, und man lebte in einer p]|)oche des
Völk<'rwerdens. Die Kationen des Alterthums waren a1»gestorben, die
^i^ennanischen und niun'omanischen wurden. So lange die Germanen
freie Morden freier Männer waren, ])ildeten sie weder Volk nodi
Stiuit; Freiheit war gleichluMleutend mit Kohheit, Unciütur. Auch der
den Trwald durcJisi'h weifende Indianer ist frei. Um zmn Staats- und
\'olksthinn<' zu gelangen, musste di(^se Freiheit vernichtet werden und
zu dieser FuIturhMstung trug das Klosterwi^en Vieles bei, indem es
leiih'ndcn (ri'b<»i*sain und Denuith als (Üls sittlic^Iic Ideal der Zeit hin-
stellte und dieses im Mönche verkörperte. Ist der Gehorsam ein cml-
') Vircho\v'H lietle über die XaturwintemchafUn in ihrtr Bedentumg fUr H$
hittlühf Krziehuiuj dtr MiHaehhfit. CAnBl<vtd IST.i. No. 42. 8. S36.) FmI IdentUck
»^prii*ht Hioh Prof. Dr. Oectir Schmidt aud in MincT J>t8cendemhhrt und Dmrwimitmwt
l.oip/.ip IST.'J. S' 8. i:i.
) A. a. (>.
VOnththoBi und KlotterweMn. l7
nMt ToUnbildender Factor, so yerdanken wir dem eifrigen Einscfaftrfen
der Demuth dio Mildernng mancher ursprünglichen Rohheit
An und für sich war das Mönchs- nnd Klosterwesen ein Gewinn,
wenn toch seine Leistung nur darin gipfelte, einen Zustand zu schaffen,
aus dem die spätere Entwicklung mit allen Kräften herauszukommen
tnchten muaste, der aber zweifelsohne ein nothwendiges Durchgangs-
stadium war. Wohin wir blicken, wir sehen diesen Satz allenthalben
bestätigt. Jene Völker America*s die durch höhere Gesittung und
staatlidie Organismen ttber die freien Indianer hervorragten, schmach-
teten unter dem Joche grausamster Despotie, d. h. sie hatten das Sta-
dium des Gehorsams erklommen. Unter dem milderen theokratischen
Regiroente in Peru war die Unterwürfigkeit des Volkes nicht geringer
ab im blutigen Tenochtitlan. Später gelang das Experiment, ein
indianisches Staatswesen zu schaffen, blos den Jesuiten in Paraguay,
indem sie das Volk zum Gehorsam erzogen. Azteken, Peruaner und
Pkraguiten stehen aber unzweifelhaft höher als die ungezähmten Apa-
dies, Comanches oder selbst die freien Germanen des Alterthums. Die
Cinfiaation ist in der That nichts anderes als die Zähmung des Men-
schengeschlechtes. Wie jede Zähmung entwickelt sie gewisse Eigen-
sdiaften um gleichzeitig andere zu unterdrücken, und Alles, was
diesem Zwedce frommt, verdient die Anerkennung des Culturhistorikers.
Ich habe nicht zu untersuchen ob aus solcher Auffitssung der Civifisation
etwa der Pferdehuf des crassen Materialismus hervorblickt >), Thatsache
*> Dmmo b«tcholdigi mich Otto Henne am Rhyn {D0ui9ch4 Warft 1879.
▼m. B4. 8. 17) nnd fOft bei: „Diese Vergleiehnng dee Meneehen mit den Obrigna
Tktoran lil »iekt nnr grob, sondern hinkt eneh. Der Menteh unterwirft eiek der
Clvillentioa ÜreiwitUg oder gar nlelit. Dee Thier hingegen, wenn nieht tob snhmen
EHmrm geboren, wird nnr dnreh O e w e 1 1 gesihmt. Oewelt hnt eher noeh nie Meneekna
wmt CivUieetion gtfUirt Die CiTÜitetion iet Tielmehr Ersiehung und dnker nnr
■iflirli bei VdUiern, welehe die eigentliehe Wildheit berelU abgelegt haben, wae in
dar Ecgel dnreh den Ackerbau geiiehieht, der eehon um der Sorge für die Etfte willen
dto Wildheit aneeehlieeet." Da diese ganxe Frage von prineipieller WlehUgkeit ist, io
will Ml bei derselben Terweilen, obwohl Jeder leioht einsehen kann, dase der vor»
gnfcsnrtta Blnwand ein leeree Hirngespinnst ist, auf einer tiefen Unkenntniee dar
Civil lentlonvTorgänge beruhend. Das Volk, welches sieh freiwillig der CiTilisation
«■«•rworfra , wird kein Ethnologe tu nennen wissen, vielmehr sind alle Völker an*-
"nnllnislnt Ton jeher nur durch Oewalt civiliKirt worden. Von wem dieee Gewalt
(■Abt wurde, ob von Menschen oder von swingenden Umständen , Indert nichts daran,
Ttmr swingende Umstlnde führen den Uebergang snm Ackerbau herbei und Qewalt,
4. k. ICftChigung ist ja auch die Ertlehung selbst, die als Oegensats wenigstens nicht
— ijiefeesi werden kann. Jeder VSlkerkundige weiss , dass gans allgemein die Indianer
A»nrien*e In ,sahme* und in „wilde* serfallen, nnd wie sehr diese Beteiehnungen der
WlrfclSehkelt antepreehen , grht wohl daraus herror , dass die spanische Sprache genau
di* nimlirben Beseichnuagen fimdict wu$mtot und Imdto$ harhmrotj anwendet. Audi
BchriftstcUer bedienen sich derselben ohne Bedenken (siehe Max von Versen
8trH/güft. Leipt. 1876. 8. B. 149) nnd A. Sprenger epricht gar
d#r pZAhssnag* der Beduinen (D/e AUt Oeo^rmphit Ärahitnt mU Gmnälm§€ «fer
l^wukiwm§9§fchiekit des atmfttwmm: Jftrn 1975. 8. 8. f99.J Das gewaltthltigc
Targehea der Weissen gegen die Indianer, oft als Niehtswttrdigkeit gebrandmarkt , iet
bekaaat geang. „Die ddrre Wahrheit ist aber, die sahmen Indianer sind durch Niehte-
wärdigkeitea gesAhsst worden, wlhrend die wUden Btlmsse der Bionz, Comaaahee,
V. Heliwald, Cultnrgeeahichte. S AulL IL 2
18 Anfinge des llittelelters.
ist, dass Bie der Wahrheit entspricht Die rohen Stämme der Germanen
iniLsston demnacli gezähmt, zum Gehorsam, zur Unterwürfigkeit gebracht
wenlen, damit aus ihnen staatliche Gemeinwesen, zu höherem Cultur-
aufschwunge befUhigt^ erwachsen konnten. Niemand hat aber die zäh-
mende Macht des Christenthums in EuroiMi mehr verbreitet als die
KJüster, deren sittlicher Entartung hier schon das rauhere fiilima zam
Theile Schranken zog. So untersagte es z. B. das stisse Nichtsthim,
welches die Mönche im Süden, lH3i den Buddhisten in Cliina und Hinter*
indien und bei den Azteken — denn selbst diesen fehlt das Kloster-
wesen nicht ') — zu einer Ileerde von Faullenzeni machte; viehnehr
konnte sich das Mönclisthum der Arl)eit nicht entziehen. Zwei Ilanptr
Verdienste pflegen die Klöster für sich zu beam^pruchen: Urbarmachung
des Ikxlens und Erhaltung der dassischen Schriften des Alterthmns.
In Ixiidon Puncten überschätzen die Verehrer des Klosterwesens dessen
Venlienste während seine systematischen Verkleinerer den umgekehrten
Felder begehen. Vergebens wird das alte Germanien als cultivirter
Bo<len dargestellt. Die kaum sesshaften Germanen beachteten den
Ackerlwiu, eine wilde und ganz extensive Feldgras^lrthschaft, *) wenig,
überliessen dessen Betrieb den Sclaven, ziunal auch Klima, Nässe, aus»
gedehnte Sümpfe, — Folgen der aiLsgedehnten Waldungen — denselben
nur schwach begünstigten. An die grossen Forste Galliens sciüossen
siirh die ausgedehnten Coniferen -Wälder Germaniens, wie die silva
Marciatta, Barcernfia, Caeaia, Hercynia u. a. unmittelbar an. Für
di(j deutsche I^ndwirthschaft brach eine günstigere Zeit im Süden und
Südwesten erst mit dem CTiristenthume heran, als viele Klöster und
andere geistliche Stiftungen in noch unbebauten Gegenden sich an-
sie<loltcn; durch sie wurden viele Gedungen urbar gemacht und bebaut,
durch sie kamen viele noch unbekannte Culturpflanzungen
in das Land.^) Man wendet nun ein, die Bekehrungen worauf das
Mönchsthum es abgesehen, bedingten an sich das Aufsuchen der volk-
reichsten, gewerbsamsten und blühendsten Landschaften; Wildnisse wären
dazu niclit geeignet gewesen; auch liätten die meisten Klöster schon
U'i ihrer Begründung verstanden, in den Besitz einer Masse bereits
angoliauter liändereien zu gelangen. Doch gibt es auch für das Gegen-
theil genugsam beglaubigte Zeugnisse. So wurden der Jura und die
Wildnisse des Schweizer Oberlandes dui-ch Mönche urbar gemacht; einei
Menge Klöster in der Schweiz, z. B. St. Gallen und das berühmte
ApAches und der nördlichen Montana -Indianer eben noch nieht gcnng NiehtswOrdtg-
keitrn erduldet haben, um in Ihrer Widorntandskraft gebrochen und oben damit aabm
zu werden.** (John H. Becker, Di$ hundertjährige Republik, Augsburg 1876. 8. S. 106.)
Der Vergleich zwi<>ehen CivIUsation und Zähmung hinkt also nicht im Mindesten; ••
sind Beide identi«cho Vorgüngo.
') Es gab Mönchs- und Nonnenklöster, dem Quctsaloohuatl geweiht. Der
Ordon nannte sich Tlamaeaxcaifotl. Bei den Totonnkon bestand ein Münchsordett,
welcher dem Centeotl und der Tonacayohua gewidmet war. (J. W. v. MQllor, Beitr§g0
tur Geeehichte, Statistik und Zoologie von Mexico. Leipzig 1865. 8'. 8. 115—116.)
'; Vgl. W i 1 b. U o rt c h c r , Nationalökonomie de$ Aekerhauee und der venfianditm
UrproduetioH. Stuttgart 1873. 8* B. 57.
';Löbe, Oeechichte der deutechen Landwirihechaft. 8. 2.
MöiiAtluim and Kloikei^^n. 19
Einsiedebi haben keinen andern Ursprang. *) Auch noch später anter Karl
d. Gr. leisteten die Klöster solche Dienste. Der weitere Vor^iuf, dass, wo
ein Kloster bestand, sei ringsum alles freie Privateigenthum versdiwan-
dea» ist für die spätere Zeit richtig; culturgeschichtlidi falsch bleibt
aber, ohne diese Zeitangabe, der Sclüuss, die Wirkung der Klöster sei
(Hne höchst scliädliche, oft geradezu verderbliche gewesen. Anftnghdi
waren die Klöster dn Culturgewinn, von entschiedenem Nutzen fOr die
Bodenbebauung; aUmählig schlichen sich Missbräucho ein, die den ge-
stifteten Nutzen wieder aufhoben und endlich in sein Gegentheü ver-
wandelten. Diese Missbräache mit den allgemeinen socialen Verhältr
niasen zusammenhängend, lassen die Aufhebung der Klöster als einen
eben solchen Culturgewiim erscheinen wie es einstens ihre Gründong
gewesen.')
Die Verdienste der Klöster um Erhaltung der classischen Schriftea
sind gewiss nicht hoch anzuschlagen, denn die meisten Schätze des
AUerthums sind durch die Bvzantiner und Araber erhalten worden.
Man Qbersieht nur, dass die Conservirung dieser Schriften gar nicht
Ao^cabe der Klöster und Mönche sein konnte; weder darf der Cultor-
furscher dies gerade von ihnen fordern, noch sie ftir die etwaige Zerw
storong der heidnischen Schriften verantwortlich machen. Diese mussten
viefan«^ mn Gräael in christlichen Augen sein und das Bestreben, sie
dorch fromme Betrachtungen im Style damaliger Mönchsweisheit, des
InbefpifEs der höchsten Bildung jener Epoche, zu ersetzen, war eben so
am PlaU, wie heute die Verdrängung der „TractAtlein^ etwa durch
natorwisBenschaftliche Abhandlungen. Die Unwissenheit der Mönche
wir gewiss tief genug; doch rohe Zeiten werden nur durch rohe Völker
bedingt and das Mönchsthom wie die Priesterschaft ging aus dem Volks-
Umme hervor. Die Ignoranz des weltlichen und klösterlichen denn,
die Barbarei der Kirche, die grausamen Verbrechen der (^ttrsten, äe
von der tiefen Kohheit, worin die Gesammtheit noch befangen
r, and der einzige statthafte Schluss ist der, dass es in den ftbrigen
VolkaBchicbten noch viel trüber aussah. Nichts ist verkehrter, ak
*> Vgl. AI fr. Maury , lütt. d€$ grarndtg forftg dt la GauU. 8. 261—265, wob«l
t tick KaopUIehlieh auf Johannet von MQUer, Gstehichte schtteiMeHachtr Sidff'
^mft, 1826, staut.
*t Dam übriganii aelbtt in d#r Gegenwart noch nicht aller Natten d«a Klottar*
«rlotehaa, aeigt« dia Wirk»amkeit der Ordeasscfawaiitcrn im Jfingiit4>n daulMk*
fraoaöaiackan Kriege, deren Auftreten wohlthuead iron dem der freiwilligen Kranken*
pAegariaaaa ab»tacli. Prinaeaein Halm-Halm, die eich selbst in hervorragender Weia«
aa der Krankenpflege batheiligte, sah sieh genüthigt uro Ordenspchweatern au bitten
«ad eraihlt darüber: „Hchwestern vom Orden Ht. Vineens de Paula kamen bald an,
ervetataa die freiwilligen Uebelthlterinnen, und Alles verbesserte sieh in wunderbarer
Wet*e. Diese Schwestern eo<]uettirten nicht und guckten i^ich nicht nach einem Manne
mm, dean sie waren fertig mit der Welt ; sie teh&mten sieh nicht Haadarbalt au thun,
•ad aaakiaa sieh nicht. Kuhig und gehorsam thaten sie, wa^ von ihnen von ihren Obaraa
«•rU»gt wurde und selbst diejenigen Doctoren , weiche geneigt gewesen waren, die
Partei dar fraiwiUigen Krankenpflegerinnen tu nehmen, musi*ten sugeben, dass sie aelbat
«ad d»a V«rw««daten dorch den Wechsel »ehr gewonnen hiltten/* (Pr iaseati« Felix
aa (ialni-aata. 2»hm Jährt amt rnuimtm Uktn. 1662 bis 1672 btitttgart, IST». •*.
III. Bd. B. U7— 196)
2^
20 ABfÜBge dM MittolAltms.
aus diesem aUgemeinen Zustande- die schwerste Anklage gegen das
Mönchsthum zu erheben. Unwissenheit, Rohheit und Unsittlichkeit
waren gross im Clerus und in den Klöstern, grösser noch aber ausser-
lialb derselben und man hat kein Beispiel, dass der Clerus eines Ijandes
je einem aiiarten oder anderen als einem allgemeinen Yolkslaster
gehuldigt hätte. *) Seltsam ist es einen Karl d. Gr. aber die Un-
wissenheit der Mönche klagen zu hören und dieserhalb in neueren
Schriften anführen zu sehen, während bekanntlicb dieser Fttrst erst in
vorgerücktem Alt^r zu lernen begann, es aber nimmer zu etwas bringen
konnte. Haben die Klöster nur wenige hervorragende Namen hervor-
gebracht, so sind unter den I^aien jener Epoche deren noch weniger
bekannt Man kann die Unwissenheit der Oeistlichkeit beklagen nnd
doch erkennen, dass sie immer noch gebildeter war als die Massen
und unteren Schichten des Volkes. Zweifelsohne lehrt die vergleichende
Völkerkunde den stetigen Zusanmienhang zwischen der Bildung der
Massen und ihrer Priesterschaft; das Niveau Beider steigt und sinkt
gleichzeitig, immer aber steht es bei letzterer um etwas höher. So
war es auch Aiifsrngs des Mittelalters; die ersten Schulen waren die
Kathedralschulen der Bischöfe im VI. Jahrhundert, im Vll. öffneten die
Aebte dem Schulunterrichte die Pforten ihrer Klöster. Was hier eriemt
wurde, war wenig, doch aber mehr als die grofse Menge wusste nnd
die Gesammtsumme des Wissens zu jener Zeit bei den germanischen
Völkern unbedingt grösser als zuvor, ehe Geistlichkeit und Mönchsthum
diese belelu*ende Thätigkcit eröffnet. Genau den nämlichen Segen
verbreitet in Birma und Siam das buddhistische Mönchsthum. Das Volk
hängt mit grosser Ehrfurcht an diesem Ordensclerus, und nur ein
einziges Mal hörte Bastian aus dem Munde eines verstockten Welt-
kindes, es würde in Siam Vieles besser werden, wenn man nicht mehr
die Bäuche so vieler Mönche füttern müsste. Allein es ist ganz klar,
dass die gesammte Bildung des Volkes von diesem Clerus sich herleitet,
und wenn auch diese Bildung vorzugsweise eine religiöse ist, wer wollte
überhaupt läugnen, dass selbst eine ausschliesslich religiöse ganz unver»
gleiclilich besser wäre als gar keine? ') Die Rückwirkung der Ignoranz
des Clerus auf die allgemeine Volksbildung ist unverkennbar, aber was
nicht genug l)etont werden kann, ist, dass alle socialen Erschei-
nungen, Ilcligion, Priesterwesen, Kegierungsform und viele andere
Dinge aus dem Volke heraus, nicht der Zustand des Volkes ans
diesem zu erklären sind. So wie ül)erall die ethnischen Verschieden-
heiten ursprünglich, angeboren und bleibend sind, keineswegs Eni^bnia
der politischen und religiösen Formen oder des Bodens und Klima's,
so beruhen die socialen Ersdieinungcn auf den ethnischen
*) 8«hr schön weift di«t Daeh Thomas Wrlghi, Homti 0/ o#k#r dcjf«. Dlt
Angelsachsen waren grosse Trinker, aueh der Clerus (8. 41) ; di« Jagd war die HAspUtttl
des Volkes, ihr lag auch der Clerus ob (8. 81); am wenigsten konnte aber die am»
Volke hervorgegangene christliehe Priesterschaft sieh mit dem Cölibat bef^eund»
die Beitchuldigung der Unsittliehkeit besohrknkte sieh darauf, dass die angelsftehtlMkm
QeistUehen fortführen, wie in der Ueidenseit, Weib und Kind la behalten (B. 0^.
•) Äu$ta$td isa7. Nr. 84. 8. 6ü0.
Di« f enBAals«h«n Bdaht. 21
gangen. Der grosse Irrtbum besteht darin, lediglich als Factor
anzosehea, was selbst schon Prodact ist Alle Besdiuldigungen wider
das MOnchsthum sind also unbedenklich zuzugeben, ohne desshalb dessen
cohorgeschichtliche Bedeutung zu verkennen. Einmal freilich musste
der Moment kommen, dem keine menschhche Einrichtung entgeht, wo
nfimhcfa ihr Untergang eben so nfitzlich und nothwendig wird, als es
ihr Entstehen gewesen. Dieser zweite Moment darf nicht blind machen
fär den ersten und es ist kaum wissenschaftlich von der Gesammt-
wirkung lang andauernder Institutionen zu sprechen, deren Wirkungen
selbstverständhch von Jahrhundert zu Jahrhundert wechsehide sein
mnssten. Lassen wir es uns an der Erkenntniss genügen, dass für die
AnflUige der Cresittung das Klosterwesen ein Culturgewinn ^) war.
Die germanischen Reiche.
Die Wirkung der Völkerwanderung war die Bildung germanischer
Reiche unter Modifikation des germanischen Königthums durch Annahme
der Kleien der römischen Kaiser. Der Adel, das Lehenswesen und
die (luistianisirung der Germanen stehen nicht in nothwendigem Verbände
mit der Völkerwanderung; ihre bleibende Folge war die Entstehung
der drei grossen romanischen Nationen und Sprachen, die Gliederung
der europftisdien Staaten mit der Centralstellung der ungemischten
IteQtsdien, und die (überwiegende Cultur der von der Völkerwanderung
betroffimen Nationen.
In Italien waren aus Pannonien ostgothische Schaaren schon
488 eingewandert, erst 493 nach Odovakar's ^ Tode aber gelangten
9«e unter Theodorich zur Herrschaft, die dieser bald Ober die ganze
Halbinsd aasbreitete. Auch er erkannte die I^henspÜicht gegen den
ostrOfBisciien Hof an, auch er strebte nur darnach, Rom*s alte R^
fdentngsform zu erhalten, zu kräftigen, ihren verfallenden Institutionen
frisdien Lebensgeist einzuhauchen, — freilich ein vergebliches, weil
muDÖgUches Beginnen — und ohne das militärische Uebergewicht seiner
(ffOÜien zu gefthrden, die alte Bevölkerung durch Milde zu versöhnen,
üie nach und nach zu der Höhe ihrer Gebieter zu erheben, die sich
dnrdi Tapferkeit, Thatkraft und Treue, die Merkmale eines jugendlichen
Volkes auszeichneten. Gleiche Gesetze ergingen für Römer und Gothen,
Befriile an die Eroberer Gut und Blut ihrer Mitbürger zu schonen.
RfdiC und Verwaltung blieben in den Händen der Eingeborenen; zwei
*) UB»ftt]iig auf di« Frage einxugektn, welches de« eigene Looe der Kloeterb«-
T^Ik^rmg gewesen. Wir wieeen, da«e jeder Culturgewinn sieb nur auf Kosten des einen
Tk«il«e d«r Mensehheit Tollxieht. Das Klosterleben ist keine in unserem Sinne glQck-
lidba Kaietcna, allein Jedes Urtheil hierüber ist nothwendigerwei«e subjeetiv, also
r«HBrki«i(Misch werthlos; ferner steht fest, dass trots des häufigen Zwanges lusserer
Verk4ltaisee im Allgemeinen der Eintritt in's Kloster freiwillig geschah, Jeder dem-
a^ak teiftes eigenen Oiaekes Bchmid war ; wer sihli endlich selbst in unserer anfgeklArten
0«g«»wsrt die Opfer eines verfehlten Berufes?
^ Biake Ober diesen Felix Dahn: TheodoHeh dtr Gr9§M und Od^99kar. fBtt'
Imf «w Aja§. Ut»9. 1S7S. Mo. 100)
22 AnfKngo des Mlitelalten.
auf ein Jahr gewählte Consnln, einer von Theodorich, der andere vom
oströinischen Kaiser emaimt, stellten ein Bild der alten Staatsverfassung
dar, und während Ackerbau und Künste in den Provinzen wieder auf-
lebten, feierte Rom selbst die Besuche seines Gebieters, der die Be-
dürfnisse seiner Bewohner beftiedigte, mit Sorgfalt die Denkmäler seines
früheren Glanzes erhielt. ') Mit dem Frieden und dem Ueberflussc
erwachte die Hoffnung und lebte das Studium der Wissensdiaften wieder
auf. Der letzte Strahl der classischcu Literatur vergoldet die Regienmg
dieses „Barbaren.'^ ^)
In socialer Hinsicht gelang indess die Verschmelzung der beiden
Volksstämme nicht. Glaubensunterschiede mochten das Haupthindemiss
bilden. Die Gothen waren Arianer, die Römer Katholiken, unter
welclien schon der Bischof vjn Rom eine hervorragende, gebietende
Stellung einnahm. Audi der Ursprung der päpstlichen Macht reicht
noch in die Zeiten des Römerthums zurück, ist lange vor Ende des
Westrdches schon deutlich erkennbar. Die Glaubensversdiiodenheit
zwischen Gothen und Römern führte zu inneren Zwistigkeiten, welche
den byzantinischen Machthaber veranlassten, seine schlummernden
Rechte über Italien, dessen Bevölkerung den FeldheiTu Belisar als
Befreier begrüsste, geltend zu machen. In den Augen der Römer
blieben die gennanischen Gothen stets Fremdlinge, ein Gegensatz, den
die Verschiedenheit des Glaubens und der IVIachtstellung im Staate nodi
steigerte. In den folgenden Kämpfen erloschen Stamm und
Name der Ostgothen für immer, was nur bei ihrer ausserordent^
liehen Minorität erklärlich ist; wahrscheinlich blieben sie vorzugsweise
auf das Heer beschränkt. Ihre sociale Fremdluigsstellung scBliesst
indess nicht aus, dass sie in ethnischer Hinsicht gewisse, selbst sprach-
liche, allerdings kaum nennenswerthe Spuren in Italien hinterliessen.
Nach dem Untergange des ostgothischen Reiches mit dem oströmischen
Kuiserthume wieder in Wirklichkeit vereinigt, ward Italien in Graf-
schaften und Ilerzogthümer getheilt, und gehorchte dem Exardien zu
I{avenna, dem Vicekönige des byzantinischen Hofes, bis diesen die 527 in
Pannonien^) und 5G8 in Nordittüien auftretenden Langobarden, gleich-
falls von germanischer Abkunft aber geringerer Cultur als die Gothen,
aus einzehien Theilen vertrieben und ihm in den übrigen nur ein
geschwächtes Ansehen überliessen. *) Sie tingen wesentlich zur Um-
wandlung des römischen in das heutige italienische Volk bei Ihnen
gelang es nicht nur ein mächtiges Reich zu gründen, sondern auch sich
in der I/Onibardei dauernd niederzulassen und ihre Herrschaft allmfthlig
bis an die Südspitze Italiens auszudehnen. Wahi'scheinlich hatten um
(las Jahr 8W die I-angobarden schon die romanische Sprache ihrer
') äiehe Grcgorovia». A. a. O. I. Bd. 8. 269—283.
*) Bryoe. A. a. O. 8. 20—21. — Vgl. auch über dio Ostgothen Job. C^ap.
Mauso, Gttchichte de» ostgothisehtn Reichts in Italien. Breslau, 1828. 8'.
*) Erläuternde VorhemerkuHgem mu Spruner-Menke : Handatlae Mur (M$»eMekt9 ds§
Mittelaltert und der neueren Zeit. 3. Aufl. Gotha. 8. 13.
*) Brycc. A. a. O. 8. 21. Vgl. auch Felix Dahn, Ge§ehichit d4r Ottgoihm.
1861.
Dl« f «rrnftnUclitta Belelie. 23
Untertlianen angenommen, und vom Arianisrans dem Katholidsmus sich
Ki^'wandt; fv9t steht,, dass seit 900 n. CTir. auf de^ IlaFbiasel in ihrer
ganzen Ansdehnnng bis nach Sicilien Dialecte gesprochen wmxlen, die
nur wenig von einander abwichen und schon als italienisch gelten
dOrfeiL
Auch jenseits der Alpen bestanden die alten Rechte des RcicheiB
theori'tisch fort, wurden nie gesetzlich angehoben und stets von den
durrhgehends germanischen Eroberern, den Vandalen, Alanen,
Sueven, Westgothen und Franken, anerkannt. Ihnen Allen, mit
Aasnahnie der liCtzt genannten, l)eg«»gnen wir auf der iberischen Halb-
ia»»eL wo sie verschiedene, meist ephemere Reiche bildeten, ein Beweis,
i\sL^ stets nur numerisch schwache Kriegerhorden, nicht ganze Völker
ilJt*so Staatswesen schufen. Die Vandalen Hessen sich mit den Sucven
in (lalli/ien um 411 nieder und gründeten im alten ßaetica ein zweites
I(i*ic*h, sind alier 419 schon auf Ix'tzteres l)eschrftnkt, während die
Saeven «las grosse Reich der Alanen verschlungen hatteiL Doch bald
lM*niiU*htigen sich die in Gallien, l)esonders in Aquitnnien eingewanderten
W'estgiithen d(»s Suevenreiches, von dem nur ein kleiner Theil in Gal-
lizien sich erhält, und verdrängen 429 die Vandalen nach Africa, wo
diese sich, f)l)gleitli nur eine Handvoll Leute, 5o,0(K) Mann, den ganzen
nördlichen KOstensauin, Algerien und Tunesien, dann die Mittelmeer-
eilande Sicilien, Sanlinien, Corsica und die Ikilearen unterwerfen,
rnzweifelhaft waren die Vandalen einer der rohesten germanischen *)
Stamme, allein was ül>er ihre Verwüstung den Berichten erbitterter
< ferner glilubig nachgf»schrieben wird, ist grösstentheils Faliel. Sic
U'liandrlten die alten Einwohner des I^andes, die Berber, mit Güte,
nitteten sie kein(»swei?s aus, trachteten jedwh, den unter den Römern
einKeriss<»nen sittlichen Zuständen zu steuern. Die öffentlichen Dirnen
muviten beirathen und auf Ehebruch stand Todesstrafe. Was sie
Ghkm's verrichteten geschah mit Hülfe der Ik'rl)er, die von Hass gegen
UiMii bestreit mit ihnen eine Art S<*hutz- und Tnitzbündniss eingingeiL '^)
Rum. von Geiserich mit Hülfe diesiT l^rl>er 455 erstürmt, ward
nk-ht zerstört, sondern sie l>e^nügten sich mit s^'stematischer Auflh
raulMum; ■*) die Schätze der geiilündeiten und verödeten Stadt dienten
theilweis.* zur Verschönerung der Königsburg in Carthago. *) Fant ein
Jmhriiund(*rt hing blühte das Vandal(>nnMch in Afritu, bis es dinrh
innere rnnihen uml Vei-^eichlichung des kriiftigen Volkes in dem
') Kt i«t kein Qrund vorhanden, die Yandalcu für nicht^rrniAniAchet oder auch
Bar für rin g4>>inirchtr>ii Volk su halten, wie Öchafarik, Siavinehe AiUrthümtr. I,
1^. 41S, der nie für ein Gemisch von Sucven, HIavon und Kelten ansieht. Manu er t,
G^rmmmitm, K. Xti. Barth, Ttuttchtand'» VrgtBchiehtt. II. Bd. H. IUI. Friedr.
Miller, Atty. Eihmoympki*^ H. 479 xihlen dio Vandalen einfach su den gernianii4c-hen
t^tAamen, de^gleirhen Frans v. Loher, der vnn ihnen gar die Ouaochen, di« au«-
g»«torb^&en Be%«uhnar der eanarl^ehen Inneln ableiten ^^ill.
•i Felix Fapencordt, (ifnehiehte der vanädlitehen H€rr§cha/t im A/Hka.
Berlin 1^7. H. t^, 214.
'• lir ef*oro viu'. A.a.O. I. Bd. H. 201— 2i;9.
iWolfgaog Menserii Uetchiehtt der Deutichen. Biuttgari und Tübingen
1-j: S' A. »—»7.
24
Oppigen Kfina imtergiiig and 553 toh Be&v Ükr Bfiaiiz erobert
ward. *) Oinrohl seither aus der Gesciiicfate Tersdiwmdeiid, will huui
ihn: SpnreD in eini^ii bianingigeii, hfendhaarigen, berberiBchen Kjdiyleii-
stimmeii Nordafrica's erkenn^L *)
Die Westgothen. tot den Ostgolhen in Italien, dann nach
Gallien and Hispanien gezogen, sahen sich mn die Ifitte des Y. Jahr-
hnnderts als fest alleinige Herrn der Halbinsel nnd dnes grossen Theife
Galliens jenseits der Loire; nor ein^ baskische nnd cantahrische Y(tter-
sdiaften in den PjrrenAen ond den Gebiigen Astoriens blieben anonter-
worfen; erst drei Jahriionderte später wich die westgotlusche Herrsdiaft
dem ongestfbnen Andränge des Islam, nicht chae theilweise das heutige
Idiom der Halbinsel vorbereitet zu haben. So mannigfiuA aoch HSs-
paniens wechselnde Schicksale im Y. und VL Jahrhunderte, die herein-
gebrochenen Khegerschaaren waren wieder nmnerisdi zn gering, om
eine grftndhdie Yeränderong der Zustände za bewirken. So blieb die
römifMrhe Provincialeintheilimg der späteren Kaiserzeit anter den ger^
manischen Königen; anch die converUus juridtci worden Tim den
Westgoihen nnd in der ersten Zeit von den Soeven beibdialten. ^
Das rOmisdie Recht erhielt sich in Spanien und Sadgallien, Yerbeaserte
Aufgaben des Theodosiamschen Codex ^} wurden Ton Ft&rsten der
Westgothen und Burgunder veröffentlidit und die ersteren gestatteten
den Städten des Mittelmeeres Tribut nach B>'zanz zu senden, &) welches
nach dem Falle des Yandaienreiches aoch auf Sidlien, Sardinien, Gcmca,
den Balearen nnd an einigen spanischen Küstenplätzen herrschte. Ja,
das africanische Tanger (Tingis) mit seinem Gebiete blieb ostr<kni8di
bis 711. *)
Die Franken in ChiUien und Beutselüand.
Ganz ähnlich verliefen die Dinge in Gallien, in spätester Kaiser-
zeit die vomehmlichste Wiege römisdier Dichtkunst und Wissensdiaft,
denn kaum irgendwo war die Romanisirung tiefer in*s Yolk gedrungen.
Nicht bkw die materielle Cultur hatte sich ansehnlich gehoben, wie das
Aufkommen der Glaserzeugung im lY. Jahrhundert bezeugt,^) s(mdem
die Gallier, seit lange durch die Phokäerstadt mit griechischem Schrift-
<)Kolilraatch, DU dtutteht Gttehichtt, Leipsig, 1844. 8* I. Bd. 8.104—
105. — Ueber die VftodAleii Tgl. : Felix D ab n. A. e. O.
*) Diese Meinung wird nicbt getbeilt Ton D. Kalt branner in SeektrOtt^ ear
roHgint ä09 Kah^U» im Genfer Olob: X. Bd. 1871. 8. 41. Vgl. darüber aueb dl«
Arbeiten dee Baron H e n r i Aucapitaine, des General Daamas, Herrn De vavjl
u. «. w. Na«b den General Faidberbe, Instruetion» 9ur ranihropo1ogi$ tU TÄlgirU,
Taris 1874, 8* tritt eine blonde Race acbon im s weiten Jabrtausend v. Cbr. in Nord-
afrlca auf.
*) BrläuUmde VorhemerJcungen. 8. 3.
*) Hammlung kainerlicber Conatitutionon Ton Constantin d. Gr. an.
■) Bryce. A. a. O. 8. 21. 23.
•) Erläuternde Vorbemerkungen. 8. 3.
*) Ä euHaui grave^ord, (Chtimber9 Journal 1873. No. 434. 8. S61.)
Di« Frankes In Qnlliea und Deatfeklnad. 25
thome in Bcrühmng, sdrafen im IV. Jahrhunderte, als in Rom seihst
die lateinische ^rache and Literatur unterzugehen drohten, eine neue
S<*hale, die in Ausonius und Rutilius ihre hervorstechendsten Ver-
treter besass; Augustodunum, das alte Bibracte, die Städte Vienne,
Aries;, Toakwse, Lyon, Bordeaux, Poitiers, Angoul^me, Besan^n, Trier
waren, Dank den weströmisdien Kaisem, mit Schulen und Gymnasien
ausgestattet, wo in der Zeit angeblicher Barbarei Rechtskunde und die
schonen Wissenschaften eifrige Pflege fi&nden. Die Kaiser, wie Constantin,
Julian, auch Theodosius, Valentinian, Hessen es an keiner Unterstützung
fdilen und zeichneten Literatur und Schöngeister dermassen aus, dass
die Professur das sicherste Mittel war zu grossem Vermögen zu ge-
langen. Vieileidit niemals stand die Wissenschaft in solchem Ansehen
and fiuid sie gleidizeitig so glänzende Entlohnung als eben zur Zeit,
wo die germanischen Horden Europa ttberschwanmten und man die
Herrschaft der römischen Machthaber wie ein Culturhindemiss darzu-
stellen sich bemOht^)
Dies da* Zustand des blühenden GaUien als zu Anfietug des
V.Jahrhunderts die deutschen Stämme der Burgunder und Fran-
ken eindrangen. Erstere um 407 n. Chr. zwischen Aar und Rhone
das alte burgundische Reich gründend, waren bei ihrer An-
kunft nur beiläufig 80,000 Köpfe stark, erschienen keineswegs als gewaltr
same Eroberer, sondern von der römisdien Bevölkerung in der lYanche-
Conte, dem romanischen Helvetien und Savoycn gerufen, erhielten
sie von diesen freiwillig die zwei Drittel des Landes, allerdings den
gehungigen Theil, während diese die fruchtbare l^bene für sich behielt,')
and brachten zuerst Cultur und I^ben in die bisher unbewohnten F^n-
Oden.') Wahrscheinlich verhielt es sich ähnlich mit den (Yanken.
(lewöhnlich gelten die Germanen des Tadtus und die Deutschen
narb der V(^erwanderung für das nämliche Volk. Von den zwei
*) Stell« iber dlt damaligen Zostiad« die interessante Studie Ton A m 4 d 4 e
Tklarrj, Lm Uttirmtmrt j/fffmm% «n QamU au 1Y% »ÜeU. (B99m€ d0$ d§u» Momd^t rom
U. i«sl 1S7S. 8. 79»~ai4.)
^ B«kr tMn aa^mewieeen Ton Friedrieh Baron de Oingins-La-8arras
*■ A0^tkt9 /ir 8ekw§tmrf§9€k4€ki4. 8ielie auch A. Jahn. Dit 0§schi€htt d^r Bmrgmt^
ditnwm mmd Bmrfnm4i0m Ms «vm Emd§ d4r I. Dpma§tit. IlaUe 1875. 8 \ 9 Bde. Ethnographisch
stei dl« »ftfdilcht «od dia waitliehe Behweis gans ungleich beeinflusst worden — »ehon
ta dar Bisaersait «S«! «s, dase jene nicht durebronanisirt war, sei es, dass die Eigenart
die Oranskriega Tordännten Bevöllcerung sieb gegenüber der alemanniscbea
plawaadening nicht an halten Termocbte, — genug hier Terschwand das römische
Weaasu Oaaa aadars ia vaserm Wilsehland. Di« Ansiedelung der Burgunder beruht«
lieht »af Ueb«nBaeht, soadom auf Vertrag, auf Uebereinkunft i wischen Romanen und
tm. Die Lctateren, als der barbarische Volkstheil, beugten sieh vor der Macht
Caltar; sie passten sieh allm&hlig ia Lebenn weise, Sitt« und Bpraehe den
•a aa, und so entstand wohl sine Tochter des lateinischen Elementes, aber nicht
maarhnn Zug d«« germanischen Krbes au bewahren. Um nicht malitid« so erschei-
aea , wiU ich aar nebenbei auf die Thateache aufmerksam machen , dass — gegenllb«r
4»r Wkaaatan nMnanitchen MAesigkeit — dar Waadtlinder, trots seiner wllsehen JSung«,
ich« germanischen Durst entwickelt." (}It. Br. J. J. Egli In einem 8ehr«ib«n
OberaUasa. JSirieh, 1. Norember 1875.)
^ AlffdUt^ntf, lii9toir9 d€9 frmnd*9f»rH9 d« !• OmmU, 0.181.
26 Anfinge des MitteUlten.
proRson Gruppen der Sueven und Sachsen wurden die Letzteren von
der Völkerwanderung am wenigsten berührt, ja, die Friesen blieben
in ihrem frühesten Stammlande wohnen, die Sueven hingegen nahmen
vorwiegend die alten Keltensitze in Süddcutschland ein, nicht ohne hier
ausgiebige Blutmischung zu erleidend) liier blieb aucli wohl das Gros
der Nation sitzen, wälirend der überschüssige, wanderlustige Bevölkerungs-
th<'il durch Gallien nach Ilispanien schweifte. Was in frülierer Zeit
schon an Sueven nach Süddeutschland gekommen war, lebte hier unter
römischer Botmflssigkeit und nahm manches von der römischen Gesit-
tung an. So stand denn der germanische Norden auf einer
tieferen Stufe des gesellschaftlichenCulturzustandes
als der Süden. Pls war im III. Jahrhundert, da einen sich die
mittelrheinischen Stumme der Tubanten, Tenkterer und des Donauvolkes
der Juthungen zum Bunde der Alemannen und ihre Schaaren erfüllten
weit ab bis zur Rheinenge Ix^i Bingen che rheinischen Gaue. Die
ehattischen Stumme hatten sich unterdessen unter dem Collectivnamen
Franken concentrirt, drangen nach Trier und Metz vor mid naluneii
das Moselland dauernd in Besitz. Im Norden sassen die Sachsen
nc^bst ihren Stammesgenossen, den W a r n c r n , dem Joche ihrer fränki-
schen Nachbarn mit (iewalt widei-strebend. Auf der cimbrischen Halb-
insel lagen die noch nicht vereinigten dänischen Reiche. Im Süden
der Sachsen wohnten die Thüringer mit den Waniern und einem
Zweige der Angeln, das mächtige thüinngische Königreich bildend.
Noch sütllichcr sass der Stamm der Alemannen oder Schwaben*)
*) Die Lehre von der günaliehen Ausrottung früherer Völker ist jetst als Ih dM
■eltonstnn Fällen unerwcislich von allen besonnenen Forschern verlassen. Sehr richtig
sagt Thom. lluxley: The entir» exUrpation of the ahoriginal üthaMants of a c^unirg
hy incaden tcat an exeessively rare thing, (troceeding of the Roy. geographieal Society
of London. 1866. H. 171.) Auch Bagchot: Phy». and Pol. 8. 67 npricht sich im ähn-
lichen Sinne aus: Moet historie nationt eonquered prehietorie nationa and tkomph tkey
mugeacred many, they did not maetaere all, They §H$laved the §ubjeet men , «md tk€g
married the »ubject tcomen.
') in einer, mir jedoch nicht su Qesiohte gekommenen Abhandlung über Sehwaben
und Alemannen soll Dr. Bau mann den Nachweis geführt haben, dass die Uraitse der
•i-h\iväbi!»chen Vorvlter an der Spree su suehcn seien. Die Alemannen, wird anagefilhrta
Hind die von der Spree an die Maingegenden gewanderten Semnonen. Die Bamn^MB
waren der brdeutendrite der sahlrelchen Suevenstämmo. Die Hermunduren riefen gßgßn.
dio Alemannen die lidmer su Hilfe und fortan erscheint bei den römischen HehrifUtelioni
dnr Name Alemanne, während bei dem so benannten Volke selbst der Name Boliwabe
Irbcnüig blieb und sulctzt den Hchriftnamcn Aleman/io wieder verdrängte. Ks sei iadfü
bemerkt, dass Ado If iioltz mann CG ermanische Alte rthämer mit Text, Ueb€netwm»9
und Erklärung von TacitHS Germania, herauggegeben von Alfred Holder. Laipilg
1^73. 8*> dem ticfgewurKclten Irrthunie entgegentritt, als wären die jetr.igeB SchwateM
die Nachkommen der alten Suebi des Tacitus. „Die Alemannen, die über den Qreosw*ll
licroinbrachcn, wurden ncit dem achten Jahrhundert Suabi genannt aus Erneuerung dw
alten berühmten Namens aus dem Latein.'* Nach den ncuenten Forschungen hat, wie
die heute in Süddcutschland herrschende Brachycnphalie ergibt, die vorgermaaiseka
Bevölkerung seit dem VII. oder IX. Jahrhundert n. Chr. wieder die Oberhand erlangt
Alcniauucn und Franken waren nämlich blonde Lang küpfe (Doiichocephalen). 8o aiad
dnuu dio Kursschädcl der Hü|sclgräber oder allgemeiner die der vorrömischen Zeit Jene
Die Fraaktn la Oilllen md Devtecbland. 27
xwisdten Hier und Lech, Oetlich streiften bereits bis an die Berge hin
Jothangen und Markomannen, die mit höchster Wahrsdieinlich-
keit ein Jahrhundert si>ftter — also um 550 n. Chr. als das deutsche
Volk der Bojoarier erscheinen sollten.*)
IJnguislisch wahet ein gro8ser Unterschied zwischen Gothen und
Germanen, obwohl beide der germanischen YölkerÜEmiilie angehören.
Alis dem unbekannten Urgermanischen entwickelten sich das Gothischc,
Skandinavische (oder Altnordische) und das Germanische oder Deutsclic
als vollkommen selbständige Indi\1dualitftten*, alles spricht für einen
gleicfaen yorgang bei den Völkern, worunter die Gothen am höchsten,
die Deutschen am tiefsten standen, als &st gleichzeitig (407 und 449
n. Chr.) fränkische Auswanderer nach Gallien, sächsische Eroberer nach
Britannien zogen.
Die Wirkungen der fränkischen Fjnwanderung in Gallien waren
Bffhr verschiedener Art; die gleichzeitigen Quellen gestatten nicht, von
fomlicfaer Eroberung zu reden, sie erwähnen Verheerungen, Unruhen,
Invanonen, Kämpfe z>i«ischen gallischen Städten und germanischen
Bandea, häufiger noch Bekriegung der Germanen unter einander, nichts
aber von dem, was auf Erolierung, auf Unterwerfung unter einen
fremden Volksstamm schliessen liesse.') Obwohl viele feste Plätze zer-
stört, Mauern eingerissen und nicht wie<ler aufgebaut wiu-den, die
rOmitichen Heerstrassen verfielen, der Handel in*s Stocken gerieth, und
MTiesen und Aecker vereinzelt in Wälder und Jagdbezirke umgewandelt
worden, ging doch nicht alle römische C^ttu* zu Grunde. Wohl Qbtc
die BrrOhrung und allmählige Verschmelzung l)ei(ler Völker die Rück-
wirkung auf die rohen (Yanken, dass sie zunächst die I^^^ter der vei^
finserten, ramaiiisirten Kelten annahmen. Aehnliches beobachtet man
tbetall, wo zwei sehr verschiedene Culturstadien mit einander in (xmtact
gerathen. Unsere heutige Civilisation tödtete viele Natiu^ölker, die vor
imt •IckHen Verwandten der DeotAcbon (J. Kollmann, Altffermaitiichg Orilh$r in ä$r
Ctm^t^mnf 4n 8tamb4rgtr-80€$. Mttnchen 1874. 8'. 8. :U4) Die heutigen Deutschen
winm *1m> Amm Srgebniae einer Mischung der germanirehen Htlmme mit einor weit
b«dc«t«oderen ellophylen Bevölkerung , mit d<>n alten Germanen also ebenso wenig
ideattack wU die Italiener mit den Kömern. Die hocbbedentende Brhrifl von Dr. A.
▼ • B II d 1 d e r. Zm§o$mm§mattUung dtr in Württemberg rorkommtnden Sehädel/ormen,
SCattgart 1^76. 4* führt den Naehwein, dasn heute noch turanltrhe und earraatlvche
8^i4eltfpen in Württemberg vorhanden elnd. .Leicht kann sich Jedermann überzeugen,
daaa Im Allgemeinen «die brarhyrephalen Hch&delformen unter den minderen Volksclaeaen
•Wrall ÜB Land« am liAaflg«ten vorkommen. Die besitxenden, höher atehenden Clafwen,
•• aameBtlifh auch der iltcre Adel stehen dem unvormlMchtcn germanischen Typus viel
aAber aia Jene. Dies ist sehr natürlich, denn unter dem Adol und dem h«>heren Bürger-
ilBB<B finden sich die meisten Nachkommen der Herren des Landes, der Alemannen."
C.%. a. O- 8. 15). Ich darf wohl bei dieser üelegenheit darauf hinweisen, wie glinsend
die«r« KrgebniM gründlicher Forschung meine wiederholt ausgesprochene Ansicht be-
•tlti^, da*e den htlnden auch ethnische Unterschiede xu Omnde liegen.
*l Ueber den Ursprung der Baiern vgl. die Untersuchungen von C. Zeuss, Rut-
kardt , Wittmann.
*) Fvstel de Coulange«, Ltt originw du rfyim* ffoäal. (tUv. d. dtux Mondee
VOM n. Mai 1373 8. 437.)
28 Anfing« des MitUlalt«».
ihroni Gifthaucbe trotz aHer humanitären Bestrebungen dahinschwinden.
Zn solchen heftigen Reactionen, die sich meist in epidemischen Krank-
heiten äassem, bedarf es nicht einmal einer geschlechtlichen Vennisehmig,
sondern sie i»flegen se]))st bei grossen Festen, Schaustellungen, die eine
Ansanunlung von Measchenmassen bedingen, in Kriegen u. dgL einzu-
treifeiL') Vs befremdet daher keinen Kenner dieses anthropologischen
Phänomens, die Franken bald als ein weichliches, feiges, räuberisches
und treuloses Volk bezeichnen zu hören, unter dem Mord durch Gift
und I>olch, Völlerei und unnatürliche Laster herrschten. Dagegen
waren römische Sprache und Scluift und Cliristenthum, das dort schon
vi(;lo Anhänger zählte,^} wichtige Geschenke der Gallier. Die lateinisdie
Sprache senkte manche Begriffe in den Geist der Franken, die ihnen
sonst noch lange würden unl)ekannt geblieben sein. So geschah 68,
dass die nach Gallien gezogenen Franken, die Salier, in Bälde ihre
Brüder diesseits des Rheins, die Ripuarier, an Cultur namhaft
übr^rragten. Unter diesen, mit den keltischen Galliern sich allmjüig
vennischenden salischen Franken, ward unter Chlodovech (Chlodwig,
C'lovLs) das fränkische Reich gegründet, welches Älitte des VI. Jahr-
hunderts seine höchste Machtentfaltung erreichte, gleichwie unter ihnen
das Christenthum am frühesten (4UG n. Chr.) Eingang Jbnd. Andi
ChIo(love(;h erkannte die Rechte des römischen Reiches an, als er wenige
Jahre nur nach August uius und nachdem die Vertreter der alten
Rogienmg, Syagrius und die aimoricanischen Städte überwältigt
wanai, von Kaiser Anastasius zur Bestätigung seiner Herrschaft eine
Würde erhielt:'^) das Consulat, welches, in Rom bis auf Justinian stets
di(^ höchste Reichswürde, im IV. Jahrhunderte wenigstens den alt-
r<>puhlikanischen Glanz noch bewahile. Selbst die Kaiser in ihrer
Allmacht neigten sich vor den Nachfolgern des Brutu.s, und mehr denn
Einen sah man zu Fasse dem consularischen Tragstuhle voranschreiten/)
(Jleich einem Fabius oder Valerius ritt nun der sicambrische Häuptüng
in dem gestickten Consulenge wände dm'ch die Strassen von Tours, von
den Provincialen mit lautem Jul)el als Augustus b<^^8St. L&ngat
gehorchten sie ihm, jetzt erst aber erhielt seine IVIacht in ihren Augen
d\v. gesetzliche Weihe.")
In jener Z<»it gab es kein Gallien mehr und kein Germanien, es
gab aber nm^h kein Frankreich und kein Deutschland. Das grosse
friinkische Reich besass keinen homogenen Nationalcharakter, es besaas
gallische und germanische Untertlianen und bildete .eine Periode der
(iiihrung, aus der sich später zwei bestimmte Nationen: Franzosen
') Friedrich Müller, ÄUgemeiH$ Ethnographie, S. 49. — Ueber die UrsMhea,
warum die gorroanittchen Darbaron von der rümiachon Cultur nicht hinwcggeraffl wurden,
ffieho Bagchot, PAy«. and l'ol. 8. 47—48.
') Vgl. Iluillard-Brchollo, Lt$ origin0$ du chriitianismt #» Qauh. fB^rm^
coMtemporaint 1866. Vol. 88. 8. 09—125.)
»; Bryco. A. a. O. 8. 21.
*) Amödeo Thicrry. A. a. O. 8. 807.
») Brycc. A. a. O. 8. 21-22.
DU FrMÜcM lA GAllita and DenlsehUiM. 29
nnd Deutsche abklärteiL Clodovech — von seiner eigenen Person
abgesehen — war wedo* ein deutsdier, noch ein französischer Herrscher,
sondern lediglich ein fränkischer. Die fränkische Herrschaft, Gallien
und Germanien bis am den Sachsen und Slaven umfossend — drang
indess eigentlich nie jenseits der Loire oder hat wenigstens dort nie
DMieriiaftes geschaffen, sich vielmehr fast nur durch Haubzüge geäussert.
Aach ward durch Niederlassung der numerisch schwachen Gennanen
der eingebome freie Mittelstand begreiflicherweise nicht vertilgt. Nicbts
deutet an, dass die Gallo-Römer ihrer Grundstücke überhaupt l)eraubt
worden wären; sie wurden nicht unterjocht, ja kaum in politischer
Hinsicfat untergeordnet Im Rathe der Könige, im Heere, in den
Aemtem, bei Gericht, selbst in den Nationalversammlungen
beide Stämme unter einander gemischt. Die Chronisten zeigen
uns beständig den Franken neben dem Gallier, niemals aber, dass der
ertlere höhere politisdie Rechte oder — Dank seiner fränkischen Ab-
kunft — besondere Achtung genossen hätte. Die Gallo-Römer gehorchten
einhth fränkischen Königen <) und diese änderten sehr wenig
an der römischen Verfassung. Sie Hessen nach wie vor den
GmOieni den Gebrauch der römischen Gesetze, den Städten ihre eigene
Mnnidpnlitäten, ihre eigene Miliz, die alte Ordnung ihrer Stände,
Hedite, Privilegien und Würden, nur dass bald ein Herzog, bald ein
Graf mit Civil- nnd Militärgewalt in des Königs Namen zur Ober-
aofridit in den Städten residirte. Nirgends aber wird ersichtlich, dass
die Gnllier dem fränkischen Volke als solchem unterthan gewesen; es
gnb Freie bei Galliern wie bei Franken; bei Beiden Sclaven. Die in
dm frinkisdien Gesetzen ausgedrückte Ungleichheit des „Wehrgelds^
•cfannt in der Praxis nicht angewandt worden zu sein, wenigstens
•ckwejgm davon alle Chroniken. Unter der Aristokratie^ dem Adel,
perdeu öfter Gallier als Römer genannt,^) wenngleich die Wahrscheinlich-
keit dalbr spricht, dass den Adel die Franken, die Massen des Volkes
die GrnDier Irildeten. In dem grossen fränkischen Reiche, das 534
Clir. das bmigandische sich einverleibte,^) ging unvermeidlich während
gnnaen Merovingerherrschaft ein gewaltiger Amalgamirungsprocess
vor sich, der den Unterschied zwischen Franken und Galliern immer
Bwiir verwischte, so dass die germanischen Franken zu Ende des
VIIL lahrfannderts in den Galliern aufgegangen und von diesen nicht
nKbr ta nntencheiden waren. Nur die Sprache sollen sie bis auf
Kari d. Gr. bewahrt haben; später aber siegte, namentlich auch Dank
dpa KinftiMBe der lateinischen Geistlichkeit, das alte Römeridiom, woraus
dm Französische mit seinen verschiedenen Mundarten hervorging. Die
fBÜfisdien FYanken wunk»n also in relativ kurzer I-Vist romanisirt, eines
der ethniBdien Elemente des heutigen, in seiner Wesenheit noch stark
iLehiücfoen Volkes Frankreichs bildend.
*> Fstitl de ConlangeB, A. a. O. 8. 438.
^ K. %. O.
'f ühht— abw dMMibt bei H. Derlehaweiler, Ottehiehte dtr Burgunätr.
r lan. SUk« ftoclix Tht Frmme» amJ Ikt OamU, (Saii«Aal Rttit». Oeiober IMU)
30 Anfinge des KitteUltort.
Bedeutung der Herrschermaeht-
Die AiifUiigc aller arischen Völker zeigen bekanntlich einen König
QU der Spitze des Volkes, ihm zur Seite aber eine Raths- und eine
X'olksvei'sannnlung. Dieser Cliamkterzug beherrscht siiinmtliche von
(ieruianen gegiündet(»u Reiche, deren weiter geographischen Verbreitung
di(» seitherigcj Glcichaitigkeit der Cultur im westlichen Euro])a lediglich
zuzusclu'ciben ist, im vollendeten (regensatze zu jener des Orients,
welch(T sich von asiatischen P^uHüssen niemals zu befi*eien vermochta
Die arisclie pjnrichtung der Abhilngigkeit des Volksoberliauptes von
dem in den Volksversanunluugen sich kundgebenden Volkswillcn, nament-
licli der ursprünglithe McmIus, sicli frei gewäldte ()l)erhänpter zu geben,
ist jedocli an sicli kein Merkmal höherw Gesittung. Unwillkürlich ge-
mahnt er an den Thierstaat, wo die St^'lle des I^ittlueres nicht erblich
ist, sondern sie jeweihg der Stäi'kste, Kräftigste der Heerde einnimmt.
Der Geliorsam, womit die anderen Heerdenthiere ihm folgen, darf wohl
als stillschweigendes Einverstfindniss der (xesammtheit gedeutet werden.
Die Ph'blichkeit der obersten Gewalt führt allemal in ein höheres Sta-
dium der Gesittung, ^) ync ein vergleichender Blick auf die Naturvölker
lehrt. Nichts ist imger als die Voi^stellung, dass die Wilden ihrem
Häuptlinge nur den scla>ischesten, kiiechendsten Gehorsam zollen. Von
den Indianern Nordamerica's wissen wir, dass „die monarchische Re-
gierungsfonu ziemlich selten bei ihnen war und meist nur von kurzer
Dauer, die oligarchische häufiger, am weitesten verbreitet aber die
l^inrichtung, dass erbliche Häuptlinge an der Spitze des Volkes standen,
deren jVIacht von ihrer persönlichen Autorität und nächstdem von dem
Ansehen und dem Willen der Männer aus dem Volke abhiug, die
sich durch Kriegsthaten ausgezeichnet hatten. Diese letzteren dünkten
sich dem Häuptlinge nicht unterwoi-fcn, sondern vollkommen frei uid
sen>stündig, sie thaten seinem AiLsehen oft grossen Eintrag und konnten
liitenichmungen fast jeder Alt auf eigene Hand organisireu, sobald
sie Andere zur Theilnahme daran zu gewinnen wussten: die VersamiiH
lung des Volkes, d. h. der selbstständigen Mäimer, war die soaverSne
Macht.' ^) Wie man sieht, führt cüt»se Beschränkung der Alleinherr-
schaft in zi(>mlich tiefe Kulturstufen, und ihre Consequenzcn bei den
Indianern äusserten sich wie folgt: ^bald war es die Intrigue, bald die
Heredsamkeit, welche hier (in den Volksversammlungen) den Ausschlag
gaben; vielfache Unschlüssigkeit, langes Schwanken im Entsclüuss, ftUge-
ineine Plajilosigkeit , Zersplitterung der Kräfte waren die häufigen und
natürlichen Folgen dii>ser Verhältnisse.'* ') Wen mahnt dieses BUd nicht
an die lielkMÜschen Freistaaten des Altei*thums und selbst an manche
Staaten der Ciegenwart!
*) Dio-tcr Ansicht («cluMitt aurh PcHchcl. Hiohe Atitland 1867. Kr. 37. 8. 849^
wenn or von den Onayciiru in Brar^ilion nagt: „In so fern sich orbliehe IläapUing« anttf
ihnen bpßndon, rttclien sie goiKcIlsohaftlirh höher aN andere Htämme/*
') ^Vaitz, Authropolojit d. yaturvölktr, III. Bd. 8. U7— 14S.
) A. A. O. Ö. 118.
Bedaatuaf der HerrsebanuMhU 81
IiDmerhin stehen die nordamericanischen Indianer auf der tiefsten
Stufe der (iesittungsleiter nicht; dort gewahren wir vielleicht die lun-
(rt'l^firnen Australiens und hier schwindet auch jede Spur von Erblichkeit
iltT Häuptlinge; zwar gibt es solche, welclie einen gewissen KinÜuss
auf mehrere Familien ansahen; Uire Macht ist aber nur vorübergehend
und besihrÄnktJ) Aehnlich verhält es sich mit den ßotocuden Bra-
silien*^ wo sich keine Spur eüier monarchis(*hen liegierungsfonn nacln
w<*lsi*n lässt, und bei den sadafricanischen Hottentotten; auch bei
df*n Neger>'Alkem ist die Königswürde wohl in der K^el, aber nicht
immer erblich ; hilufiger die Sitte, den Thron dem Aeltesten (kT Familie
ziizii<«iirechen; mit dem Tode des Königs pÜegt eine Zeit der Anarchie
«'inzutn'ten, die so lange dauert, bis der neue König installirt ist')
IHe Barea in Ostafrica erfreuen sich einer völlig demokratischen Ver-
lasHunff,'') ein Beweis dass an sich die Demokratie kein Eri>gut einer
höheren P>itwicklung ist. Das aufl^lendste Beispiel bieten aber die
asiatL<ehen Turkomanen, bei denen es nicht Einen gibt, der befelüen,
aber auch keinen Einzigen, der gehorchen will Der Turkoman sellist
|iHegt von luch za sagen: „Wir sind ein Volk ohne Kopf, wir wollen
auch keinen haben, wir sind alle gleich, bei uns ist Ji^lcr ein König.^
Eine nnausweichliche Folge dieses Mangels an Olierhäuptem, dieses
xii6neo Versuclies, die „Gleicliheit** Aller pniktisc*h in Swne zu setzen,
i<t der Zustand ewiger, blutiger Fehde, worin die Turkomanenstämme
nirlit nur mit allen ihren Nadibarn, sondern auch unter sich lelnMi.
Mit steinender Cultur pflegt die Untcrwtlrfigkeit gegen den Fürsten zu
warfasen. Die Kimbunda, durch seine geistigen Fähigkeiten eines
dfT aasgezeichnetsten Völker Südafnca*s, zollt schien Königen aus-
nehmende Verehrung; diese gelangen durch l'^bschaft nacli dem Erst-
irebiirt«recbt zur liöclisten Würde, bedürfen aber der Anerkennung
durch die Volksversammlimg. ^) Ein anderes Beispiel Wälirend in
dem von allen asiatischen Nationen am meisten fortgeschrittenen China
die aUemnomschrftnktc^ste Herrschergewalt seit Jahrhunderten ein-
SPbOiirert ist, b^teht in dem halbbarliarischen Malayen-lieich Atschin
auf Somitra eine Kegierungsfonn, die den Pang/tmas (xler l^uwan'
kna, den Rathsmitgliedeni alle Macht in die Hände gibt. Ohne foe
kann der Sultan nur wenig l)eschliessen; sie wählen ferner nicht nur
^-inen jewei]igi*n Naclifolger, sondern liaben sogar die Ik^fugnLss, den
M/marrben abzusetzen, wenn er sich gegen die l^ndesgebräudie vergeht
ctfirr iv»n>t etwas unternimmt, das sie für die allgemeine Wohlfahrt nat'li-
thriliir erachten. Diese eigenthümliche Staatsfonn liat aber dort abwech-
*> Frtpdr. Müller, Allg. Ethnographie. 8. 1S6.
*P A a O. H. IKJ.
*t i^der BarrA fühlt mich Aem Anderen gleich und frei; die Gemeinde allein be>
•'t**'At dl«* |H>r«t'>nliche Freiheit durch den Aunprurh dpriiroifte, drnen Niemand wider-
•f*.'l.t- l^l*•h# darfjhfr-, Leo Reinii«ch. JHf Barea-Sp/tiche. Grammatik , Text umd
WZ^tr^mth . Saek dtn hafdechri/lUehtH MateHalUm ron Werner Munxinger I'aHCha.
W .#"0. !•:!. B'i
*) Laattlaa« Magyar, Btißem U SAdafrAa in dtn Jahren l'il9 hie 18i7, Äm9
dem l'm^H§€k«m, Pa»! * Lclpxig, 1859. 8* I. Bd. 8. 270—273.
,V > JT^Tp £ef m-:;!
V -1-: r:7 A.-iSff-fjö* ^r/i TjnnTsri z^i^ibn, v :a.:*>feat •& G^vih in Folge
*' iT>-.^r*r. '*vr r-rtr^r-'T»^ Fkikk^r»^-, RrSAtfcon cJer Gnfliu«,
• V- fii»-j>=-r- Vt r-Ärx^CiÄ^rr. HinpCr^r •>5rr ^Se* N*hiE5 äcfa befindet.^)
Jf- ATfÄi.v--.'^ dlr^^r BeiTpirle r^-äie^. s>"bt ülaerdOssig. um die
M'-:. -/-'^ r-Ä "i-r-^yr^irfe^R. als «jih ■£-? aI:j»rrTQari?-:be Resdirinkang der
> '.v^^-.rA/^^r/t 4r. -y-fc rin ru^tnrrDrrTfcjuI i??wrÄ-ii wiiv. Es ist ganz
-/rxf- 4i^. W !ii»-=;T*'r Race w*ai«rn5. Fre-ibert 4her ils Kneclit-
^Tüfr l^J aS«-r mr d^*«halb. wr-ü ilie Aii£&iu?? der R*ce entfernt
^ .'. jM^ r»jjtnr laÄ-n: yr näh^r den thierisdir-n ZostiLnden. je absoluter
■'?.*: Fr«^riKt: ail^n 'isr franz dvr Coltor i>: ein anderer, on^kehrter,
«-r f\.>irr znf-r-t zur Knecht schaft und dann zur Freiheit Das
•/'j'BJf/krn 'iK^^r reihen Freiheit bezoichnet den Beginn der Cultnr; die
Kr*'fh*'^'hsif*, i-t die nothw.jnfce Schule filr das nächste Staiüum, wel-
f'Tt*^ aar der^^-Ilien wieder heran« zu jener geläuterten Freiheit IQhrt,
dj*- d^r h*-fjt:jfen fje«ittung ihren Stempel auf*irückt FOr den Coltnr-
f'r-/'ber hl<'\U: nBatrehot^s Worte unerschütterlich wahr: ^Später kommen
die Jahn» d*T Freiheit, früher aber jene der Knechtschaft."'')
l>'dn (hvimitft beleuchtet den Werth der ursprünglichen Wählbarkeit
d'T OUrrhäupter. der Beschränkungen der königlichen Miacfat durch den
\^'il)«'n der VolksvfTsamnilungea. des Rechts derselben, die Fürsten ab-
/ijw-t/en u. 'kl l>i(*se Einrichtungen charakterisiren mehr oder minder
jille (reniianiMohen Völker, gera^le so ^ie der Unterschied zwischen Edlen,
Freien und Sclaven. Kigentliche Gleichheit existirte nirgends, und sogar
dort wo, wie iKfi den alten Slaven, eine reine Demokratie als das Ur-
"•IirünKlicbe nachgewiesen werden kann, ging dieselbe doch mit wachsender
(fe«iittnn}< s^?hr liald in Aristokratie über, denn das reale sowie das
ideale (JelMfrgewicht gestatten nirgends völlige Gleichheit^ ausser vor dem
(j«*s<*t%e als solchem. Die ersten römischen Bürger waren unter sich
Kleirli, und HO die germanischen Freien; den Sdaven, selbst den unter-
worfenen Völkern gegenüber, bildeten sie eine Aristokratie, wie die
Fällen f^PJfl/trtf/t) wenigstens an Ehren und gesellsdiaftlichem Bang
den (renieinfreien vorangingen, wenn auch nicht an Rechten.^) Das
Altenf,(lisch(* s]K;d(*Il l)ezeichnet den Unterschied zif^ischen dem Adeligen
und deiiA Frei(^n durch die Ausdrücke Eorl und CeorL Die köni^idie
(iewalt war hier durch die im Angelsächsischen WifenagemSt genannte
K("u'}H!rHc)iaft'') v(m ursprünglicli demokratischem Charakter besdirftnkL
l)enn<M!li war die Uultur dieser Völker eine noch überaus tiefc; dodi
s<'i nicht vergossen, dass sie von vorne anfangen mussten.^ bt
') l>aM Sultanat At$ehiH. Autland 1873. Nr. 46. 8. 883—884.
') Kdw. A. Fr 0 0 man, The Orotcth of th§ Englith eoiftitution fntm fJb« mrihH
Time», Loi|iKig 1H73. 8\ H. VIII.
') IlsKnhot. Vhyic» aml Politic». S. 30.
•) (Jcor« Wrbcr, *}§rmanien, 8. 139.
^) Narh Fror in an hfttt« das englische Parlament sich dlrdct aas dem WH€itm§m^
iMttwickolt; das Haus dor Lords sei in der That dasselbe. Diese Ableitang de* Pwla-
iitont« vrrwirn aber vollständig K einhold Pauli, Bilder an» AU9Mg1mm4, Ootk»
IHHIl. H. (MV
•) Lange, Oeechlchte d*$ Mattrlalitmu: I. Bd. 8. 152.
Be4eaiuiic d«r lUrnielifnnAcht. 33
lUnn zu wundern, wenn die Deutschen erst in der Merowingerzeit aus
d^ii Kreise halbwilder St&mme heraustreten? ^) Nun ward der erste
(irund zur Entwildemng dee inneren Deutschland durch das Predigen
lies Cliristenthums gelegt. Von den westlichen oder gallischen Franken
(fingen die Segnungen der dort angesogenen römischen Civilisation der
(■aUier und das Christenthuni auf die rohen Nachbarstänune der deutschen
(Vuiken Qber. Fränkische Apostel bekehrten die heidnischen Sachsen
in Eni^and, wanderten darauf in das heidnische Deutschland jenseits
des Rheines bis in d(A skandinavischen Norden und führten nach und
uach Alemannen und Baiern, Ostfranken und Thüringer, si)äter endlich
Sadwen und (Viesen in den Schooss der Kirche. Unerweislich und
AUem widersprechend, was sonst über die Ausbreitungsursachen der
Religmnen bekannt, zugleich aber total gleichgültig, ist die Behauptung,
die Ausbreitung des (liristenthuiiis wäre nichts weniger als der Religkm
selbst wegen geschehen, sondern \iehuehr blos als das beste Mittel zur
Beüestigang der Uerrschemiacht. Wäre dem auch so, die Herrscher-
inacht hätte der Cultur nie einen bes8<Ten Dienst geleistet.
Der Verfoll der königlichen IVIacht bei den Merpwingem und
deren Uebergang auf die Hausmaier, die dadurch zu Grosshofineistem
warden, ist sehr erklärhch. Urs[)rünglich war der Hausmaier wirklich
nur, was sein Titel besagte; er stand an der Spitze des königlichen
Hause« und der königlichen Leute (Leudea) und war Anführer des
Lebensgefiilges im Kriege, zunächst nach dem Könige. Durch den vom
VL bis zum X. Jahrhundert dauernden Process der freiwilligen Ver-
waniBiing der kleinen Grundstücke in Beneficien, der das meiste freie
(tnuMieigenthum in unfreies (für die Insassen) verwandelte, wuchs audi
die Zahl der liehensleute, welche unter dem Hausmaier standen, damit
«eise Macht Die unabhängigen freien Leute wurden iiumer weniger,
die Macht der Hausmaier immer grösser, grösser selbst als jene des
Kflaig& Wer aber die Mac*ht hat, der übt sie aus, wenn er sie nicht
WHhfmocht, was indeos von den merowiiigischen Hausmaiem kaum
hekaopCet werden kann. Im Uebrigen sei sogleich bemerkt, dass die
HiMmtier keineswegs eine der fränkischen Monarchie eigenthtkmliche
Knclieinttng sind. Die llolle der Wezyre im C)hali&te unter den
Abiia«iden war eine durchaas ähuliche; '^) denn sie übten foctisch die
ToDe Hemchergewalt aus, und dit* nämliche Sitte herrschte schon bei
dm mhen Arabern, wo sie bis in die Zeit hinein reidit, Qber welche
o^i die moiiiim*schen (feschi('hts<'!ireilK*r einigen Aufschluss geben. Sie
katle in Arabien densellM'U Ursprung und diesi'lben l'rsachen wie im
Frankenreiche. ^) Audi die japanischen Slioguns waren, beim Lidite
h#*<«ehen, nicht viel .Vnden^s als die Hausmaier der Mikados. Das Haus-
■wifTthum int ein in der Natur der Dingo begi^ündetes Phänomen.
't Warli A Lindtnnchm itt.
^ A. von Kr^Bi^r, CuUmrgtBehicht* HttOHtmtB unttr «I«m Ckali/tm. Wi«n, 18T5.
t IM M. 1M&.
*> A. 8fr«nger. I>t* alt* Otofrmphi« Aruhittui nl$ Ommdlag^ der Jüttwitklimmf^-
0m0€kirhi0 d09 StmUUmmt. B«rn. ii^'h. n* H. *l\\.
w Hcllwal d, ()oltarf««ebleht6. 1 Aufl. II. 3
34 Anfing« Am MIttHiiUerK.
DIo Ciiltnr im Frankenrelohe.
CtloiVli^io die Cultiir la« auch «W Schweqiand der politiftrhrn
Marht im Wcstoii; Paris war sdioii CTilfxlovodrs Rosidonz. Nach seinem
'VtHh' wanl «Lis fninkisclie Iteicli ^(>theilt; der jrrossere, wichtigere Th<»il
innfasste fast pniz Frankreicli unter dem Namen Neust ricn, jedwh
unter drei Herrselier mit dcMi ll<>sidenzen l'ari?^, Orleans und Soissons
zerth<Mlt, der andere, Austrien o<1*t Austrasien mit der O-apitale
Metz umfasste nebst dem Stannnjjehiete der rlpuarisclien I^Yanken die
Her/(i(;?thümer der I'Yiesim und Thdnufrer, Alemannen und Baiem mit
allen l'j*o))erunKen h'in^ der Doiuiu hinab und im norischen Gehirg<\
iiilmlich j^anz IkMitschland, so weit es nicht von SUiven und Sachsen
lM*wohnt war. l)er fnlnkiscbe ErolMTinij^sjfeist — dem römiBrhen nicht
unähnlich — hasste jed(K*h die Naclibarscliaft der fmen, rohen, in
ihrer altcMi Kmft fiu'chtliaren, wilden Sachsen und l)ald traten heide
Wvlker in (lvss<»ll>e Vcniiältniss, wie einst die welterol)emden Römer zu
allcMi freien (lennanen. 1)<t (h*j?ensatz zwischen Nonl und Sftd machte
si«'h schon deutlich fUhll)ar.
l'nter d(Mi Merowin^ern, welche die neuHtrischen und austrasischen
(iebiete liald venMuij^ten, l»ald zertheilten, blieb lange das Ueberffewicht
auf S«nte der westliclu»n Franken. Austrasien, der nicht romaniKirte.
deutsche Theil gewann erst an Mat^ht, als dsw Regime der Schatton-
knnige und Hausmaier iM'giinn. Doch ist auch hierlx^i vor Tänschnngen
zu warnen; nicht die austrasischtm Stilmme c^rlangten höhere politiRche
Wichtigkeit, sondern di(^ austrasischen Hausmaier rissen in Nenstrien
die Macht an sich, von und durch Ncnistrien auch Austrasien beein-
tiiLssend, mitimter l)eherrschen(L So gingen die Dinge fort, bis die
Ankunft der Mauren in Kiu*o])a und ihr Zug nach Frankreich dardi
die (fcwalt der Thatsachen allen Schwei'punct in dieses I-And verksgten.
In dem ge<lachten Zi*itraume gestalteten sich die Verhältnisse demnach
S4I, (Liss das fränkische Reidi — ursprüni^lich (rennanen und GaUier
umf;L<wend — allmählig in zwei sich iunner mehr von einander iiiitcr-
<«'heidende Hälften hinsichtlich sein(T Bevölkerung zerfiel, deren west-
liche einen immer homog(»n(Ten Charakter annaluu, während in der
östlichen die Mannigfaltigkeit der deutschten Stänmie noch länger zu
deutlichem Austlruck gelangt«». Wie viel an Cultur die Mitglieder des
;iu<«trasis(*hen Reiches von ihren W(»stlich(Mi Niuiibarn bezogen, ist der-
mak'U schwer zu (»miittehr, sicher ist nur, dass diese schon danuds
frühfT an der Seine als am RIhmuc* haustt».
IHe PIi*sclieinmig, dass diese» Cultur sellwt bei den Franken in
t^lfien von liarlwrischen Ausschw(»ifungen und graucnliafteu lA<t(Tn
hrfdeitet war, ist nicht l)efremdlich. Nicht nur führt der Contact mit
kuhervT (iesittung, wi(» sie in den noch zahlreichen Resten der rümiscbiMi
(Ivilisation vorhanch'n, bei Iwrlwrischen Völkern allemal eine Periodi»
*r (sMenverderbniss herbei, der Manche — z. B. die Bewohner der
SftdKe-In<vln — gänzlich unterliegen, sondern bekanntlich simi nn-
DI« Oaltar Im FViinkeiireleh<>. 35
luUflrliche Iju^ter nirgonds liänfiger al» gerade bei wilden Stftmmen. ^)
»irftgt maa, dass Tacitus von unseren Voreltern mehr als Rhetor denn
ab Historiker, endlich nicht ans eigener Knnde, sondern anf (irmiid
ik*r Darstellung Anderer schnob, dass er auf das (lefühl und die Re-
tlexkm wirken *) und seinen Ijandsleuten einen Spiegel Vorlialten wollte,
etwa wie wenn man in früherer Zeit die idyllischen Zustände der
Wilden Tahiti's unserer verfeinerten (Zivilisation entgegenstellte, so wird
eine freiepe AufEassung auch der gepriesensten Sdiriftsteller der Alten
die germanische Urzeit in weniger reinem Liebte erscheinen lassen.
So könnte die Ileliauptung dessell»en Tacitus*, dass Kinder von ihren
mQtteriichen Onkeln mit der gleichen Zärtliclikeit betraclitet wurden
wie von iliren Vätern, jenes Verwandschaftsl^and sogar als enger ange-
«ehen werde, lieinahe ein zweifelhaftes Licht auf den Huf der ahen
(fonnanen werfen. Todten-, <brunter Menschenopfer, waren der ger-
manischen Mythologie nicht fremd; Hr>'nhild liegt an der Seite ihres
geliebten Stgiird auf dem Sch<Mterliaufen , und Männer und Jimgfrauen
folgen ihnen auf dem Höllenwege nach, ßei den Herulern war die
MitbestattuTig der Frauen, die sich erhängen mussten, no(*h im VI. Jahr-
hundert n. Chr. Sitte; auch sonstige Abscheulichkeiten kamen vor. ')
Krt wäre Wahnwitz zu fordern, das Christenthum hätte, den allgemeinen
Flntwicklangsgesetzen Hohn sprechend, auf einmal eine Milderung der
Harbarei erzielen sollen. Im Anfange seiner Wirksamkeit verlangen,
wna das £nde derselben bezeichnen sollte, ist eben so ungereimt als
ob man vom neogepflanzten Obstbaume Früchte erwarten wollte. Sehr
uatflrlich erscheinen stets die Fürsten und Grossen aus jener Zeit in
den dnnkelfrten Farl)en, da man ihre Handlungen aufeuzeichnen allein
der Mfibe werth hielt. Die Hohheit der Zeiten gestattet keinen Zweifel,
da» et im Volke nicht erfreulicher aussah. Sicherlich war die nm
jeae Epodie erfolgte Einführung der Todesstrafe ein wesentliches Mittel
mr Milderung der damaligen Sitten. Nach dem heidnischen Reditc*,
worin sich das (tefühl des Wertho^ der Freiheit und (lleichheit
asKeblich knndgab — konnte jeder Mord, Königsmord ausgenonunen,
■it (leM nnd (rut, dem „Webrgeld', gesühnt wenhm. I)al)ei existirte
die vat>{ebhche Freiheit nur für <lie Freien, die angebliche CHeichheit
nnter lieuten gleicher nationaler Al»stammung. Nun aber strafte
(lesetz jeden vorsätzlichen Moni mit dem Tode, ohne Rücksicht
aaf Rang nnd Abgtammung lieider Theile.
Je mehr man sieb in das Studium jener K|K)chen versenkt , desto
mehr befestigt sich die rt4M*r/eugung von dem nihen Zastande der
Ilprmanis4*lien Stämme; sie standtMi cInmi auf der Stufe mancher Natur-
völker der (f<*genwart. Diese Thatsache allein hilft uns die Zustände
der Men>i(ingerzeit vollständig liegnnfen und abi durchaus natürliche
*i Kiod«riu«rJ und FruebUlitreiliuiig Miiid s. B. l>oi dif^rn überaus biiflg; »l^lie
4*ral»«r Arehir /. Ämtkrop. V. Hd. 8.451— 4.%5. Die l*«der«<ti« hrrr«rht bckanntUrh nn«h
;#t<t bei d^a ori«aUli*rhrn V«')lkern
*i awr. f. AU§. Zif. So. »26, vom '>*i. November 1873.
V J Orimm, Dtmt4rht RtehtfallrrtkUmtr. H 455.
3*
36 AnAoff« des MitUlalton.
betrachten. Wiederiiolt habe ich darauf hingewiesen, wie jede hoch-
entwickelte Cultur unabAnderlich Jjaster begleiten, welche die Sittlichkeit^
jener Epochen in keinem allza gttastigen Lichte erblicken bumen. Diese
Laster sind jene der Naturmenschen, nur in verfeinerter Form; die
Clvilisation vermag weder neue Laster noch neue Tugenden zu sdiaffen,
sie kann nur gewisse im Menschen voriiandene Keime und Anlagen
fördera, entwickeln. Ihr Wesen l)e8teht nun, glcidi jenem der Zfihmung
bei den Thieren, darin, dass sie gewisse natürliche Anlagen besonders
fordert, andere in den Hintergrund drückt; selbstverstftndlich entwickeln
sich jene Eigenschaften am meisten, welche dem jeweiligen gesellschaft-
lichen Organismus am nützlichsten sind. Denn Einzelnen gegenfiber
ist die Menge, welche im Kampfe mn's Dasein die Chancen &st immer
für sich hat, (Tesetzgeberin. Sie nennt daher alle jene Thaten, die ihr
nutzen, Verdienste, alle jene aber, die ihre Interessen zu Gunsten
des Einzelnen schädigen — Verbrechen. Wo das (lesetz nicht mehr
zukann, muss die Unterscheidung in Tugend und Laster mit allen
weiteren Feinheiten nachhelfen. Alles zusammen ist das Sittengesetz,
das sich die Menschheit zu ihrem eigenen Schutz gegeben hat — die
Moral. > ) Wohl zu erwägen ist aber, dass das llrtheU der Menge Aber
<la.s, was sie als Verdienst oder Verbrechen, als Tugend oder Laster
anerkennen will, bei den verschiedenen Völkern s^ir verschieden ist.
l>enn die Civilisation oder Cultm* vermag die primären Raceneigen-
schaften niemals ganz zu verwischen und bildet jedes Volk im Sinne
<ier vorhandenen Anlagen aus. Absichtlich greife ich zu dem trivialen
aber passenden Beispiele vom Hunde, den die Zähmung im Allgemeinen
aus einem Kaiibthier in ein frommes Hausthier verwandelte, der in
der Entwicklung seiner besonderen Eigenschaften aber von primären
.Vnlagen abhängig ist. Ein wachsames SchoosshtUiddien ist unbrauchbar
als Jagdhund und der trefiflidiste Vorsteh- oder Htihnerhund gibt nodi
keinen Bernhardiner I^bcnsretter. Jede hervorragende Entwicklung
irgend einer Eigenschaft geschieht jedoch aberall in der Natur nur auf
Kosten einer anderen; wälirend die einen gedeihen, verkflmmem die
anderen. So auch in der C'nltnr. ICs jst also nur sehr natürlich, dass
mit der steigenden Gesittung, welche gewisse „Tugenden" fördert, sidi
auch unvermeidlich „liaster^ zeigen, die ja nichts anderes, als der
negative Ausdruck fAr die Verkümmerung gewisser Eigenschaften sind.
(fe^iiss v^ird dieserhalb kein Billigdenkender die C^tur geringer achten,
allein die nüchterne Wahrheit erfordert den entschiedensten Protest
^gen das Bestreben, die Gesittung blos nur als Entwicklung der ,.gaten^
Eigenschaften darzustellen. Mit waclisender Cultur wachsen allerdiflgB
gewisse gute, al)er auch gewisse böse Eigenschaften, die, in der menadi-
lichen Natur begründet, Beide ihr Hecht gebieterisch geltend machet
Würde filr diese gern verkannte Wahrheit nicht die Geschichte
sprechen, welclie ülier die tiefste „Entsittlichung"' klagt als die Cultur
der Hellenen, der Römer, der Perser, der Araber am höchsten stand,
*i Rob. Byr in dem gedAnkenreiebeu RoiuAn: Dtr Kampf ttm'a Dum/«. 111. Bd
S. Ji^.
Die Caltur Im FrAskrareiebe. 87
Hie Würde laut verkflndet dordi die Lehren der vergleichenden Ethno-
logie. Wo immer Natan^ölker mit «ier CiviUsation in Berahmng treten,
vernehmen wir die Klage, da»» dadurch lieidenschaften und Laster
erregt werden, die der „wilde Naturmensch" nicht kannte. Hier ein
llei^el statt vieler. An den hochromantisohen Ufern des Telezki'sdieii
>»e<*s, den die türkischen Idiome den ^^i^oldenen" nennen (Alt^-hUj
nnd in den einsamen Thäiern des Tschulyschman und der ßaschkaus
im Altai hausen fieunilienweise zerstreut nomadische Kalmüken noch
im reinen „Naturzustande." Bei diesem armseligen Volke herrscht voU-
fitlndige Standesgleichheit und ein ausgebildeter Commnnismus , das
(*idturideal so mancher Phantasten, auf den niedrigsten Culturstofen
indem langst verwiiiclicht. Denn aucli die waldbewohnenden, nomadi-
sehen Stißng von Brelum, im Osten des Mekhong, die nnter den
hinterindischen Völkerschaften den niedrigsten Rang einnehmen, leben
in irütergemeinschaft,') als ob sie bei einem Pariser Socialisten Colleg
gehört hätten. Mit Schrecken wendet man sich ab von diesem Ideale;
flle Folgen der (TüteiK^^meinschaft und Standesgleichheit haben hier zu
abmluter Versumpfung und Unthätigkoit geführt. Doch sei nicht ge-
UUignet, daM) der Kahnük, um auf diesen zurtlckzukonuuen, dabei ausser-
ordk^nthch zufriwlen und nach si»iner Meinung ein herrliches liOben
fUirt. Von 8<»ineni Standpuncte aus hat er auch Recht, denn keine
Siirge drückt ihn und kein Wunsch nach irgend einer Veränderung
steigt in ihm auf. Beobachtet man nun die Einwirkungen der (hiltnr,
wie sie «üe Nälie russischer Niederlassungen in neuerer Zeit angebahnt
bat. so sieht man den Wunsch luu'h Ik^tz und das damit natniigemäss
nnlösUrfa verbundene Streben nach Standesunters(*hieden Wiur^l schk^
gpit. nnd in weiterer Folge auch grössere Rührigkeit in das einförmige
l^ben der Bergbewohner dringen. Dort beginnt Handel und Ackerban;
mit diesen Haupt&ctoren der (lesittung, Besitz, Standtniunterschiede nnd
Arbeit, halten aber auch viele Uebel ihn*n >jnzug, und eignen sidi die
Kahnflken in erster IJnie die I^aster ihrer civilisirteren Nachbarn an.*)
Dieses Beispiel, das sich viel&ch venuehren Hesse, ist überaus
lf«iirrei€h<» denn es gestattet einen guten l'IinblicJc in die geheimnissvoUen
Vfauk* «1er ('ulturentwicklung. (lesetzt, die Kalmüken hätten, wie die
Ifermanen, die Kraft., die fremde (Ixilisation aufeunehmen, ohne daran
m Gmnde zu gehen, so würde in einiger Zeit das gesellschaftliche I^
dr« Altai ein total verändertes hAw. Die innige Berührung der beiden
Völker, Rw<sen und Kalmüken, wüiile U'i genügender nmneilscher
SUhrke der 1 letzteren /u theilwei^T Kalmüki.Hining der Russen fahren,
deren (*nlturstufe darunter empfindlich leiden mü.s.Hte; andererseits
möefaten die Kalmüken weit fortgeschrittener sein als jetzt; sie würden
ihr Nnmadenthum mit dem Ackerliau, lUe (lütergemeinsc^haft mit dem
IVi%atbe^t/. die liarl)aris<>lie StandesgleiclihiMt mit dem ci\ilisatorischcn
'fU^nri Mouhot. 2VnM/f in tht C^mtrut pari» of Cochin-i 'htim (Siamj Camh^äim
•mt Lm09. Lob4ob 1864. H\ I. B4. H. 342.
') Bft0kc kierab«r W. Kadi off, Di€ Btr^momadtn ä0$ Alf*. Glohmt. XI. M.
b ?TT-378)
3^ Anfinge des Mitteleltert.
Standesimterschied, ilue ,J)emoki-atie'' vielleicht mit einer ^Aristcdontie^
ilir Fanlleiizen mit weiicthfttiger Arbeit, zugleich aber ihre apathische
Gemüthsrulie mit aufregenden Wünschen, ihre Yertrauenssehgkeit mit
Misstraucn, ihre Ehrlichkeit mit Habgier, ihre Aufrichtigkeit mit LOge
vertaascht haben. Vielleicht würde sogar das eine oder das andere
ihrer Laster noch schärfer zum AusiU*uckc gelangen. Denn wenn es
Lüge ist zu behaupten, die Cultur wirke n u r veredelnd, so ist es nicht
minder Lüge, die Yenvirklichung des „(xuten^ im Naturzustande zu
gewahren. Die gepriesenen Barbaren fröhnen den aussdiweifendsten
Lastern, Kohheit und Grausamkeit und was damit zusammenhflngt, sind
\m ihnen allgemein,') schon desshalb, weil ihnen der Begriff daiür
fehlt. Die Natur verbietet keinem Menschen, seinen Nächsten zu peinigen
oder zu tödten, erst die Cultur thut dies und bestraft den Mord, Uoe
darum, weil die ungestrafte I^friedigung der Mordlust die Gesellflchaft
selbst in Frage stellen wüide. Der Diebstahl entsteht erst mit dem
Pligenthum; der Kalmük stiehlt nicht, weil er keine Bedürfnisse hat,
kennt weder Lug ntK*h Trug, weil es in seinen Bergen nichts zu ver-
heimlichen gibt und er viel zu ti-äge ist, sich zu verstellen; so wenig
ilim dies ab Verdienst anzureclmen ist, so sicher bleibt es, dass die im
Menschen vorhandenen Keime dieser liaster ei"8t mit der aufgehenden
Somie der Cultur zu reifen k*giminen.
Die Wirkungen der l^rührung der alten Geniianen mit der
i-ömischen Cultur konnten keine anden^n, als die oben geschilderten
luid in der (u*gcnwart beobachteten sein. Unter dem Einflüsse der
gennanischen Bai'baren mussten die römische Civilisation verwildern,*)
die Gallo-Komanen, Ilispanier mid Italiker sinken; unzweifelhaft aber
stiegen die Germanen; die merowingische (resellschaft, barbarisch, ¥rie
sie heute uns däucht, stand an Gt^ittung hoch über den Germanen
Hermanns, des CheiuskerfUrsten. Alle liaster der römischen Cultur
bildeten aber zugleich die ersten P>rungenscliaften der deutschen Stämme«
die n(Kh lange ihre ursprüngliche Kohheit l>ewahrten. Die Züge haar-
sträubender GraiLsamkeit jener Zeit sind Uel)erbleibsel dieser ursprüng-
lichen Kolüieit, deren Ue})er^'indung nur das Werk tausendjähriger
Cultiirarl)eit sein kaim. Kein Wunder daher, dass mit den angenom-
menen I/asteni der frilheren (*ivilisati()ns])enode ilie dem Barbarenthnnie
eigene Unmenschliclikeit sich paarte. Will man <üe Zustände jenes
Zeitalters in ihrer natürlichen Entwicklung ei-fassen, so muss man sich
sorgiiHtig hüten, sie un Lichten misen^r heutigen o<ler selbst der vorlun>
gegangenen antiken Civilisation /ii l>etrachten, vielmehr das neue
herrschend gewordene Volkstlium an seinem eigenen Ausgangsiiunete
messen. Dann wenlen wir l)eurt heilen können, wie sehr trota aller
liaster und Barbarei die gennanisclie Welt in der Mei-owingenseit schon
gestiegen war.
<) .(Wir Wilden t*iiid doch bPi>-*crc Moii-<chcii', klingt ganz gut , aber ein edler
Si'hwarxf\i«j«lcr < Blaeleftet-) Indianer kann da*» ni'^ht von ?ii*h f«ag<^n. ( Mittk^iUtnytn iler
k. l. s^ographUehen Get>elUchaft in Wien 1K7-2. Wien 18T.J. 8». 8. 52»)
0 Dien i^t um xu sicherer, als wir positiv Avi!>iion, wie einselne MitgUedcr vom
CulturiiAUouen, wenn eic isolirt unter Naturvölkern leben, vorvrildoriL
Die Ciiltor im Fr«nkeareithe. 39
Da« Steigen der Germanen hatte wie gesagt nothwendig das Sinken
(irr ält4?ren Nationen zur Folge, die sich mit ihnen venuischtcn. Es
li<l(t dies eben im Entwicklungsgänge der Cultur selb8t, die unvermögend
1*4, den Natmiueniichen anders, denn in selir, sein* langen Fristen zmu
C'ultarmeii.s(*hen zu erziehen; bei vielen Völkern gelingt dieses Kxperi-
nK*nt gar nie. Angesichts dieser festbegründeten Thatsache vic'iss icli
nur ahi culturhistorischen Nonsens zu bezeichnen, >venn durch Herbei-
M'ldeppung aller mögUchen Beispiele von Barbarei die „chiistliche
\V;edergebml des Frankenreiches", die „wiedergeborene Sittlichkeit der
lU'kehrten*^ zu illustriix'n versucht wird.*) Die Beligion ist nur eines
«Ut verschiedenen Cultuniüttel, und blos Ciedankenlosigkeit kann von
ihr eine „Wiedergeburt" fordern, die es gar nicht gibt. Das Fraiücen-
ivicb war niemals „christlich wiedergeboren", weil es unchristlich gar
nie beKtand; seine Zustände wai*en, wie wir sie kennen, nicht weil
«Lim Reich christlich, sondern weil es fräiücisch wai*; ebenso wenig
k«iiiwien die Bekehrten in den Besitz einer „wiedergeborenen Sittlich-
keif*, hondern die Sitten der Neubekehiten verbliel)en anfangs in ilnrr
frilb<*n*n llohlieit und milderten sicli erst im I^ufe der «Jahrhunderte.
DiT Antheil diT Kirche und Religion an dieser Milderung der Sitten
ist gniss genug, wie die spätere Entwicklung, welche ohne sie nicht
möglich gew(*s<»n wäre, lelirt, allein es war weder die einzige Aufgal)e
der Kirche, die Sitten zu mildern, nocli war ihr bis dahin die nöthige
Zi*it <lazu gegönnt gewesen. Offenbar muss es Leute geben, welche an
die Religiim und iiLsbesonden^ an dit* chnstliche Kirche die Anforderung
^t«*lleu, Völker hn Handumdrehen aus Barbaivn in gesittete Nationen
jM vcn^'andft'bi, soitst könnte man sich unmöglich in dem Nachweist^
){eialkMi, dass zur Zeit Karl d (ir., also nur drei Jalirhunderte
uadideni Chlodovech die Taufe empfangen, von der sittlichen Wirksam-
keit der Kirche noi^h nichts cxler niu* si'hr wenig zu v(»i*spüren war.
Fttr Jeden, di*r die Entwicklung der Cultm- mit voi*urtlieil.*^losem Blick
U-trachtet, ist dies so selbstverständlich, dass er sich vielmehr wmideit,
fküs überhaupt schon P^twas davon zu uKTken ist. Nur wer die
:fi*tifl(*nbarten Religionen nicht für Mensclienwerk hält, wer also an
Waiuier glaubt, kann von ihrer Wirkung Wunder verlangen. Wenn
zur Zeit «I«t Merowinger und Karolinger das im Schoossi^ des Semiten-
thoiiLn gezeitigte Cliristenthmn mit seinen idealen Höhen auf eimMi
ätt^serlielM^n AU^rglauben re<lucirt ei-scheint, so s<»hen wir darin alM»r-
uiaN (*ine Bestätigung des Satzes, diss jede Religion als Menschen-
werk zu di*m wird, wozu die > ei-schiedenen Völker sie machen.
Nicht das Christenthum machte <lie ftänki^^che Zeit, sondern die fränkische
Zeit noi-hte ilas ('hri>tenthum kirkirisch.
Im jeik' fernere Culturentwicklung zu M*i>tehen, ist festzuhalten
ii«>lliig, «lass dit»si»s lKU*)KU*isrhe Frankenzeitalter, dieses iKirlNirischf
(lin^tenthum. t\\i^> larlwirisehe Sittlichkeit «wler wenn man liebiT will
l nMttlk'likeit, dies«' gi-ässliche l'nwissenheit, di(»ser finstere Aln^rglaulM'iL
'l Dkm niitilo«»« Mühe gibt »irh Ludwig Pf^u in tfiiica Frtitm Studium.
ZmrtU AuOftCf. Hkattfart 1S74. 8'. 8. 2»9-m.
40 Anfinge des Mlttelftltert.
Alles dies zusamiuengenommen einen hohen Cultnrgewinn bedeuten im
Vergleiche zu den Zuständen der fiühesten (ireniianen. Und darauf
kommt es an, denn das Abendland wai* gennanisch geworden in dem-
selben Simie, wie die alte Welt römisch. Germanische Sitten, germanischer
I^rauch, gennanisches Recht kamen auf in Gallien, Britannien, Hispanien,
Italien. IMe Wissensschütze der antiken Cultur, sie gingen nicht unter,
sie zogen sich nur von den durch die rohen Eindringlinge bai'barisirten
Ländern Westeuropa's zurück nach dem Osten, nach Byzanz und zu
dem alten Cultm^olk der damals Pehlwi (oder Huzvaresch) redenden
Perser, von welchen sie die -\i-aber übernaluuen. Hier im Osten ist
die Continiiität der altrömischen Gesittung zu suchen, nicht im Westen,
wo sie übrigens nie so tieft» Wur/el geschlagen. Das nördliche Gallien,
Britannien und Germanien waren, wenige Puncte a})gesehcn, auch zur
Kömerzeit barbaiische Länder, hier war ohnehin noch kein Boden für
die Fortpflanzung der Gesittung vorhanden. Im mittleren und südliclien
(lallien, in Ilispanien und Italien musste aber die bestehende Bildung
sinken in Folge des Hinzu! ritts eim^s neuen, wilden Volkselements.
Dieser Process der (.'Ulturverwildenmg war, wir wissen es, kein
von den germanischen Stämmen heabhichtigter; sie trachteten vielmehr
(he alte (Kultur zu biwahren, konnten jedoch nicht anders als die
antiken Culturinstitutionen in ihrem barbarischen Simie auflassen und
deuten; eben so wenig mochten sie lassen von der eigenen alten Sitte,
dem eigenen Recht. Die Verbin(hing solch' heterogener Anschauungen
musste von si;lbst zu allgemeiner Rohheit der Zustände führen; man
erwäge nur beispielshalber, was eintreten mtisste, wenn Dakotah oder
Sioux die IIen*sclier ül)er die j^ebildeten Weissen America's werden
könnten und ihre altinilianischen Begrifte von Lel)enssitte , Recht,
Rtiligion u. s. w. mit der (.'idtur ihrer Unterthanen verbinden wollten.
L'nd helbst au that sächlichen Beispielen der (Jegenwaii; lässt sich stu-
diren, wie <lic Behen-schung eines gebildeten Volkes durch ein minder-
gebildetes einen ( 'ultmTückgang nach si(^i zieht; oder müssen wir nicht
täglich (üe Klage >eniehmen, dass die Gefilhrdung des Deutschthums
in den Ostseeprovinzen durch die Russ(*n, in Ungarn durch die Magyaren
iler C'ultur jener Gebiete abträglich sei? Da aber alle Völker, so weit
sie geschichtlich handelnd auftreten, einem inneren Antriebe gehorcfaen,
den man passend als n a t i o n a 1 1; n I n s t i n c t bezeichnen kann, und
hieser nationale Instinct den Völkern zu hen-schen gebietet, wo sie
derrschen können, gerade wie dem P^inzelncn auch, so begreifen wir,
iLiss die gennanischen Völker im ersten Jahrtausende uaserer Zeitr
lechnung elx^nso beflissen waren ihre IleiTschaft zu sichern, wie heute •
in den angefübilcn Fällen Russen und 3Ligyaren. Die Befestigung der
tränkischen llen'schaft insbesondere, als des grössten imd wichtigslea
germanischen Stanuncs, ist daher, obwohl auf Kosten der antiken Goltar
\olIzog<'n, eine vollkommen natürliche Ei-scheinung. Denn natürlich
werden wir mit Recht ein Streben nennen, welches in ähnli(^en FlUten
alle Völkrr der Geschichte zu allen Zeiten an den Tag legen, und wer
der natürlichen Entwicklung nachs])ürt. wird da.ssell>e auch als einen
natürlichen Factor in seine Betraclitun^eii aufzunehmen haben. Dum
Die Cnltnr in Fninlcenrelebe.' 41
lasso man sieh nicht durch den Umstand beirren, dann dieser Fai^tor
manchmal, wie hier z. B., al» Culturhinderniss auftritt, denn in
d«T That, m wie die Cultur durch natttrliche Factoren in ihrer Ent-
fieütung gefordert wird, so stellen sich ihr auch natttrliche Hindernisse
in den Weg. Daraus entspinnt sich dann eben der „Kampf um*s Da-
sein**, den die C\iltur im Alljremeinen durchkämpfen mnss, wie jedes
einzelne (^dturphänomen insbesondere, und Sieg oder Niederlage wird,
¥rie in der Natur Überhaupt, durch das Ueberwiegen der einen oder
der amieren Factorenreihe entschieden. .,Die ganze Cultur ist nicht
Mm unserem Beniisstsein, sondern von der Natur gezeugt und uils
zum Bewusstsein gebracht. Was die Measchheit henorbringt in allen
S|>|iftren ihres Lebens, gereicht ihr desshalb weder zum Verdienst noch
znm Vorwurfe, der Geschichtsprocess ist ein Naturprocess.
Unter allen Organismen und Geschöpftm gemessen wir den Vorzug,
einen Thefl dieses Geschichtsprocesses mit unserem Bewusstsein Ijegleiteii
in können.. Auf seinen Verlauf hat je<locli das Bewusstsein keinen
FjnÜnsA, es ist kein schöpferisches, k«in (h>;an der Initiative, es l(»itet
ilieÄ* !*roces8e nicht, c»s erleidet sie, es ist ohne Ffthigkeit der FJn-
mirknng auf diese üeschichtsproces.s<» sell)st. Wussten Aegj-pter, (Triechen,
Kdmer etwas von dem Ziele, das wir erreicht und ^^issen wir etwas
von «lern, dem unsere Nachkommen zustn»lxMi wenlen? Wir hal)en und
kennen nur Kn Strel)en: zu leb<Mi — das Wie hängt nicht v(m uns,
Mmdem von der Natur iUt Dinge ab. ')
War die Befestigung der fräukisch(»n Herrscliaft im AlKMuUande
rin oatargemÜKses Streben der (iemuuien, so liegt auf der lland, dass
<ie hieren sich diT ihnen tauglichst dünkeudeii Mittel iHMÜenten. Solche
pllegieii ilie Völker, wie die (ieschichte lehrt, instinctiv zu ergreifen,
ibher ^cfa denn für keinen Satz zu allen Epochen s(*hlagendere und
nnwiderleglichere Beweist» finden als fdr die enige Wahrheit: der
/weck heiligt die Mittel, lichtiger der Erfolg heiligt luurh-
frigiidi die Mittel, und zwar, dies ist <las Wichtigste, nicht nur im
Aofee des Siegers. Das treffendste Mittel ist das I^te. Diesem Worte
wohnt eine so furchtbare Wahrheit inne, dass man nicht anstehen kann
n «ricmnen, wie alle Cultureutwicklung überhaupt sich
am dieses Eine Wort dreht. Mag man damit alle (tewalten der
flAlle rntfesselt, das Hnligste erschuttc^rt , den B(Mlen der Ethik und
Mnrd unter den Füssen wanken wfthnen, dei* IVweis fler Wahrheit
wird dafllr durch ilie ganze Weltgeschichte angetreten und <•« ladiH
Verantwortlichkeit auf sich, wei*dit» grosse Wahrheit zu vei^
«ch nicht entblö<let. Ich lK?tone di(»s hier, weil wie ein si»ÄtenT
.UMcliiiitt darlegen winl, die Frankenherrs<'haft zu ihrer Befestigung
■mIi Mitteln grifL welche Einige als die venierflichsten branchnarken.
thatnAdilich alier die natürlichsten, wirksamsten, z^'(H*k(*nt sprechendsten
«amu nimlif'h 4Üe Fortsetzung des rönns<*hen Heich(*s, die Ausbmtung
det Clirbtenthums und die (hinüt Schiitt lialtende Entwicklung der
Gewalt.
ir« •' 8. ai-TD.
42 - Auniige de» Mittelaltert.
Dfls rOmlBch- deutsche Beich.
WÄlirciul aus dem merowiiigisdieii Reiche sich die siwltei-cu VölkcT
(l<'i' Fi*anzoBeii und Deutschen abklflileu, ^ing iin VI. Jahrhundert durch
die deutschen Stumme ein sprachlidier Riss, der sie in zwei Hälften
lheilt(*: die Scheidung in Niederdeutsche uud Ilochdeutscho. Sie ist
nichts anderes als der sprachliche Ausdruck für die geschichtliche Tliat-
sache, dass die liochdeutschen Stilmme als Mitglieder des merowingiscli-
fi*änkischeu Reiches in einen staatlichen Verband mit ix)niaiiischcu
Völkei*schaften und dadurch in dauernde Cultm*lx^ziehung zn einer
fr(*mden Natioimlität traten. ^) Von der Lähmung Mherer Jalirzehute
lM>treit, vollendete das fi*änkischc Königthum unter I^ppin und seineiu
Sohne die schon unter der ersten Dynastie begonnene Gründung eines
romanisch-gennanischen Weltstaates, indem es jeden Wideiistand der
(»in/einen Stämme und Stanmiesfüi*sten nicdei*\i'arf und gallisdi-rOmiädic
Cultur nut deutsi'hem Wesen zu einer neuen Einheit zu verbinden
str(?bto. Die Schöi)tung war ft*eilich nur von kurzem Restande; ihre
Wirkungen aber dauern bis auf unsere Tage fort, auch die weltbe-
wegenden Ereignis.se der jüngsten Tage wei.sen auf sie zurück. Denn
je inniger die vei'schiedent^i Elemente sich damals bereits dui*chdruugen
liatten, d(»>to si^hwieriger wuiile nach dem Zerfalle des Reidies die
gt'gensfMtige Al>sclieidung seiner zwei Hauptl)estandtheile, mid die Grenz-
t^ebiete wm-den so der Gegenstand einer Rivalität, die der Politik beider
Völker Jalirhundeile lang zur Richtschnur dienten, bis erst in unseren
Tagen die Waage sich zu den Deutschen hei-ülxirneigte. Indem
lM]>pin einst die Kj'one auf sein Haupt gesetzt, hat er nicht eitler
Ilen*schsiicht gefröhnt, s<mdern im vollen Ik^wusstsein seines inneren
lU'rufes und der übernommenen Ttlii^hten das schwere HcrrBchenuit
angetreteiL • )
Dass die Idvx* vom ewig(*n lk;stande des römischen Reidies lebhaft
fortlebte unter den (iennanen, so lebhaft, (btss die Annahme der Kaiaei^
würde durch Karl d. Gr. seinen ZeitgenossiMi um* eine natürliche Fort*
Setzung, keine Erneuerung d(^s alten Reiches schien, ist meinen Lesern
lN>kannt. Die (kunals mit dem lömischen Kaiseilhume verknüiiften
IVgiitfe einf^s Primates über alle übrigtMi HeiTscher und Völker niuastcn
cIm'u d(*m fränkischen Füi*sten die Ernnchung dieses Zieles ci'sehnen
und als (*ines der tauglichsten Mittel zm* IVfestigung der ft-änkischen
Ileii-schaft im AlM>ndlande ei*sc.heinen lassi*n. Die Annalune der
römischen Kaiscrwürde entsprach zu jencM' Ep(K*he dem iustiuctiven
Nationa]g«^fühle imd dem „Zeitgeiste" trlHMi so s<*lu" als mehr denn du
.lahrtausend später jene der deutschen Kais<Twürde durch den König
>on rreus.s(>n. Zu d<'r einen wie der anderen Tliat diüngten mui
lockten die Zeit Verhältnisse'. Niemand dtu'hte dai'an, das Reich la
•) Willirlni M5cl»orcr, fh'e detitaclw Sjn-aeheiMheit. f I^i-eutafficht JnkrhUcher xvm
.lümior iHTtl. H. .'> uinl: Vofirayf und ÄttfuCttse zur Üettchichte tita fftfaUp^n Ltkan *
iHutnchlaml und Oesterreieh. 8 50.)
'I I^ u d >v i g O c 1 8 n e r , Jahrhüeher de$ fränkiachtn Seieh»$, B» 4S4.
Dm rlhnlftfh-deiitMbe Beicfc. 43
. rniruriTi'^, wie Niemand seinerzeit in Augnstnlnn den letxteu rOniiHchen
Kaiser erWii'kt Imtte-, «lie Idee von dem röminchon Roicho ilor Welt-
« minima war nii'ht verbKchen, sie war von denjenigen anerkannt, die
Ml» m zerstören Bcfaienen, nnd von der Kinjhe sorgsam gehQtet wonieii,
«unlp dmt'h Gesetxcf nnd (Gewohnheiten inV (Tetlflehtnim gerufen nnd
war diT onterworfenen Bevölkennig tlieuer, liie mit Fi-eudon an die
rage mrttckdachte , in denen wenigstens I*Vieden und Onlnung die
Knet-htschaft milderte. Den (Germanen erfüllte stets das Destrelien,
*ifh mit dem Swtem, das er überwältigte, zu identiticiren. Zudem
hatte in den letzten anderthalb Jahrhunderten die Erhebung des IsMLnis
«l**r genmmten (liristenheit Europa'» einen höheren AufT^chwung ver-
lif^iea Der falsche Prophet hatte eine Religion, ein Reich und ein
<»hi*rhtupC der (tlänbigen zurflckgela^^sen ; die christliche (remeinschaft
Uilnrfte jetzt mehr denn je eines kräftigen Hauptes und MitteliMmctes.
Einen nolcfaen Anführer konnte sie nicht finden am Hofe zu Hyzaiiz,
fHr immer mehr entkräftete und sich dem Westen entfr(»mdote. IkMiiiodi
tH-*4aDdpn die Reichte der b\Tantinischen Kaiser fort, sie wari'n Titular-
•4»n«<*rine v<m Rom nnd nmssten es bleÜMMi, so lange sie den kaiser-
li<-hi»n Namen führten. Auch wai* das geistige OlHTliaupt dor ('hristenh<nt,
iWr Hisrhof von Rom, auf das weltliche angewiesen und konnte das-
M-Ihe nicht entlM»hren. Aa*sserhalb dos ifniiischen Reiches konnte «»s,
«14* man ilamals glaubte, keine römische und nothwendigei-^eis«' au(*h
kfin«" kafh<»lisclH> und aiK>stolisc}ie Kirche g(*lM>n; denn die Mciisclicn
k(*nnten nicht in der Wirklichkeit von einand(T trcnniMi, was im (iciste
uiiaullöslich war; das (liristenthum unisste mit dem gross4>n christlichen
MiMte stehen oder fiillen, es waivn nur zwei Namen für eine inul
ibf^ielbe Sache. M So fiind denn die Kn^nung des Frankenkönigs Inm
«Iff Kirebe eh(*n s<i viel fkMfall als lN*ini eigen<*n Volke.
D^ zweite wesi»ntliche Mittel zur Befestigung der fi*ilnkis<*lieii
ürTTMiAft war die Ausbreitung des Christentlnuns. N(M-h lebte ein
flr-nfju-hrr Stamm, das ndie. alNT mUchtigc* Sachs(>iivoIk , und hinter
My-m die Slavenwelt, dem Heidenthnni ergelK'ii. Auf Hekelinmg dies<»r
Vrf>IkiT richti*te sich numnehr flie Aufuierksamkeit der Franken; sohrlie
4l»T konnte nur Waffengewalt \ ollbringen. S<*hon unter den Men>-
riij^m hatte stets erbitterte Fehde zwischen Franken und SacliMMi
e«tiili( und oft rOthete ihr Rlut die (letilde am Rhein. DauerhafT nnter-
>«-lrt wonlen ilie Suchs<»n alxT nie. So fan<l Karl, der gniss«» Franke,
f4r Mawhe nur ein „S4*hlauer" und ..gnmsiinier EnjlM^n-r"*. da.^ kühne
V<4k. dsfi er za beugen sii'h zum /i«'le s<*tzte. Die (iesehiehte er/ühlt,
mit welf-hein Heklenmutln* <üe Sa4'lisi>n ihre riial)häugi|j:keit \ erkauften,
%»• «ift. wie lange der Frankeidien-scher ilin»m Stan-siinie weich<*n
ton!t»tf\ wie \\v\v Ströme Hlnti»s die stiUitliclie Vereinigung der iM'iden
•W-tifM-hfn Hanptstflmme kostete. Die I^>siegung der SaehsiMi eifolgti*
• rnifif-li nur mit Hülfe der OlNitriten, eines slaviM'hen Vojke^i.
Ni «M^hr nun die l'nterjotbung «ler SacliM'u und »später der Sjaxeu
«^111 fnftakiM'h«'n lnt4*n*sK' diente. S4) gibt e.s dtM-h keinen Anlass zur
t 9t} et, Um9 h€Mg0 r9mi$che Reich H. 39—31.
44 Anfang« dM Ifitielaltor«.
Behauptung, die Ausbreitung des Christenthums sei nur im Dienste
dynastischer Herrschergelttste vor sich gegangen. Auf der Cultnrstufe
der damaligen Franken pflegen die Völker von ihren angeblichen reli-
giösen Wahrheiten aufs Tiefte durchdrungen zu sein und deren ge-
waltsame AuAiöthigung an Andersgläubige für ein verdienstvolles Werk
zu halten. In nämlicher W>ise erwarb der Islam seine Bekenner durch
Hammen und Schwert; auch das Araberthum zog directen Nutzen aus
der Unterwerfung fremder Völker; es wäre aber sicher irrig, die Aus-
breitmigsursadie des Islam in der Herrschsucht der Araber ro suchen.
Araber und (Fristen verbreiteten jeder ihre Religion dieser selbst willen,
ohne Rücksicht auf andere Folgen; die Religion war in der That ein
Mittel zui* Machtl)efe8tigung, wurde aber als solches nicht mit Bewusi^sein
gebraucht Die Völkei* gehorchen einem Naturgesetze, indem sie in-
stinctiv zu den passendsten Mittobi greifen.
VAne entschiedener i)olitische Bedeutung Itesass der Kampf gegen
das slavische Heidenthum, ob seiner Macht und (^Iturstufi^ dn ge-
föhrlicher Gegner. Hier gesellte sich zwn i*eligiösen auch nudb der
ethnische Unterschied und fahrte zu Jahrhunderte langem Uatigeu,
wechselreichen Kampfe, der als eine der wichtigsen Phasen in der
Kntwicklungsgeschichte des deutscheu Volkes späterhin £rwfthniing
linden soll. Docli müssen wir zuvor die Zustände im Norden nnd
Osten unseres Welttheilcs kennen lernen.
Europa's Norden und Osten.
Die AngelMiehsen in Britannien.
Weniger denn in Gallien hatte die römische Cultur in Britannien
9d gebsRt; nadi Schottland war sie gar nicht gedrungen. Die
dwn Siedlungen beschränkten sich auf wenige Puncte des waki-
m Landes, das sie 412 n. Chr. wieder verliessen. Diese dflrftige
oberflftchlidie Gesittung war bald wieder verwischt und nach
mdening der Angeln das überwundene Volk ebenso barbarisch
■eine Eroberer, ') die allm&hlig au den West- und SQdkOsten
uiiens erschienen und zur Zeit Justinian's auf der Insel Wi^t, in
-, Est- und Sussex, in Estanglia, Mercia und Northumberland sk^
rfienen. Dem tieifer noch als die Franken stehenden Sachsen-
ne angehörend, brachten die Angeln sicher kein neues Culturelement
doch ist es h(>chst unwahrscheinlich, dass sie die alten keltischen
haer voUstilndig ausgerottet. ^) Dass keltisches Blut in den Adern
leotigen Engl&nder rollt, bezeugt Qbrigens selbst ihre Sprache.')
•)MAeA«Uy, G4§4h4€kt4 Emfimmds, Leipsig and PMt 18M. 8« I. Tbl. 0. f.
l«xl«7 ltofii«t, troU d«r Mhlreiek«a laUiaiMhen WOrtor im W&lMkM, dM«
•Is« wlrkliek« RomanUlniag in BriUnnien «tAttfefoBdea. 8i«be: Uaxl«y,
mhmtU§f •/ Britein, (Jourm. of lA« AAiwIoy. So«. Loadon, 1870. 8. 88S— 3S«),
Ivxlty, r«Wr 4U Hkmogmfki%ekM Ahkun/t dtr B998ik€mng Gr^MthrUanmUn» mmT
I. fÄmtImmd 1870. No. 8. 8. 128—118); ferner: Iluxlejr, O« fm€ ^04 poim§
M JUwIt^jr. (CpmUmpofrg M0H0W 1871) and in mIbmi aeora BvelM: CriH^4g
MrMMi. Loadoa 1873. 8* 8. 187—180.) 0r5Mer«a SiafloM &m RSsartk«««
• AageleaekMa behauptet Tboma« Wrigbt, Tkt Amn«« 0/ oiksr 4m f. A
•f 4*m^€Hi€ tmmmm4r9 mmd atnUmsmi im Ett/fUiHd from th0 §arU€ti kmotßm p^rML <•
I Mmm. lx>adoB 1871. 8 8. \—9%. Hiebe ferner: Di€ Be^Uktrttmg 49r (HMMkm
fAmaim4 1878. No. S6. 8. 498—499.)
> Saab d«fli Urtbelle alaee eo gewiefftea Keaaars wie Hr. Heari Oaido« ia
ai«ba: M09m4 CtMfmt, I. Vol. B, 178—175.
^ Di* allgeflieiaa Aa^ait , daee die beatigea Baglbader die NaebkooBBaa dar
••Ua, iet dareb die aeaarea Arbeliaa tob Tboa^ Ifiebolaa oad L. O
rk araakatten. (8iaka: Tbom. NUbolas, Tk4, ft4t§n* •/ tk4 St^Utlk p—pt^ \
t, k4§frleml mm4 tUmUße, •» Eitgiith KÜmUogpt 9h&i0img thg Froprmtt •/ r«M
im Mriimim frmm fA« tmrHitt I^mm, trItA ^»ptetmi r^ftrm^f tm ths imemty-
mf 0m mmu mhmrip^mg; Loadoa. Daaa L. O. Pike, 7b# JAi^ab ««d thtir
tm mmtk^mtU EmpH§k httfrp Loadoa 1868. 8*
4(^ B>r^-i H«i«M
Licht wird es aber in der Gfisdnoht« der liritiüclieii Inseln er«) mit
der F.inftihmng des CbristenÜmnu.
Die Zeit, wiuin die Angelsachsen nadt FJiiilniid kamen, isl lüi-ht
genau zu ennittdn. Wie ihre Spra e beweist,'! waren wo ein ivin
((emianiscbes, noch sehr rohes, aberi Uabiai-Iii:')i Volk, wekbfs keine
anderen Bande : j ; der Familie, des hlnxt^ kfiniit«'. Hei dicker
S^bfirfe der Fan de nd die Kiiid<.T iinlir der alüniluii'n
(iewalt des Va 8,0 fi i i iptea, iji^isfii Wohnsitz t^in iiam
war, welches V m i in Tieiei'ei tisdvii l'rtAiiauitiii vnritominl. ')
l>a die c dnrau-o iMtnnrrmiseliMi Fiirmcn
liatten, er e nan nachdeii UiwIilechtenianiFin. iilrhi
nach jenem ow Ii vidui Oeechierlii ilo« /ieo'tn wanii ififl
Beorming, a ^oi rt , ormmvaAam uUs heuiiitP Rirmini^hiUii),
also eiKentlicn 1 dero- ans (li-m (li-whlwlitr Am
Itconn. Bemenc' e i i wie m < ssen Ti (lljcn Zeil«ti Aie Moniwiipn
xirli ndt die. sie r< i, xa idi-ntiticircn suclitcn.
Ün ■ ., ~ I e Art aoh lichaudf zu versteb«i.
Wetlrächt sei eine Meorm von uebftaden; hmii'n i^r inÖKli''h('rwrJ*F
Hn kleines i Den ham umgab stet^^ i'in Ij-dwall mit (dnen
(iraben; Hanerwertt gab ea nidit; der AngdMi>'hsc hautt' nur mit tbtb.
wesBbalb iddi keine Spar von den damaliiti'ii lUiiTfii [tIiiiUcii bat.
Innerhalb des ndt einer Hec^e oder einer H'ilit' lifM/tTDE-f PoIlinAdt-a
\eradienen Erdwilles gab es einen H(Awmj hikI hiir itIhliI» Kich da*
Ham, bestdiend ans einem Oeblbide heal, [ii< WwWc. >si> die Faniilif
wohnte nnd th^weise am! en oder anfBinkui iM,' \mM /ubraditr.
rtann seitwfirta, nnd nrer fOr die Fram n lirMiniTin. mi» kUnen.
oft isolirt erbauten Zi n, < s annt, rinr n/iiiiiutin^,
nadi der Ntnmunenin i a zMscIk-ii Wuilv cliinnber wirli.
Diesen Charakter s i irend iIlt gaiuten angeUiLcli>ii)u'Vii
I'eriode beibehalten zu nai l : der Zi-it ward \k'\ liri'itcrci' \a>'
s))T«che ans dem alten eme hnnw. ^■^ Aminivalent Tür
(las deutsche Heim. Aennncn aus drnj i-nmi midien |»^)Ha>i1tTlni
Wege, dem itratum, das angelsa :lie atrurl \\w\ ilaraiiK «Un niV
englische street, Strasse, geworden, ans dem aiiueKli^liKiHi-lien Fun, <ler I
Ilexeidiiiiing für grossere oder mehrere Hains, iliis ininiitflHtcbci towi k
(Stadt) md die Kndung tott, die in 'fielen <>iiKniimrn vorkoitimt, nk \
Wmbm, Stitton, I^ngton o. a. m. AnflUi^rli liaiitfn dlt- AttftelwcWn
I Zwtig in MI*il>rd>iiU
liiitliahtn und AllfrKau
iihan , in din Min äta Ai(<k
■)
Dia
■■■«lileb*!
in WmwI
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eb la »«al II>
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NaUoB^B !■ Jr
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IM« Ang«lMteb««n In Britannien. 4t
ibit> Hains mit Vorliebe auf Anhöben, spftter, wabrncheinlich in Folge
Kevttlicben Einflosseft, in anmnthige Tbalgründe.
Sitten und (rewobnheiten der Bewohner waren in England, wie
Uat aUerwftrts in Koropa, ein Gemisch der ursprünglichen und der bei
ilon nnterjochten Römern angetroffenen (rebräuche, die je nachdem das
Tebergewicht erlangten. Ueber die eigenthamlichen Sitten der Angel-
sarhiten aber gewfthrt höchstens das Beowulfs- Lied einigen Aufschluss.
In einer gnwseit, Inftig hohen und zinnengekrönten Trinkhalle, zu der
Stnfmi hinangefbhrt hiaiben mögen, an deren hölzernen Wänden gold-
diirchwirkte oder hwtorisdie Ereignisse darstellende Ta|)eten hingen und
iliTen Dach reiche Schnitzereien zierten, mit Bänken rings umher, ver-
nammelte der Führer seine Getreuen zu festlichem Gelage, wo Ale und
Metb xon der Königin kredenzt wurden. Die Zeit brachte die (resell-
schaft mit Anhören der Bardengesänge und dem Erzählen eigener
Ili^denthaten zu. Ging es hoch her, so ward Wein getrunken bis es
Srfaialeaszeit; dann belegten die Männer Bänke und Boden mit Kissen
■im! Betten, legten zu Hänpten ihre Waffen niefler und ill>erliessen sich
der Nachtruhe.
Die in angels&clLslschen Gräbeni reichlich (enthaltenen häuslichen
RinrichtungDgcgenstände bieten einen interessanten Beleg für die damals
loch voUrlebende Racenmischung in England. Aus dorn Beowulfliede erfali-
rra wir von der Kleidung der Angelsachsen ; dass sie Hinge, Armbänder
nnd Schmuclc zu tragen pflegten, worauf sie stok waren, und dass sie
Werth auf Trinkgeftme legten. Solche sind alle aus Glas und so
{(phaut, dasR sie nicht aufrecht stehen konnten, also auf Einen Zug
fSfiftrt werden mussten. Dass diese GefiUse si)ecifiscli germanischen,
nk-lit röraiftdien Ursprungs sind, erge!)en zahlreiche Vergleichungs.stOcke
am Continente. Dagegen weist die Töpferei der späteren angel-
strlwiiichm Periode eine Mischung der Formen auf, die sich theils von
Art amprünglich sächsischen, theils von Copien römischer Muster ab-
leiten lai«en. Auch findet man in den Grälnrn häufig rein römische
Töpinrwaaren neben dem irdenen (teschirre der Angelsacltsen ; und
nmerc Forschungen haben die Identität des Typus l»ei den IietztiTen
QfMl Im-i gcTmanischen Funden festgostellt
Sehr liäufige Fundobjecte der ältesten PericMle sind Metallsdiüsseln.
nrwit aus Knpfin* oder Bronze, oft dick vergoldet und von eleganter
Furm. die vieHeicht den Römern entlehnt ist. Sie dienten zu TafH-
rm^rkvit Bei männlichen Skeleten trifft man gewöhnlich KüIk»1, die
wnhl mm Transport von Bier «Kier Meth dienten; sie waren aus Holz,
jr<ificfa mit feingearlieiteten lnx)nzen<»n Reifen und HandhalM^n versehen,
*|y* natflrlich allein der Zerstörung widerstanden, .\exte und MessiM*
idirlM-n anfangs «ehr jenen der (termanen, s]>äter nahmen sie eine sehr
\r»fvrhie«b»ne Form an. Alles dies l)ezieht sich auf ilie vorchristliche Zeit.
IHe meiste .lusschmückung ven^andten die .\ngelsjvrhsen natürlich
3«f di«» Halle, ilie nur «»hr selten ans Stein gebaut war. Wn ärmeren
lernten waren Zahl und Grösse der um die Halle liegenden Bur oder
Schlafidiiuiier geringer und bei noi*h Aermeren gab es überhaupt nur
I-Iinen Wohnraiim, den der ErdwaD gegen indiscrete Eindringlinge
4d aaraf>'* HoiAu nal (Mm.
Mbotite; im ttbrigea berracUe die G^idogcnbeU, (Be Th&raa oAn a
lassen. BetÜer saminelten aidi gtruift am WaOeiiiguse and .mitaten
snf AinwMwn NoT sclUn hrrunnmi die Bnnii/'^|fcjM*fn äik nreitfli StoA*
wkI^ za dem 6iii6 Stiege hinsnffiüirte; im nJiflwtwjipnn wtnn ric dn«
erdig. Die sehr flache Bedadiong bestand ans Ziegebi TencUadcoar
Fenn, offtobar.deo rOmiacben nachgeahmt Obwohl ea nUht MiMbt,
dass die AngdMrfuwn die römische änwdae nachgeahmt hitten, 10 kt
(bdi nicht anageaddoBsen, dan sie mancJimal veriaäiQne rOmiaclie W,pha-
hftnser bengen. Ihre eigenen Holibantan gingen adir miaeü. vmA
meist durdi Feuer zn Gruade; da der Boden aber nodi kenea Vevtt
hatU, an Baorn audi kein Mangel war, h> wurde riel EMdMr tlß
neues Hans anf einem nenen Fledi erbant, ab die FanduBaBta im
aften unter dem Schntte wieder bloagelegt.
Die Halle, in die vir Mets zarückkehi'iii niQsaeu, war audt die
UanptsUUte der GacAlichkeit IHe AngelsacWu luden gi^rtie UAste xn
Tische, und allein n qteisen galt stets lür uiischk'klicb, ja die NeiguBg
dazu tnldete dnen Maicfcel im Cbaraktpr d(« M;umcs. Wtnu nfltiiig.
ward Fener am Eatridi angezBndet nnd zweifelsohne gnli es im Dacbp
eine OcAumg fttr den Abzug des fii.uc^ea. Als Feueniii^^NUuttTiiil
benfttzte man Hol«, ja vennuthlich kannten Augcbncbscu und H(>mtT
schon die btennbaxe MineraDctdde. In allgeineincnii (^brauclut stamlfii
die Feuerzangen (tangatt). IMe Einriililuiig der llulli' war Obnaw
ein&ch; an den WAnden hingea an NB(^>'lii und Hakeu die (rüste ihre
Waffen, die Barden ihre Harfen au£ Tegipiche und Ki
stAndigten' die Ansatattung. Vielleidit witj* «cho» ikinuls «las eine I^da
der Halle, wo aidi der Platz des Hau^lieiTii befand, etwaji erholiw
der Tisdi dagegen wurde u jeder Halil/eit erst herlH-igcbraelit, a$
Scbiagen aui^eschlagen und nääi voUeinleteiu Mable wieder eutfend.
Es detüe um stets ein kostbares Tischtiuli, Die Angi'tnaebsi-n natnaff
drei Mahlzeiten tfiglidi ein, das FrOhaliU'l: um ^ l'br Mot^teus,
aCttagmahl mn drei Ubr nnd daa Abendinalü. dL'^cii Stunde scliwankU;
doch war Letzteres anfiüiglidi ftberhaupt nicht ilhlich. Der Tisch «V
fOr Jeden, auch fOr Fronde gededct, wi'k'liu uhue nettere EinlaAmg
um Mahle thölnahmea M&nno- und Fiaueii Kasten daltei kuulerbuit
unter einander. Der Tisch war mit allerlei (rerätlien, SchUsseln
genommen, ziemlidi noch besetzt; die Nahrung sfUnt i'lnrach gi
mehr dnrdi die Masse als die Abwechnliuig uixl gostniuoRÜscho Fd»-
heit des Odntenen sieb auszeichnend llikiiplltcsbuidtlieile deu
bildeten Brod, Milch, Butter und K&ae. I>i-j' Tilel der Ilmwfrau
hlaf-dige, nAmlidi Brodanatheilerin, diu Ilii'uer lieKcicbncto man ^
Brodesau*. Brod, in Form müder Kucbii wie auf lieii WaiuK) ~**'~
zu Pomp^, ward in groesea Mengen i.'<'iu».hi-ii unil diu I>i'ii
für Batterbemmchen reicht bis auf die Ari^ilsacliKon xurttelE. Aach
(iemOsen vrareii sie nicht abbcdd. Böhm ii werden enviüiiil, doch
uiab ErbseiL Fische und UeflOget galten t'iir huhc Leckcrbiäsf'n. Sptdf
gewannen sie von den uizftbligen Schwrinelieerdeii ihrer KldienwAUet.
tleisch wurdp meist eingeaalzen, und dies eikliU't auc4i, warum n
tknn später fiut immer nur gesotten wuii). Diex geH-bah, Indem low
\
Die AngeUaehMn in Britaiuiian« 49
ein G^^ss fpan) auf einem Dreifoss über das Fenor stellte, und zwar
sl4>ts ausserhalb des Hauses. Walirscheinlidi liaben sie in der Koeli-
kuiLst viel von den Römern gelernt; sie kannten jedenMs auch gebratenes
und gebackenes Fleisch, wenn auch dieses weniger häufig vorkam. Drei
Professionen waren zur Herstellung des Mittagstisches erforderlich:
7uerst der Kinsalzer, ohne den keine Butter zu haben gewesen wäre,
dt>nn man bediente sich imnuT gesalzener Butter; der Bäcker und der
Kijch, dessen Kunst indessen eben nidit weit her gewesen zu sein scheint.
Die Nahrung ftUirten die Angelsaclisen mit den Fingern zum
Munde, wodurch sich auch die Sitte des Händewaschens vor und nach
lmA\ erklärt, (rabeln waren gänzlich unl)ekannt^) und selbst der
(ieliraudi der Messer erscheint noch nicht üblich; gleichwohl kannte
man Messer sehr gut; die angelsächsischen Messer hatten die eigen-
th&mlicbe Form von Kasii*mes8em und ihre stählernen Klingen waren
r»ft4»rs mit Hninze eingelegt.
Wenn die Tafel aufgehol)en und der Tisch entfernt war, begann
das Trinken, wie es ^heint, seit den ältesten Zeiten die liebste Nacli-
mittagsbeschäftigung bei Laien und bei (leistlichen. Die Diener, weldie
mit dem I^dx^truiüie aufwarteten, brachten eine Serviette mit, weldie
«iie (ift^te über ihre Kniee breiteten. Grossen Werth legte man auf
kfNfthare TrinkgefiL«tse aus I*>lelnietall; silberne Beclier und Vasen werden
häutiii^ erwähnt und auch gerne unter Freunden als Andenken oder zu
vonstigen Geschenken verehrt. Sehr beliebt war das Trinkhorn,
üH ¥om Boflel genommen.
Die Lieblingsgetränke der Angelsaclisen sind Ale (Bier) und Meth,
k-tzterer aus den ungeheuren Mengen von einlieimischem Honig bereitet
Da» Bier von Wales genoss besonderen Ruf. Wein, zwar hier und da
betrunken, blieb aber stets ein kostbarer Artikel, den sich daher nur
lieidie vergönnen konnten. Die Kaufleute brachten ans fernen Landen
Wein and Gel, doch scheinen die Angelsachsen durchxdie Römer mit
dem Weine vertraut worden zu sein, welche Um auf den britischen
Inseln zogen. Dem Weintrinken huldigte besonders der Clems; die
Mehrzahl der in jenen Zeiten in England bestehenden Weingärten
m^iörten den Klöstern und selten war ein solches ohne diesen. Im
Qliniren war der Weingenuss nioiuals allgemein, dafür aber trank man
im LVbennasse dort, wo Wein kredenzt wurde. Yerschic<iene Ursachen
wirkten dahin, den Weinliau in England aufzugellen, hauptsächlich wohl
die Wahrnehmung, dass die Qualität erheblich sdilechter als jene der
li»tlAndisM?ben Rebe sei; in der That war der englisclie Wein kaum
trinkliar, es wurden (Uüier bald fn^mde Weine eingefülirt, die im
XIIL Jahrfiiind(*rte in Menge mul zu büligon Pi*eisen in Engkind überall
m hatten waren. 'i
*> t*»bw di« tpite Vtrbreiiung der schon den Aiwyrern bokannten (»iehe ob«ni
I IM. f>. ?C0) («Ab«lo in Nordearopa tieke Ausland 1870. 8. 382.
•i t*«b«r die WeinprfiH« jentr Zeit »iahe James £. Thorold, Ä higtor^ of
A^Hrmltmr^ amd rHet§ im Bt^lnnd. Oxford 186«. H\ 1 Bd. 8. Ö19-W1. Man irank
•r»«« •v4frafti4«iscli«a Weim.
▼ HellwAld, CultorgMehiekte. 2 Anfl. II. 4
in) Ruropa^B Norden nnd Osten.
Roim Trinken l)C()baclitotou die Aiigelsaclwen gewisse festliche
(i(»l»rftiiclie; wurde Bier oder Wein ziini erstenmal servirt, so stiesson
die Trinker mit einander an, sich gegeaseitig l)ep;lückwQnscliend; <larauf
küsste man sich. Den Trunk wnnste man durcli allerk'i VergnOgangen,
gah (lescliichten zum Bitten, sang nationale [Jeder und jeder Gast
nuisste es sicli gefallen lassen, d(ui Minstrel zu spielen. Nel)en der
Harte, dem Xationalinstmmente, ei-schollen auch «lie Klänge <ler Hedel
inier (^ither, die Töne von Ilorn und Pfeift». Vom Tanze wissen wir
nur, da.Hs er sich in sehr heftigen Bewogungen erging. Ohwohl (resang
und Harfenspiel sich allgemeiner Beliebtheit erfivuten, genoss doch der
professionsmiLssige Minstrel keine allzu hohe Achtung-, er diente zur
Ji<'lustigung und fand desshalb allerdings UlH'i'all Zutritt, ohne dass man
sich viel um ihn l)ekünunerte. Ausser in Musik und Tanz war der
Minstn»l noch in allerhand Künsten «xler Kunstfertigkeiten l>ewan<iert,
die ihn mit dem fmn/ösischen .longieur auf gleiche Stufe stellten; die
:ingelsiU*hsischeu Reichen und (irossen liebten es, solche lieute im) sieb
zu s<»hen, die unter an<ierem Messt^r und Kugeln warfen, wie es heute
niH'h umhendehcnclc Clowns zu thun i)tiegen. Manche «ler von ihnen
aufgefuhilen Posst'U und (ielHTden waren so zotenhaft, wie sie nur einem
niedrigen Civilisationsstiulium entsprechen. Indess war dies nicht die
»'inzige Tafelunt(»rhaltung; vielmehr ffUlte sie lun* die Pausen aus; Ronst
lachte, schwatzte man, löste Käths(^] auf, stritt und zankte sich, wa« oft
mit Moni imd Todtschlag endete. l)<M'h war nicht alle Tage Festtag
und so wird es wohl für die langen Winteraliende noc*li anderen Ztit-
\ ertreib gegelH'u halMMi. Die Damen scheinen sic-h schon mich Ende
i\vr Taft»l zurückgezogen zu halMMi.
Wenden wir uns nunmehr der inneivii Häuslichkeit der Angel-
sachstMi zu. Heiche imd Wohlhal)ende U'sassen natürlich nehfct der
Halle nM»hnM*e Wohnzinmier, wo sie ihre Privatgesclulfte verricht4»ten
mler Besuche emptingi'n; hier und da Hessen sie sich auch das Mittags-
mahl auf dem /immer serviren. Wie die sonstigen Vergnügungen hier
U^sc^hafTtMi wanMi, ist uugewiss; iiiiin sjuicht von (ilücksspiel und Mlwt
\i»m Hllen Schach. Dii» Kinrichtung der Stul>en ^'ai* zienüich dOrftig;
Bihike iinil luVhstens i^in Khivnstuhl für dcMi (last dienten dem Sitx-
lM»tlüifnisst\ S>lche Stühle hatten ^'hv vei*schiedene, meist einfadie, liier
und da sogar phantastische Formen und waren mit Kissen versehen.
In d(Mi KraiK»ngi»mücluTn tnif mau aus.si»nleni iwH'h «len Schemel. Herr
und Frau sa.*«s(>n oft U(*lien eiimuder auf d<>msi»llMMi Stuhle. Der Tisch
in «leu StiilHMi wich völlig von dem in der Halle gebi-änchlichen oh.
und war gewöhnlich ruml. wit» tM* sich bis in die (iegenwart in den
engli<<iien l*arhmiN erhalten hat; (t ruhti* auf drei «»der vier Füssen,
ijelegentlich auch nur auf Kinem l^üne; in letztenMU Falle (h*ehte sifh
dii" Tischplatte wulil in einem St*harnii'r. in eiMeivm Hessen sich die
Fi^<*' enlfemeu; allem .Vn<<*ln'ini' nach schob nuin ihn M Si»ite. wenn
man ihn nicht U^nöthigte und achtete (Liniiif. <Liv^ er möglichst wenig
Platz einnehme.
Wie wunlcn die ZimnivM* ei*\*ännt':' Wir wL>siMi es nicht; für Be-
Icuchtunur «»nrteu Ker/cn. d. h. nichts anderes al'< lun einen Docirt
•i
1>i« AngelMehMn In BriUnnien. Ol
gewickehe Fettmaasen, die man auf einen Stock steckte; bis sehr spät
kannte man nftmlkh die Einrichtung des die Kerze um&ssenden
lipochters nicht, sondern sinesste diese auf. Die Kerzen selbst bestan-
ilen ans Wachs oder Talg; die Kerzenstöcke aus verschiedenem Material,
aas Kein oder Metall, oft versilbeil und sonst verziert. Den Gebraudi
«kr Ijunpe erlernten die Angelsaclisen von den Römern.
Das Bett bestand meist nur aus einem mit Stroh gefällten Sadce,
den man auf eine Dank legte. Diese <)i)eration nahm man allabendlich
vor und tagsüber barg man den Strohsack in einer Tnihe; in gewöhn-
Krfaen Hftnsem stand die Bettbank in einem abgelegenen Zimmerwinkel;
«■iptene Bettstellen waren sehr selten und höchstens liei I^euten von
Hange anzutreffen. Doch liesass man schon Kopfkissen, freilich mit
Stroh ausgestopft, dagegen war die Bedeckung äxinlich genug; bis ins
iü^tjUe Mittelalter, ja in Deutschland noch zur Zeit der Reformation
pflegte man allgemein ganz nackt zu schlafen. Doch werden ein paar-
mal Ziegen- uiul Bärenfelle als BettdiHikeii erwähnt.
Die Schlafstube diente zugleich als Empfiuigszimmer, denn im
Mittelalter verljand man mit dem Sithlafgemach nicht die Idee der
Zurackgeiogenheit wie gegenwärtig. In diesem Ziimner wuchsen die
Kinder unter der Obhut der Mutter auf. Die Unsitte des Wickeins
der Kinder, heute noch an vielen Orten Kiu-opa's gebräuclilich, reicht
bis auf jene Zeit hiiuiuf. (icwickelt lagen die Kinder in der Wiege,
die mitunter v(m eleganter Form und reich verziert war. ') Wann das
Kind aus den Windeln U'fiTit wiu-de, ist ungewLss; nachher liess man
i'H gewöhnlich bis zu einem gewissen Alter nackt umherlaufen. Aus
der Kindlidt trat der KiialK« in die cntthad, welche meist vom achten
bis zur Mannbarkeit dauerte,
angelsächsischen Weil)er waren aufinerksame Hausfrauen, lieb-
reiriie Elw|{efiÜirtinnen und Trösterinnen ilu*cs Gatten und der Familie,
rdel und tugendhaft. Das Haus war der enge Kreis ihrer stillen
Wirkaamkeit und keine ]iäu.<»]iche Arln^it däuchte ihnen je entehrend;
»ie spannen und woben, nähten und stickten, und ihre Stickerei war
«eitiiin herOhmt am ganzen (outinent. Daliei hielten sie sich nicht in
«dM*«er Zurückg(*Z4igenheit, sondern sahen Freunde beiderlei Creschlechts,
md Imassen liei aller Kinfachbeit docii eine ausgebreitete Kenntniss
literatnr.
Vor Kinftlhmng des (1irist(Mithums war die P'he eine reine Civil-
eigpntlidi ein Handel zwischen dem Vater des Mädchens und
Freier: und zum Vollzuge gehörten nur wenige Förmlichkeiten, von
«im FeMliebkeiten und Vergnngungen abgesehen. Nach geschlossener
Vhf' verkehrten Unde Theile auf dein Fuwe der (rh*ichheit mit einander
'» l»i« i\%m%M9 jener Kpoehe wri-««!! aber anf eine eigenthUmliche NachÜMigkeit
4^ aa^«Mkdi«i«cke« MQtter hin: «ie ••txen nimlich Strafen ein für die Un%'ori»ielitif-
ii#««. ««aiil 4i«4« ikre Kiodar leicht verbrennen Iie-«<icn; demnach scheint die Wiege
4«r|i mrnt —\Umt AnweMang gefunden su haben; vielmehr legten die MtttUr h&aAg die
WirkelhuiAer anf dl« KrJe neben dj« Feuer, um «ie warm lu halten, ^obei dann leieht
• f% t Kglilch gr«rhah.
4»
02 Europa's Norden and Osten.
und die Bunde waren so lose K<?'**^-^»*i'*>''t, daas mau sich leicht wieder
trc^niitc. Solclujii Anscliauuugcn war natüi'lich der höhere römische
Clenis enU^egon, inid das Zußammenlehen der Oeschlechter ohne den
So^vii «lor Kirche sah er mit schoclen Augen an; die Naclikommen8c1iaft
s<)lch(T Verhindungen verloren sogar die llechte der Legitimität. Die
niedere (ioistlichkeit aber, die ja aas den bekehrten Angelsachsen sell»t
sich recnitiile, hatte für diew» Anffassung keinen Sinn und l)egrüf giu*
nicht, wai'um man von ihr das Cöükat verlange. Mit Einem Worte,
was man in Rom für unmor<disch luelt, war es ganz m)d gar nicht in
den Augen der Angelsachsen. Deutlich lehrt dies, wie vorsichtig man
mit leichtfertiger Beschuldigung von UnsitUichkeit des CleruR sein müsse.
Mne Schattenseite des angelsjuiisisclien Cliarakters bildete die
harte l^eliandlung der Sclaven und Diener; diese schmachteten in
absohiter Knechtschaft, konnten gekauft und verkauft werden und waren
jc.'den Schutzes gegen (Wo WillkUr iln*er lleiren l)ar, die sie nach Be-
lieben tollten konnten.*) Diese (Transamkeiten contrastiren seltsam mit
der sonstigen Milde der ang(?lsilchsischen (iesetzgebung. Die Todesstrafe
^ar ihrem (leiste ganz zuwider-, man vollzog sie, wenn nöthig, mittelst
Hängen. Man besass Fuss- und llandfi^seln, und ähnliche Werkzeuge;
an der Sti-asse, zu Eingang der Stililte, befand sich gewöhnheh das
iicfangniss, wo die ^'erbrecher in Ketten lagen. Allgemein trachtete
man aber <lie Körperstrafen durch (ieldbusseu zu ersetzen.*)
Die 'roilett(»geheimniss(» der Angc^lsachsen sind noch nicht erforscht ;
wir wissen nur, dass sie sich tleissig wuschen und bailetiiiu Den. Ge-
brauch wanner BiUler erhielten si(» von den Bömorn, doch galt er für
verweichlichtMid. In Frauengrilbern fand man Haiirzängelchen, ein
Beweis, diss die Danu'n schon damals dem IIaai*sclunucke ein beson-
deres Augemnerk zuwaiulteu; ja, es scheint, dass sie sogar die Kunst
des Hjiai*fjlrbens übten. Die jungen (rocken mögen aber auch dort die
rutzsuclit der DanuMi noch übertroffcMi habeiL Diese erfreuten sich
iiebstdem au IMumen und (iartenziei-, hatten selbst ein Auge für die
landschaftlichen Sclu'inheiten der Natur und übten eine ausgeddintc
Wohlthätigkeit.
Auf niwlrigen (idturstufen liaben die ^lenschen Wel unbeschäftigte
Zeit, die sie mit Vergnügungen aller Art zubringen. DesswQgcn nehmen
in solchem Falle die ötfentlichen Spiele eine so hohe Stelle ein, wie
die Geschiclito des alten (xrieirben Volkes lehrt. Auch die Angclsadison
gaben sich gerne allerhand l'nterbaltungcn hin, woininter jene de« \
') Di«' Hci-piolc sind nicht -clt«*n, wo Sclaven oder Diener auf Befehl ihrer nerrn
iiiid Ilerrinnfn zu Tode gepeitscht wurden. Weibliche t^clftvcn behnndeUc man beMinder«
grnii->am; di>r Ici-'e-'te Anlti"-* {genügte, um r^ie mit Fofi^eln und Hiindt^chollcn bu beladen,
• in allen erdenklich'»n T.irturen zu unterwerfen; ja die angcl^*äch!«i!4chcIl Damen Jielb*t
z<'i;:l«'n in der llAudhahnn^ der Iluthe und Peit-^che au'*!»erordentlIchc Gc^'andtheit.
') I-N kostete da-« Ah->ehn('idcn eincA Ohros xwülf HchUlinge , einer M*M aeve
Schillinge, ein Augo fiinf/ig Schillinge, ein Daumen swanxig, ein DaumonnogeL drei oad
ein gew.ihnlicher Fingernagel eiuen Hchilling.
Die AngelMobten in BriUnnlen. 53
Aiiijilntheaf(»rs olwii aii>iohon. Dir altrömisolion Stftdto Vonilamimn
W\ St. AllKiiis) ond rrii-oiiium (bt*i Wn)xetor) hatten Theater von
ziimlidier Ausdehiuing und j(Hie grössere i-rtmisclie Nie<l<ThiKj>ung war
mit einein soU-hen ausprestattet. Da nun ei'wiesenerniassen die meisten
römischen Städte» auch nacJi der angelsächsischen f^inwandening fort-
lM*standen, so blieben zweifi»lsohne auch die Amphitheater wenigstens
eine Zeit lang ihnT Ik'stimmung erhalten, wc'nn auch an Stelle der
rTimischen (rladiatorenkftnipfe andere Si)iele und Schaustellungen traten.
Interessant ist zu wissen, dass der jetzt lux-h in England so jwpnlärc
Taii/biir damals schon zur Belustigung dienen nuisste. Allmfihlig
I»ra4*hten indi'sa die nationalen Sitten eine VernachiiUsignng <h»r römi-
!*chen Amphitheater mit sich: je^les IKuf hatte seine Arena, seinen
Spielplatz, einen meist durch den Volksglauben geheiligten Ort in der
Nahe einer (Quelle, wo sich am Feiertage l)eide (leschlechter einfanden.
Diese Versammlungen sind der l'rsprung der heutigen
D o r f k i r c h m e s s e n. Wan<lernde MinstiH'ls Hessen sich hören , die
iKirQugend übte sich im I^iufen, Si>ringen und Hingen, Kaufleute kamen
herliei ihre Waaren feilzubieten, imd unmerklich entwickelte sich aus
die^n ursprünglichen Veiignttgungen das Markt wesen, welches grosse
mirthscliaftlicbe Dedeutung erlangte.
Kin Haupt vergnügen war <lie Jagd,*i Ix^ünstigt duiv^h die weiten,
wiMreichen Forste des Lindes. Ihr hig sell)st der ClenLs nnt nur
«sihwer zu unterdrückender !ieid<»nschaft ob, abennals ein Heisjuel, da*is
di^'ser, wi«* kaum anders denkltar, hu (tuten wie im Ilös<>n, die all-
gemeinen Neigungen des Volk<s theilt, seine Kaster fliher fast ÜlK*raIl
auch imtionak^ sind. Die angelsächsische Jugend war stolz auf ihi-e
<M*wandtlieit im Keiten, gleichwohl waren Pferde nii^bt allgemein und
nun l{i'i>en l>edienten sich ihrer nur Vornehme und Reiche. Ihuium
ritt«*n immer «»itwürts ^ie in der ( legen wai-t. Zaun- und Sattelzei^
|4l#tCte der Schuhmacher herzustellen, der üN'rhaupt alle (iattung Le<!er-
arheiten besorgte. Man kannte Pferflegeschirre, Zügf»l und Halfter.
un«l iMMiütztt' Steigbügel mul SjK>ni. Kranke wunlen auch in Kamm
«■li-r Wagen trans|M)rtirt, di(> aber nichts anderes als <iie gemeinen
.\«k«'rkam*n g«»wes<»n zu s<.»in S('h(*inen; auflere Fuhi*werke sind ein<*
V»TU'^ennig d<T n)mi.schen zweirüdengrn Jiif/a. Kiue \Vag<Muleichs<'l
t*t auf d<'n Z(*ichnungen jener Zeit nicht ersichtlich, ihigf^en schwang
ntan dir IVMtx'he. Vereinzelt kamen vieiTiUhrige Wagen vor, immerhin
aU-r war das Keis«>n zu Wagen «nne Seltenheit. Meistens reiste man
■r Vi" Jftfd wurde iiowohl mit lluinii'n al» mit Fnlkru lietrirhrn; «(«hr brlifbl
mftr'r. Tmbjaf{i1#ii, wnb^i da» Wild in (*ino bfritiiumtc Uiebtung fcctrifben wurdr. her
ll^nd'ftirbt uaodto man grnimr Morgfalt zu; joder Kilolinanii odor Ont^be^itcer hirlt
•S#«»K«!b rin«!ii oig^nra liniidrinfl^trr; dir Thmr«', unter dnirn picb die \\'iiid«piHr der
W*<>*drrrA Vorliebe erfreuten und dir mao A<irh au- Wales lir/.(»(;, kopprlto mnn gcrno
s-i««. i'd rwri fa#ammen; da» Wild Arlb"t «bor rrlcf2to man dann mit Hprcr (idrr l'feil
•3u4 Htf^n. iH|#r Ahk e« endlieh im Notco. Jafrdthicre warrn llirscho, Krbe, Danihirteb«*,
KWr ««4 aiitonter mnrk Hauen. Mit Kleicbnni Kifer trieb man die Falkenjafd and Falken
«cr4ra nickt aeltcn aH w«rthToUe Ueichrnkc erwihnt.
o4 Europa^» Norden und Osten.
zn Fiiss. DalHji tnig man stets einen Speer als Waffe J) Kei^cnile
trugen stets eine Kopfbedeckung, die alleiilings mitunter die abvondei-
lichstc Fonn hatte; auch ein Mantel fehlte nicht; Regenschirme aber
kannte man noch nicht. Das Reisen wai-d natürlich sehr ersdiwcrt
durch den Mangel an (^asthäuseni, doch gab es an den HochstiusHeii
im sächsischen England, den orientalischen Karavanserais fthiilichc
Gebäude, die sich bis in die Nonnannenzeit hinein erhielten; wahr-
scheinlich benutzte man hiei*zii vonsngsweise Reste römische Bauwerke.
Den Mangel an Gasthöfen wog indessen die ausgedehnte Gastfreund-
hchaft anf, welche weltliche und geistliche Satzungen Jedermann zur
Pflicht machten. Einem IMester Obdach zu verweigern, zog eine
geistliche RUge nach sich. Die ei*ste laicht der Gastfreundschaft erheisclitc
dem Fremden Hände und Füsse zu waschen, daim ihm EHrisefaungeu
zu bieten; zwei Nächte hinter einander duifte er verweilen, ohne über
sein Kommen und Gehen, seine Herkunft und Absichten gefragt jni
werden; Qber diese Frist hinaiu« nmsste er Red(? und Antwort »tcbcn:
der I*riester durfte diese Wohlthat aUT nin- für Eine Nadit iu An-
spinich nehmen; längeres Vei*weileii galt füi* eine Vernachlftstdgiuig
seiner Pflichten. Tavernen, nämlich NViithshäiwer niinlriger Sorte, gfti)
es aller^'ärts in England und bnichte das Volk einen guten Theil seiner
Zeit darin zu. Selbst Geistliche Hessen sich zu dei-eu Besuch verlockeii
Kaufleute reisten allemal in grössei^r Geselb^^liaft, kleine Kara-
wanen bildend, fuhilen Zelte mit und sclilngen an l»eliebigen Orten ihr
Nachtlager auf; allein zu reisen war gefährlich und zugleich verdftcfat%.
Man konnte dann leicht ttir einen Dieb g(^halten werden. Diclwlilil
und Betnig hen-schten nämlich so s(.'lu* In'i den Angelsachsen und
lU'sitzstreitigkeiten waren so an der Tagesonlnung, dass jeder Kauf
oder Verkauf, wenn ohne Zeugen vollzogen, dem Gescftze nach ungflltig
war. Am Eingange der Ortschaften mussten die Wiuiix'n einen Zcdl
entrichten und standen Waagen bereit, nicht um die Waaren, sondeni
um das Geld zu wägen. Das heutige in England noch übliche „Pfood!^
erinnert daran, dass das tJeld einst gewog<*n wurde.
Das heidiilsi'he Schweden.^)
IHe Si'li weilische Eitle ist reich an Alterthümeni. welche drei
pesontlerte Gnipi>en bilden, deren je<le von einer l)esonderen Caltiur
zeugt. Dici«^ CultuiiK^riinlen haben nicht nelHMieinand(T existirt, sondern
einander abgelöst. Wo in Sohwetlen zwei ('ultun>erioden der VcHnoeit
hieb WrUhren. fehlt ihnen jiMler innere Zusimmenliang. und (hmn
') Kill cigmthümliclies Cic^cti König Alfred-« bcxioht .»ii'h auf dir-M«s Bpe«rtrafM,
luUrm es benimmt: wnin Jcinaiid seinen (^pcrr übnr der Schulter trlgt und e« tfiaart
?u-h Jrniftud (Uran, to ir<t tibcr den Speerträger eine «chwerr btrafo lu TcrhlBgea, wcaa
•ÜA Speer»pitie drei Fingrr höher i*tAnd als da» untere Seliafteiida. Dagegen traf ikl
Wrinc Strafe, wenn er den Speer horiiontal auf der Schulter getrap<*n hatte.
') Nach I>r. Hans Hildebrand. iVn heidnitcht Zeitatttr 4h Sehtrtittm- Mht
^ichiiohtffiteh'hirton'iche Stmiif. l'rber$et:t rvn J Mestorf. Hamburg. Otto XelaaMT«
Um heidaisehe Bohwedcn. 5o
kajtn r» nicht ein Volk ffcwesen sein, welches sieh zu vei*schi<Hlenen
Kulturstufen emiNn'gearlN.Mtet liat. Wir untei'scfaeiden sonaeli nicht nui*
«Im i'nltnrgiiippen nmi drei Cu]tin^)eriixlen, sondern auch drei Cultur-
%öJkc*r.
Vhc noch unsere Thiei*welt iln^n heutigen Chai*akter voUstündig
auKemmunen hatte, war schon der Norden von Menschen hewohnt.
lHi*M* kannten keine Metalle, sondern bedienten sich aus Stein, Knochen
uivl liok angefertigter Werkzeuge und Waffen, doch wai*en die Bil-
«longsacthftäiide damals niclit so i*oh, wie es anftnglich sdiien. Im Vei-
vknt'he zur Steincultm* Westeurojia's, liesonders Franki'eichs, ist die
%riilig entwickelte Steinciütnr^ im Norden ungleich reicher an Formen.
Auch machen sicli in dieser vei*schie<lene Stadien bemerkbar. So gab
fH eine Zeit hing nur ein einziges Hausthier, den Hund, später aber
auch Herde, Rindvieli, Scliaf«^ luid Schweine; folglich kann fortan nicht
■lefar von einem Steinaltervolke die* Rede sein, welches allein mitteht
Jiigd und Msdifiuig seinen l'nteiiialt suchte. Man hatte sogar einen
n-ich eutwii'kelten Viehbestand und gewiss auch feste Wohnungen.
Die (irflber dieser Ciütnr|)eno(ie, aus grossen Steinplatten oder
stHiiblöcken errichtet, liegen oftmals in (tnipiten beisammen, gewöhnlich
in besDoders fruchtbaren iiegenden. Wahi^scheinlich war auch in
Schweileii, wie z. B. in der Schweiz, der Ackerlwu den Steinalter-
Mpn^-hen nicht unbekannt. Den Todteii setzte man im Gi-ab an die
Wand, in hockender Stellung, das (iesicht mit den Händen bedeckend.
N<4)m ihn legt^ man Scluuuck, Waffen, (reräthe, h*dene (iescliirre, dann
fc'k'ilpn die Nachbleil)enden an dem <h*alN' di*s (f(^'Jiiedenen ein
(ieiMUiilnisKinahl.
/wMchen den (■ulturp<*rioden des Steines umi der Bronze beisteht
in Sdiweden kein m'gaiüscher Zusauunenhang; soiuich ^nr es eine neue
frinvEndernng, ein neues Volk, welches sich zum Herrscher aufwnrf
mud «leine l^oltnr geltend imu'iite. Wir unterscheiden jedoch in die^jer
l)njiiatf>ailtur füiere und jt\ngere Formen, allerdings so nah verwandt^
•Inm man nachweisen kann, wie diese aus jenen entstanden sein
taa^>«en, aUein <lie Zwischeufonnen, welche diesen l- ebergang vei-
AOM^baolicIien, weiilen eigentlich nicht in Sc^hweden, wohl aber am
«mUkrlMfn liestaile der Ostsee gefunden. Fs sclicint demnach während
ilfT Brufizezeit dne neue Einwanderung eines verwandten Stammes
«uttieelandeii zu halien, weh^ie mit den lieiTits ansässigen Verwandten
im l^mle iniscli vers<*hmokL
f'^ war natürlich, dass die neuen FjnwanderiT sich gi^rade in
«If-n IHrt rieten niederliesscMi, wo sich die llau]>twohnsitze der älteren
l'jnwiAner idt*r Stt^inzeit) Ix^fandtMi, und leidet keinen Zweifel, dass die
lA'utie iiicli oftmals genöthigt sahen. Anleilie Wi dvr älteren Cultur
/« nMchen.
Die Fiuftlhnnig der Metalle iM'wirkte nai'h verschiedener Kichtuug
mamiierlci FortM*luntte. K«« ist nicht wahrsi'heinlicli, dass die HepnU
w-ntaalen ik*r neuen Cidtur in irgend (*iner Hinsicht hint<T denen der
ait#T«n Kttrftckgeblkfben seien. Glttcklidic Fntdeckungen haben uns
f-inea Einblick in dk? häuslii^eu Verliältnisse dii*ses Culturlebens goOifoet
5<) Earopft's Korden und Oaten.
Man trag Kleider ans Wollstoff und z^-ar von vci'??chiedenoni Sdmitt.
Man war nicht nur Meister in der Kunst, alles, was zum Ijebon ge-
hörte, sell)st aimifertigen, sondern verwandte viel Mühe und Fleiss auf
reiehe Ausschmückung, selbst von Knegs- und IlandwerksgerÄthen, die,
gleich wie die Fonii der Geräthe, nicht geringe Eleganz und guten
(leschmack verrftth. Aber dieser Vorzüge ungeachtet, trägt die ganze
C'ultur der Bronzezeit den Cliarakter der Beschränktlieit und befisind
sich im Norden sicher nicht mi vollen Besitz der edelsten Vorzüge der
Zivilisation. Und so blieb es, bis wieder eine neue Zeit aufging, mit
ihr eine neue Cultur, die sicli nicht aus der früheren erklären Iflsst,
nur hier und dort geringfügige Dinge v(m ihr entlehnt hat. Das
Kisenalter in Europa gehört verschiedenen Nationalitäten an; wir kennen
ein classisches, ein keltisches, ein germanisches. Dass das nordische
Eisenalter gennanisch war, erkennen wir aber daran, dass zwischen den
ältesten Producten dieser ('ulturi>oriode und solchen germanischen Ur-
sprunges grosse l'ebereinstimminig hon'scht. Ferner lassen sich im
Eisenalter in Schweden, Norwegen und Dänemark zwei Cidturen unter-
scheiden, die scliarf gesondert einander gegenül>er stehen, die eine
jünger, die andere älter, und, da jcnle Cultur das Besitzthum eines
Volkes sein nniss, müssen auch zwei v(*rschiedene Stänmie hier gewohnt
hal)en; endlich l)esass <lie Insi»! Ootland eine eigene Cultur mit typischer
Entwicklung und folglich auch eine etwas andere Bevölkenmg.
Unter allen V()lkernamen 8chwe<lens ragen zwei besonders hen'or:
die Svea und die Oötar. Nach neueren Untersuchungen scheint eine
Zusammenstellung des älteren Eiseualtei-s mit den Götar und des
jüngeren Eisenaltei*s mit den Svear berechtigt. Letzteres folgt Üem
ersteren und löst es ab, so dass Ihmui ei'sten Aufdännneni der Geschichte
die gemianische Eisencultur im Norden der gennanischen Mittelalter-
cultui" im Süden durchaus selbständig g(»genüber steht. Es ist also
eine zweifache Einwanderung anzunehmen: eine südliche, sOdgermaniscbe,
dänische, gotische, (h'e sich (iber das ganze voi-geschiclitliche Norwegen
ausbreitete, gleich wie tlas nämliche Element ganz Dänemark und den
grössten Theil von Schweden iinieg(»habt, und eine nördlichere.
Die germanischen Niederlassungen der Götar im Norden lassen
sii»h mit einiger Sicherheit nicht weiter als ])is um (■hristi Geburt ver-
folgen, mögen jedoch immerhin etwas älter sein. Die um jene Zeit
beginnende ältere Eisencultur zeichnet sich <lmvh eine ausnclunende
Eleganz und di^ Auftreten römischer D<»nare aus den drei enrten
Jahrhunderten (Titus- Alexander -Sevei'us) aus. ])ariuich trat die con-
stantinische Periode ein. Könn'sche Kaisennünzen kamen bis nach
Schweden hinauf, oftmals als Si^hnmck. Es war unläug})ar eine Blfltho-
zcit äns<^eren Wohlstandes. Aber schon damals drohte dem Götenreidi
oder (h'n kh'inen gr)tisch(Mi Staaten (icfahr. Während die Miliar
land*!chaften reich an (iold aus dem älteren Eisenalter sind, bieten sio
nichts von den» Styl, welcher sich, durch den (ieschmack und die
Muster der constantiniscli(»n Zeit bci^intiusst, allmählig entwiHcelte.
D(»nnmcb muss gerade während dieser Entwicklung in Svealand «ne
Störung eingetreten sein, imlem das gotische Element von dneu
Dm 1i«Miii«^e Sek «reden. 57
nmlcTOii, dem schwedischen, verdrÄngt wnrde, wonach die Götar sidi
auf da8 I^and, welches noch Jetzt nach ihnen genannt wird, beschränkt
sahen: auf das I.And südlich der Grenzwälder (sunnanskogs). In
iMnemark war die gotische Macht schon längst Ton der dänischen
verdrängt worden und untergegangen. Die Geschichte weiss von diesem
gotischen »ment in Svealand gar nichts.
In Götaland schreitet die Entwicklung ungestört vorwäi*ts. Das
Krbtheil aus der constantinischen Periode wird mit Umsicht verwaltet,
aus den alten Fonnen gehen neue hervor, Dinge, deren einheimischer
Ursprung zweifelhaft, machen anderen, durchaus charakteristischen und
keinenfaOs vom Auslande importirten Platz. Darunter zeichnen sich
besonders die sogenannten Gold-Bracteaten aus, ursprünglich Nach-
hildungcn constantinischer Kaisermünzen, welche durch immer grössere
WiQkür in der Darstellung zuletzt ganz neue T>T)en hervorriefen.
Die schwedisdien Götar sclicinen relativ weniger von dem Verkehre
mit den Römern und deren Nachbarn berülut worden zu seia Der
Münzhandel ging eigentlich nach Gotland; an anderen römischen Fabri-
katen ist Dänemark viel reicher. Ausser Oeland kann sich keine
sdiwedisohf* Ihrovinz in dieser Ik'ziehung mit Dänemark messen. Von
ungleich höherer I^deutung waren die Couununicationen wä}u*eud der
amstantiuischen PericKle, für welche jeiioch alle literarischen Nach-
richten fehlen.
Nach Valentinian I. und Valens (t 37U) ward dem Vei'kehr
iwiHclien Skandinavien und dem römischen lieiche durch die Hunnen
plötzlich eine Schranke gesetzt. Nach dem Untergänge der Himnenmacht
beftann der Verkehr mit dem Norden auüs neue. Er muss ein ziemlich
diTMter gewesen sein, imd ohne Unterbrechung fortgedauert haben,
aacfa iHt wahrscheinlich, dass der Handelsweg von dem byzantinisdien
Reirke ausging. Als die (ioldmünzen, Solidt aus dem IV. und V. Jahi^
kudert iHonorias-Romulus Augustulus-Arcadius-Anastasins) nach dem
Xcrden kamen, war die Bildung dort indessen bedeutend fortgeschritten.
Die schwedischen (tötenstämme hinttTliessen auch in einigen ziemlich
karzen Kunenschrilten eine Probe ihrer Spnu*he und Schriftzeichen.
Ueber den (liarakter der Si)rache di<»ser Inschriften, sind die Meinungen
fBKkeilt. Historische Nachrichten geben die kurzen Kuneninschriften nk^ht.
Da Svealand den Osten des mitth»ren Schweilens liegreift imd dki
Svf-ar in mancher I^eziehung von den (tötar verwbieden waren, sind
w wohl kaum vom Westen oder Süden her in ihre Wohnsitze (»inge-
wandert. Auch vom Norden, wo l>al»l un^irthliare (regenden sich
airwlrhnfn, werden si(> s<'hwerlicli gekommen sein, wahrscheinlich also
Ton (Kten. Schon früh hatten die Svear sich von ihn»n gmiianischen
SummvenK'andtcn getrennt. In ihren weit entleg<Mien Wohnsitzen
bfielien sie fhM von dem mächtigen Einflüsse einer höheren CHütur, mit
weWHT j<»ne in I^*rühnmg kamen. Im ganzen Svealande kann nur
Hne I ^anilu'liaft aN erste NiiHliTlas^iiing d«T einwandernden Svear in
IVpiraM*ht kimunen, nämlich Uppland, wo die heiligsten Stätten der
niit einand«T venK.*hmolzenen Ctötar und Svear lagen.
58 Bu^a'f lIoMu mi Ottait.
Die abr^eii Tbdic Sveateodfi bnunm oamher eüie nidit inbe-
deutende CaUw vBliroiid des lUcren EiBetMhen, doch ftUea dni die
\-olIiK augeUldfiten iKH^iBdiea Braotuten ntid die (ÜeM ketfcMewlni
SchnuckgesauUnide. Man kann dannacta «gen, dua diew Gritar-
periode in Bvmlud nngeflOir tun 400 n. Uir. ihr Ende gsAmden, i. h. '
ilam die Kvnr tdch sdioii dmntk ni Hcntn Ober das GeUet ■■imhat Abb
KolnHnd, der Arbogaan, der Dalelf oder dem Oedmord angeworfen Ii^ob.
Der nordgennanische VtAsatanm drang Us nach Norw^ei, IMIi
vielläGht dnrch BotatuUn, theüs vicBeidit Aber den Edawall &8h|B
ferner nadi Dftnemark hinüber nnd brütete ridi vtm den bsite Itr
Jutland ans. Wann di« geschah, lisst mcli-nidit bertfauni, 4oA
durfte mit Sidierfaeit die« Volk erst nach Nwwegen and 1
gckonunen sein, als es in Schweden bereits sdne Hcrnduft I
nah. Hieraus etUitrt rieh ancb, wesebalb in Norwegen ) nnd MiumA
dOK ftKcrc Kienalter später von dem jflngeren verdrAngt morde, als fai
S«i)weden gesdieben war. Oewiss ist» düs dieser Stamm solrtik IlMr
ganz Danemark, d. h. bis an die Hder herrsdite, tiber g
und Xorw^en Iris in jene B^onen, wo die finnlsdie nnd 1
BcrOlkemng ndt ihren Henthlerheerden nniherxag.
Die Gesdiiclite meldet nidits von dieser Zeit der inneren 1
wo sich nene ZustSnde bildeten nnd befestigten. Wohl i
/rit, wo die nordisdien Völker den Ueberedinss an Kraft i
richteten. » war nm das Jahr 8U0, als die WiklngftlirteB' ke>
mannen. In dtm WestUadem wm<den jedoch Schweden wenigtr flBMktB
ab Dtaen und Norweger. Die Schweden waren darauf angmleMi^ Um
8chaa]datz Ihrer Thitigkeit nadi dem (Men zn vetiegen.
Dodi fbhhe ihnen nicht alle BerOhnmg mit dön WeHea. Bi
Cur^-ejer H5nch Ansgar kam nach Norden, um dio VertreftivAli
tVistenthnms ni befSnleni, nra die Zeit, als dem Klflmko'nu'i llur.ihl
ISvarte in Norwegen ein Sufan gebra-«) wmde, der d< n Ninun Uai^l
emiiling nnd dam ersehen war, olle ün Westen der Kjiili n uvitnftiii
t^tftmme anta- seiner Herrschaft m vereinigen, was in Sebwnlcii lllii)(M
genehmen w. Die deotscbe HisiicHi hintertiess aber keim' imcIitiultiKni
Spnren im Voftsbewnsrtsein. Schweden war nodi iiithl bi-i-cil, der
ühristhclien Coftur seine Thore zn fltbien. Wir wend^Ji iitiscn' lUiirlw
mittlerwdle gen Ostoi. Kaum hatten die JQnger HnhiiDiiiic^i" nch in
Ucidti der räch vor ihnen ausdchnendeii liänder ge»i/i. aU kIc ti(4i
ilie reiche Biklnng der unteijocfateu Völker aneigneten s<i luiu-h unf
<lcin geistigen wie auf dem materiellen Uelnete öue iiriu- itlutJH'xoit
an und die l'racht der angdmtl^u VerUndong (rffenlMil M<-h in viiwai
reichen Znfiuas «rolnschen Silbers, in F<hiu vmi «iiiliK-ln'n Itani-D,
Mttnzen oder reich umomentirtem Scluuuclc, da sidi Ql'iv ili<' ijuvinidifu
(iehiete ergicsst nnd weiter iiadi don im Norden, Osten iukI NunlwrMru
aniirenH-niten liOndern ausbreitet, von Kasan bü in ili<' Wtic-bM'l-
nicdemog und darObcr hinaus. Als diese von allen iin il<'r Slinw
*r,/l
Da» kdldolMh« Sekweden. Ö9
m<ilinciMlon Völketi^ehafion liogieng aufgcnoiniiicneii Schütxt* dir Küste
«1er <H»tj<eo dreichtcii, worden m von dai*t nach Gotland hinübergefUhrt
und Ton den (raten weiter uacli Westen vertriel)en, xnnAchst unter
ihc nftclwten Nachbaren. So kam etn, dass Gotland das Hill)erreich8te
<«ehif*t de« K<uizen Nordens wurde und Schweden in dieser Bezieliung
Mvr Dineniark und Norwegen den Vorrang liat.
Mit den mohi^nländiKchen Münzen kam auch andeit;» Silber inV
IjiDd, theiJs in Harren und St Alten, um verarbeitet zu werden «xler ali»
Zablmigsmittel zu dienen, theiis in der (icstalt von feinem Schmuck.
Mit letzterem wurden neue Motive eingeführt, die von den geschickteren
.IrbeÜem un I^ande alnbald a<loptii*t wunlen. Man kann deeshalb an
dtM (ffesdmiack, der sich in einem Silbei-schmucke offenbart, leicht ei*-
kennen, ob er vor oder nach der Zeit des arabischen EinHosses ange-
fertigt ist. Mit dem Silber, welches /.in* Bezahlung abgewogen wunU%
kanen auch die (remichte: an zwei imrullelen Seitt^i abgepkittete Kugein,
lue stets mit Zeichen versehen sind, welche <las VeHiftltniss des G<v
wichtea zur (jnhdt angeben.
Die Svear besassen übrigens zu jener Zeit l)ereits ein eigenes
<i«'wicfats}'steui, denn das im Mittelaltei* von ihnen benutzte, nut den
tliiiheiten Mark, ()ere, Oertiig, ist nicht aus d(*m aiubischen henoi-ge-
fßMMigen. Ikü» (hifl arabische SüIht auf dem Wi*ge friedlichen Verkehrs
naefa Kasdand gekommen, wissen wir uilh den Nai'lunchten aiubischer
S-hrifisteUer. Die isiändisehen Sagen gelM*n uns Naeluicht von den am
dietisettigen (restade der Ostsee sit^seiiden Völkei-8i*haften. Im Süden
wohnten ilie shi vischen Wenden, mit ikMjeii (»iftngc»r Verkehr obwaltete.
Am Sftdemle des östlichen KüstenstriclM»s woluiten dit* Kuren. Nördlidi
um diesen sat«en die Est he n, welche die vorbeiuinnten oft auf ihren
llfvrzftgen unterstütztim. Viol weniger macht zu jener Zeit Finnland
%tm sidi reden. Von seinem Küsteiüande weiss man wenig mehi', als
dMi Olaf Haraldson in seiner Jugend liei den FiniüAnderu auf den
IkciJiug ging. Auch das innere I^and wurde ab und zu vom Norden
av besucht, doch seltener von <ien Schw(^deIL Die lieute, welche von
«Ip« norwegischen Könige bt^uftragt wurden, den Flnn-sc^hatz einzu-
Ibnleni, der hauiitAflchhch in Pelzwaai*en liestand, unternahmen mitunter
a«f Hgrae Hand weitere Keu<en ins Iiüand. N(K*h weiter nordwftrts
fvhrm zu jener Zeit (Ue Nordmänner, nach Hiarmaland an der
Vitt^An (Ihina), wo der Sage zufolge grosser Reiclithmn an Sillier
— vennutldich vom Süden, ui*s))rünglicli von Asien, kommeml.
)»teten Verbindungen mit dem Ost<M) v(*ranlassten scldiesslich cnne
fumliclie Auswanderung. Dmvh Kiissland zogen die Schwellen nacli
Miklegard, ^der git)8S(*ii Stadt"* des gi-iiH'hisi'hen Königs. Die Ver-
Itodmgrn mit Rnssland wunhMi noch enger. Der Klosterl»ruder Nestor
milill in seiner nissischen (*hn)iiik von einem schw(>disi*hen lleiche auf
HMiH.iu'm lk)d<*n. das cii-ca um das Jahr Hi'r* gegrün(U*t wonleii, und
«ftrMHm Itrflmler Hiuik geheissen lialn». \k*r ei'ste der historisch 1h>
daohigten Könige von Schwellen ist Krik, genannt der Siegreiche.
Narh Krik regiert!» <k»sM'n Sohn t)laf, aus unl)ekannter ri*sai'he Skot-
lüliT Schoosskönig giMuinut. Nun war Schweden endlidi auch dem
GO £aropA*8 Norden and Osten.
Volko bokannt Re worden, dem wir die Nachrichten ttlier jene Zeit
verdanken, den Isländern. An König Olafs Hofe gasteten melirere
isländische Dichter. Zu jener Zeit entspann sich auch ein lebhafter
VcTkchr zwischen dem Westen und einer' I^ndschaft des schwedischen
Hoiches, mit Westgütland nämlich, dessen Hauptort Skara, der Sitz
rines .Jaris des Sveakönigs war. Während in Norwegen und Dftneinark
cLiK Christenthum bereits Wurzel geschlagen hatte, blieb St^hweden noch
Keinem alten (Hauben treu. Endlich wurde eine neue Mission nadi
Schweden ausgesandt. Bruno von Querfurt, ein sächsischer Edelmann,
von Papst Sylvester II. zum Er/bischof über die heidnischen Ij&nder
im Osten eingesetzt, sandte, nachdem er den Petschenegcn am Dnjepr
(Ins (liristenthwn verkündet, den Bischof Siegfried, den Klosterbmder
Robert und mehrere andere Lehrer nach Schweden, wo ihr Werk mit
drm ?>folg gekrönt wurde, dass Bischof Siegfried im Jahre 1008 dem
Sv(»akönig Olaf die Taufe reichte, nachdem seine Oemahlin sich schon
ir\\]wY zum (-hristenthume bekannt hatte. Das lU^ispiel des Königs fand
viel(^ Nachfolger, aber auf der anderen Seite heiTschte grosses üflissver-
giiügen. Allein, es war ein wichtiger Schritt vorwärts, und das I^aud
nähert sich von (bi ab mein* und mehr den» christlichen Westen.
Mit König Edmund erlischt der Königsstamm, der in so hohem
AiLs(>hen stand, dass man seine Almen bis zu den Göttern hinaufleiteto.
l)i(*s l)en»chtigt gewissennassen die Königsfolge der heidnischen Zeit
mit ihm abzuschliessen , obwohl sie, streng genommen, weiter geht, bis
das Christenthum im ganzen liande festen Boden gewonnen.
Die alte Cultiir der Schweden.
In der Zeit, als die ältesten lAndesgesetze der Schweden nieder-
g(*schriel>en wutlen, ^"aren die Verordnmigen l>ezttglich der Staats-
angelegenheiten sehr unbedeutend im Vergleich zu allen dei^jenigen,
welche die Privat Verhältnisse lH»treifen: nichts desto weniger dttrfen wir
uns fi\T das heithiisclie Schweden eine ausgeprägte Staatsverfassung den-
ken, die auf genau l)esthnniteii, von Regierung und Volk angenommenen
(innidgi^setzen rulitt» und in regelrecht eingehaltenen, sorgfältig oontro-
lirten Richtungen tbätig war. Ein sittliches und kein gesetzliches Band
fesselte das Volk an seinen König, dem es HÜlig folgte, so lange w
treu zn herkönmilichem Brauche hielt und der liaune des Volkes wohl
getii'l. War diis nicht der Fall, so wwi-de vr ohne weiteres bei Seite
gcscbafit, s<»i es infolge ixM-siinliclier Feindschaft oder durch allgemeine
Volkserhebung. Darum trat kein Zustand der Gesetzlosigkeit ein; mau
^^jjblte S4Hr:ir bisweilen «len Sohn des Ermordeten zu seinem Naddolger.
Die M'hwedisrlie C'ultur ki'imte nicht im schwwlischen Hoden. Wir
iiniNxcn ihren rrspnnii; in der in<loeuro]misi*lien I'r/eit suchen, dann
in der Zeit der (iiMneinschaft der eun»päis4-hen Arier, später der Ger-
manen und Slaven. und cndlidi in der Zeit, wo die germamscfaea
^•)lkor <ieli noch niiht tretrennt batton. Die allgemeinen Gnindillge
tler Siito und de< GlaulKMis erkennten wir noch bei den fernen Vei^
DU ftit« Cttlior der Schwede«. 61
wandU^n in Asien; grössere Aehnliclikeit bei den Stammverwandten in
\tTKi'iii6denen Ländern EuroiMi's, aber völlig gleidies Wenen und gleiche
Art dQrfcMi wir selbst bei den nächsten nicht erwarten. Die waclisende
Irtfilirung fönlerte eine individuelle Entwicklung, bei welcher auch je
nach dem allmähüg fdch mein* und mehr ausprägenden Volkscharakter,
(fflaulie uml Sitte manche Veränderung erfuhren.
Ein bewohnter Platz hiess im allgemeinen hy. Die jetzige Be-
deutung des Wortes: nachbarliche Genossenschaft (Dorf) war urspiüng-
\w\\ nicht damit verbunden, es konnte vielmehr von einem Einzelhofe
gebraucht werden. Einzelne Gehöfte scheinen übrigens nur in später
liesiedelten Gegenden vorzukommen. Die Byar (Dörfer) waren ver^
^*hieflener Art, einige durch natürliche Verhältnisse entstanden, andere
einer systematischen Umwandlung unterworfen, indem sie nacli dem
(rctietz ausgelegt waren. Ausser dem unter den Dorfinsassen vertlieilten
lande gib es nocli einen Theil desselben, welcher der gesammten
IkiriHchaft gehörte, die sogenannten Allmende, wo ein Jeder gleiches
Hecht an Wald und Weide hatte.
Zu einer Wohnstelle gehören mehrere Gebäude, von einem
freien Platz, dem tun, umgeben. Dieses Wort tvn wurde später für
Wohastfitte gebraucht. Der Tun war durch eine Einfriedung, gardy
iMirrenzt. Das alte 8chw(HlLsche Wolnihaus, wie es die isländischen Sagen
IwM-hreiben, war von Holz gebaut, mit spitzem Dache, oft ohne Boden-
raum, so dass das Licht von oben durchs Dach fallen konnte. Man
hatte femer zweistöckige Häuser mit vorspringendem oberen StocJtwerk.
Der Mann war Herr in seinem Hause. Ihm zur Seite stand die
Frau und um beide wuchsen die Kinder auf, wenn sie nicht Anderen
zur Erziehung anvertraut wurden. In dem Hau.se lebten ferner ft^ie
IHener und andere Genossen, w^elche durch verwandtschaftliche oder
freundicchaftliche Bande oder eigener Mittellosigkeit halber zu dem
llaosherm hielten. Zu seinen Untergebenen gehörten femer die Leib-
eigenen, welche mit Eifer und Unerschrockenheit au&sutreten pflegten,
wenn es galt, ihren Herrn oiler einen seiner Schutzbefohlenen zu
verthddigen.
Man macht sich im allgem(«inen sehr verkehrte Vorstellungen von
der Bildnng des Volkes in vorchristlicher Zeit. Die alten Sagen zeigen,
fbräi der lIausvat(T mit seinen Leut(»n den Acker bestellte, wenn er
aoc^ einige Jahre seines I/^bens auf Wiking&hrten und Iteisen von
laad va l^and zugebnu*ht liatte, dass die Bildung weit vorgeschnttea.
der Bedürfnisse viele waren, und man letztere auch zu liefnedigen
%«n4JUMl, dass der Mann, der in der Jugend seine Kraft auf der See
YcrMKht hatte« im mhigcn Maimesalter seine Scholle pflügte, seines
Vii^m wartete, wohl audi der Fischerei oblag, selbst sein Haus zimmerte
und $<eine Werkzeuge sclunit'dete, wälirend <Ue Frauen die Wolle spannen
und Zeuge woben, oft mit buntfarbigem Muster, und Kleider nähten,
kw»4>AU und phichtig. Sic zeigen ferner, dass schon in jener Zeit
«iei» allgemeinen Hausfieisses, mancher sich einem iM'stimmten (reschäfte
auMMMeailidi zu widmen pfii^ z. B. dem Schmiedeliandwerk, and
amtier wanderte, das Werk seiner llfimie zu verkaufen, und zwar ohne
»Ia>« fliPscs nicht« woni^er als kriejiorisciie Gewerbe ihm den gering^en
>|N>tt /iiKezrHrcn hätte. MiLssten die Inwohner des alten Schweden
arlMMten, ^» fnrahen sie sich auch mit Liu»t dem VeiyiiQgen. MS'enn
diis Saalfeuer in heller I»he tianmUe. liebte man kiiige am Tische %n
sitzen nnd den ikn^her imiKelien zu lassen in fröhlichem (lelage. Der
i'fii<\ wurde hi^willkommt nnd nach Kräften lie^irtliet. Cteix ward all-
t;<*m(*in v<*ral»scheut ; die lit^wirthun^ war, was Bier nnd Meth betnA.
ivichli(*h, ja zu reichlich. Ein Rausch ^-ar keine Sc*hande und kam
häutig vor. Diese 'i'rinkliLst wni*do nicht mit dem Ileidenthum begraben.
Kam zuletzt der T(Ni^ so wunlc die I^eiche hinausgetragen und ^"er-
hrannt oder unverbrannt der Knlv ülieivelK^n. Gegen Ende der heidni-
M'hen Zeit war, wenigstens im Sveahinde, das Verbrennen vorherrw^nd.
Die verbrannt (*n (rclteine wunleu in ein GefUss gesammelt, über und
nelien demsellien ein grösserer od(»r geringen»r Theil von der Habo
d<»s Todten niedergelegt, bisweilen nur einige eiserne Nägel. Dai
(iral)gefiiss wurde auf den Iknlen gestellt; ringshemm nnd darttber her
ein Steinhaufen aufgesetzt und mit Enie bedeckt. Oftmals umgab man
(h'u dergestalt aufgeschütteten Hügel mit einem Kreise von Steinen, und
bisweilen wiu*de auch auf den (Hpfel dessell»en ein liolier Denkrtefai
aufgerichtet. Der Degräbnissplatz pflegte gleichwie jetzt in der Nlhc
ih's iKnfes zu liegen.
Die Ikinde dvr Sippe wai'en mächtig. Der Vater war das Ober-
haupt der Familie; starb er, so ging diese Würde auf den Sohn Ober.
Wo ein Sohn lebte, erht(» die Tochter nicht, al)er sie fiind in dm
Hause des Bruders deuselh(>u Schutz wie im Vaterliause, und verfaeinUhelr
sie sii^b, so erhielt sie von d<;ni Bruder eine Mitgift, die Mnuit ab Dur
Krhtheil zu iK'trachten ist. Das Band der Sipiie umschlang oft mehr
( ilieder als unter einem Dache Kaum hatten, die aber treu zu f^nmiAr
standen. Wurde Jemand ersclilagen, so war das ein Lekl, daa toi
(lern (ieschlechte des Todtschlftgcrs dem Geschlecbte des ErscUagcnen
aiigethau ward. Ein auf eigenem Boden wohnliafter Mann oder Bonde
war in jeuer Zeit, wo die Bildung eine gleicliartige war und die
( iest'lWhaft noch nicht so viele Abstufungen kannte, der dgaaftlidie
schwedisi'he Bürger. Dass (;]*, uui der Uecht(*. desselben theQbrfkjg a
wciilcn. ein Freigehoi-ner sein nnisste, \eiNtcht sich von sdbflt.
IHe nächste nonnale Einheit üIkt Dorf nnd Bonde war die
Hundertschaft (wler Harde. Die Ilnnderttheilung ist aUen gn^
manischen Stämmen gtMueinsam und desshalb als Erlie aus der gMwii
M^haftlichen Ir/eit zu iK'trachten. In Süds(*hwedcn, (L h. im Sndca dff
unissen Grciizwaldunfreii , tiudet man keine Hundertschaften,
Hanlen, die inde<^'n augenscheinlicli mit den Hundertschaften
<iuil. Hundert M'haft und Hardc hatten zwei Mittelpnnrte: einen
lif'ht-n uuil fin<*n localfu. hie iieiNOidiche Einheit vir-ar de^HnndHekaft•-
^•»L'T. iUp Ijm-.iIi« da^ Thing, wo die Ikiuern sich mit ihrer G
\ »=Tsannnt-hfn. ilin* Zwiste zu schlichten und mancHHd >.
mit rinaniler zu KTathen. V> ist ziemlich siclier. t
\»»in in filtt-'i.tiT ZHi in mchi-fiicber Beziehung nas ' erhaopt
Dl^ iiUe Cnltur der Schweden. (ui
Volkes war, z. B. im Kriege und beim GottemlieiiAto. HundoHsclinft
iiiMi ILinle iicMMseii ein gemeinschaftliches (tut in cUt Alhnende.
TeU-r Hundertschaft und Hanle stand die lidndscliaft <ider ^das
I^mL*' Bildeten die Bauern eine Staatsniac^ht , sr» i-e])rflsc»ntirte dvr
Konig eine zweite, (iegen Knde der Ileidenzeit, als Si'liwe<len ein
\ ereinigt es Reich geworden., liesass jede liandsi^liaft (o<ler jtnles ^Ijand"*)
H.*ine )»ersonliche Plinheit, nicht etwa in dem König(% sondern in einem
Lag mann, einem Manne des Volkes, gewLssennassen ein Nai'lifolger
der eliemaligen Kleinkönige, und wie sein Titel liesagt, ein Mann (hs
<ieM*t^*s (lag), der wissen und kennen nmsste, was v(m altei*sher im
lianile (f(*set/ und Sitte gewes^Mi. Kr war in S<*hwe<len zugleich, was
man auf Ishind L ö g s ö g u m a d r nannte, indem ihm oblag, dem Volke
/.uwetleu das (iesetz, luu'h dem es sich /u fügen hatte, vorzusagen. Ks
i*4 tiegreiflich, dass ein solcher Mann auch in andenT Beziehung l»e-
fk'Utemlen Kinttuss gewann. Die I^ndschuft mu.sste sich gewöhnen,
ib-n Ijiginann als ihr eigentliches (>l)erhaui)t anzusehen, wenn sie sich
mit (k'm gemeinscliaftliclien UeichsolHThaupt, dem Könige, nicht einigen
konnte. Wie Hundertscliaft und Harde, so Imtte aucli die l^mdschafl
ffanJt'tj ihr Tliing, dem der I^aginann präsidirte, und wo juristis4*he
ihhI |K>litLsche Angelegenheiten verhandelt wurden. Auf dem I<and-
M'haftsthing wurde x. B. den Königen gehuldigt.
IKe verschie<lenen I^n<lschaften wurden s<'hliesslich zu einem Reiche
uTeinigt. wt»lch«»s nach dem olisiegeiiden Volke das Reich der Svtmr
^SrrameH Kke, sjMlter iSYyriV/«y «nler Schweden genannt wunle.
< remc*ins4-haftlich fdr das ganze Reich wai'en der König und die 1m>1m*u
< »fiffTfi'ste zu Ijisala, in aUem übrigen war das I^nd ein (lanzes mit
lerfichteilenen Iiandi*sabtheilungen. Hin Reichsgesetz gab es ni(*ht, statt
•^iHT aber verschietlene I«and(*sgesc*tze. Auch (»ine g<Mneinsame Vertretung
•U^ ICcirhes, ein A 1 1 h a r d e n t h i n g , welcht*s von allen Knden des
IMchf^ lieschickt wurde, gab es in der heidnischen Zeit nicht, sondern
je<ie I^mi<clisift liatte ihre gemeinsame Thingversanmilung.
lN*r König wunle von dem Volke gewählt. I)(K*h hielt man
4i*h 1>ei der Königswahl giTii an (kis einmal herrschende (r (»schlecht.
IHis natürliche Ikind zwischen König und Volk miisste (hirch die
Vemnigiing verschieden(T liänder zu einem Reiche eine V(*randeruiig
rrk'iiU^a König üIht ein gewaltsam erolK*rt(*s I^nd zu sein, venirsacht
nnf ffewisM* Kntfremdnng zwisch(Mi dem König(» und d(*m l»esi(^en
V«4ke. und diesi* KntfnMmiung, dii*. wenn sie richtig und weise* lN*nutzt
vird. 4h* königliclu* Ma<*ht kriifrig(*n, entgeg(*ng(»setzten Falls aiNT ihr
ffpftihrlich wenbMi kann, g(*wann auch in (b*m (*igenen urs])rüngli(*hen
l^ntle (le«i Königs Bo4b*n, iivcnii auch nicht in d(*ms(*ll)(»n (fra(h*. In
rhKVi natUrlicIien V(*rliandi' hängt vi<*l von d(T P(*rs^^iili(*hkeit de^
Küfür** ab. War dvr König ein Mann von IioImmi (r(*ist(»sgal>en, so liest^
nnn *4i4i auch einig(* l'eliergrif^» s(*in(»rs(*lts gefallen und folgt(* ihm
viliift. *«ell»(t wenn man nicht mit allem (*inv(*rstandi*n war. Auch der
^«fti-be König ward um s(*iner königli(*hen Würde willen h(*ilig ge-
iMltm Uni die Kraft, W4»l(*he in der Kübnnig d(»s (ianzen v(*nnis>it
manL durch rutemehraungen der einzelnen (tronsen des I^andtK (Tsetzt.
(>4 £urop**» Norden und OMen.
Wolü ward mitunter ein allzu heftif^er oder allzu friedfertiger König
gestürzt, allein der ei-ste Schritt zu diesem Acte ging sellwt dann eher
von einem niachtlüstenien Ven^andten des Königs aus, als von «lern
Volke und de»en Vertretern.
Hatte schon der Bauer zahlreiche Hausgenossen, Dienstleutc unil
(laste, so lässt sich am Hofe des Königs schon im voraus eine sehr
grosse G(»folgschaft erwarten. Ausser den zalilreichen Dienern hielten
sic^h viele lieute am Königshoft? auf, weil sie dies für eine Mire hielten.
Doch seihst in den monarchischen Nordlanden sah der Bauer auf seine
Sell)stftndigkeit und mit scheelen Augen auf den Mann, welcher an den
Königshof ging, sogar wenn er auf eigener angeerhter väterlicher Erde
sesshaft war, und folglich ein freier, aller Vorrechte theilhaftiger O dal-
li onde hlieh. Der Königsdienst hatte also zwei Seiten: Ansehen und
]{uhm auf der einen — auf der anderen ein gewisses >Usstrauen und
eine gewisse httrgerliche Schwäche.
Die non^'egisi'.he und schwedische (resc^hichte zeigen uns zwei
Mächte im Staate: die Königsdiener und die (irasslnrnden. Beide massen
unter sich ihre Kräfte. Anfänglich hatte die Bondemiuicht wob! den
si<-hersteii l^len unter den Füssen; al>er mit der Zeit schlössen die
(Irosskmdengeschlechter sich mehr und mehr dem Könige an, und
diejenigen, welche die Königsgunst verschmähten, hüsstcn nach und
nach ilir voriges Ansehen ein. Eigentliche Lehensmänner erwähnt die
vorchristliche Ges<!hichte Schw(?dens zwar nicht, doch geschah es, dass
der schwe<lische König ein Lehen verlieh, ohne irgend welche Gegen-
leistung zu verlangen. Auf solche Art eiiiielten manche norwc^päche
Hüchtlinge Lehensgüter in Schweden. Einen Dienstiuann von grosser
^Vichtigkeit l)esass der König in dem Jarl, der Stellvertreter des
Königs in einem hestimmten Jjandestheile, liauptsächlich in den Gröta-
landen. Ein Schritt vorwärts zur Peinigung des Reiches war es, als
der Jarl, welcher his dahin nur ein i)artielles, locales Ansehen besessen,
zum Jarl über diis ganze Reich erhohen wurden
Der König regierte ziemlich eigenmächtig, und so lange er die
Liebe des Volkes sich zu erhalten wusste, konnten er (Ues ruhig wagoa.
]>isweilen pflog er Rath mit dem Volke, hörte dessen Willensmeinung
und suchte es für seine Beschlüsse zu gewinneit Dies geschah auf
dem Thing, entweder ]m eijier gc'wöhnlicben Versammlung, zu welcher
d(T König sich tniifaiid, CMler in einer ausS(Tordentlichen, voiu Könige
berufen, oder indem (Las ganze Volk fallmogen) auf eigenen Antrieb
sich versammelte, sobald es dem Könige etwas zu sagen liatte. üebri-
gens stand auch dem Könige das Uecht zu, durch seine Diener, in
diesem oder jenem Theile des Iiand(*s mit dem Volke zu unterhandelB.
Eine llaii])tstadt des Reiches gab es nicht, obgleich der Kflflig
sich bisweilen längere Zeit an einem (h*te wohnhaft niederlicss, je
naclidem die Angelegenheiten eines liündes seine Gegenwart heischtei
oder er sich das(»ll»st l)es<UKlei*s geücL ^lan kann von rcchtswogn .
siigen, dass er ein Wanderleben fülu-te, der Gast seines Volkes wtf.
Wenn er reiste, hielt er auf den Königshöfen Rast und die Vorrftihe
Dl« aK« Caltw d«r SAwWtn. 65
m soinm and seines Oefolges Unterba]! wurden von den Bauern ge-
liefert. Dies der haupts&chliche Schatz, der ihm erlegt ward.
So war das bürgerliche Leben in Schwedens vorchristlicher Zeit
Wenden wir uns nun dem religiösen lieben til
Cileicli wie Sprache, Sitte und Staatsoninung sich in ihren Grund-
zUgen bist in die aribche Urzeit verfolgen lassen, so aucb die Gott-
aiiächauung, der Glaube an das Göttliche, das sich nach dem Glauben
des Volkes in mehreren Göttern offenluirte. Den Vor£ahren der Schweden
und den stammverwandten Völkern gemeinsam war die Art und Weise,
wie sie dem göttlichen Princip und dessen Offenbarungen Gestalt
verliehen. Aus der arischen Urzt*it staiujnt die strahlende Ilimmelsgottheit,
der Zeus der Griei*hen, der Vater Ja (Jupiter) der Römer; und ob-
gleich dieser Gott in Schweden keine so hervorragende Stellung ein-
nahm wie die Genannten, so finden wir ihn auch im Norden, wo sein
Name Tyr (gen. Tj/ft) oder neuschwedisch Tg lautet Fj* war der
aheste Gott lange vor Spaltung des Volkes in Götar und Svear. In
der nordischen Götterlehre gibt sich das Bewusstsein einer urs])rQng-
Heben Verschiedenheit der Göttergeschlechter kund. Freyr gehörte zu
den Wanen, und diese, d. h. Freyr, Njördr und Freya waren, wie
e» in der Ueberlieferung heisst, in Folge eines besonderen Bündnisses
uter die Übrigen (iötter, die Äsen, angenommen. Zu den Äsen,
■nd zwar zu den vornehmsten derselben gehörte Thor, der populärste
«Bier den Göttern.
Des Menschen Auge erkennt sofort einen steten Kampf zwischen
Leben und Vernichtung, gut und böse. Als Vorkämpfer des Guten
cnKbeinea die Götter, und es sind Ausdrücke bewahrt, welche ihre
Hdligkat and ihre Aufgabe zueinander zu halten hervorheben. Die
böMn and finsteren Mächte sahen die heidnischen Schweden in den
Keieii (Jäftnar) verkörpert und deren Bekämpfer war vor allen
Thor. Sein Wahrzeichen war der Ilammer und noch heutigen Tages
«riibcken die I^andleute an manchen Orten in den Steingeräthen den
HuBOiPr udcT Keil Thors, mit dem er nach den Troffen (Zwergen)
■arl Dass Thor in Schweden zalilnüche VerehnT !?(»habt, sehen wir
vm dffn \ielen Orts- und Pers(inoniuini(*n, in w(^lchen sein Naine das
enle Glied di*r Zusanmiens(*tzuug bildet. Noch lieissiger als in Schweden
«cMnt sein Cultns in Norwegen geübt zu sein.
War T>T urspr<lnglich ein ariscrher höchst<?r Gott-, war Freyr dem
nach der vornehmste I^n^lgott in Schwedts, und Thor
in Norw<.*gen der Gott dtT Localculte, so stehen doch alle
onter Odin. In ihm c^niceiitrlrte und reHedirti^ sich am voll-
en ilas religiöse Ik^wusststMu dt*s Nonliiuiunes, welches in höherem
nis man es sonst liei h(*idnis(*lieri Völkern findet, von einer
redet and von einem durch die Schuld hervorgerufenen Kampf
Too einer nach Kampf und Tod folgenden Wiedergebun ; Odins
lebt noch jetzt 1mm allen genniuiischeii Völkern fort. Im
kommt sein Name in vielen Ortsnamen vor, aber in keinem
Personennamen.
V ncli«*U, CaftargMchiehU. 3. AafL IL 6
68 fivop«*« Kord«i und OsUa.
der Insel von dem \ielen Treibeise, mit welchem er einen ihrer Meer-
busen aii^'fiillt fiinil, den Namen l&Iand, d. h. Eisland, gab.
Allo drei EntdiH;kung$fohrten mQssen in die Jahre 860/70 gefidlen
sein; Uihl ilaniuf beginnt aber auch bereits eine massenhafte £inwaii-
deruni; von Nonüeuten, an deren Spitze Ingolfr Arnarson, ein
angesehener Mann aus Norwegen, stand. Kasoh folgten diesem ersten
AnsitHÜer weitere Landsleute nach. Die wenigen Bewohner einzdner
Ihnicte dor Süd- und OstkUste, waren die obigen Einsiedler, welche
mau Papar d. h. I^ffeiu nannte; dieselben zogen sich scheu von der
Insel weg, weil sie mit dem fivmden Heiden voike nichts zu schaffen
liaben wollten; aus einzelnen Büchern, Glocken u. dgL, die sie zorQck-
licssen, schloss nun hinterher, dass sie irischer Alikmift und diristüchen
(flaubens gewesen seien. Im Verlaufe von etwa CO Jahren erfaieU
Island :^Hlann seine volle nordische Ik'völkemng, so \iel deren das
arme l^and nur überhaupt zu ernähren im Stande war.')
Die iies(*hichte der Nonuannen auf Island ist von culturhistorisclier
lUnleutung, denn sie berichtet über eine primitive l^Jitwicklungastnfe
für gewisse Eleuiente der gi'giniwftrtigen europäischen Ci^ilisation. Die
norwt'gischen Nonnannen errichteten hier ohne Mühe einen Staate
der alle FJnrichtungi'u, Ideen und Sitten des bisherigen Ueideii-
thmiis Skandinaviens verköqH'rte. 'y Das l<and ward in freie GehOfte
\ert heilt und dua*h Thor's Ihumnerwurf und Thor's Feuerzeichen nm
Kigi'uthume al>gi*greu/.t. Wer (ielüste mich dem Gute des Andern
trug, fordeiie diesen wohl /um Zweikampfe mit Schwertern oder
.\e\ten heraus, und wer Sityer blieb, trat in liis Erbe des Unterliegenden
t'in. Das nannte man mich Thors lUvht leiten. IHald war die gu»
Insel, aufiiiigs nur im Südwesten liewohnt mit Ansiedlungen umkrftut
/ih'rst in s(H^radisi'her Zerstnmung, dann, als liie Sitten sich mikierlai
nml liie IMiirttigkeit des i^lk^ns zu engeivm Anschlüsse trieb,
einigten sich alle AnsitHllungen als kleine Souveränitäten zu
i^'meinsanien anstokratis<4K*n Fn'istaiite mit einer aifcwbildeten Gemeinde-
xer^issuug und wohlverburgten iuvhtsitrdumig. Eine gemeinsame Yei^
saiuiulung, der Alt hing, vereinigte von Zeit zu Zeit alle wehrhaften
angt^si^sMUicu Männer unter th'iom Himmel zur Benuhnng und tddi
FeU'u dt's luvhts herab wunieu die gef,issten Ik'si'hlasse dem Volke
Von den Zuständen jener K|HX'he g^'ben ilie Sagas und die Ge-
Mtzt«^i«alulnluluren, wie this i . u n d n a ni a - B o k, Kumie. L^'tztere nngen
\on di'ui FoniuUisinus, welcher den ishUidisi'he.i Normannen, wie den
GritvluMi und Bouiern eigen; sie /eigen mis Zweikampf und WeigeU
in \ oller Anwendung, und wenn sich auch ilunit eine tiefe Cohorstofe
i*» y^n*tMtt9* Munrb^M. l>Ti S
^ >«krr^* mehr Wi. J .\. riUck««M. >V'««r'-« Anti^itUt: •r • M^MnfMl
M«t!tl b> Vifk.^p l'tro) >oxN KIi:u".i l.ouJon 1S>> S> ä^
a. U,>«ior(f. A. *. O. S II IJ.
DU keldaiMkta KoraMniM«. 69
rharakterisirt, 80 bezeichnen doch beide Einrichtungen einen wesenl Heben
F<l^t^^hritt ((cgenQber den Zeiten, wo die rohe Gewalt noch nicht
einnial diese Beschränkungen cr&hren. In den sogenannten Quidr
endlich lernen wir die Vorläufer der Geschworenen bei Gerichte
kennrn. Ebenso wichtig sind die Sagas, wie sie uns in den Sammlungen
d«T älteren und der jüngeren Edda*) vorliegen. Eine blutige Tragödie
spielt sich in der Nial-Saga^) ab, von der Ruhheit der Epoche, aber
auch von den Keimen zukünftiger Gesittung lautes Zeuguiss gebend.
Weiterhin pflanzten sich in den Sagen und Dichtungen des I^iandes die
Ueberlieferungen der Heidenzeit fort, und selbst als im Jalu*e 1000 die
Insel zum (^ristenthume sich bekehrte, erhielt sich lange noch unter
christlicher Hülle altheidnisches Wesen in Sitte und Brauch. Die christ-
lichen Priester, welche I'jnheiinische waren, theilteii die Neigung ihrer
landsleate für gewisse nationale I.Ast(T, aber auch für die poetischen
Tnulitionen der Vorzeit, d(?ren aasgetri(»bene Götter auf der fernen
la^l eine Zufluchtsstätte fiinden. So hat der Bruderstamm der Nor-
mannen den Erinner ungsschatz an die Kindheit, au den Kindlieitsglauben
dem deutschen Volke aufbewahrt. „>^ begegu(*n uns da religiöse
Vorstellungen wie v(»n der Unsterblichkeit und dem Fortl(»])en der
Helden in einem seligen .Iens(»its, von dem Untergang der Welt am
Ende der Tage und ihrer Wiedererneuerung zu besserem Lelx'n, in
welchem auch die Götter, wenigstens di(.' Guten, wiedererstehen und in
ungetrübter Klarheit walten werden. Y;& b(*geguet eine Auffassung des
Göttlichen nicht bios als eines gesteigerten Ideals von sinnlicher Schön-
heit und Kraft, v^ie 1mm den (iriechen, sondern als des (luten, als des
Heiligen, das im Kampfe über das Böse siegt und zuletzt alle Besclirän-
Inmgen und Befleckungen anthropomori>hischer Einkleidung abstreift.
Dias sind Züge, in denen der Geist des gennanis<*lien Ileidenthums eine
innere Verwandtschaft mit den Idi^en des Christ enthums zeigt und wie
pridisponirt für die Aufnahme der cliristliclien Heilslehre erscheint."*)
Von Island aus fanden dun*)i die Nonnannen die ersten Ent-
decknngh&hrten nach Ameriai statt, worüber an späterer Stelle ges])rochen
werden soll. Mit ihnen schliesst die Reib«' jr»'nnaniscber Wandrrungen
in d*T heidnischen Zeit.
*i Di« VMte UaberMUuog i>*t jenf von Karl Bimrock. Di» Ktlda, HU Aiterg
mmd jMm^re, mthtt dem mftkitcktn KrMäkluttgtn der Skalda ühertettt und mit Kriäutermnggm
Wffaifrf. filotlgftrt IMTl. M. 4. Aufl. — Kine geringere Aunwfthl bietet VVerntr
ÜAkK. Eddm, Li*d4r yrrnaniachtr GStUraagt, htarbeittt und erlSutert. Berlin 1873. S'
> ttl«k# «li^ hüb'chr Anelv^« d«r^e!brn von A. Geffrov in der Rtrut de§ dtmr
«om I. Nn^rmbrr 1MT5 S. II 2 1441.
•- liondorff. A. a. <>. H. 15.
<0 Europft^a Noidtn und Osten.
Vr/ustKude der Slaren.
Auf dfin Ixflckcn der goniiaiiiFdion Welt erscheinen im Anfoni
(los Mittelaltors die über die Grenzen des alten Germanien und na<
l^ojenlieim, drni Lande der Markc.mannen gerückten Slaven, den
Urzustönde darzustellen mir nunmehr ohliepit. *)
Soweit die Si)rachf(>ischuiig ihre Fackel leiht, sehen wir die Slav<
als Glied der possen arischen Völkeifamilie. Ihre Sprache ist sehr enj
verbunden mit dem Tiitauischen, diese beiden Idiome mit dem Deutsche
das Deutsche mit dem Keltischen, das Keltische mit dem Italienische
das Italienische mit dem Griechischen, das Griechische mit dem Indische
das Indische endlich mit dem Eranischen. 2) Wir finden nun di
Slavischc zunächst in dem Stadium der nordeuropüi sehen Grundspracfa
AVicdcr erfolgte eine Theilung und bliel>en nach Ausscheidung di
Deutschen die Slavolitaucr (Litoslavenj noch Ijlnger im Verlwinde. A\
dem Shivolitauischen bildt^te sich nach aln^nnals erfolgter Ditferenzinu
einerseits die slavische, aiulerei-seits die litauische Grundsprache. D
durcliLTcifende Verwandtschaft des liitauischen und Slavischen lösst »
ein langes Zusannnenleben dieser beiden Sjnachen schliessen, auf ei
entsi^hieden längeres, als z. B. jenes es war, das in der slavodeutsch^
(ri'undsprache repräscntii-t ist. Naclnlem auch das Band mit den Litanei
gelöst wurde, stehen die Slaven ganz isoliil da, im Besitze einer Sprachl
die als die Mutter aller jetzigen und einiger im liaufe der Zeiten ani
gestorbr'iwMi shuisehen Sprachen anzuseluMi ist.
Als S(Mnlerv()lk stehen uns nun also die Slaven gegenilbcr nj
zwar in Sitzen, die wir heute mit einiger WabrscheinUchkeit anzugeb
vernir)gen. Nach und nach occupirten die Slaven einen I^andstrich, c
ein Theil derselben noch bis zur Stunde sein eigen nennt, —
eun^päi.Mhe Fhichlan«! zwischen dem oImtcmi Don und Dnjepr und t
letztei-en Flu^s hin g<'gen den Osten des baitischen Meeres nnd
(mittlerfUj AVeielis(»l, sHdlich wt>hi nicht tlber den Pripet. Von
aus erf( »Igten späteihin die Ausbreitungen nach Nonlen und Srtdwe
in /eitab<cbnitten, die auch nicht annähenul mehr ennittelKir sind.
Nnnlen uinl gn)>sentlieils auch der (Men war von finnischen V{
schatten bewolint und selb-^t der Süden bis zum INmtus scheint :
') Ich folge hiprhi»! an<<er'hlip><'<illch dorn obrn eo gHnhrton b}« trofTlichen
dp.-« Orazer Prnfo-«-or Dr. G r p g n r K r c k , KinUitung in tUf glavifehe Littraturg9
und Darftfftunff ihrer nlteren VfriotUt. (Irnr, 1K7L 8. I. \U\. S. 85—137.
•> Hflipoirtti^rh stcll<Mi fi"h rUo ^^ll•llt1IHKl'n des orlftchen Uc^nramt Volkes, i
jctxt gnrighardtpn Aiin.ihnip. ff>!;;cn'Icrnin-«-'on dar:
Aripf
Wc->U«-icr Oittarior
HlftYiidpiit:^!.!' OrücoiiHlolcplten Kranicr ladar
(>iorJi'i!r»päPr) i^^iidpiiropiipr)
Dptit-ilip .•^Ijivdlilaupr (Jricchcn Italolcpltpn
blaven Litauer Kelten Italiker
TTnoitinde der 8Ut0b. 71
nri:*rhp Honion bohorlxTgt zu bähen, die aiw ihren Sitzen diirrh die
Skythen und Sarmaten, die letzten aris<*hen Ansiedler in Kurojw,
viTilrün^ft wurden.
W:inn die Slaven von den genannten Tilnderstrrckeu lJ«»sitz er-
irrifffn. ist genauer s^ehwer zu bestimmen. Nach ^V(^eel seheiiit es, in
il'T HnmzeperifHie noch nicht der Fall ^?t»we.«;en. Zwischen Don und
W«Mchs**l bis an di(» Oder sind nünilieh keine Altert liumsobjecle von
antikrr Hnmze uuf/ntindeii. ihr sonst von den Küsten d(s atlantisclieu
t^^-aiis bis zu den wi»st liehen Alv/\vri>tunK<'n der Kar]>at1ien zahli'eieh
an^efniffi'U werd*»n. (h»stlieh der Karpathen tnti'u >ie erst jenseits
H«M- Wfdpi wi<'<iiT auf. Dafilr finden sieh auf diescMu sla vischen Tcrri-
tiiriam nolien Steindenkmalen einer si»tltern Periode vorhen*schend
Obj*»rte aus Eisen, einem Mf'talle, das den jrriechischen Colonien am
Pnntus und den mit ihnen im Verkeln* jrestandenen Naciilwrvülkeni
«rhfin zu HenMJots Zeit w«dil bekannt war und zu allerlei (ierftthen
t#T;irl»eitet wunie. Dass deiyleichcn Objecte auch dem noch unpfctheiiten
Sliv«»n Volke l>ekannt waiiMi, bestjitij^t hinlündich dl«* linjzuistische Ar-
chäuliitfie, «b»nn eine p-osse Anzahl aus KiM'ii veil'ertij^ter iieirenstilnde
•ind. weil in versebiedenen slavischen Sprachen Ul»ereinstimm(*iid be-
nunt. dem Wortschatze der slaviscln'u (lrnnd>pniclie einzuverleÜMMi,
nd die«* fllr eine Zeit, als die>seits der Karimthen die IJronze dem
Eii^n mich nicht jzewicheii war.
Daraus enribt sich, <b»ss in der antiken Ih'«nr/ezeit diese (rejrcnden
■«rh irar nicht bewohnt wan»n, diiss diese Periode dii' Slaven überhaupt
■rlrt U-nlhrte oib'r von so kur/er Ihuer war. dass >i<* keim* materiellen
Spuren zurtlckliess, vielmehr, vielleicht dun-h die südliche, weiter vor-
■Mrhrittf'ne Nacbliarstiiaft veranlasst, so«rleich in jene des KisrMis ül>er-
npL MH*it menschenleer also fanchMi die SIa\en ihre neue Heimat;
IV Hn/Hn** Theile waren von Menschemnas^Mi bewohnt, die zu den
^•rt2#-fiiri»n norh Stein vei-wendeten, wnnit auf keiner siuiderlicb ent-
■itk♦^tFn (*iilturstufe standen. Die ArU'iten der ( nltiviriinji d<s IltNlens
■Hktpn nur lanfr^am vor sich jz«i;anjren sein, denn ibe Ankrmniilinire
Ä<Mn m*i>t auf ungeheure, ^<»n zahlivichen Flüs<en dup-liNtriniite und
•uSwu andSnmpfen unterbrochene rrwillder, den»ii Licht nnj!/«'iträume
teB^pnicIit'*, di«* sich der Herechnnn^ entziehen, ila uns nicht einmal die
IBtiH U'kannt wn»L mit denen sie hewerkstelliixt wunlen, ire-^rhweiiri'denn
4f Int^^iti&t und Extensität der Arbeit, lunnerhin veru'iieji ii bis zu
•»*r halbv»*u> nennenswerthen ColuniHrunjr nu'hrere .lahrhunderte und
^ 4j*-^T Umstand einijfi'nnassen «las HiUhx'I, wii'so dir >la\ cu zuletzt
■•t aI!»^ ari'^'hen Völkeni auf den Schauplatz der (Mschichte treten.
w/#it. na«-b lier nicht die Sla\en die ^^her^^;dMlteu Ti-rritorien besetzten,
X ii« V. .lahrhnndcrt v. Chr. und wahr^iheiulich '«'nir di«*>e IJc^it/un«:
• rn- !f>'niiime Zi-it jener «ler Kustiii^siun»e lie^ lN»ntu> und <ler
■Mr»ii/.-rMl*'n nordlichen (iebiete «lurch die Sk\lhen und S;iriiiati*n
«
*wt« S'liiin in jemr /«'it sin-l mc auf di»'M iii in'^prüii'jlichen sla-
'»trT. Hfalf^n in die nachmals scharf herxoHretendt' nordo^tNüd liebe
•i»*<|i,ho Gruppe Riitondert, trotzflem sie die territoriale (iemeinM-luift
•*» i»hrh(ui<kTtv buwahn*n.
72 Enrop**! Horden und Otten.
Auch wer dio Slavcn als IlirtenTolk von den neuen Wohnsitzen
Ik*8itz ergreifen IfiFSt^ wird unbedingt zugeben, dass sie diesen Znstand
schon h\i\\io vor Ablauf jmserer Zeitrechnung mit dem Ackerbau ver-
tausrhti^n. Die zahlreichen in die Viehzucht einschlägigen Benennungen
weisen darauf hin, dass die Slaven diesem materiellen Culturzweige
eine grosse, ja ungleich gröi^sere Aufmerksamkeit widmeten als selfart
di(Y (icimanen, ein charaktenstiKcher Grundzug, der auch nach der
'riualung der Slaven in P^inzelzweigc seine Geltung bewiJurt. Eine
uralte Bcschftfligung war die Bienenzucht. Mit der liebe zur Yieb-
zucht verband sich die Liebe zum Ackerbau, theils im Katnrell des
Slaven gelegen, theils durch die Beschaifenheit des zur Cultivirung wie
(Mgons gesciiafTencn Bodens veranlasst. Der Ackerbau wurde intensiv
betn<»])en, wie aus den Bezeichnungen fftr die verschiedenen Acker-
werk/euge und (ietreidrarten erhellet. F& existiren diesfialls panslavische
Benennungen für den Pflug und dessen einzelne Bestandtheile, ebenso
(Wr alle in Ost- und Mitteleuro])a angelwiuten Getreidearten: Kon,
Wei/en, Gerste, Hafer, Hirse, ('ebt^rdies kannte man die FekhrObe,
von HUlMMifrüchten di(> Krl)se, die Linse und die Bohne und noch
andere ('ultur]>tianzen wie den Mohn, den Hanf, den Lauch.
Als Nahrungsmittel diente auch Heisch. Milch und Obst, nament-
lich A]>feK Binie. Weichsel Pflaume, Nuss; als Getränke eine klbisükii
erzeugte iH'nuischende Flüssigkeit, und der Wein, dessen KenntniH
man dem gennanischen Westen venlankte. Von anderen Baumsüten
wairn schon iN'kannt : die FJche, die Linde, der Ahorn, die Buche, die
Winde, die Birke, <lie Fichte, kurz die Baumai-ten, die in
zwiM'heu dem Ai\. und i^d ^ n. Br. geileihen. Der Ackerbau war
schon in frtkher Zeit die Haupt beschfiftigung der Slaven nnd
dieser Tnistaud S4*hou allein hin, ihren Cultuiigrad als keinen geringen
hinzustellen. An die dauernde Ausiinleluug erinnert die Beiekfanaig
für IXirf und Haus, und weni<»u die einzelnen Theile des
detaillirt niis eiimnder gehalten. Vennuthlich waren die Uftnser
höl/enu oligleioh die Kenntniss des Kalkes gemauerte mindestens
rtussi^ilit^sst, /wisclu»n dem Hause uml dem Stalle mit der Tenne
tier Ht)f uml i>t die Ansicht, dass die <la vischen Urahnen mit
'riiien'u nicht nur unter demselKMi Ihiclie wohnten, sondern müA
eigene Wohnum; mit ihnen theilten. divrch nichts begründet. }(
AokcrUiu IvtrieUMi einzelne Sip|vn n4K*h vor der Abtrennung iMi
lit^^unmtstamme allerlei primitive Gewerlie. Allgemein verhppitet wt
ilio Kennt nis< de-^ Flecliteus und Wt»U>ns, der Anfertigung von aDaU
Klci*lungsst»ickt'n, d«s /.inmiern< Wi Anwendung von eiserne«
meuten. i*ie di^ Meiss*^ls, dtT Zau^'O. der Axt. (.ieW kannten
du»>o alten >la\cn nicht.
Von N.i:ur aus kein kriejeri>i*hes Volk, war iia> Befirebem
>*.;i\cn -t^licÜv-h A\ix FrluUtuU'i iit*s Besitzes eorichtet und dienUs«
Shm.'O xü^v^llvn ans Ho:/ werk virfrrtiirTe IW-fesiiCTinstn nnd mit
^^a^lO \«Tv<luv,o NhAn.'tiun^'iiH*«, liio uK-niÜ dort ül*erdüäS9g
«v^ ^VA;.icr, rino HÜ-k^Munu-uo nauirliohe >ihutzwtrhr. das
:v» :;:■■.:<:; Fr «'.yrr.iiii^^-ico n-uhu nun u:cht. dafür vertb idigte
VtnaiBBiU 4m BUfm, 73
imaUüicfaen Boden gegen fremde EinftUe und bediente sidi dabei
eiiei Waffen, Bogen und Schwert obenan. Die Yertheidignng war
iae regellose, sondern wurde die wehrhafte Mannschaft von Stamme»-
nptcrn angeführt und hatte sich den Befehlen derselben genau zu
terordnen. Auch jetzt waren die Stammeshäupter (beziehungsweise
i Volks hiupter) somit nicht nur die obersten Richter und Priester,
■dem auch die obersten Anführer im Kriege — doch dies erheischt
nirbst ein pjngehen auf die alte slavische Familien verfossung, aus
r sich die Bedeutung der Stammes- und Yolkshäupter naturgemftss
twidLelte.
Die Familienver&ssung war, was sie noch heute bei einigen slavi-
mi Völkern zum Theile ist, eine patriarchaltBche; die Einwohner eines
tea bildeten eine durch die Bande der gleichen Abstammung, der
■toverwandschaft geknüpfte Sippe, trugen in Kttcksicht auf diese Ab-
lararang einen gemeinsamen Namen, besasseu gemeinschaftliches Hab
id Gut und standen unter einem durch Walil l>estimniten Aeltesten,
■ die Ix'itung aller gemeinsamen Angelegenheiten der Sippe anvei^
nt war. Uniprüuglich war dies das natürliche Familienoberhaupt,
r Vater «elliht und nach seinem Tode der durch Wahl bestimmte
dügste« — bei weiterer Verzweigung der Sip])e nur derjenige, den
• aUgemeine Vertrauen bezeichnete, lien gemeinsamen Namen erhielten
9 Mitglieder der Sipjie von dem Ahnherrn, beziehungsweise Aeltesten.
Erweiterte sich die Si)>|)e derart, dass ein Zusammenleben un-
IgUch wurde, so schicKl ein Theil aus dem Verbände und siedelte sich
deiNlrts an. (rrundsätzlich wurde diese Zweigansiedelung von der
Ahnensitze gebUelienen Sipin; unterschieden, indem sie eine neue
ppe bildete und als solche auch einen neuen Namen erhielt, ohne
ar den socialen (>>ntact mit der Muttersip]>e aufzugeben, die viehuehr
ick die ganze Organisation mit dersellten in genauer Verbindung
lud. Aus mehn*ren solch(>n Sip]>en bildete sich der Stamm und
■d an dessen S])itze wieder ein Aeltester, dan Stammesoberhaupt,
• neben dem Rechte der Anführung im Kriege alle jene Rechte und
KdHen in sich vereinigte, die in der Sippe <lem (reschleehtsilltesten
kaaen. Wähn*nd also die Angelegenheiten der Sippe durch den
«iUten Aeltesten geleitet wunleii^ lag die Erledigung tier den ganzen
um betn'ifenden Frag<*n in erster Linie in der Hand eines von den
nloren der einzelnen Sip|>en hier/u Krwählten, — des Stamraes-
WfUjn^ in der Regel eines von dem Stanunesahn in unmittelbarer
Ips Abstaimn«*nden.
I>ie genannten Institutionen wanai durchwegs darnach angethan,
f peivönlichen Re<*lite di'S Individuums und die individuelle Freiheit
M verkümmern zu lassen; wurde ja d<K*li denis<>n>en die Mitbestini-
■f, wer die St(*lle des Starosten )>ekleiden sollte, genügend
rurtirt nn«l im W<*sen der Verfassung die (ileichlM^rechtiguuK aller
virtn«*ll ausg(>9prochen. Ks huldigten also die Sjaven der Demo-
indem die Aeltesten nur die ersten unter den (rleichen, keines-
1^ DeffpuCen unter nN'iitslost^n Suhjecten waren. Nichtsdest^iweniger
dcCe sich bei einzelnen StJUnmen in Folge fremden Einflusses schon
74 Earopa*! Nordta mad Oftea.
ziomlioh frühzeitig nicht nur ein Stilndeunterschied, sondern andi die
Erhliclikeit der Füi-stennmcht aus, namentlich bei Volkszweigen, die
unmittell)are Grcnznachl)am deutscher Volksstämme geworden waren,
wUlirend andere an der (rrundfonn dieser Rechtsinstitutionen noch durch
Jahrhunderte festhielten. Diese Aenderungen hatten auch die Leib-
eigenschaft und S Clav er ei im («^folge, so sehr beide dem
Gruiidwesen des sla vischen Volkes zuwider waren. EiinOglicht wurde
die Krhiichkeit der Fürstengewalt theilweise durch den Umstand, dass
der grössere Besitz einzelnen Sii>i)en zu grösserem Ansehen verhalf und
man aus ihrer Mitte den Staniniei^ültostcn wilhlte, welcher Vorgang
mehrmals nach einander wiederholt die Sitte autkommen Hess, den
Stanime.<^11testen nur mehr einer bestinnnten Familiengenossenschaft zn
entnehmen. Di(»s gerade erzeugte bald auch einen Unterschied der
Stünde, indem diese bevorzugten Familiengenossenscluiften die erste
Schicht zum nachmaligen slavischen Adel bildeten, neben dem übrigens
anfänglich die ganze compa(*te Masse des Nicht ad(»ls die Freiheit genow.
Somit ist auch der Adel im slavisi'hen Clnindwesen keineswegs begründet
Diese ursprüngliche Oi-ganistition gewilhrte alx»r der Kntwickelong
des Familienlel>ens den freiesten Sj)ielraiun, wie dies wirklich zur Gre-
nüge die reichhaltige Familiennomenclatur schon ftir die Zeit des slavi-
schen Gesammt Verbandes erklärt, welche mehr als irgend ein anderes
culturhistorisches Moment die Slnven als ein gesittetes, der Monogamie
ei*gel)enes Volk vorführt. War auch die Vielweiberei, wie bei allen
anderen Völkern, gestattet, wogegen (Tnstlich anzukämpfen erst dem
(Innstenthum vorbehalten war, so steht doch nicht minder fest, dus
mnii in ^lonogamie lebte, und davon nur die Vornehmeren und die
Häuptlinge eine AiLsnahme machten. Dafür bewahrten aber auch die
Finnen ihre eh(?liche Treue soi-g^ltig und l)esiegelten sie selbe liänfig
noch damit, dass sie mit dem Tode des Gatten freiwillig dem Leben
entsagten.
Die Heiligkeit des Familienlei »ens bildest noch heute einen charak*
t4'ristischen (inmdzng der Slaven. Befestigt wurde diese nicht wenig
durch die vollkonnnene IU»chtsgleichheit aller (ili(Mler innerhalb der
l'amilie sowie in weiterer Ausdehnung der SijjjK», des Stammes und
A'olkes. Von dieser H<*chtsgl(Mclilieit wanm die Fi^auen nicht an»'
geschlossen, deren Stellung keine untei*ge<>nlnete, zumal sie, wie die
Männer, sen)st zu Starosten gewählt werden konnten.
Auch gegen Knegsgeftingene waren die Slaven humaner, als sonst
für diese Zeiten Sitte. Diesellwu wurdiMi lueht für inuner der Freiheit
beraubt, sondern setzte nuin ihnen eine Zeit fest, innerhalb welcher sie
sieh die Hückk(*hr in die Ileimath erkaufen oder a)>er als I*Yeie und
Freumle im lijinde bleÜMMi konnten. Ferner genosscMi Greise die grOsflte
Pietät, Kranke und Arme die sorj^samste Pflege und Unterst Ütnmgi
daher es unter ilnuMi eigentlich Vennögensjosc nicht gab und arm nnr
derjenige war, der aus der (icsellschaft als l)öw* hinaus gestossen wurde.
DanelM'u rühmen alle Schriftsteüer an den Slaven die ungewOhnüdie
(Gastfreundschaft, di(^ noch heute einen hervorstechenden Zug an ihnen
bildet mid bis zur Vei-schwendnng ausgeübt wm-de.
UrsMfiaJ« 4&t 8Ut*b. 75
Noch vor Abtrenirang in einzelne Zweifle hatten die Slaven durch
Herkonunen hefetctigte Reditmormen, die im (iedftc)itm»ie der
Einzelnen in marcanten finomon erbalten wnnlen. PiNrnso reichen die
heutigen, «ehr zahlreichen Gewohnheitsrechte mit ihren Wurzeln in die
Periode des uugetheilten Slaven volkos hindher. Mit FjIm» und Kigen-
thom im Sinne etwa des rf^mischen liechtes waren (\\v Skiven nicht
vertraut. I>ie slawischen Sprachen nümlich kennen keine gemeinsame
Ik'Zfichnun)? für ^erU^n" und „EiRenthum"' umi sind somit diese l)eiden
I^efnüfe der slavis<*lien (trundt^prache al)ziisi)rocli(»n, womit es vollstfiudig
üliercinstimmt, dass das slavisclie Gnindvolk diese Begriife gar nicht
kennen kcmnte, weil dessen Familienverfassmig »bschaften und Ver-
mAchtnis^ nothwendigerweise ausscliliesst.
Mit dem Rechte in inniger WechsellK^ziehung steht die Ileligion
und stellte man die Gesetze, die durch die Gottheit geheiligt wunlen,
aa(*h unter deren Si'hutz. l)'w Religion war, wie bin jedem (h»r Sprossen
des arischen Stammes, ein Naturcultus. In den Naturei*scheinungen
und Natunerläufen, l)eMmd(*rs in den Phänomen<'n des Himmels, sah
auch der Slave wirkliche Wesen, die er sich mit Denken und Kmpfin-
den aa*igestattct <lachte, woninter einige ihn»r ganzen West»idieit nadi
ebeaso wohltliütig, als die anderen zerstörend wirken. Fllr die ei-steren
wAhhe er die Rezeiclinung f*Of/u, filr die letzteren besu, Ik*ide Ikv
Zeichnungen wurden bei Hiristianisining der Slaven, wo])ei man auch
mitffetirachte Anschauungcni mit dem neuen (ilaulnMi zu verknüpfen
bestreik war, tieibidialten und so wm*de //o//?/ auf die IWeichnnng des
christlichen CSottes und l/esu auf jene des Teufels tllM*rtragen.
Im PÜnklange mit allen I'eberlieferungen verehrten die Slaven
Hnen D^u^ deorum^ einen höchsten Gott, den UrhelHT des Himmels
vnd d«T Enle, des Lichtes und d<»s Gewitters. Diesem waren, wie dem
Sipp«*nober!iaupt die GliiMhT, die anderen (Jötter unterthan. Der Name
ili#*Nes Cfottes ist Svarog, der sich bewegende Himmel, der Wolken-
fainimeL in welchem Indra sowie der DonntTcr Perun h(»rrscht, filr den
Svarog gewi<sermass<»n nur ein amlerer Niime, eine andere Aeussenmg
fft I><T oIkts!«* (lOtt in der lM»s(m<len'n Aeussenmg als rrhel)er di»s
I^mner« heisst l»ei verschiedenen slavi*i('h«*n Völkern P(»run. Als
rhth«inisch«»*i Wes«*n steht ihm in den urverwan«lten Mvthen die F'.nle
mtei-fff-n nnd ist dies auch fnr den siaviselien Mythos anzunehmen, wie
*#il<-h#^ die tnulitionelle Literatur ausser Frage gestellt hat. Als S4>}me
4nB <ib#TNten (rotten Svan»g wenl(»n dii» Sonne und das F«mi<t angeführt^
■ofari Hne ]iartiell slavis<*he AuiTa^sung ülie süd>lavis<*lie i an \\v^* als
«Iritten lh*udiT d(*n Mond un<l als Seh wester den Morgenstern anreiht.
Fir dfn Sonnengott ist urkun<llich eine Anzahl von Namen erhalten
trUiplipn, dio auf eine besondere Ven*hrung d(*ss4*lb(*n sehliessen
iMiPO. In den urverwnndten M\ihen hat ferner der Sonnengott aucli
ifip Gf^ung dw Kriegsgottes. AN TlM-omorphose der reinen, hiitem
IjA ist Svetovit anzusehen, Iwi den PolalMMi auch als Orakelgott
wivlirt und Werköpfig (Lii'gestellt. Als (iott der Heerden nennt man
Vel^ji. mvprQnglich elienfalls ein Suinengott. Aiiss<»nl(»m sprechen
(^''Uen von einem Gott der Winde, des Sturmes und l'ngewittcrs,
76 EQTop**8 Korden und Osten.
Stribog und von andern göttlichen Persönlichkeiten, die nnr locale
Bedeutung beanspruclicn. Dass auch Göttinen eine Verehrung gezoUt
wurde^ liegt in der NaUir der Sache. Mit Sicherheit darf hierher ge-
zahlt werden Vesna oder Lada, die Repräsentantin der heiteren
Jahreszeit, und Devaua, Deva die (Töttin des Frühlings und der
Fruchtimrkeit. Unter den bösen CJottheiten steht ubenan Morana,
die Repräsentantin des Winters und des Todes, sowie der Grott Stribog
wobl zunächst hierher zu ziehen ist.
Als mythische Wesen niederen Grades wurden verehrt und sind
uns zumeist durch die traditionelle Literatur überliefert die Vilen
(Sing. Vilo) und Rusalken (Sing. Rftsall:a\ die Herrscherinnen über
Flüsse, Wälder und Bei-ge, die liojenice und Sojenice^ die Schicksals-
göttinnen, sowie die finsteren Mächte: Jnga-haba^ ßeff und Ferf,
welch' Letzterem die Mond- und Sonnenfinsternisse zugeschrieben wurden.
Sind auch die hier augeftlhrten Namen zwar localer Natur, so ist aii-
derei"seits sicher gestellt, dass die Kennt niss der damit bezeichneten
Wesen allein Slaven oline Ausnahme zugesprochen werden müsse. In-
gleichen war auch der (ilaube an T rüden Mora und Vampyre
Vhikodlük ein unter den Slaven allgemein verbreiteter. Jede Sippe,
sowie der Stamm, verehrte noch in den Seelen ilirer abgeschiedenen
Häuptlinge^ l)eson(lere Gottheiten, ja jedes Haas hatte sogar seinen be-
sondern Hausgeist.
Den guten Göttern wurden Opfer dargebmcht und dies von da
Starosten, die die Stelle der Priester, die als eigener Stand bei allen
Slaven nie aufkamen, zu vertreten hatten, Es waltet rücksichtlich dar
Nichtexistenz einer Priesterkaste und eigener Tempel, für die firühesEten
ZiMten des sla vischen Heideuthums eine Uebereinstimmung ob, filr
si)ätere Zeiten digc^geu eine augenscheinliche Divergenz, Jene slavisdieB
Völker, die verhält nissmässig frühe und freiwillig dem Heidentbnme
entsagten, an die also das Christenthum in si'iner milden Form und
nicht als ero)K*nides und die nationale Eigenart vernichtendes MediuB
herantrat, kennen einen eigenen Priest ei*st and und eigentliche Heilig-
thümer nicht, wohl aber jene, für die das (regentheil davon constatirbtf
ist (z. H. die Polaben und die baltischen Slaven).
Von d(»m Leb(»n nach dem T(Mle hatten sich die alten Slaven eine
ziemlich genaue V(jrstellung gebildet. Die Seele (Dusa) selbst an-
langend, glaubten sie, es könne dieselbe zur Zeit des Schlafes den
mens<*lili(heu KörpiT verlassen und verschiedene (lestalten annehmen.
Nachdem sie sich vom Körper bleibend getrennt, irrt sie, nach Vor-
stellung einiger slaviscber Völker, lange umher, kehrt zeitweise mM
wiedcT heim, woher der Gebi-auch, zu gewissen Zeiten im Jahre alleria
Speisen für I>ahingeschiedene zwisi^hen die Fen.ster zu stellen,
schrieb man auch d(Mi Leichnamen im (irabe, bis sie nicht völlig
stört wurden, einen gewissen (imd von Lel)en zu, und g{ib man desshalb
den T(Nlten Speise und Trank mit in's (rrab. Unter den verschiedeiMB
Weisen des Bestattens sind die Ix^iden ältesten, das Begraben und dli
Verbrennen auch bei den Slaven in Uebung gewesen.
DU BÖrdliditB 81«TtM upd div Ktm^t aüi ton OTiiMmiwnm. 77
Zum Sdifauae noch die Bemeriomg, dass die alten Slaven im Be-
tie einer figurativen Schrift waren und erst mit dem Christenthume
ne Lantschrüt empfingen.
Ble nOrdlielieii Slaven und der Kampf mit dem
Germanismus.
Die gröMte Ausdehnung der Slaven fällt zusammen mit der Macht-
wchwellung der Franken (550 bis 800 n. Chr.). Um diese Epoche
■d die Slaven bis an und Ober die Elbe vorgerückt; sie sitzen in
ITagrien bis gegen Kiel in Holstein, auf den Inseln Wollin, ROgen
laTiMii: Rana) und Fehmem. Sie gehörten dem sogenannten pola-
iachen Stamme (Lahe = Elbe, also „Elbanwohner^), der jedoch nur
Mifrmphiscfa zulflssig ist Die Polaben bildeten keine eigene Sprach-
wktat, sondern sind eine Unterabtheilung der Ostlichen Polen oder
•Jlchen, deren Idiom sie auch redeten. Sie zerfielen in zwei Haupt-
alKr, in Lutizen (Weleter oder Wilzen), zwischen Oder, Ostsee
■i Elbe, in Brandenbmig , wo sich heute auf altem Slavenboden
MiB mit seinem echtslavischen Namen erhebt, und in Bodrizen oder
»botriten, in Mecklemburg und Holstein. *) Von den Lntizern ge-
legten etnzelne Haufen um 450 — 5r>0 bis nach Batavien und Britannien.
■ Oitcn der Polaben wohnten die Ljftchen oder Polen (von pole^
Wi, also Bewohner der Ebene), in Russisch-Polen, Pommern, Alt-
nnd Schlesien. Im Süden der Ljächen waren, wahrscheinlich
454 und 492 die Czechen in Böhmen und Mahren einge-
das rie in seiner Gesammtheit in Besitz nahmen. ^) Auch ein
Oesterrädi's wurde czechisch, freilich ohne je zuvor deutsch
so sein. ^)
Aehiilidi erging es dem Süden. Noch waren die deutschen Baiern
neuen Besitzes am nördlichen Alpenfusse nicht völlig sicher
jwmJeu, als im VIL und MII. Jahrhunderte die wcstjmnnonischen
■i norisdien Slaven, das Volk der Slovenen in die Alpenländer
auabnch. Jedoch nicht mit der Gewalt siegreicher Wafien erstritten
ie «dl ihre Wohnsitze daselbst, sondern geräuschlos füllten sie erst
las verödete Fhichland mit vereinzelten Weilern und Dorfechaften,
*| Xkck Bcba f arik wjkr«n die PoUb«o ein eigener 8p raeh st amai getveetn
Ift4r«l Ubaptvölker : Luiiser, Bodrixer und Horben (Wenden) serfellen. (SlmHack^
IL fid. 8. 508, 516— ft48); die neuere Forschung (Schleieher u. A.) h«t
Als •!•«■ Irrthom erkennt. Die Poleben weren Polen, die Sorben hingegen
dem Cseehisehen Ähnliche Spreche. (Rieh. Andri^e« Wtmdttck^
Imr Kmnd» dtr Lautitn und tUr aorbtnwtndtm. btuttgert 1874. 8.
I
^ DI« heirte in dieeea beiden Lindern ensiUsigen Deutschen sind Eiowenderer
^ VfL hterftbMt Prof. Alois Bembere, V^^r di€ Lmpm der WvkmttäUem 4m
, Ammrm mtU /"«Wcn« im KitderUfrreich, Mim krüi^tHu I7ii««r-
l8 BaropA^s Norden viid OiUa.
Tiiachten allmählif^ auch höher gelegene menschenleere Thftler nch zum
Kigenthume und drangen mit jugendlicher llQstigkeit iMdd in die bisher
fast alles Anl)auos entbehrendem Berge. Fremde nannten sie Winden,
sie selbst sich Slovenen oder als (lebirgsbewohner Ko rat an er, wovon
der Nauio Kärnten. N(M:h im XI. Jahrhunderte erstreckten sich die
Sitze der Slovenen gegen West und Nord unendlicli weiter als jetzt,
bis zum Inn und den Di*auquel]on ; sie erfüllten das Piiizgau und kamen
bis in das Zill- und Wupporthal bis tief an die Saale hinab; verbrei-
teten sich von Pougau bis an den C)l)er8ee; erschienen an Steyer und
Krems, an L<)il>en und Dietacli, an Erlaf und Traisen. Ober^ mid
NiederösteiTeich waien südlich vom Donaidaufe von Slaven bewohnt')
Slavische Merkmale lel>en uuverkennliar im Volkstypus um Lienz, im
Kalserthale, in Teifereggcn nnd im Hochpusterthale;*) desgleichen im
salzbm-gischen Lmigau, wo auch noch (Msnamen slaviscben Ursprungs
vorkommen;^) in SVälschtirol und Yrrnul ist das Bestehen von Slaven-
YQüten ausser Frage gestellt.'')
Diese einstige Ausbreitung des Slaventhums und die lange Frist
seiner Anwesenheit auf heute deutschem Boden gestatteten der slavisdifia
C^ultur feste, dauernde Wui'zel zu fassen, und es bedurfte hartn&dqger,
langwienger Kämpfe^ um sie zu vertilgen, was oft nm* selir unvollkommen
gelang. I)ie S])uren des alten Slaventhums sind desshalb £ast nodi
allenthalben, in Norddeutschland wie in den Alpengebieten, wahrnehmbar.
Das Deutschthum der letzteren, besonders dt^ sogenannten Inneiv
östeireicli, ist also sehr jugendlichen Datums. Die Culturstufe der
Slaven war übiigens jener ihrer dc^utschen Nachbarn in jenen Epodioi
kein(.'sfalls untergeordnet. Frühzeitig schon zog der Ptiug des Slaven
seine Furchen, als die Sueven noch ein nomadenhaftes Wanderieben
fühi1en;-''j m*spi*ünglich s(^hon scheint er geneigter zu Landbau und
') Noeh viol itpütor werden nicht nur einzelne Selavi dAselbet geiuuuit, lOBitn
die Qpgonden An der unteren ünne sowie das Lnrnfeld heiMen nrkondlieli i* f*^
Sclatatwrum f das Land zwidchen Enns und Kahlengebirge b«i Wien Selawimim, (Ad*
F i c k e r , Der Mensch und »eine Werke in den ötterr. Alpen. Jahrbueh de% S»t0rr, Aift»-
Verein* 1867. IIT. Bd. 8. 16.)
*) Prof. Dr. IL J. Bidermann, Slaeenregte in Tirol. {Slavitche BlHitr. VHm
18A5. T. Bd. S. 1'2-16, 78—83.)
') Dr. Heinrich Wall mann, Lnngau*» Land und Leute, (MtUktOmn^m Jff
uhterr. Alpenrereins. IL Bd. ISOl. ^. 81.)
<) HiPhfi: VaterlüniliHehe UUitter für den üeterr. Kai»er$taat. 1816. B. 178— WOj
dann: Cauopin eenkeho Mutseum. 1811. S. 341; forner Borg mann in den WismerJäkr-
büeher. V2l. Bd. MH«c(7ft/arf H. 48) und Hr es nie wii ky in der Karni^ia, VI. Jakff
S. 07 u. 8.S, Hinhf* auch den Aufsatz: Italienieehe Slaven ( Beilage zur AUgtmHmtm MtiUi9
vom 0. März 18f>4. H. 1040 )
) Mein Freund, Pr(»f. Dr. Küsler, bekämpft diese Anachauung; ihm «iMIP
wären (icithen, BaHtarner, Snrniatcn, Alanen auf höherer socialer Htnfa gastandan alaAl
Slaven fl'ehfr den '/.eitpunrt der ulavinehen Ansiedlunff an der unterem Vornan. Wim U3^
8* S. 8), hütten Oermnnen und Harniaten auf sie eingewirkt (A. a. O. B. 6) nod wirf
dc>« Ackerhauon noch wenig bei ihnen gewogen. Die Blaven, meint er, wann iMMBk hlii
an Herd und Hrhnlle festhaltendes Volk, sie sind es erst viel apiter geword^a (A. a. 0
H. 7). Prof. Itunier hat dabei die Zeit bis etwa 4ÜÜ n. Chr. im Auge. lat aalM Dtf-
ntcllung richtig, "o haben sich die HIavcu jedenfalls sehr rasch zu der oben gcaakildartli
t)l« Bör^Iidbea 8l«TtB ««4 At Kampf alt dem G«rmMiUiD08. 79
ruhiger Freude am Dasein alfl viele germanischen Stftmme, nnd tu
Eiftiiflel und Wandel haben die Slaven sich gleichfalls eher gewandt als
ihre Nachbarn; die shtvischen StAmme ragten durch grössere Beweg-
lichkeit henor, durch schnelleres Auft)ltthen von Handel und (lewerbe,
irelofae, als die Deutschen kaum erst die Ostsee kannton, hier sehr
lebhafte, durch die Sage glänzend gefeierte Tcrkehrsmittelpuncte heraus-
Hebikli't hatten. ') Ihre Stadt, das reiche Julin oder Vineta, das
(Tenedig des Nordens an der Odemiündnng, dessen Glanz Adam von
Bremen sdiiklcrt,') ist der Sammelplatz gewinnreichen Verkehrs, ja
üe Stätte eines gewissen verfeinerten Lu^ais am baltischen Meer —
iem , Wendischen Busen^ wie man damals sagte, — gewesen, ward
iber schon im VIII. Jahrhunderte tlieils von den Normannen, tbeils von
fen Wellen, zuletzt 1177 von den Dänen zerstört. Die Geschichts-
Kbreiber jener Zeit ') rflhmen gleichmässig die Thätigkeit der slavischen
Völker an der Ostsee, die I«^lle und Behaglichkeit ihrer liebensver-
kütnime, ihre Geschicklichkeit nnd Emsigkeit in Ackerbau, Viehzucht,
Fischerei, Handel und (Jewerbe. Die slavischen Sorben beuteten
vielleicht zuerst die Salz(]uel]en Halle's *) aus, die Pommerauer woben
«ottene und leinene Tücher, bauten Getreide, Flachs und Wein, brauten
McAh und Bier; schon vor den Germanen übten die Slaven Bergbau
Caltttrllöh« emporgeschwungen, die in die Zelt nach dem Jahre 400 n. Chr. mit und
gl«ieki«itigen Quellen gut verbUigt ist. Beweist der Umstand, dass dan deutsche
Pflog Mii d«m aiavischea entlehnt ist, auch keine.^weg;*, daes die Germanen den
▼OS de« Slaven «rlernt haban, so deutet doch ihre alte Beiianntschaft mit dem
Fluig« iarMif hin , daa« ihre Malgang sum Ackerbau und au aetshartem Leben mehr itt
ala Umrn b\o— Fiction SrhafarU'a und Anderer, die ihm gläubig folgen (A. a. O. 8. 83).
C«hri;efta spricht Rö-*ler, vornehmUrh von den aOdlicben Hlavan und ea Ist sehr wohl
iaakbar, daaa dieae nach dem Zeugnisse des Procopius im VI. Jahrhundert noch gerne
irnm Wohnort wechaelten, während die nördlichen BrUder lltng<it schon feste Wohnstltten
gagraBdal hatten.
*> JuhaBaea Falk«, Di4 Bau»o ai» d*ut§cht Sf-umd SaMd^limaehi. Berlin o. J.
!• B. a.
^ II. IS. Siehe auch Vircliow, Auigrahrnng^H ouf d9r Imtl WolHn, (TerhattJ^
WsAi^tfN ii«r B»rUm€r AnthropologUehtn 0*8eU»ehaft. 1811. 8. 58—67.)
^ Ifclmold, Adam von Bremen, Arnold.
*; Kach V. Ilehn {Üa§ Satt. Berlin 1873. b*) w&re Hall, HaJh indens keltisch und
41« K«aai der SaUge« Innung, den Oermanon völlig unbekannt, diesen von ihren kelti-
Naehbarn im Hüden nnd WeMen augegangen. Auch für Halle, welches dem Lande
Kalten fernabliegt , i»t Ilehn geneigt (A. a. O. 8. 54), einen keltii«chen Ursprung
^lagawinnong ansonehmen, gesteht aber au, dann die »laviüche Invasion einem
Tkaile d«>r deutsehen Salinen, sowohl Reichenhall aln Lüneburg und Halle ihre
njaln^nomie gegeben habe. Die Slaven gaben nicht nur Minen- und Halzknechte ab,
mancher in den genannten \Verk<'n gcbrituchliche Auf*druck stammt aus ihrer
I>Bg*gaa erhob ludest Herr Bexsenbcrger Einspracht indem er für Halle a S.
KrklArang als unxolit!«pig surückweist und hat, katta als ein deutuchea Wort
redAflii/t. (Hiebe : l'ebrr den OrttHomtn Hallf im CorretpondeHtblatt der detittehen
C^ftimekmft für AMhntpologit. 187.^. H. 76.) Von diesem neuesten Stande der Local-
fraf« lat der anonyme Verfaaaer einen anregenden Aufsatzes h*r Samt Ball im
JWhrAMacAea Mtrkmr vom II. November 1875 nicht genau unterrichtet; bbrigana nimmt
•nah Hehle iden (Da$ Salt. Leipzig 1875. 8* H. 11— I.'*) von diesem Einwände noch
hmimm Sofia.
80 Eorop*'« Norden und Ostta.
und schmiedeten treffliche Geräthschaften und Waffen. Ihrer Sitten,
l)esonders der Treue der slavischen Frauen, gedenkt rtthmeud Bonifii-
cius. >) Die Ranen, die ßcwohncr Rügens, waren ein überaus tapferes,
mächtiges, durch Schifffahrt, die wie l>ei den germanischen Normannen
wohl auch in Seeraub ausartete, Kunst und Reichthum berühmtes Volk,
wofür wir das 2^ugnis8 Widukinds besitzen.' Ihre Hauptstadt Ore-
kunda oder Orekonda, deutsch Arkona, auf der Halbinsel Witow
barg Swantowits weithin gefeiertes und berühmtes Ileiligthmn. Rethra,
die Hauptstadt der Ra tarier mit ihrem prachtvollen Tempel Badegast'a,
war viel Ix'sucht und „aller Welt bekannte Zur Zeit als diese Cnltor*
Stätten der alten Slaven gegründet wunlen, lagen die deutschen Stftmme
noch in rohen Anfängen der ('ultm*entwicklung. £s geschah dies als
(las Grossmährische Reich zu weithin strahlendem Glänze sich erhobt
Darf man auch nicht, wie llinige thun', in den Slaven die Lehrmeistar
der Germanen erblicken,^) eine Rolle, welche den älteren Kelten xn-
fällt, so ist andererseits eine Unterschätzung dieser älteren slavischen
Cultur eben so wenig gerechtfertigt.
Dies waren die Slaven, welche in Güte oder mit Gewalt za ontei^
werfen Karl d. Gr. jegliches Mittel recht war, wobei sie ihm dnrdi
innere Zwistigkeiten entgegenkamen. Gleichwie bei den Deutschen
zwischen Franken und Sachsen uralter Nationalhass loderte, so &dite
auch tief eingcwui*zelter Hass zwischen Bodrizem und Lutizem unus*
gesetzte blutige Kriege aiL Vielleicht war dies die Hauptursadie,
wesshalb die Slaven bei all ihrer Ausdauer sich in den Ländern zwisden
Elbe und Ostsee doch nicht zu halten vermochten. ^) Am meisten ivaid
durch die Errichtung von Marken oder Militärgrenzen, die Unter-
jochung der Slaven vorbereitet,^) von denen jedoch erst mit der Herr-
schaft des sächsischen Hauses das Kriegsglück wich. Mit rücksichtaloser
Härte schritt der sächsische Staimu, ihr langjähriger Nachbar und Feind,
zu deren Knechtung und EntnationaUsiining. Otto der Groese m^
mehrte, vervollkoimnnete die Anstalten zur Unterjodiung und enriditete
die drei Bisthümer zu Oldenburg (Starganlj in Wagrien, zu Ha^elbof
und Brandenburg. Allein dauernde Erfolge wurden nicht emmgea.
Seit der blutigen Schlacht am TongciUusse sank dius Uebergewidit der
Deutschon in den ]K)labis<nien Ländern immer mein* bis Mitte des
XIII. Jahrhunderts und die Slaven gingen von der Vertheidigung um
Augiiffskriege ül>er, wol)ei sich überall ihr Hass gegen das auQsedmngeDe
< liristenthuin kundgab, in jener Zeit gewann die Insel Rügen efai
Vebcji-gewicht im I^nde der Polaben. D(t Temi>el zu Arkona v«^
dunkelt(^ den uralten Glanz des ratarischen Heiligthums. Ja 1073
suchten die DeutsclKtii sogar Hülfe bei den Slaven. Erst 1093, nack
langem Fried(>n, bi*ach neuer Sturm über sie henkln ; nicht nur die
Sachsen, auch die Dänen fielen verheerend in*s I^ncL Noch einnel,
<) B. Bonif. üpiti, cd. WürUwein. Mogiint. 1789. 8. 248—957.
•> Uildobrand, I>a§ heidttiseht Zeitalter in Behweäen. 8. SS— 88.
*) Hchafarik, SluvUehe A/terthUmer. II. 8. 610.
*)Bten7A^ Ve oriffine ilarehionum. Vraisl. 1824. 4«.
Di« nSrdUelieB 81«T»a md der Kampf mit dem QermaBlsmos. 81
otcr obotriUschen Fürsten, rafften sich die slavischen Völker empor;
it aller Macht stritten sie für Erhaltung des alten Cultus und der
teu Sitte, liis Fürst Niklos, des Slaventhums letzte Stütze in dieser
egend, IIGO gegen Heinrich den Löwen fiel.
An der südlichen Grenze ihres ehemaligen liandcs bemächtigten
ch die Slaven Brandenburgs und stifteten dort ein neues Reich, das
Izte krampfhafte Zucken eines hinsterbenden grossen, starken Volkes;
157 eroberte Alb recht der Bär Brandenburg und versetzte dem
lAventbume zwischen Elbe und Oder den Todesstreich. Als endlich
ST Dänenkönig Wal dem ar Rügen, die letzte Zutiuchtsstätte der heid-
iflcben Slaven eroberte, stand ihrer Verdeutschung zwischen Elbe,
der und Oütsee nichts mehr entgegen ; sie ward auch von den Deutschen
lit ungewöhnlicher Raschheit betrieben und in kurzer Zeit zu Stande
slincbt. Von Deutschen und Dänen theils vernichtet, theils in die
daverei verkauft, gab sich, was übrig blieb, dem Eroberer in Zins
nd Dienstpflicht ^ ) Gleiches Geschick hatte bereit« die Serben zwischeh
MÜe, Elbe und Erzgebirge betroffen. Die germanische Gaueint heilung
ard von den Eroberern beliebt und durchgeführt; überall slavisches
and als Lehen an deutsche Vornehme gegeben, die auf den an den
aTvcfaen Ortscliaften gelegenen Anhöhen ihre Vesten aufrichteten und
ie Bezwungenen also im Zaume hielten; am rechten P^lbufer wurde
124 — 1157 die slavische Naticmalität der Serl)en durch Schwert und
jegliche Art bis auf den Grund ausgerottet 1*^ ist demnach an
etwaige Blutvermischung im Westen der I<^be nicht zu denken.
Schicksal harrte der Sorben am linken Elbeufer in den nach-
erigen Laositzen, von welchen heute noch lebende Reste vorhanden
iwL Hier haben zweifelsohne früher zahlreiche Mischungen mit sla-
Blate stattgefunden, wie denn für hervorragende Persönlichkeiten
Verlrindungen selbst mit den entfernteren Ozechentöchtem
gut beglaubigt sind. Aber auch nach Befestigung der deutschen
iomehaft verfiihr man gegen die Sorlien immer noch glimpflicher als
die Qbrigen Shiven, so dass sie den ersten Angriff des Deutsch-
im XIL Jahrhunderte leichter ortragen konnten.
Den an den Ufern der Ostsee wohnenden Pommern war eine
Erhaltung der Nationalität gestattet Die Pommern haben seit
kkcn her mit den Polen Fühlung besessen. Was von einer frühen
ksidehnung deutscher Herrschaft über Pommern herrichtet wird, scheint
kla mehr oder minder Fab<'I ; auch die frühzeitigen l^rtthrungen mit
kaadiiiavischen und dänischen Nonnannon waren von keinem ethnischen
*; wir haben elemnat^h allen Grunrl, die Ponunern zur Zeit des
(botartes mit den I>eutschen als reine polnische Slaven zu
eCnchten. Pommerns (intlirlie Seite bleibt hingi* in dichtem Dunkel.
Sm ]lo7 gelang es Boleslaw Schiefhiaul den Fürsten von Pommern
■ winem Vasallen zu machen; l)ald darauf erfolgte die vollkommene
,'Bterwerfung VonkT- und llinterpommerns unter Pulen (1120 — 1121).
i» dahin verblieb Hinterpommern in einem zwischen Christenthum und
Mink Falke. A.a.O. B. 11.
«. Bell w Aid, CaltargaMhichU. 3. Aufl. II. Q
82 Earopft^t Nordeo und Osten.
HcMdpiitliiiin srliwaiikoiuUiii Zustando, in Vordcrpommem hciTHchtc das
alte IIoid(uithiun unprschüttcrt. Erst Hoither fasstc dort das Ohristen-
thuiii ff^trii Fuss, nicht alKT Ko^leidi das DeutKchthiini. Das noch
hin^e s]a>isdH' liUnd ward iM'kanntlich Kchr spät mit Deutschland ver-
ciniKt und Ix'sas« his UJ.-J7 oingclMjnK» Iler/tige, unter «leren Scliutz
sich einf^ fi'iedlic^h^^ (hiutsche Kinwanderun^ vollzog. Diese führte zu
directer l{e]>reKsion der slavis<;hen PIlenient(t ^^W^ Osten, so dass zu
<tiner ge.wissen Z(;it dvr Gollenberg, östlich von (<>sHn als Scheide galt,
üIkt welche nach Osten hin <he Slaven zurückwichen, während der
Westen nicht hlos in lien Städten, sondern auch auf d<'in platten Ijande
von deutschen Kinwanderern aus NicMlersachsen, Flandern und Holland
iM'si'tzt wurd(?. '; Oh (hilxfi j^.'dwede Itacenniischung sich vermeiden lies«,
ist nicht so ganz ausgemacht; für lIintei7)onnnern steht sie fest und
ist die dortige slavis(;he Bevölkerung sogar ei*st sehr s])ät germanisirt
worden. Die Anklänge an di(^ slavische Vergangenheit sind längs der
g&nz(!n Ostseeküste no(;h Uherall wahrnehml)ar. Von Lüheck bis nach
KollK'rg, dem alten Kolohn^, sind die hodeutendstcn Orte slavische
( Gründungen. Auch die; zahln;ichen P'amiliennamcn in „ow*^ (z. R
Virchowj mahnen noch lehliaft an die slavische Ahkunft
In d(tn östli(then Hinterlanden Deutschlands fand glcich&Us eine
theilweise (iennaiüsirung statt. Schon zu Kndc des Xill. Jahrhunderta
g(;hi(^ten der deutsche Kitter und der deutsche wehrhafte Kaufinann
weithin an den haltis<;hen Küsten, während der deutsche freie Bauer
als l)evorzugter (ienosse d(>s herrschc^nden Stammes zwischen dienstbarem
lettischen Volke durch dt^n frisi^h geordneten WaldlxMien des preussischen
lindes seine Funihe zieht; — freihch, in Kur-, Liv- und Rsthland
wenigst(!ns, in so verschwindender Minontät, dass eine ethnische Um-
hildung dort nicht erfolgen konnte. In Riga, Keval bis nach Nowgorod
walt^fte der hansische Kaufinann im grossen (lan/en mit gleichem Mi»'
ei-folge. Sinne Cultur machte sich sellist in Preusscn nur in einem
s<*.hmulen Küstenstrich(^ heimisch. Hlos Städte und Herreiu$it2C wurden
deutsch, die ländliclu* ]$evölk(Tung Imt ihit^ l(>ttLS(!he Nationalität bewahrt;
d('ssgleich(ui in Jvsthland. In Livland verschafiflc der Schwert
hrüderorden zwar dem Christenthume und der deutschen, damab
noch ziemlich rohen (iesittung scnt 1202 Kingang, in Litauen und
JM-eussen uImt opferten die Heiden noch Jahrhunderte lang im heiligen
HaiiM» zu Homove. VasI gegen Knde des XIV. Jahrhunderts, als Gro«^
fürst Jagello um die Hand der Krhin Polens zu erhalten, sich taufen
li<>ss, fand LitaucMis n<^kehrung k(*inen Widerstand niohr. Auf Polens
\{\ii' waren auch 1 22K die ersten 1) (mi t s c h o r d e n s r i 1 1 e r in das
\jiii\d ili'T heidnisctuMi Preussen gekommen, eifüllt von durchaus Staats*
niännischein Trachten natrh Hen*schaft und Ik^sitz. Di*eiundfUn£dg Jahre
lang währt(> der Kampf mit dem hc^ldenhalllen Kruste, oft genug mit
fl(>r erhaimunghlosen Wildlurit, welche di(i Völker einsi^tzen, wo es um
Sein (Hier Nichtsein sich handelt, ehe das pifussischc Volk den deutschen
Onleuhrittern und Kreuzfahrern erlag. Auf jedem die Gegend befaefT-
•) V i r c h o w , Ärchir für A nthi-opologif. 1872. 8. ö34.
Dm rattlftcbe SlaTftntlium. 83
benden HQgcl, an jedw wichtigen Fürth, an jedem Hafen erhöh sich
w Burg, nehen jeder Burg die mit Besitz und lühischem, magde-
irgischem, cölnischem Rechte freigehig ausgestattete Stadt. Der freie
if des zähen, behähigen friesischen oder niederdeutschen Bauern ge-
sh wie das frankisch-alemannische Dorf, starke Vertreter deutscher
murhe und Sitte unter hörigem slavischen Volk,') eine neue gescliicht-
he Erhärtung der Thatsache, dass die Stammesverschiedenheit meist
ch Standesverschiedenheit bedingt.
Das russische SlaTenthum«
Die GrQndung des russischen Iteiches verdient, dass wir einen
igenblick dabei vem^'eilen. Bekanntlich ist die Geschieht« der
aräger, woraus das Ilaus Rurik entsprossen, in m}'sti6che8 Dunkel
haut, lange Gegenstand eines gelehrten Streites gewesen, bis nuyi
li dahin einigte, in den Warägern schwedische Normannen
erkennen,*) eine in dem behaupteten Um&nge wohl kaum stich-
•) Vgl. Kre yttig, Umsert Sordottmarle. Leipilg, 1873. 8*
*y Bin« andere M«inang entwickelt Hildebrand, Dat Heidnische SSeitatItr in
hmtd0m, 8. 175: Wariger ist kein nlnvieche« Wort, sondern eine i^Uvische Urowaad-
ig 4m germaaischea Wortas Warane (Wiring) — und in dieser Redensart liegt Tlal-
■kl «ia« Andeutung, da«B et auch andere Wariger gab, welche auf derselben Seite
I M*«r«e wohnten wie Nestor. Sollte der Name Waranger oder Wiringer einem im
tmnm Rassland se«^haften Volke angehören, das seine weiter nach Schweden siehenden
MUügeaoesen nicht begleitete, sondern dort turückblieb? Sollte dieses Volk, von
a«a slavischen Nachbarn bedringt, sich bemüssigt gefunden haben, anderswo, s. B.
OwstiwUnoyel , Aufenthalt und Beschifligung tu sueheut Diese Hjrpothese Terhllft
■%•!••« au der Erklimng, warum die Slaven die Germanen des Nordens mit einem
r— ■iffhtn Naman nanntan, der nicht im Norden gebriuchlich war. Es dQrft« viel*
h* 4ar Name jener mit den nordischen Stimmen verwandten Germanen eain,
itak« la Rusuland neben Slaven wohnten oder gewohnt hatten. Wilhelm Thomeen
t alailich nachgewiesen (üthtr den Einjlut» dtr p§rmani§ehtn Sprachen am/ die
ippiechen. Eint epraehgeechiehtltehe Uniereuchung. Aus dem Dini<^heo über-
E. Slevers. Halle 1870. 8';, dass Völkerschaften vom finnischen Stamme
elaam stark germanischen Einflüsse ausgesetat gewesen sind, der sich noch
■I üi ihrer Sprach« bemerkbar macht. Die Mannigfaltigkeit dieser Anleihe und folg*
h mmA icr BerAhrung nöthigt au dem Schlunne, der Stamm oder die Stimme der
rBaai*«hen Vülkerfamilie, von deren Sprache der finnische Stamm noch heutigen
!•« aahlreiche .\a«drücke in seinem Wortschatz bewehrt, müsse einstmals Im mittleren
■BlAa4 oder in den Ostseeproviuzen in unmittelbarer Nähe der Finnen gewohnt haben.
Ibm kaaa diese Frage nicht vollstindig gekürt werden, so lange nicht die Grabhügel
mtttlaraa Rutsland durch ihren Inhalt Zeugniss dafür odsr dawider ablegen. Auf die
ftaterassante Arehiologle Kusslands kann ich leider hier nicht eingehen. Wer
»r« Belehrung sucht, der findet sie bei J. J A. Worsaae, Rutlande og dti
leieke Xerdene Btbjfßgelte og ßiJete KuUnr/orhotd. Bidrag tii eammenUgnemde
Ärekfieipgif. {Atrhüger f. Sord. Oldk. og Jlihtorie ISl'Ii^ worauf J. Mestorf
I.eaer eine Reihe spannender Auf-titse: C»lturterhüft»iete Rtteelan^t und
tmmrieekem Sordine in torhietoriecher Ztit (Glohme XXV. Bd. 8. 21, 41, 57, 73)
hat Werthvolles Material bieten auch die Verhandlungen des archioingisehen
^r««««B ra Kijew 1874. Berichte darüber brschten die Bneeieche RtVHC 1874. IL Bd.
J?U «ad mein Freund Professor Alfred Rambaud: Kit/ et le congrie archiologiqme
de» Jems Ueniee vom 13. Desember 1874. B. 781-815).
6^
84 ■n*v*'* H«Hm WMt (Mm.
hiUtige AnTJfht Enrtgt mao, diui die hraüge ToIksamgB Rrhwiwlfi
etwas aber i Ttfinkwen Köpfe bäragt.i) m kwm dindbe tot riaia
Jahrtausend keinesbUa grosa genug gewesen sein, nm die ucmudea-
den Warflger als ein aUreidies Volk eradMänen m In mm Die tB
Kop&ahl 80 grosae Ibsae der alaviscben Kuaen dOrfie ''»"■■^ di^
politiidie VertHndong zu einem groaaen Ganzen mdit ,^ent dnnh dM
£indriiigen dee derben, thatkrtftigai Bemeids der gerBa^adMaWitfpc
aas Sidiweden, der sogenannten Roa" critngt h^en.*) Zudem kt te
GennanimiiB de- Wtitga keineswegs zweifellos; es kt nicht niiwihr
icbeinlicb, dass die WarSger anstatt ans Skandinavien ans dem itatM
slanschen Prenssen stanunlen, nidit TOn-der KM« Boslagen, sooden
von den Ufern der Weidisel nnd des Niemen.*)
In jüngster Zelt hat gegen die ganze, auf das aDciiiln«- Zvuünias i
Chronisten Nestor fbaaendeGescIiidite der Wartger Fruf. IldVdUk^
wie tms dBnkt — gegrOndete Bedenken vorgdvadit*) Darnacb wai
die Wariger keine Naüon, sondem dne Ome gedimg^ni'r Abeiitvui
ontentUst ron den eänlKÜnischen maoadten Fttrsteii. Doch s(>i d
wie {hm woUe, selbst Nestor gibt zn, dass, als die Wiirilg<:;r IteruMC
worden, 863, sie sdion gesittete ZusUnde TOT&aden. O»tr(>i;ord[
das qAtere Nowgorod, war sdion ein bedentanilcr PlaU oud dif
ehrwüdige Kijew am Dnjepr, damals nnter koau-i-r))^ Herrmsbaft^
gUnzte ebenfells scbon vor der angebliäten Ankunft dieser >'omi»iuies,
die ttbrigeoB Unnm Karsem rdlsUndig ilaTisirt «ari'ii. Hierauf
ganz besonderes Geiridit gelegt werden. Kamen wirklich gt;nuani»cta(
Fremdlinge nach Bnaaland, so waren täe enleehiedeii nur in grringl^
Anzahl nnd trotz qiUerer ZnzOge von der den Slann eigcntbainltcta«
fies(sptk»u- und AsgimUirungakraft etbniadi an^eacbliirft. lieweis Udw
für, dass uns 945 ein Fant Si^jatodaw — ala adion ein slavisdrt'
Name — begepiet Nidit sie faJien das nnsüdie Volle, oondeni t
masisdie Volk hat sie nn^tewanddt, gerade ao, wio e$ di«» noch
späteren Zeiten mit vielen finnisdiea Stammen geUuii. Die lUirik» '
man demnacii nnter allen Umstanden, mOgen dieaelbcti wirklich
mannen sein oder nidit, doch schon nach buner Zeit
slavisirte Bossen anzusehen. Die TerUndnngen mit ili-iii Matti
wurden zwar andi fernerhin anfrecht erhalten nnd div^v<t vntivs «icb
stets prodnctiv. Die AlterthOmerftmde zeigen nOndiiik iiiuwfidoulig xcn
') Ad n. DaMvbar 1S«B: 4,1T9,[)S0. (Btkm'i a*tfr.
tnob. KSiltr. A. •. 0. 8. SI.
•) <7*dHMi> ito- <U* ilf Midti
8. fOT.) Dat Aafkiti M Ktb>o'i ÄnUt ftr tu trUnmdiaftttil'r K~;ti ta* B^mIM
(ohoa bU*t« Cltlnini) «ntnommu nnd arwllinl, dui whoB Bwrm (t'"»"*- 10-41
Bai>*li« TOB Oigiintliall dnfllr baicalincki bab«, lUaa In Utwar fix >lrt •lnviid» KiM
der Oarainnan flOtmifj aneh auf Dleht|arniaiilMba VOlhat 4U|a<LFliiit »uidD. Isb lull
Icldir Toa diaMD Aibailaa kalna RanatBlu nabmu kSnnan. !itcikv>ilr<ii( i*l, daM
Liibolti, «la la «Inar aodaran mir t>*Kb'*U> onbakinnt «cbu<ibaaia Arbeit 1^
Etman') Ji-ckfa |aHl(t wird, baralU dls wasdluh* Abkunfl dar Warlsar «(•
bui|itat hat.
•} Vh Fraft wcA irm Urffnivt tti im—luhm MH1t*t. (Auriatt Mtl. Mo. a>
Dm rnuUeli« BUT«ntliiiin. 85
nem von Schweden ansgegangenen Einflass aof Russland Dennoch
Irfen wir die Cultnr jener Epoche in Russland durchaus als eine
nheimische lietrachten, denn selbst wenn die Waräger Skandinavier
arcn, hätte sich diesellK» doch von diesem berüchtigten Raubgesindel
nne? vere<lelnden Einflus^s zu rühmen gehabt. Wie hoch oder wie
ef man das damalige Culturstadium der Russen veranschlagen mag,
mn hat keinen Grund es für fremde Importation zu halten. Im
ihre 922 besuchte der gelelule Araber Ihn Fozlan das I^and der
TolfQi- Bulgaren und unter den Handelsleuten vieler Nationen, die er
«r traf, fielen ihm die Russen ganz besonders auf; er hat uns eine
emlich ausführliche Schilderung ihrer Sitten und Gebräuche hinter-
88en,») welche dieselben jedenfells schon den ersten Culturstadicn
itrQckt zeigt, ^) Auch wohnte dem Volke eine eigenthümliche Städte-
id Staat engrOndende Kraft inne, «lie sich bis auf die Gegenwart er-
iltpn hat. Gleichwie ein guter Theil der heutigen Städte Norddeutsch-
ads von den Slaven gegründet wurde — die slavischen Namen sind
i der (tegenwart noch überall, selbst in Thüringen ^) deutlich zu
kennen — so fällt auch in eine Zeit, wo es in Mitteleuropa noch
0f4 und traurig aussah, die Glanzepoche der mächtigen Wolchow-
epoMik des« altslarischen Nowgorod Nirgends haben die russischen
\ären in ihrer Bc»wegung nordwärts die Küste erreichen können, doch
thnK <*» den Nowgorodoni an einem geographisch-historischen Knoten-
■actc, an dem Ausflusse des Wolchow aus dem Ilmen-See festen Fuss
I fwM-n. *) Schon frflh wandte sich der Sinn der slavischen Ihnen-
Bwohner kaiifanänni^chen Unternehmungen zu. I^ange vor der Fest-
■temg der Waräger vermittelt(»n sie den Verkehr des Südens mit den
aniMiien Völkerschaften, während ihnen di(» Karawanen der Bulgaren
Ni der Wolga her die Schätze des Orients zum Umsätze gegen nordische
rmlocte brachten.*) Als die moskowitischen Fürsten hier ihre Herr-
haü gründeten, Ende des IX. Jahrhunderts, brach aber die llandels-
■pobllk am Wolchow mit ihrer eigenartigen I/'bensordnung zusammen.
tngKun verdichtete und breitete sich die agricole slariscbe Bevölkerung
K, mit Beil, Sense und Pflug in harter Arb(»it sich den Boden an-
liaffpnd; ,.mein die F*nle, so w(»it Ik'il, Sense und I*flug gegangen,"
b- mein Besitzthum nicht so weit wie nuAnv Siedlerarbeit , war die
1^ Rpchtsformel für die Besitzergreifung des I^lens. •) Vom ol>eren
•) 8i«h«> b^i C M. Fr ihn. 8t. Petersburg 1823. 4* Meiner Meinung nach kann
9 vo« \Var4gern nicht mehr die Rede «ein; keinesfall* Hessen diese »ich noch ethnisch
ttersrh'iden, so das« Ibn Foslsn^s Hcbilderuog nur i*ie Im Auge haben könnte.
•» Hiebe William Pierson, Aut Sm$ii!and§ Verganifenhtit. Leipxig 1870. 8*
IT—m
•y Simtitfht Orltnumen im Thüringerwaldf. CAunland 1860 No. 99 8-89.)
*> Ueber dte Ausbreitung der .Slaven über Ost-Europa siebe Hsolowjew, Gfehiehtt
tmmda, (To*t>i»fhi 1. Hd. H. 1— >J4.
*; Kord T. Hrhiüter, Lirtand und die Anfämgt de» deutachen Lthtm§ im hultisehtn
. B*r in 1850. 7* S. 161.
*.' Bellüjew, Geaekieht» Orc§$- Noirporcdt com dtn HUeaten Zeittn bia 9u atiitem
wt'0 #r««ei*rh) Mo-kan 186t. 8. 60.
8ü XntOH'i Hordw «ad OMm.
WolgarBecken (Boa ov, StudaJj) dehnte d wisclio Colon^ J
aation nach Nordosten wia. Ging Zog der i..^. i uormannischoii i
Staatagrflndiuig nach SOden den j spr hinab, so scLen wir halA die
Kowgwodcr Slaven die Dwina hin i zum Vej-vMtl Meeip voi-dringrn,
wo froh schon Gholmogory (Ho rd) den ^littil- uiid SchwiTpund
des slaTisch-8kandinaTie(£eii See' neurB hildet w» heute Arctiangcltk
steht, ward bereits im Xn. Jahrncmdert das KloMi'r S. Micltacl gestiftet,
welches Jenen des beiL Geoi^ in Nowgorod Dlintitc. SidierUck wife
die mftchtige SlaTenrepubli^ im Stande gew»on, eine äea Seulscheo
gefShrlidie Thätigkeit zur See auf dem Baltisdieii M^itc zu entwickela,
hätte sie nicht ihre ganze E ; auf Erobeniitg luid Colonisirung des
finnischen Nordens nnd der U m. geworfen. <) Retssend schndü
dehnten üdi die Nowgoroder ni ' Itromlajxlseliaftcn des nördlich«
Eismeeres ans and schon im XL Jamrnnnderte durchzogen ihn? Tlandalt-^
liantwanen die Gegenden der Feti ora, Fenui(>ii'K iinil l'^icii'K ut/jt
allen Biditimgen, wobei die Be [ dieser llcrrscliuft nicht Inuncf
ohne Bbitvergiessen abging. In aem vreäsiefe Wsewolods (XII. Jub^
hundert) geschieht bereits des ^ndebstandee an der Oni;^ in K%r"iwi|.
Wdf^da und Permien Erwähnung. *) Die di^outuligf! KnlstcLung der
KowgtKvder Ansiedlnngen lernen wtr sehr anschaulich aus dvr (.'hlynow}"
sehen Chronik kennen, wollen hier aber nidit djnuuf eingfhen. Vir
begnttgen uns henorzuheben, dass diese ColoiiiäLi'uiMt durch die B»wc(-
hchkeit nnd UnslUigkeit der xert^litterten und »dikuen finnla^ni
Bevölkerung angemein erleichtert nnd i sesabslli-. inndlHiiiende sUvüobe
and davisirte Einwobnervchaft immer dichtei \s\iyAc. Unterwerfung,
Bekdirung, Slavisinmg folgten rasch aaf ein^unlir. Dtut RusMcnllniiu
slavidrte nach und nach den grOssten Theil d: i- \<ill{t>r vun der Wolf^
nnd den Donqnellen bis zum Eismeere und i^i"<i Hliute au;^ itiiiui eJM
uniforme Masse. So entstand durch ColonisiitiiMi. \'ori)tiaiizu»g
aiimflhlign Slavisirang das sogenannte grosaras'^i.-icli'.' Volk, in dem dif
finnische Blut einen wahrscheinlich insw^lii'u l'rm'fntanthdl
Ueber dieses Finnentbum der Ri sind amci- ilem fc:inflasse palili-
sehen Nationalhasses Uebertrei ui in Umlsul' gefi/X wi^rden, wrld»
auch in deutschen wissenscbaiuiuien Werken Wiodi'rliall Emden; die
part^Ioee Wissenschaft gestattet indess nur ni »liiyu, ilaHH An Slaviü-
mus des russischen Volkes von Norden nach Sniku muimuit, in um-
gekehrter Riditung dag^en so wie in der nai li inkii ahuiiunil niulin
dem Grade die Mischung mit fremden BestainlUiiilcu iiiteniivcr wird;
doch hat in Rnsstend das SUrlsehe alles Fiiiudo des Kinnenthum.«
völlig Bberwnndea*) Nur der Nordwesten blieb vun der !Slii\i«mng
iVoli^
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Dm rviiltfli« Stevtathma. 87
L Aondiliesalich im Osten beschäftigt, besiedelten die Nowgoroder
Kflstenland des Baltischen Meeres nftmlich nidit, daher sich Schwe-
if Deutsdie und Dänen dort festsetzen und dasselbe dem westewxypäi-
eit Cultnrsysteme unterwerfen konnten. Anders wäre das baltische
id schon in frQhen Zeiten völlig slavisirt worden. li^Iit der Au»-
ftimg der russisch -slavischen Bevölkerung hielt die Ausbreitung des
mtalisdion Giristenthums gleichen Schritt, welches bekanntlich bei
i Rossen unter Wladimir schon 988 Eingang fond. In diesem Puncto
len die russischen Slaven selbst ihre westlichen Nachbarn in Litauen
I Preussen Qberfiagelt
Das Christcnthum, welches den Russen in seiner orientalischen
rm zukam, fitnd jedoch erst nach reiflicher Ueberlegung Annahma
I benachbarten muhammedanischen Wolga- Bulgaren waren bestrebt^
i Grofisfürsten Wladimir zum Islam zu Oberreden, als dieser noch
wmnkte, ob er diesen oder das Evangelium aimehmen solle. Dodi
' Bericht der Gesandten, die er zur Gewinnung näherer Kunde über
verschiedenen Arten von Religion hatte ausgehen lassen, lautete
den I$14m nicht gOnstig: „Wir sind, sagten sie, zu den Bulgaren
IVtgen und haben gesehen, wie sie in ihrem Tempel, das will sagen
ihrem Hopat sich verneigen, wie sie dastehen ohne Gurt, nach der
roeigung sich niedersetzen, rechts und links hinsehen wie Besessene,
rtigkeit ist bei ihnen nicht, sondern trauriges Wesen und hässUcher
roch. Ihre Religion ist nicht gut.^ In der schwierigen Alternative
Annahme der Religion, welche den Wein verbietet, oder der, welche
Vielweiberei untersagt, entschied sich der Russe fttr den Glauben,
Idier dem Weingenusse nicht feind ist >) Und sicherUch brachte
rin der Forst wieder nichts Anderes als die allgemeine Volksneigung
D Ausdrucke, wie sich dieselbe in ^lahlreichen Skazkas, den im Munde
i Volkes heute noch lebenden Märchen, beobachten lässt.*)
Wenn selljst vcm Sdiriftstellem keineswegs parteiloser Färbung
giuiUimt wird, es sei kein Zweifel, dass die Russen vor etwa acht-
idcft Jahren in der C!ultur hinter d(*n Deutschen nicht zurück-
nden, 'j so ist dor Cult urforscher nicht verlegen die Ursache aufeufinden,
Idie das Zurückbleil>en der russinchen Gesittung erklärt. Es ist eine
il irrige Parallele, wonach nuinche Knaben in der Schule ein ähn-
le« Schaaspiel bieten; anfongs, wo es sich lun die Elemente des
Miens handle, halten die fleissigon alle /.iemUch gleichen Schritt, erst
den IiöhtTen Stailien des UnteiTiclits, W(»nn die Ideen hen'orbrechen
Im, mache sich «Icr grosse rnterschied ihrer Begabung geltend.*)
t TerM'hiiHlene Begabung erklärt sicherlich Viehes und ist ausschlag-
leud in der C'ulturentwickluni;, allein die Parallele trifft desshalb
bt zo, w(*il heute wohl kein Ethnologe mehr daran zweifelt, dass die
^ten zu dt*n begabtesten unter den aris<^-hen Stämmen zählen. Die
'» BOtler, BomäMiach« Studien. R. 246-247.
•» Vgl. hierüber W. R. H. RaUton, Rmttian Folk-Taltt. London 1878 8* 0.22—8».
*l P»«raon, Am$ Rmtalanl» VgtyaHffgnktit. H. 45.
•; A. *. O.
88 £uTO|»a'B Korden und Ottan.
Ursache liegt demnach anderswo. Nicht einen Theil, sondern wohl die
gaiizc Schuld trägt ein Naturereignis», welches die Russen, nachdem m
kaum den gebildeten Völkern Europa's beigetreten, auf geraume Zeit
von deren Seite riss. Dieses Ereigniss war der Einfall der Mon-
golen und was demselben zunächst folgte. Man darf mit gutem Fug
diesen Yölkersturm ein Naturereigniss nennen, wie die Völkerwan-
derungen überhaupt, deren Ursache uns oft ein R&thsel sind. So wie
aber jedes Naturereigniss eine Umache hat, wenngleich wir de nicht
stets ermitteln, so dürfen wir auch für den furchtbaren Mongolen-Eiii-
bruch eine causa effinens voraussetzen. Im Jahre 1209 war ea,
dass Temudschin, genannt Tschingizchan, an der Spitze seiner Mongolen
in China einfiel und dieses weite Land im Fluge eroberte. Von hier
aus unterjochte er die Eoiche Mittelasiens und im Jahre 1224 wälzten
sich seine Horden nach Südrussland, das sie alsbald unter ihre Botr
mässigkeit brachten. YAii weiterer Versuch nach Westeuropa Torza-
dringen — schon hatten sie Polen, Schlesien, Ungarn und Mähren
übertluthet — fand vor den Mauern Wiener Neustadt's endlich sein
Ziel. Die Räuber machten Kehrt^ weniger vielleicht des tapfem Wider-
standes der Oesterreicher mid Böhmen halber als zurückgerufen in die
Heimat, wo ihre Gegenwart des Tod(»s des Gross-Chans wegen noth-
wendig war. In Russland alxT l)ehaupteten sie sich dritthalbhundert
Jahre. Die Sitten der Mongolen, welche sic^h nicht sdieuten das ileisdi
erschlagener und selbst auch nicht erschlagener Feinde zu essen, werden.
als ül>eraus roh geschildert und es lässt sich leicht ermessen, weldie
Wirkung, den unabänderlichen Gesetzen der Culturentwicklung zofiilge,
die Herrschaft dieser Rirl)aren auf das russische Volk ausüben mnsste.
Eine allgemeine Cultunenvildei-ung, ein gewaltsames Zurttdcdrftngen der
kaum entfiEilteten ('ulturansätze , die durch die Noth erzwungene Aus-
bildung mancher Eigenschaft, ^1e Knechtsinn, Kriecherei, Heuchelei,
Verschmitztheit, Bestechlichkeit u. s. w., welche einen späteren Auf-
schwung hintanhalten nuissten, waren die unausweichlichen Consequeuen.
Mandies Asiatische eigneten sich die Russen auch durch die Blotsver-
bindungen an, welche sie mit ihren Beherrschern und Nachbani ge»
sctilossen. Manche Mongolin hat als Hausirau in einem russischen PtdiiBt
gesessen und es gibt heute noch in Russland sehr vornehme Flamilien,
welche sich ihi'cr Herkunft aus einer Mongolenhorde rühmen, *) wenngleidi
die Masse des Volkes sicher nicht mongolisirt wurde. Zweifdk» bat
al)er die mongolische Herrschaft den Russen ihren Stempel aufgedrückt
und sie aus ihrem Joche auf einer sehr tiefen Culturstufe entlassen.
Die materielle und geistige Cultur war in Russland schwer geschädigt,
schwerer vielleicht noch als jene des Alteithums durch den Einbnidi
der (tennanen.
Sell)st der Herrschaft dieser Barbaren vei-dankt übrigens die Cnttar
d«.'s Abendlandes eine ihrer Blüthen. Ks ist nämlich zur vollsten Ueber-
Zeugung nachgewiesen, <lass die Hauptmasse der bei Indogermanen,
Arabern mid Türken verbreiteten Er/Jülilungen und Märchen aus Indien
«) riorson, A. a. O. 8. Ö7,
Dm nwtlMba 81»T«Bt]i«a. 89
mmt, wo der Buddhismus der eigentliche Trflger derselben ist. ^
n Indien drangen sie durdi Uebersetznng zu den Persem und Arabern.
tztere schufen ihnen durch ihre langjährige Herrschaft in Spanien
1 ihre >iel&chen BerOhrungen mit den Völkern Italiens und des
edlischen Reiches Eingang in den Süden Europa's, in dessen Literatur
die }*>zfthlungen und namentlich die heiteren Conceptionen, vor
lern durch Boccacdo*s Deramerone^ in Spanien durch Don Manuels
mde Lucanor einbürgerten.^) Auf nördlichem Wege hingegen
nen diese Erzeugnisse indischen Geistes durch mongolische Ver-
ittlung nach Europa. Die Mongolen, zum Buddhismus abcrge-
ten, hatten mit dem neuen Glauben und seinen Boten zugleich auch
ren Erzählungen und Märchen angenommen und verpflanzten dieselben
rch ihre zweibundertjährige Herrschaft und andere Berührungen im
l«i Europa*s zu den Slaven und Germanen, ja noch weiter, wie die
I wörtliche IJebereinstimmung eines alten französischen Fabliau mit
ler der Erzählungen des Sxddhi-Kür^) beweist.
Während nun Russland für seine I^c im Osten Europa's und in
r Nähe Asiens büsste, sollte gerade hierdurch zum grossen Theil der
und zur zukünftigen Slacht dieses Reiches gelegt werden. Auch hier
wahrbeitet sich wieder, dass die ethnologischen Gesetze den Cultur-
id vorzeichnen. In der Gegenwart finden die Russen ihren Weg
big und friedlich nach CTiina, und sind Herren in Centralasien, während
\ Engländer immer mit dem Kopf gegen die Mauer rannten und nie
er diese wegkonnten, ohne sie einzureissen. Es kann keine Streit-
^ sein: wer von den Beiden, Engländer oder Rassen das grössere
Üarvolk sei F^ben so sicher ist ab(?r, dass die hochcivilisirten Briten
nur schlecht verstehen, ihre asiatischen Untertlianen zu ihrer Cultur-
ife hinanzuziehen, während die Rassen mit ihrem weit geringeren
Jtnr^toffe \iel grössere Erfolge bei den asiatischen Völkerstämmen
delen, die sie sich in merkwürdiger Weise zu assimilu'en wissen. Sie
nnen sie natürlich niu- auf jene Stufe erheben, welche sie selbst be-
een, das (Jeringe al)er. was sie ihnen thatsächlich mittheilen, ist noch
mer mehr als das (irosse, was die Engländer nicht an den Mann zu
ngen verstehen. Unter der russisclien Aegide sind die Culturfort-
■Ttte der Asiaten zwar g(*ring und langsam, aber stetig, und ihrer
tQriii*h«*n Ik^gabiing und Racenanlage angepasst; der britischen Civili-
ion «tehen sie fn»m<l gegenüber und l>egreifen sie schlechterdings gar
*) B«Bf«T, FmMfchmntnmtra. Leiptlg, 1869. 8* 2 Bde.
•i A. ». O. 1. Bd. 8. 34 ff.
^ Berakard Jülg, Di« Mßrehgn d9» Siddhi kür. KalmOhithtr Teri mit d^ut-
wr r«ft#rfrrfiMV •nd timtm kalmükUektn Wörterbuckf. Leiptlg, 1866. Der 84ddk4kür,
tmm Wliebte Volkvbaeh der KHlmakennUppe im niehin andere«« el« eioe mongolieeke
irWitoag der eltea baddbidtifehea Reerni»lon der indldcben MärcbeaMmnliing, die
i y^m^n Tetdlmfattt$ehaU, d. i. fttnfündswen/ig Ertiblangen einee VeiAla ftthrt.
1 atirli Berabard JOlg, McnffoUttk« itärehen. Ertdhlmnp aiff der Smmmlumß Ard^ehi
^d^ehi. laaebmek 1867, die ein ▼oHkommeaee SeitentitUck au Gottfried *• too
»••barg TrUimn und Isolde enthalten.
90 Eoropft!» Norden und Osten.
nicht. ^) Mit vollem Eecfat bemerkt daher ein Ethnograph: der Beisatz
mongolischen Blutes, der in den rassischen Adern fliesst, ist hier der
Gehilfe, dem die Erfolge zuzuschreiben sind und so rächt sich die
ehemalige mongolische Unterjochung Russlands nach Jahrhunderten an
Asien, indem sich das mongolische Ei'btheil der Russen gegen die
Asiaten als nützlicher Bundesgenosse erweist.^) Dieselben Ursachen
also, ii^'elche Russland auf seinem ('ulturwege zurtlckgehalten, führen es
in der Gegenwart zu ungeahnter Grösse und helfen ihm die einstigen
Bedi'Ucker zu bändigen, aber auch zu ei'ziehen, d. h. das Licht d^
Civilisation zu verbreiten. Die Culturentfaltung gehorcht eben stets
den nämlichen Gesetzen.
Die Slaven In Sttdostonropa«
Die erste historisch beglaubigte pjiiwanderung slavischer Stämme
in Euro])a*s Süden fällt ziemlich spät. Zwar erscheinen schon frflh-
zeitig isolirtc Slavenluiufdi an den bastai^nischen Alpen (Karpathen),
allein das Reich der Gotheu, damuf das der Hunnen hinderten einst-
weilen weiteres Vordi'ingen. P>st nachdem die geschwächten Hunnen
wieder nach Osten zurückwichen, nahmen die Slaven ihre Wohnsitze
auf der ganzen Linie zwischen unterem Dnjepr und Donau ein und
umstanden etwa ein Jahrhundert lang die Karpathen auswärts von allen
Seiten. Wahi*srheinlich schon um Mitte des VI. Jahrhunderts lebten
Slaven im Savelande unter dem Schutze gepidischer Herrschaft, der
bald jene der Avaren, eines gleich den Hunnen uralaltalschen Volkes
folgte. Unter der avai'ischen HeiTschaft war es wohl, dass die Slaven
zwischen 508 und 592 n. Chr. Pa\inonien in seinem ganzen Um&Dge
zur Zeit der Römer, Noricum und alles Land v(m der Donau bis
Istrien (Tfüllton. Südlich von der Donau fanden 8la\ische Ansiedlungen
in den Gegendon Mösiens erst im VH. Jahrhunderte statt Im Jahre
(*)57 n. Clir. wurden sie steuerpflichtige Unterthanen des romäischen
Reiches, in welcher Lage sie die Bulgaren trafen, mit deren Auftreten
die ronmische Henschaft in Mösien ihr eigentliches Ende nahm.*)
*) Friedrich v. II eil w nid, Die Riigsen in Cefttmtasitn. Eiiu 8iudi9 Uk€r ü»
neueitie Geographie und Gesehiehte Centralaitien». Augsburg 1873. 8 8. 195.
*) Richard Andrea in seiner Bourthcilong m iner obgenannten Schrill, In 4m
Gremboten 18T3. IV. 8. 374.
*) Ich bin hierin meinem verstorbenen Freunde Rob. Rösler gefolgt. BUke
dessen Schrift: Uebcr de» Zeilpunet der slarisehen Anaiedlur^ an der umttrtm Dtmm.
\Vien 187.'J. 8 (.Tnnnorheft lS7:i der SittHngtheriehU- der phil. hiat. (1. d^r k, Äemd0mi$
der Wit»en$ehaften. LXXIII. Bd. 8. 77 ff.) Vun derselben nimmt aber merkwOrdig«?-
wei-e dft!« neue Werk von Conslantin vonJirecek: Ge§ehieht§ dtr Buipmrem, Prag
1M76 S« keine Notir.. Der sehr tüchtige junge Gelehrte folgt violmQhr dem balgariaehca
Forscher Drinov, (Sasselenie balkanskawo poluostrowa 81avjanami. Moakao, 1878. 8")
>vonacb die slavicchc Coloni^ation der Balkanhalbinsel im Laufe von drei JahrlraadarUa
gnnz allniähllg stattfand. Kio begann darnr.ch schon im 111. Jahrhundert, also Torder .
ViUkorwanJorung. Die 8Iaven lieooen sich suerst als Colonen unter den Thrako->IU]rr«rB,
Rumuncn und Griechen nieder, gewöhnten sich an das römische bUrgarllche Laben nad
^sben den Byzantinern nicht nur vorzügliche Feldherrn« eonderp^auch energisch« K«iMr.
Am Knde des V. .TahrhundorU begann die masscnhaA« ßinwanderunf mit bewaffneter
lland. .Uref i'k. A. a. O. 8. Ü4.
Di« BUtm in Stt^o*^^'^** 91
Da«0 die alten Bulgaren Abtheilungen der Hunnen waren,
tertiegt keinem Zweifel Ob nun diese und die Bulgaren ssum tilr-
{chen oder wie neuerlich behauptet wird zum samojedischen Stamme
hören, ist hie/ ohne Bedeutung; wichtig ist nur, dass die Bulgaren
dcfa den Hunnen, Avaren, Chazaren und Petschencgeu ein nicht
»ches Volk, bei ihrer Ankunft Mösien schon von arischen Slaven he-
tzt &nden. Das hier von den Bulgaren gegründete Reich l)estand
DUiach keineswegs aus bulgarischen Elementen aliein, sondern aus
ler beträchtlichen slavischen Bevölkerung, worunter die Bulgaren
litisch die Herren, die herrschende Classe bildeten. Was in sokben
iUen anderwärts einzutreten pflegt, geschah auch hier. Die slavische
igcnität vermischte sich mit den Bulgaren und assimilirte sich die-
(ben im I^aufe von zwei Jahrhunderten nicht hlos durch ihre nume-
tcbe, sondern auch durch ihre geistige Ueberlegenheit. Zu dieser
indimekung des herrschenden mit dem beherrsditen Volke reichte
i Zeitraum von etwa 250 Jahren aus. 8eit dem X. Jahrhunderte
Bg die Sprache der Bulgaren verloren, welche sich nur mehr des
arischen be<iientoiL Die Slaven nahmen dagegen den Kamen Bul-
ren an.*) Zwischen <len alten und den jetzigen Bulgaren besteht
10 kein VenKandtschaftsverhältniss. In der jetzigen bulgarischen
nebe, die ei|) slavisclies Idiom i^t, finden sich nur mehr wenige
almltaische Plicmente, aber sie finden sich doch. ^) Dieser bulgarische
ialect hat sich, wie kein analerer, im Laufe der Zeiten verändert, so
CS er von den sla\ii>chen Idiomen am weitesten al)steht und am
hwersten verstanden wird. Ganz dessgleichen gestattet der leibhche
fpus des iMmtigen bulgarischen Volkes einige Unterschiede gegen die
nadibarten slavischen Völkerschaften zu erkennen.
Wähn*nil auf solche Weise d(T östliche Theil der Hämusländer sich
ivisirte, nahm die serbisch-kroatische Kinwanderung vom W<»8ten der
übia>el Besitz; Serl>en und Kroaten sind iM'kanntlich Ein Volk mit
Iner Sprache, dermalen nur durch GkulK^askenntniss und Schrift ver-
hieden. Zeitlich schon also lK>gann der Procc»ss, welcher das romüis* he
rieh in ein slavisclies umwandelte. Seit dem Vil. und Vi 11. ^lahr-
uiderte waren die (Jebiete nördlic^h vom Balkan slavisch und wir dürfen
ffrin biclHTlich ein(> der Ursachen für den allinähligen Verfall und die
4itb<*he Schwache des uströmischen Heiclies erbUcken. Mcniite auch
afp" tias Waffenglück den Fürsten zu (\>nstantino]M'l hold s<*in und
F» f«'indlichen Sdiaan'U von den Beiclisj^n-nzen abwehn'u, endlich
•^f doi'h zmn sovielten Male in der (ieM'hichte die rohe Ki*aft üIht
f she Uultur. Die Unterjtwlninjr <ier Slav(»n wir eine Illusicui, kein
Pf im Kampfe uin*s Da-^^ein, d(*nii in I^Üde riss4>n aiv si<*li l(»s, eigene
tmXen gründend und später die Mauern UonstantinojK'ls selbst
«lrubf*n(L
Mit der I'jnwanderung der Kroato-Serben und der mösiwhen
aven iht die slavische Wandening nach etwa zweihundertjähriger
•t »<» «rklirt den Vorganff aneh Jlrejek A. *. O. H. 137— laS.
*> I>«M widerspricht inUe«« Jire2ek. A. a. O. H. 19tf.
92 Earopft*8 Morden und Osten.
Dauer znm Ahschluss gekommen; von den drei grossen Völkerwan-
derungen, der germanischen, slavischen, und türkisch-ugrischen, welche
unseren Erdtheil durch ein Jahrtausend in Schwingung ^ersetzten, verlief
die slavi.sche Wanderung am ruhigsten. Sie ist ein HinausstrOmen
überreichen Menschensegens in leergewordene Käume, ohne Auir^siuig,
olme Heldenthum, ohne Schwung tollkühner Kraft;*) die Wanderung
kittet die Schaaren nicht fester zusammen, sie schafft keine HeerkOuige,
keine Schwertreiche. Daher gibt es eine hunnische, eine osmanische
Eroberungssage, ein gennanisches Epos aus der Völkerwanderungszeit,
aber keine slavische Völkerwanderungssage; erst die spftteren Tage
ernsten Kampfes um Boden und Freiheit hal)en bei Bussen und Serben
das Heldenlied gezeitigt. *) Die Slavenmassen, die sich gegen Süden
wälzten, werden in der That als räuberische Horden geschildert, auf
tiefer Stufe der CHiltur; indess scheint daraus kein Schloss auf die Ent-
wicklung der nördlichen Slaven in Germanien zulässig. Es besteht
keine Nöthigung, sämmtliche Slavcnstflmme auf gleicher Entwicklungshöhe
zu denken, vielmehr ist das Gegentbeil weit wahrscheinlicher. Welch*
gewaltiger Unterschied bestand doch zwischen den viel nfther benach-
barten Franken und Sachsen, Beide Germanen. Sah es doch vor neun-
hundert Jalu'en im alten Sachseidande aus wie jetzt etwa im Westen
Nordamerica's. ^) Zudem besitzen wir eine triftige Erklärung für das
Zurückbleiben der SüiLslaven in dem beständigen Contacte mit den
rohen türkisch-ugrischen Stänmien, die sich vom Kaukasus bis nir
Donau das ganze südliche Bussland hindurch Jahrhunderte lang in der
Herrschaft ablösten und sie von den nördlichen Stammesbrüdern voll-
ständig treunten. Die cult urhistorischen Wirkungen des Contactes mit
fi'cmden ethnisclHMi Elementen ine<lrig'<ten Culturschlitfcs genügen, [xm
das Zurückbleiben der Südslaven zu begreifen.
Ungarn und die Avaren.*)
In Ungarn tritt der Mensch, soweit uns bis jetzt bekannt, znent
in der jüngeren Steinzeit auf, und diese hat hier schwerlich lange
goilauert. Wir sehen allenthalben sc^hon die feineren Fonnen und den
i'elK^rgang in die Bronzezeit. Der letzteren geht indessen in Ober-
ungani wahi-scheinlich noch eine Kupferzeit voran, denn insbesondere
*) Jlre5ek. A. a. O. 8. 94 nennt indem diese Anschauung alUa idylUtdi. !■
der Wirklichkeit, sagt er, warru die maven, als sie die OeAldo Thrakiene, MakcdonlCM,
Musieart und IllyriPiiA ho!«etcten, daAsolbe kri<-gcrii*che Volk, \«oIchefl da» ganse Miltol-
nltfr hindurch unaufhörlich die Byzantiner bekämpfte und in unacrcn Tagen den TQrkw
mehr aln einmal seinen Kriogsmuth fühlen licss.
») Rosler. A. a. O. 8. IW— 124.
*; Frc. V. Löhcr, Urosv.tha und ihrt Zeit. ( Wt9»tH9ekaftl, Vortrügt M JW—iw.
B 471. >
*) Nnch dorn lntrrp«-anten Vortrage von Frans Pulsky in der kgl. ungarUekM
Akadeiiiir am PeMh, mitgotbeilt im Pesther Llo^d vom 23. Juli 1874, auch abgidraskt
im ÄMhlaml 1»1\ No. 33 8. 648-653.
Ungarn und di« ATarta. 93
m Fofise der T4tra und um die Matra herum kommen viele Geräthe
US reiuem Kupfer ohne jede andere Metallbeimischung vor, grössten-
beils Bergmannshauen und andere Bergbauwerkzeuge, was kaum auf-
Ulen kann, denn wo man gediegenes Kupfer £ind, da verwendete man
jeses natOrlich früher als das schwerer schmelzbare Erz, welches mit
jMkren Metallen gemischt ist Die Bronzezeit hat übrigens in Ungarn
ben&o elegante Formen geschaffen wie in den skandinavischen Ländern,
I die hUenblattförmigen Schwerter Ungarns wetteifern an Schönheit
nit jenen, welche die griechischen Künstler den Uomerischen Helden
D (Ue Hand gaben und unterscheiden sich auch im Griff von den
iroDzezeitlicheu Schwertern im nachbarlichen Deutschland.
Wann die Bronzezeit in Ungarn angefiingcn, lässt sich durchaus
iicht bestimmen; ja es ist selbst nicht gewiss, wann sie zu £nde und
a die Eisenzeit überging. Die liistorische Zeit, beinahe überall mit
lern Anfimge des Eisenalters zusammentreffend, fällt hier in die Epoche
Im Augustus, wo Tiberius den pannonischen Fürsten Bat ho nach acht-
ihrigem Kriege besiegt, gefangen nach Rom führt und das Land jen-
eite der Donau zur römischen Provinz macht. Der An&ng der Eisenzeit
st indessen in Ungarn wahrscheinlich um 300 Jahre älter. Denn längs
ler Donau wurden häufig Silbormünzen ausgegraben, welche unzweifel-
lalt barbarische Nachahmungen der Tetradrachinen des Königs Philipp
ron Makedonien sind, denmach der Zeit dieses Königs angehören und
rom Coutact dieser Gegenden mit der griechischen Civilisation Zeugniss
iblegen. Wir wissen ferner, dass Alexanders des Grossen Reich sidi
ns an die Donau erstreckte. Der Handel hat gewiss die Inwohner
xiiler DiHiauufer zusammengebracht und die Civilisation in das Innere
les Landes getragen. So wurden auch in Neograd barbarische Silber-
Dünzen gefunden, deren Gewicht vom Gewichte des römischen Geldes
abweicht und dem des griechischen nahekommt, die demnach der Zeit
kor (kT römischen I'Iroberung angehörenT Das Geldprägen aber zeugt
fdr eine Stufe der Civilisation, welche der Eisenzeit nie vorangehen
iüuui und auf Bekanntschaft mit den Cultur Völkern hindeu et. Wür
lassen unemähnt, dass in Siebenbürgen eine grosse Menge Geldmünzen
küo König Lysimachus und silberner Tetradrachmen mit dem Gepräge
ler Insel Thasos ausgegraben wurden. Ik>ide Funde beweisen die
[iebhaftigkeit des llandc^ls und Verkehrs zwischen Griechenland und
Umnnu welche gewiss den Gebrauch eiserner Geräthe früher zur Folge
batte, aU <Ue Ik^kanntscliafi mit dem Weiihe dt^ Sill)ergeldes.
Der Herrschaft Roms in Pannonien machte die Völkerwanderung
fin Ende, wo dieH(*s zu jener grossen Heerstrasse wurde, auf welcher
üe Barlmren bald von Osten, bald von Nordwesten her das I^nd
iurchz<iisea, um ülicr die sü<ilichen Staaten h(?rzufallen. Die namliaftesten
uater «lie-^en Ikirliarenvölkern waren die (lothen, Ileruler, Gepiden,
Hannen, I^iigoliarden und Avaren. Sie lial>en sämmtlich auf ihren
WaiMlerunicen eine Zeitlang in Ungarn Rast gehalten, nWr Staaten
({rundeten hier nur Hunnen und Avaren. Nur sie sahen das Thal der
mittleren Donau als ihr Vaterland an. Die Hunnen haben zwar in der
Gesdiichte einen grösseren Namen hinterlassen, aber die Dauer ihrer
94 Earopft^t Korden tind Osten.
Herrschaft war kürzer als die der Avaren. Diese hatten wenigstens
(Intthall)hiindert Jahre lang Ungarn im Besitz rnid sind um so
interessanter, als sie von Karl dem Grossen zwar besiegt, aber keines-
wegs ausgerottet, noch ans dem I^ande venirängt worden sind. Die
Avaren können demnach, wenngleich als besiegtes und gebrocbeftes
Volk, Ungarn auch weiter bewohnt und sich mit den niu" zwei Genera-
tionen si)ilter ankommenden Heeren Arpads vereinigt haben, wiewohl
die Chroniken davon schweigen. Was immer indessen, schliesslich ihr
Schicksal gewesen sein mag, soviel ist sicher, dass ihre Herrschaft viel
Ijlnger wülirte, als die all jener Völker, welche seit den Bömem ihnen
auf diesem Rmlen vorangegangen waren. Wir werden daher nicht fehl-
geheii, wenn wir Miaupten, dass ein bedeutender Theil jener in Ungarn
gefundenen Denkmäler, welche als Zeugen der Völkerwanderung erkannt
werden, aus der Zeit der Avaren stammen. Versuchen wir es also an
dem Faden der aus der Avarenzeit übriggebliebenen wenigen DenkmAler
die ('ulturstufe dieser alten Bewohner Ungarns zu bestimmen. Die
grösste Merkwürdigkeit danmter sind zwei Steigbügel, welche mit
goldenen Ohrgeliängen gefunden wurden und demnach in das VT. oder
VII. Jahrhundert zu setzen sind. Die Griechen und die Römer kannten
den Steigbügel nii^ht. Dsr Stapes war ein Kreuzhok am Lanzenende,
auf w(^lches der Reiter auftrat, um sich leichter auf das Boss schwingen
zu können. Da aber ohne Steigbügel der Sturmlauf geschlossener
Heitercolonnen unmöglich ist, so war die Cavallerie in den classischen
Zeiten im Kampfe niemals ausschlaggebend. Steigbügel und Hufelsen
haben die alte Tactik und Knegführung verändert. Bis zur Erfindung
des Schiesspulvers entschied am öftesten die Reiterei das Schicksal der
Schlachten. Und dennoch ist es noch immer unbekannt, aus welcher
Zeit diese wichtige »findung datirt. Auf den Denkmälern und in den
Schriften der Römer finden wir keine Spur davon. Selbst auf den
Sassanidenrcliefs im alten Ktesiphon sehen wir keine Steigbügel Die
Steigbügel des St. Andreer Grabes sind bis jetzt die ältesten, die wir
kennen und zeigen, dass wir es mit einer Reiternation zu thun haben,
\m welcher das Boss seinem Herrn selbst in das Grab folgt, wie aoch
hc^i den alten Magyaren. Wenn die Avaren wirklich die ersten sind,
w(i]che d<»n Gebrauch des Steigbttg(»ls in Europa einführten, so erklärt
(lies nicht blos das Kriegsglück ihrer Reiterschaaren, welche das wohl-
lial>ende, dichtl>evölkerte , bürgen- und städtereiche Kaiserreich in
Srhreckcn setzten, sondern dann sind sie die gi'ossen Neuerer in der
Kri(^>führung geworden und mit ihnen beginnt das Mittelalter, in
welchem da^ (teschick der Schlachten, abweichend von der giiechischen
und römischen Tactik, durch die Reiterei entschieden wird. Dasselbe
ist wissentlich Ritterz(Mt und dauert so Iang(>, bis diis SchiesspnlTer und
insbesondere die Flinte, und }m dii^scr wi(»der der Schaft, der sie
handbar macht, erfunden wird, Steigbügel und Hufeisen leiten die
Ritt(Tzeit, Gewehrschaft und lUijonnet die Neuzeit ein.
Die Ritterzeit ist immer und überall eine Räubenceit. Der Vor-
theil, den der Reiter vor dem Fussgänger voraus hat und dem mir
(.ui'ch Gewehr und Bajonnet ein Ende gemacht wird, ward natflriicli
Dt« üüfftra und dl« Avaren. 95
Mch aofigebeutef nnd so wflrden, wenn die Greschichtsschreiber schwie-
ceOi schon die Gesetze der Logik uns lehren, dass die Avareu RAuber
gewesen. Dies beweisen auch die Goldschmueksachen in den Avaren-
QübcnL Und dit»6e bezeugen zugleich die Prachtliebe der Avaren,
irekiie nicht kargten, ihre Gewänder mit ihren Schätzen zu behängen,
lamit jedermann ihren Reichthum sehe. Dieser Luxus ist femer nicht
neiii barbarisch. In den Avarengräbem wurden bis jetzt jene massiven
icbweren Goldarmbänder nicht gefunden, welche in Ungarn bei mehreren
loderen Fanden vorkamen. Bei den avarischen Funden ist das Gold
und Silber nur oberflächlich, es ist mit Kupfer und Bronze ausgekleidet
Küch ihn' Prachtgefässe sind nicht aus lauterem Silber verfertigt, son-
ion aus dem sogenanntem Potin, mit dem Chinasilber der Jetztzeit
rergleicfabar, einem unedleren Metallgemisch, welches sich fQr Silber
UBICibC. Aü' dies deutet bereits auf Civih'sation, aber auf eine im
ITar&lle begriffene Civilisation, eine solche wie sie von dem im Verfall
begriilenen byzantinischen Kaiserreich entlehnt werden konnte. Aber
lach von diesem entlehnten die Avaren nur die dem Luxus dienenden
Kanstgewerbe. Ihre Cultur und ihr Staatsbewusstsein erhob sich nicht
10 hoch^ dass sie Geld geprägt hätten. Sie bedienten sich ausschhess-
ädi bjzantinisclien Geldes, während doch Barbaren Völker, die mehrere
Uirfaiuiderte vor ihnen längs der Donau in Ungarn wohnten, schon
Geld geprägt haben, wie Münzen der keltische Namen tragenden, ge-
unbekannten Könige Ajuntamarus, Biatio, Nonno bezeugen,
die MQnzen der makedonischen Könige nachahmten.
Bei den Avaren blühte denmach das Schmiede- und Goldschmied-,
das Riemer- und Schneidergewerbe. Doch all diese Gewerbe wurden
■idit durch Ge&ngene und Byzantiner getrieben. Die betreffemien
Arbeiten deuten nicht inmier auf byzantinische Muster und Motive,
trotidem, dass sich unter ihnen kein specieller Styl entwickelt hat.
lische Schmucksachen wurden zwar oft nachgealunt, aber in viel
Manier als die der Originale. Die schönsten Schmucksachen
sind jene, deren Styl bei einer anderen Barbarcunation entstand,
aa welchen in goldene oder silberne Fächer Granaten oder rothe Glas-
Mcke eingefügt sind.
Im Ganzen genonunen stand also die CiNÜisation der Avaren auf
fiDer nehr niedrigen uralaltalschen Stufe, was wieder ganz natürlich ist,
denn auch sie liaben sich mit den nachlKirlichen besiegten Nationen
■nd den zwischen ihnen wohnendiMi Untertliaiien aris^'her liaoe nicht
venniMiit. Die Krfohrung beweist aber, dass die uralaltalschen Völker
mk nxd einen hölieren Standpunct nur dann erhoben, wenn sie vor
dm Freniiien, namentlich vor den arischen l*^nflüssen sich nicht ab-
vhlieweü. Kein gcringiT Ruhm des späteren Mag}'arcnkönigs Stefan
B< die Viirausiiicht, mit der er diesc^s Princip erkannte un<l die Fin-
«aaderang der Italiener und Deutschen begünstigte. Das mag>'arische
Bliil wurde durch Adaotion und Einwanderung fortwährend aufgefrischt
m dem Grade, d an der ungarischen Nation ausser der Sprache und
der ladoleiu kaum ein uralaltalscher Charakterzug übriggeblieben iat
96 Etiropft^t Norden und Ofttan.
Die HeiTschaft der Agaren hat thatsächlich die Grenzen des on-
gariscben Tieflandes nicht überscliritten ; in die Nachbarländer pflegten
sie nur auf Raubfahrten zu kommen, ohne sich dort je festzusetzen; ^)
so drängten sie bis an die Donau und verheerten von da aus die an-
grenzenden Länder, besonders Ostrom, die Gebiete der Franken, Baiem
und Galizien. Wahi*scheinlich von anderen mächtigeren Stämmen a»-
siinilirt, verschwinden sie nach und nach spm-Ios aus der Geschichte.
Ein Theil der Avaren erol)erte 598 n. Chr. die dahuatinische Küste,
wurde alxT später von den südlichen Slaven unterjocht. Dies sind die
Morlakcn, welche lange Zeit hindurch ihre Sprache und Sitten bei-
behielten, später aber l)eide ganz euiblLssten. ^)
Den Avaren folgten die Chazaren, Petschenegen und Magyaren.
Die Chazaren, im VIIL Jahrhunderte mit den Muliainmedanem am
Kaukasus in erbitterten Kampf gerathen, erweiterten ihre Macht immer
mehr, so dass das Reich dieses nralaltaischen Volkes im IX. Jahrhunderte
vom Jaik bis zum Dnjepr und Bug, und vom südlichen Ende dos
Kaukasus bis zur mittleren Wolga und Oka sich erstreckte.') Die
Chazaren unterlagen ei*st dem Einbrüche der Mongolen, wobei sie ihre
Sprache mid Nationalität einbüssten. Noch im VIII. und IX. Jahrhnnderte
hatten sie aber die gleichfalls nralaltaischen Petschenegen zu be-
kämpfen, wovon ein Theil sich den chazarischen Siegern unterwarf und
im I^ande zurückblieb, ein anderer Theil den Don überschritt und sich
auf die damals den Chazaren tributpflichtigen Magyaren warf. Diese
Nomaden, ein ugiisches, also wieder m-alaltaisches Volk, wurden dordi
sie ü1)er die Moldau und Siebenbürgen nach Pannonien gedrängt, von
wo aus die Magyarenzüge die benachbarten Gebiete furchtbar verheerten.
Die Petschenegen nahmen das I^and zwischen Don und Donan, durch
den Dnjepr in eine östliche und westliche Ilälfte getheilt, ein, und
waren ebenfalls ein Schreck für ilu*e Nachbarn: Russen, Bulgaren und
Griechen. Nach Ende des XII. Jahrhunderts verschwinden die Petschen^en
aus der Geschichte und verlieren Sprache und Nationalität *) Gewiss wird
Niemand anstehen, in dem Erguss dieser barbarischen Horden über das
südöstliche Europa die Ursache der dort aufTällig wahrnehmbaren Cnltnr-
stookung zu erblicken. Sind doch die in Bälde abgewiesenen Strei&üge der
rngam auf die Entwicklung dos deutschen Südens nicht ganz einfiusslos
gebliel)en und die den Verwüstungen der Avaren preisgegebene Ost-
mark '*) tritt spät erst aus dem geschichtlichen Halbdunkel hervor.
<) Jirecek. A. a. O. 8- 87.
*) Friedrich Müller. Ällfff meine Ethnographie. S. 352.
*) K. F. Neuraann, Die Völker de$ tüdliehen Rualamdi M ihrer g4$chieiktU^^
KHtwieklung. Leipzig 1847. 8* B. 105.
*) Friedrich Müller. A. a. O. 8. 353—354.
*; Er«t neueren Forschungen i«t es gelungen , für den Zoitpuoct der UcbertrafUf
der O-^tmark an da^ Geschlecht der Babenberger da« Knde 975 oder Anraiif 916 tt
ermitteln. Die Babenberger etammen auch nicht von dem KagenborUhinten FraDkaabeklM
Adalbert, sondern von einem anderen in der Gegend voa Bamberg reieh bagflttrtMi •■!■
frünki^cbcn Geschlccbte ab.
Der Orient und der Islam.
Blick auf das Yorisl&mitisehe Yorderaslen.
Aadi in Asien hatte das Weltreich der Römer die Erbschaft der
NacfafiDlger Alexander d. Gr. angetreten und die meisten Landschaften
Torderasiens sich unterworfen. Unter Trajan, der des Reiches Grenzen
am weitesten gegen Osten hinausschob, erstreckte es sich, zwar nur
Torfibergehend, über einen Theil der Kaukasusländer mit Armenien,
Oanoene und das zum Partherreiche gehörige Mesopotamien, nie jedoch
aber Medien und die eränischen Hochflächen. Vielmehr zeugen die
■itiiiiler ^Qddichen, doch stetig wiederkehrenden Partherkriege von
heftigsten Widerstände. Unterstützt durch die Kaste der Magier,
licfatvoiler Sonnencult sich nie mit dem Götterdienste d^
Griecbai befreunden konnte, entwickelte sich bei den Parthem
cne eigenthümliche Cultur, theil weise vielleicht noch auf jener des
•hea Perserthumes fussend. jedenfedls aber stark genug, ihre Selbstän-
digkeit zu behaupten. Die grösstentheils von Gibbon i) genährte
AofiMsong, die Grenzen des römischen Weltreichs seien mit jenen der
(Mtliuig identisch gewesen, steht in entschiedenem Widerspruche mit
ioL Thatsichen. Stets gab es neben Rom eine zweite Macht, welche
%m in der Wirklichkeit poütisch und culturell gewissermassen das
Gtgmgewicht hielt Dies waren drei Jalirhunderte lang die Parther. ')
(ic^ dies die alten Schriftsteller in |>olitLscher Hinsicht alle gerne
n. 90 zeugen die wenigen erhaltenen Alterthümer, dass wir auch von
^ ('ahar der Parther im AUgemeinon nicht allzu gering denken
Men, ) wenngleich die schönen Künste die Höhe der altassyrischen
lidrt erreichten.
Die RoUe der Parther übernahmen nach dem Sturze der Arsakiden
Üe peroschen Sassanidea, welche eine Reaction gegen alles Ausländische
*w eine mögliclist vollständige Wiederherstellung des alt persischen
Wefiens, auch der Lehre Zarathiistra*s, mit Hülfe der Magier, des
') Otbboa. DtcUn^ mnd fall of th§ RatnaH Emptrf. 1. Bd. S. c*p.
^ Gror^* BAwIlnson. Th§ $iTth great oHtntal momireh^; or tk» Gscgntßhpf
mmd mmH^miii0§ of Farthta. London 1873. 8* B. VI.
^ Sla nssfylirllebM Oftmilde dt partbUchfn Cnltnr v«rftnschaulleh«n die CaplUl
XXII. «b4 XXllI. 4«ni «benerv^ihnUn Werke» von 0. Rawllnson.
V UellwAli, daurgMchlckM. 9 Aofl. 11. 7
i)R Der Orient und der InlAm.
niärlititicn ncic.lisjulcis, cinlfiti'irn. Offriibar bodfMitf^t difw» llraction nichts
als den Sieg der durcli dir vicllciclit unilalta'isch(>n Arnakidon zurUck-
<!(Mlräii<^t(>ii altiuttioTialcn Klciiicnto. Den liüiiKTii wurden die Sassanidcn
l)jild vhm so ^cfjilirlicli w'w dir PiirlluT. Zugleich wohrton sie d<*iii
Andnmjjjc der AralnT, Huniicii und Türken. Im VI. Jahrhunderte er-
reichtem ihn' yiiU'ht dio liöcliste AMsd«'himng vom Mittchneore bis zum
Indus, vom .laxartcs bis Arabien, Ai';jyi)t<'n und Lil»yen; die Kämpfe
gegen IJy/an/ sahen sie in Chaleedon Angesichts von CVmstantinopel,
und dcniiassen l)h)hte ihr Keich, dass (*s initer (-hosru Nuijcfairwan kein
zerstörtes Ihni chirin gal). Die kleinen Staaten in Albira in Inw| und
Yemen in Arabien hingen v(mi ihm ab. während der zwischen Syrien
und Arabien gelagerte Staat der (Ihassanidt^i Hyzanz unterthänig war.
Im (Men der Caspisee und im Norden des Sassanidonreichcs, breitete
sich über die Stejjpenchanate Chiwa, Bochrim, ('hokand, bis in die
ll<K'hge1)irge Kabulistans und der l*amir das Reich <ler Kphtaliten oder
weissen Hunnen (Ilejatileni ans,-; woran wieder im Norden das die
Stepi)en der Kirgisen, di(» (iegenih'n am Halschasch- imd IsMi-kul-See
im Alatau umfiingende Heich der Türken (Saken) grenzte.
In Hähie sollten sich indess die Augj'U der orientalischen Wdt
auf die grossentlit'ils uiientschhMert(^ Halbinsel Arabien lenken, deren
alte (leschichte hier nachzuhoh^n nunmehr zur Ptlicht wird
Aral)iens H(*wohner wanMi, gleichwie; die Ilcbriler und andere
St:hnm(; Vord(rra.siens, SemittMi. Die M(dir/ahl derselln^n bewohnte du
südlich von Palilsiina gel(>gen(* (iel>i(>t th's ]H;tr:lischen und auch deB
glüi^kiichen Arabien. Zweifelsohne haben die alten AmlMT ihr Öemiten-
thum w(>it reiiM'r erhalten als (li(^ llebrik'r, in diTen Adern entAchiedea
kein HMues Hlut mehr ilo.ss. ') Sduni di(^ Natur d<'S l^andes bringt es
mit sich, dass in Arabi(*n vmv. so dichte Hevülkerung kaum gedeihen
kann, als im syrischen Palitstina; di(> (>in wandernden Semiten vennodh
ten daher in Arabien di(^ etwas früher ang(^iedelten, sicherlidi wenig
zahlreichen llamilen leichter zu venlrängen, ohne sich mit ihnen n
> ermischen, (ian/ ohne jed(> Vermischung scheint freilich auch hier
dieser Process nicht \nv sich gegangen zu sein. J)ie alten Araber
in Vemen kamen ni<'bt nur durch di<* kostbaren NaturpnNlucte ihres
Landes, durcb (ioid, Kdelsteim* und Hauch werk, Kondern auch durch
den Transitohamh'l mit /innnt \on Cevlon, und KIfeniM'in und Eben»
linl/ aus Aetliiopii'ii frühe /.u beträ(^litlich(*m Wohlstände. In grauer
Vor/rit sind «lic. (iegcmlen de< >iullich(»n Arabiens, die nunmehr der
Schleier der Vergessenheit deckt, (hr Sitz einer merkwünligen Cultof
U'cwesen. Was aber (üirübcr vorliegt, l)eschräukt »ich auf wenfg
*> Sirlic i]i<>-.i>|lH> in S pr II iM> r- M r iik i> ' ?4 lliatoriiti'hfm Ifandatla* dt» MitttImHtrt
Mni/ iler »rurrr» /.lit. HUtt 77.
) I'o)H>r (liiMi> hniuli'lt linr trofTlirlii' Vlvi«>n do Ba i n t- M art i D, L«< A*!
hlitHcn dm hiHtnrifnn U>f7tiHtiH9. Vnri* IhlU. 8 .
') Audi Trof. Frirdr. Müller bi'trnchtet den Araber und nlebi das Htbrltf
ariiiäliPiii'1 u1 •K'ii Lii^put Ji-a Sttiitilca. ( Xutara-Ii*;itt, Lthnniloglt» 8« 195.
BUek lof Am TorUUmitlMht Vorderasien. 99
', ») So Wiiren scliDn zur Zeit des blühendem phönikischen Handels
ler Südküste Arabiens Aden, (.'aniia und Haran und in Yemen
unii Saba b<'rühratc Stapelplätze, so wie auf der Ostseite die
i Aradus und Tyrus (Ilahrein-Inseln) im jiersischen Meerbusen.
[Üe«eu Niederlagen wunlon die arabischen, indischen und ätbiopi-
Waaron durdi Midiauiter, Edoniiter und wahrscheinlich noch
andcTe arabische Heduinenstäniine in das vordere Asien auf
«len gebracht. \'oin südlichen Arabien ging die Karawanen-
p über die Felsenstadt Petra, die sich wegen ihrer Festigkeit
nein Sta|M'lorte vorzüglich schickte, und über Albus ])agus oder
I im I^nde Neds^lui, vom östlichen Arabien über die babylonische
ie (iemi. Zahlreiche Inschriften *) in himyaritischer, richtiger
«Aer Sprache, dem ältesten bis jetzt bekannt gewordenen Idiome
»8, iM^lehR'u uns unzweifelhaft, dass fast der ganze westliche
von YenM'U im Alt(»rthume eine viel unbedeutendere Rolle
h hat, als der östliche. Dort, und nicht am Rot heu Meere, lag
i'iego der sabäischen Cultur. Die Sabäer, nftmUch die Bewohner
'eiiK*n und Neclschran, waren civilisirte, ja für ihre Zeit hoch-
rte Völker, und ihre HeiTS(!haft dauerte ziemlich unangefochten
wa in's I. Jahrhundert v. Chr., als die Römer den unglücklichen
lg unter At»lius (ialius (24 v. Chr.) nach Arabien gelangten. Sic
m !>is Radnuin und erob(»rten wahrscheinlich nelwt \ielen anderen
•n auch die Hauptstadt d(T Sabäer, die sie wiederholt in offener
iilarht s<-hlui;en; während aber dergestalt die Römer das Ansehen
ibiisi^heii Dynastie untergruben, wurden sie, vielleicht unter Bei-
der südardbis<hen Himyariteu, von jenen Stämmen zurüdc-
fea» welche die Araber unter dem >\imen der Madghij zusanunen-
\ Die wirhtig^te auf die vori»Umiti«chen Araber bezUglicheo, mir b«kaiuit«a
tm fiDt: L. Krebl, Vtbtr die Rtligiom dtr voHtlamititchen Armh^r, LeipstglSWw
fred T. Krrmor, l'rber die iüdarabitche Sage. Lei|Mtig 186A. 8' Vietof
>•>»•, S'Mmtäm'Mt.fftte deg Ambe» avattt VMtiminmt. Pari« 1^59. Endlich in neuester
\ Hpr^npr^r, iHe alte Ueogrnphie Arabien», als Grundlage der EntieiekluMg»'
^te rf#fl Semititmu«. IJrrn IST.'i. »• Verge'«i»cn wir nicht, dirier karten Litte
umtn 6en franxj*i<'4-hpn .\rchAoIog«Mi Fretnel hinzur.ufügcn, der nebtt einigen
An*ir-fatrn d'»ch vi««!»«^ Trffni 'he im Journal a^iatique vprofTentlicht hat.
*) !>.# brruhmtr In^hrifl \on Nmib ol ilnd^chr wurde Mhon 18<'15 von Well-«tedt
\*T.* \"n e\ Ohn«* von Adolf v. Wrrdo im .Tuli 18l<'i; en i^t dies daA einzige
^almal. A'if d<'ni wir dm Numi-n Ilndlirnmaut in unzwoiTclbafter Form lesen. Die
qat*r uolrh^r drr Namo auf di '<««'m älto<>trn Dnnkmal er^choint, widerlef^i nach
an« AQ*iilit. tränzlich dir ara>>l*cho KtNmolngle, wciclie dat Wort als liadhar
, da« Kr,«*t Wohu'ing d»»"« T.»d<»* deutet, wie d**r so j«ng veri«torbcne berühmte
itU«: Krnit I » « i a n d e r divitlirh dargrtbati hat. Capitän liurton hingegen Ist
tttian ubrr da< Wort Il.idhriiiiinut nicht oinverHtanden und erinnert daran, data
>• Gi'n*»-!- «X, *-?»'" al4 Iluzarmurtth, vom Sohne .loktan«, vorkomme; die« i«ei der
'he 5arr«- f'.r da* j:»iii/r (i*»l.ii»t gcwe«en. (Vroeeed. R. geogrnph. 8oe. London.
VI. N/ II ^. \'ll.) Weit»'re archäolojji-n'he und epigrophi'*rhe Forschungen
ihre, t^r FtfiMco^e A rna ud; n.it d««n ni'ue-«ten Kntdockungrn IIa! # vy' t vermögen
I i&dv'ffon nicht r.u metAeu. Vgl. : />« quelques noms propren g^otfraphlques qui »e
rwm 4mm» U§ fiueriptiont »ah*'enme$ par Jos. HaWvy. ( Bmtl. d« la 8oc. d« p«'««
t ie l'ar'S. Ib»^ fe.rirr. h Ibl — l^i )
100 Dm OiUM *«I i* Ute.
ÜBuen. Die Herrschaft im Temest ging ftber ah die mftcMgen ud
zahlreidiflii Himyaiiten Ober, und Beä Jener Zeit vdlsog ridi ciB be-
deutender Uinsdiwang in den Boaten des iml^sdien Hiaddsverkdnai;
denn der Weihnrach tmd die 'WohlgerDche, der HanptnidiUim im
Landet, werden von nun an aach auf dem Seewege und aidt wfe
als Monopol ansgeflihrt
Die Bew(diner des Bftdlichen Andneiu, die Hirnyariten, rind ym
den im Norden wohnenden Arabern sprachlidi geacÜedea; ilv Uhai
ist eine eigene Sprache und kein Dialect des Arabitcben; ^) ein XM
dieser Himyaritaa zog schon mehrere Jahrhunderte vor Bb^db oaenr
Zeitredmimg ttber das Meer und grOndete in Al)<'^-[iii<'ii, <if-m I-unde
oberhalb Aegyptens tud Nnbiens, eine Colooie, >) ilmn ^>li>.- 8)ir3chi-,
das sogenannte Aethiopische, die n&äute Verwandit ik» lUmviu-iÜBcbeD
ist Gegenw&rtig ist sie aus dem tfigüchen Geliraucbe verschwundw
ttnd gilt nur mehr al£ beilige Kirchenapradie. £twa 150 Jnlire v. da.
drang das Jndentham nach Yemen niid schwang Hieb aiiT deu Thron;
noch viel froher aber, schon zu Salomo's Zeiten, gplaiigte der Cnltu^
mHnaa von Jemsalan bis in die ab «inischen lloDlilaiide. Hoch de
Tradition waren nftmlich die Abessini r seit langi' in Verkehr mit dei
ihnen stammverwandten Joden und es scheint, iIlss ein großer The^
des IteddMs einst die mosaische Religion angeuoiuiicn batte, von ia
noch manche Sporen selbst in der jetzigen ditistlicbfn Landetdiinfae
verblieben rind. "] So wdt dch die nnr von fidik-m Schimmer bde«i>
teten CnltorverhOltnisse Jener Undw im Altertfaoniti bcurtheilen laa
wanderten mit den ans Atahien herObei^[ek<Rwneiu>n SaliAem nucb
Sagen ihres Vaterlandes nach Aethiopien dn, und seither fit dl
*) Du HIafarllliclia nsd du dkialt b«Iu TarmsdU Otntn
taaalaWBaii Unpraiig In «ID« *Ma«nltlHliaB Unpradu, wih
Dat StaniBbaBB dar arablMh-llUaptidian BpnekaBgraf f« , »It
•ntwarha kal. tat folfasdar:
Sla Arlba
Shkrir Aublrluh
Bleba («mar: Prof. Frladr.
SArift. Win ISSS. f.
1 iRig M wobl PalfraTa'i H*linui(, «alalii ■ns^kobrl i[t aioYarllM <
AbaHlolen «tanman UMt unil aneli aoul hiBiafflitt UwUm, Ih- Ar.'bt af (iboA
Tmtm , »tnü-rmirten, a It ti^klg frt^aHr, t/ J/Htm» »ngi-. (P>l|>aT«. KmHl
tf a ^tar', Jturtug Iramgli HKtral mmd Mltm ArmUa. lj>aia»imi. S II. Hd a.SW-I
■)Th. *. BaasliD. JMTC m*)) AUnliUit, im (Ma-M>.< m, Ott-»M''
OaKMi. Jas* IBM. i> 8. ttS.
L.
e 8cene der Begebenheiten, welche die späteren arabisdien
tsschreiher von dem früheren Arabien erzählen. So lassen die
er die Königin von Saba, welche Salamo besucht haben soll
1 T. Chr.) aus Aetbiopien nach Jerusalem reisen und leiten Ton
osanunenkunft selbst den Stamm ihrer Könige, den sogenannten
ischen Regentenstamm ab, der bis auf die neuesten Zeiten —
ire seiner Verdrängung, 960 — 1300 n. Chr., abgerechnet —
gdierrscht hat ^) Dessgleichen wird auf die Königin von Saba
sehe Religion zurückgeführt, die heute noch die älteste im Lande
welcher die Falascha Felosa) angehören. *)
nge ehe es in Deutschland Eingang fand, verpflanzte sich auch
istenthum nach Abessinien, unter den Königen Abreha und
L J. 330 n. Chr., und breitete sich dort desto leichter aus,
I das königliche Haus ihm beitrat. Nur der eben erwähnte Stamm
k mit seinen Regenten blieb dem jüdischen Glauben treu. Auch
«Bcfaem Boden gab es zu Cheibar, Fadak und Yathrib (Aethnbnm)
Ansiedlungen und im VIL Jahrhunderte waren alle Culturdistricte
dwestlichen Arabien jüdisch; auch unter den Culturstämmen im
wie im Centrum Arabiens, bei den Himyariten wie bei den
en — den grössten Theil des eigentlichen Centralarabien, ÜASt
in wie in neuerer Zeit der Wahabitcnstaat, nahm das Reich der
und Maadd ein — machte das Judenthum Fortschritte und
war auf gutem Wege von einem P^ndc bis zum andern judaisirt
Icn, •; als sich das Christenthum verbreitete. Der Uebertritt des
eben Königs Du-Nowas, aus der himjaritischen (homeritischen)
; (485 n. Chr.) zum Judenthimie veranlasste jedoch heftige Ver-
*n der Christen, die in ihrer Bedrängniss einen Fürsten Daus
byzantinischen Hof um Hilfe entsandten. Kaiser Justin L empfiihl
lern chnstlichen Könige von Al>essinien, was die Kreuzzüge der
ier nach Yemen Ende des Y. Jahrhunderts und um 530 den
ler himyaritischon Dynastie sowie die Eroberung Yemens zur
atte. Die Aethioinerherrscbaft, unter welcher das Christenthum
and gewann, zu^^leich aber die noch unl)ekannten Pocken und
cing«»schlei)pt wurden, dauerte bis 576, wo ihr der Perserkönig
Nuschin^an ein Ende machte. *)
ie man sieht, war Arabien hn V. imd W. Jahrhunderte vielfech
n-, neben Heiden wohnten Juden und Christen, die beiden
1 zu dem in mehrere Secten getheilt, während Stammes- und
izwiste die Heiden einander abgeneigt machten. Mekka, das
i, Pougeols, L'Ah0M§imt0, »om hUMrt maturtU^, poHtiqm* •» r4UgUH9§ d^pmU
Ua pim» rnttcUtu Jnpqm'ä la eh^tt d» Thiodort. Pari^ 186S. 8 .
il^k« äb«r die«eib«n: Martin Fl ad, Kmrt§ ^ehüdtmttg d§r bt§kgr fmti um-
mk^9*tmiBek0m Jmdtm f FaioBehaitj. Ba<«el 1869. 8*', dann: U. A. 8 t trn, Wmnd9Hn§t
f Tmim^m'» •/ Ab^»timia. London 1883. 8*.
bm9lm»4 IS64 No. S8. 8 775.
•ick« hierüber die wichtige Abbandlong von Dr. Otto Blan, ÄrmUtm 4m
^mmd^rt. Eint 9thmographi$eht 8ki99e. (ZeUtehHft dtr i4mt»ch€n mwr§0tU§m4.
lA Bd. XXUL 4. Uaft. 8. ft59-59S) mit 1 Kart«.
102 Der OrfMi «nA der Ulla.
nralte, tmd Medhia seine RiTalin waren zwar frei, dodi begann in'Asr
ersten Hftlfte des Y. Jahrfannderts das Haus Koreisch im HedBGbAi rieh
dadurch zu heben, dass der Koreischite Koss seiner Familie die Auf-
sicht tlber den Tempel zu Mekka nebst der bttrgeriichen Begienmg der
Stadt erwarb. Dazu trat noch die Herrsdialt einer fremden Baoe im
Süden. Nur wenn man sich diese Stftmmevertheilung in Arabien tot
Muhammed terg^enwärtigt, begreift sich, wie es kam, dass der Ullm
einerseits durch so mannig&che fremde Einflüsse vorbereitet wir und
andererseits nüt so plötziichem und beispieDosem Erfbige National-
sache eines bis dahin zerrissenen und zersj^tterten YoikeB ward&
Wie unter den Juden in Palästina dem Christenthume, so gingen andi
in Arabien dem Islam vollkommen natflrliche Drsadieit Tom%
die sein Erscheinen als eine historischq Nothwendigkeit er-
klären. ,}Die Resultate meiner Forschungen^ sagt ein Gelehrter
Banges, ') ,4^ben die Ueberzeugung, dass der IslAm nicht
Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem WBlen
Mannes, sondern aus den Bedürfnissen der Zeit eataptwaiffm
sei, bestätigt.^ Vor Allem war es der Bacenkampf in Yenen, im
ethnologische Moment, welches der Annahme und Yerbrcitong der naHHä
Beligion wesentlich Yorschub leistete. Die Periode der ftthtopARMi
Herrsdiaft, sagt ein gewiegter Kenner,^) musste die reUgiOee JbUrfti
Arabien hauptsächlich beschleunigen, nicht weO sie ein EBmft dik
judaisirten Heidenthums gegen das Cfaristenthum gewesen wftrei
weil, wie es auch die arabischen Historiker so charakteristisdi
treten lassen, die weisse Race sich gegen das Gefühl Tn
der schwarzen beherrscht zu werden schliesslich aqjiMa
und dadurch um so emp&iglicher für die neue, auf arabiflohm Boifli
geborene Beligion werden musste.
Die Entstehungsgeschichte des IsIäm, weil unseren Zeüan attir
gerückt und desshalb genauer bekannt, wirft ein gewtaee lioMÜf
die Geschichte aller Beligionen überhaupt. Muhammed selbst ist
durchaus historische Persönlichkeit; Zweifel wie bei OuistOi
über ihn nicht existiren, sind auch manche seiner HandliiBfBlt iddl
historisch verbürgt. ') Er trat auf zur Zeit, als er nothwencHg BBWtf*
den. Bemerken wir noch, dass auch der Islam seinen UrtpEvm:<li
Yorderasien hatte. Wie vier gewaltige Wellenschläge der ie^|iflnt
Ideen sind von dorther der Mosaismus, der Parsismus, das QiriMI4*P
und der Islam ausgegangen und haben, den tie&ten Gnad neoidUMM
*) A. Sprenger, Da« LebtH uttd äit Lthrg d€§ Mohammad mmdk hit/ttr
thgiU uMb^miM^H QimUsh. Berlin 1868—69. Vorwort 8. 10.
. *) O. BUn. A. ft. O.
*) Ueber «Im Leben Miüiftmmtd*B eiehe: A. Sprenger, Da§ Iiiif» iMi 0$4
df Mohammad, — OustaT Weil. Mohamod dor Froftt, oHm l§%tm iMi
aut hand9ehrifüich9n QuelUn und aua dem Koran gt9eh9ftft wtd
1843. — > AbelKAsumat, Mahomet et U Mahometitmo CSavma d$» dtoMV
Tome LIX), ferner die Werke von Nöldelce und Hnir, «liUdl B. ttttiWVfflk
Smith, Mohamated and Mohammedaniem. Leeture§ doHrertd ^f ika ML ImtÜttttMi ^
Februartf and Mareh 1874. London 1874. 8*. -•%■!•
Unprttoge d«t iBlim. 103
*iikfii8 und Fühlens aufwühlend, ihren weltgeschichtlichen Verlauf
Douimen, nnd zwar nierkwünligerweise in gewissen, den Schein einer
!gelniä8sigkeit zeigenden Zeiträumen: Moses um 15<K) v. Chr., Zara-
astra um 6<M) v. Clir., Muhaimned um (>00 n. Chr. ») Den jüngsten
»er Wellenschläge, den L^läm, in seinem Entstehen zu beobachten,
»9 die Aufgabe der nächsten Zeilen.
Ursprung des IslAin.
Im Norden der Sabäer lag das Reich der Kinditen oiler Minäer,
t den wichtigen Plätzen Mekka und Mina. Ein Volk waren die
iBÄer nicht, sondern eine Confbderation verschiedener Stämme, an
ren Spitze ein miht arisch organisirter Stamm stand, wie es deren in
"atnen immer gegeben hat und noch gibt. Der dynastische Stamm
r minäij<chen Confikieration waren nun die Kinditen oder deren Vor-
nger. liis ungefUhr 570 n. ('hr. war die Hauptstadt der Kinda in
idscfad und hatte eine so grosse Bedeutung, dass die Byzantiner mit
len in diploinatis<rhem Verkehre standen; die kinditischen Herrscher
tten den Titel Könige der Maadd und Rabva, und besassen in ver-
liedenen weit von einander entfernten Theilen Arabiens Nebenlinien,
j Qlierall ülx'r die benachl)arten Stämme herrschten.
Im (legensatze zu den Sabäern waren Kinditen imd Minäer Nomaden
d scheinen sich darauf sogar etwas eingebildet zu hal)en, daher auch
r Gegensatz zwischen l»eiden in dem religiösen Cult Der Mittelpmiirt
i »abäi»<'hen Sonnendienstes ist für alle Araber K y a m gewesen, der
•mpel eines Kahin, (iötzenpriesters und einer Stätte, wo Opfer dar-
imu^it und wohin gewallfahrtet wurde. Die Minäer hatten el>en so
4 Ursaclie die Religion zu jitiegen, als ihre Rivalen, die Sabäer, ver-
hteten alnT ihn' gottesdienstlichen Feierlichkeiten unter freiem Himmel,
^ishaib wfder in Mekka noch in «lessen Umgebung ein alter Tempel
tiuden, denn die Kaaba war ein elender Steinhaufen, Daü von
1«! zur Sich<*ning d<»s Verkehrs, namentlich des Weilirauchliandels,
Mrfs«*»tzte Frtthlingsfest wird in anderer Form bis auf den heutigen
\fi gi'f-iort: es ist das moslinrsi'.he Pilgerffst. Die wt;sentüch r(»ligiöse
mdlung, «las Schlachten der Opferthiere, wurde in Minä, einem Orte in
r Nähe von Mf*kka gefeiert und stand unter dem Schutze der Minäer.
B die BiMiuinen. auf deren Zähmung es abgesehen war, herbeizuziehen,
rdi-n dir fn'uidcn TheilncInn^T während des Fesles v«>n den Mekkanern
irirtbi't. und «»s bestanden zwei erbliche Aemter hi Mekka, deren
baliT'r dafür zu sorgon hatten, sie mit Speis<^ und Trank zu versehen.
war auch «lafur gesorgt, das Fe<t recht i»i(|uant zu macheu: bei
N*r r^Teniouie in Mekka ersi;hi«'nen die Frauen im Costüm der
ilt*T y.\d olnu* Feigenblatt, und nackt mussten «lie Pilger den sieben-
iHfCf-n Cmzug um die KaalHi vollenden. Nach dem gemeiiLsamen Feste
•> Alfr*"«! ▼. Kremer, Cmlttirpe$ehichthcht Stre'/tBffe auf dem Gthirt« dti hidm.
ipsiC 1«T3. 0* B. IV.
104 S« OilMt Ol dw Idtat.
besucht« jede Genosseiudiaft ihre TntdargOtmi; igt weseoUidK ThtH
des MinarFeBtes aber bestand in der Unvoletilidikeit von iler Man^tw
im Jiüir^, wahrend «elcher Religion und Ehre geboten, die Vdta
niedenolegen und allgemeinen Landfrieden zu halten. >) 80 Mba «fa*
ein inniges BOndiüss zwischen Behgion nnd HandelainteTeaMD n R^Mh
Gcitigem Nutz und Frommen, wie es auch bei chriBtlidMD WaUUitMi
statlfindeL Ab die WeihraucbEtrasse verOdet war, zogen die HinlBr
räch ganz nnd gar nach dem Nedschd zurflck and fiberilesaen das
höchst nnbedeut^nden Handel den zwei Stttdten Mekk» nnd Taji(
welche ddi nnsbb&ngig vom kinditischen Einflüsse machlca; nnd tob
nun an besorgten die MeUmner das Mna-Feat
Da Mekka unter dem Einflaase ^riadier Christen Btand, eAUttim
Fest dne jOdisch-christliche F&rbnng. Unmittelbar vor dna Ufei
wurde es zn Ehren AUah's, für veldien nirgends eine BUdaMe «te
Tempel errichtet war, b^angen, er war die gemeinsame OotOil^
welche durch den IsIAm anch zor einzigen wurde. Ob man ackonilk
der minftisdien Periode dieselben Begriffe von Allah hatte, oder, «■■
die Bcnennong sdios tlblich war, die Sonne oder den Hrad teHto
verstand, wissöt wir nicht.*) Gewiss ist nur, dass dn liciu .\vt\ta nmi
die Kaaba zn Uekka als CultusstUten von unberecheu)>ai oiu AKur mA.
Die islamitische Sage knüpft an diese Orte die Eriiminin^ jui Adns
und Eva, dereinst verehrte Gatter, später aber hintef dorn vnii Babyton
weitverbreiteten und sogar zum Glauben an änen t-inn^cii Gott sidi
verklArenden Eronos' oder Satnmdienst immer melii- xurackgetrelcn,
verkQrxt und herabgesetzt, indem man sie dem mensililicli^ii Matuee za
nahem suchte. Auf Gottes Geheisa legte Adam mii niUfi< der Engel
die Gnmdfesten eines Tempels, der alten Kaaba, <lt'ii <lif l-1utb ilo
Nuh (Noah) wieder seiBlArte. Da kam Al»aham und iiiii-htot«? ihn rcoi
Neuem. Hit dem Namen Abraham's wird von den ^I»J*lilIl^ cini- Reb-
gion bezeichnet, deren wesentlichstes Merkmal der Gluiil>u iin <liB Ho-
heit Gottes ist Wie lebensfthig nun anch seine liuii-Iiielitc ia äet
biblischen Darstellnng vor uns steht, Abraham ist dixli nur ik-r tmso
bildete Rest ^es in die vermeinte PatriarchengeaLliidiio eJn^tcfilgleii
Saturn. Ueber den ganzen Boden der set^tiacbn Well «Im-t «tt-
breiten äch die CultstlUten des Gottes Abraham (Al'-ram, Vater der
Hohe). Als Gott verehrten ihn die heidnischen Idumiii^r im Nord«
von Hebron unter seiner oralt heiligen Terebiithe; m Damaskiu, m
Abraham als UrkCnig und Stadtgrander gilt, hatte et' in Ki)air«Wni!«lia
Kaiserzeit einen Altar und heute noch lagst Maqjed Iliiiihim. irino hoch-
verehrte WallbhrtastlUte nördlich von der Stadt auf diu alii'ii Aht»-
bamscnlt sdiliesaen. Zu Har&n im nördlichen MesO]>iit{irii{('ii vf^rülirteo
lUe heidnischen Sabier den Gott Ähu-Hom nnd die Güitin Snrak.
aus deren Leib die Götter hervoi^egangen. Auch dit- Alii'^iliuiasiiMMch«-
zu Or& dürfte an der Stelle eines Ab ihamstcmpels ^iiix-ii: Or& aber
gilt von Alters her für das Ur-Kasdim, von wo Abiuluun nti*m£
•)apTan|*r, ^U< Gnvrqpkf* Jratffw. B. Sil— IH.
ünfHbif« te UUa. 106
Qes spricht dem i daf^, dass in der heiligen Kaaba zu Mekka der
ktnmdienst gefeiert wurde. Die Farbe dieses Gottes in babylonischer
mbolik war schwarz und ist es geblieben zu Har&n, wo die Sabier,
ese weit in muhammedanische Zeit herabreichenden Erben chald&ischen
eidenthums, einen schwarzen Saturntempel hatten, mit schwarzen
)rfaAngen und einem Götzenbild von schwarzem Stein. Ein solches
^fiind sich auch in der Kaaba.
Die Religion Abraham*s ist es, die auch Muhammed wiederher-
dlen wollte, d. h. jenen Satumdienst, der durch Beseitigung und
Bterdrttckung der ICebengötter sich aUmählig zum Eingottessystem
Tklirt hat. Wir wissen, dass dies nicht erst bei den Hebrftem, son-
m bereits in Chaldfia stattgefunden hatte. Die eben erwähnten Sabier
führten einen höchsten Gott Schevioel^ Samael) und gehörten nur
•ofeme der Vielgötterei an, als sie diesen Gott für zu gross und er-
iben hielten, mn sich unmittelbar mit der I^itung der Welt zu be-
nen; diese tibergab er den Untergöttem, an welche vermittelnde
BBtalten der Mensch sein Gebet und Opfer zu richten habe. Diese
«r wohnen in den Planeten und da man auch die Phuieten nicht
iBier sieht, braucht der Betende fttr seinen täglichen Bedarf Bilder
nelben, Götzenbilder. Dies auch der Standpunct der Araber zu
«bamme^rs Zeit Gleich wolü konnte nicht fehlen, dass diese Helfer
id Vermittler dem ungebildeten Volke, Yi\Q auch anderwärts (z. B. im
nriitenthume Mana und die Heiligen) wichtiger wunlen als die Ur-
ittlieit Schon da^is Saturn der gemeinsame Gott aller Araber war,
idit es begreitiich, wenn die einzelnen Stämme ihren Stammesgott^
jlen und Schutzheiligen grössere Innigkeit der Andacht entgegen-
iditen. Ya ist Muhammed's Werk den Cultus des höchsten Gottes
den täglichen Be<larf, und zwar mit Ausschluss und lüuguung aller
riflcbenstufen wieder eingeführt zu haben.
Von grösster Iknicutung dalK»i ist der Vorgang jener vom Cliristen-
one onberflhrten Sabier, die grösstentheils ihr (leliet nach der Kaaba
Mekka richteten, also sicher auch die gleichfalls uralte Wallfiahrt
rthin mitmachten. Viele Sabier hatten indess bereits auf die ver-
itteinden Götter verzichtet, und rühmt man sogar die Gründlichkeit
r aabischen Ik»weise fUr die Einheit Gottes. Andererseits hatte das
Bkfftintniffi der abrahamischen Sabier weit über Harun hinaus Anhänger
fromien. Den Mulmmmed sellwt nannte man zu Mekka einen Sabier.
b Inhalt ihrer Gesetzesrollen werden Sätze angegeben, die auch Lehr-
tse Mahanune<ls gebliel)en sind. Wenn dazu die Nachricht kommt,
M die Sabier bereits die lUichten des Fastens, Betens und Almosen-
teas kannten und übten; dass ihnen täglich dreimal ein Gebet mit
Eftipygungen und Nie<lerwerfungen vorgeschrieben und keines zulässig,
mtr im Stande der Keinheit; dass auch ihre Reinigungsgesetze und
jri^verljiite mit den muhamme<ianischen stimmen; dass sie einen
in/*"n Fa^tf iimonat einhielten mit zweitägiger Festf«'ier am Schluss,
dann %f'niiin<iern sich allrniings mehr und melu* die Eigenthümlich-
106 Der Orient und der IsUm.
keitcn von Miibammed's Refonn. ^) Indess dürfen wir unter diesem
Monotlieisinns der Aral>or, den man auch auf d(»n Mosaismus des da-
maligen Arabien zurückzuführen versucht, uns nichts einbilden, als
einen ziemlich lockern Glauben an die Kinheit Gottes; daran knü]»ften
sich auss(T den jüdischen auch clnnstliche und heidnische ('<?remonien,
Theori(Mi und Philosopheme. Von einer Einheitlichkeit des Glanlteus
war keine Kede. In dem einen Orte mochten die jüdischen, in dem
andern die christlichen, heidnischen oder selbst parsischen Elemente
vorherrschen. *)
Wie sehr Muhannned*s Lehre eine Nothwendigkeit geworden, geht
daraus hervor, dass schon vor ihm (?ine Reihe von Mdnnern zu Mekka
und im benachbarten Taif gegen das Götzenthum predigten. Solche
Vorläufer Muhammed's waren der Dichter Omejja ihn Abi-s-Salt aus
Taif und Zayd ihn Amr, dessen V'ji"S(» würdig neben den besten Stellen
des Qoran >tehen. An mannigfachen Ansätzen zur Reform fehlte es
also nicht und so lange Muhannncd den Untei-göttern nicht feindselig
zu Leibe ging, fand er durchaus keinen Anstoss. •)
(ienau wie die Lehre ('hristi zielte der Isldm ui'sprünglich auf
nichts weiter als auf eine Reform dcT schon bestehenden Glaubenssätze
ab; ähnlich war es mit d(*m Buddhismus in Indien und der nämlichen
Plix'heinung begegncMi .wir später in der Reformation Luther's. Die
Entstehuugsgeschichte des Islam lässt f'Tuer klar erkennen, ^ie jede
Religion etwas langsam Gewordenes, langsam Hemnreifendes, sich langsam
Entwickehules ist. Kein KeligionsstitYer stellte sich von An])eginu in
(>])positi(m zu don heiTschenden Glaubenssätze» n, Keiner l>ehanptete etwas
Neues ersonnen zu haben. Keiner beabsichtigte den Umsturz des Be-
*)Juliu4 Braun, GemühU der mohammeJanigehen Welt. Lcipxig, 1870. 8
S. 2 12. Krem er «agt (A. a. O. 8. IX): der AshurA-T&g war achun vor Muh«inined
<;in Fa*«ttng (den Sprongor in.t dem jüdi-*('hnn Kipur idontificirt) und dlo Bmmodim'
fa«tten Bind der chrifttlichon <^imdragt?!*inia nnchgobildrt , währpnd dio Was^chungen und
Pro9t(*rnationcn von einer Jüdiach-chri'itliclipn äekto oder von den Idaohinhern entlehnt
zu sein «cbeinen. Öo abweichend dioAC Deutung von jener Draan's klingt, to stliBflMB
beide doeb darin überein, da.iA nie die angcfübTtcu Kinricbtungcn aU keine ipeciflcek
inuhamme Juni'fcbou erklaren, sondern auf fremde Quellen zurückfübreo.
) Ausland 1S«1 Nr. X\. S. 77').
') JuiiUB Braun, A. a. O. S. 13—14. Hehr mangelhaft Rind die VorateUungen
Draper'n über dio alten Araber. Das dem Islüm gewllmete Capitel (8. 948—963) Ut
■irher einoi der «cbwäcbriten seines tionitt vortrctTlicheu Buches. rlVfr^r dit BwUfim
der roriglamifchen Araber" bat der Leipziger Profe:*sor Ludolf Krehl ein Bück er-
ncbeinen laufen (Leipzig IS'iÜ. 6 ), wclrbe-t mir zwar nicht su Gesichte gekommen, des
abi'r im Aut^lwid 1S63, ij 517 be.-^prucbeu i'-t. Suviei ich daraus entnehme, ist euch Prof.
Krebl der Meinung, Aa^a der Monotbelomu-« des Mubnmmcd darum bei den Arebern so
ra-'-licn Kiiigang grfunJen, weil A'n*.*(* (i(»tte!<dienHtart bei ihnen urnprUnglieh su Ileiiw
uri'l n'ir f-iiif unter ver-iebiod(>nen llüll(*n verdeckte war. Damit stimmt im WesentU^ea
a'icii A. ^^pr enger überein. Prof. Doxy in s'iuem denkwürdigen Buche «Dl« /«re«-
litr't in Mtkk-i-, der die Verehrung der Kaaba und des schwarzen bteineo und folglkk
all'! Ue-tu.t'lth<ilc dc^ I-lnni den Juden vindicirt, geht wohl darin etwas su weit, wena
er rin^n einzigen fremden Sinrum, die ."^immniten , in Arabien Institutionen grQndea
la'-t, die l^i 0 .'abre <>l:;ic ge-'cbripbnne göttliche Urkunde fortleb'-en m. sw. in Ittstcr
Zeit unter Arabern vom reinsten Blute.
Entwicklwif «ad Wirkungen d€t ItlAm. 107
stehenden, fogt Jeder lebte in der Meinung die Rückkehr zum
alten (iiauben zu predigen, ein Phänomen, welches sich in dem
»igenannten Altkatholicismus, richtiger Neukatholicismus unserer Tage
noch deutlich beobachten lä.sst. Denn gerade wie ein materielles In-
strument durch langen Gebrauch sich abstumpft, nützen sich auch
sociale Institutionen und religiöse Ideen ab. AnfUnglich handelt es sich
bei den Reformatoren nur darum, das Instrument wieder in seinen
alten Zustand zu versetzen; erst der AViderstand, den ihnen bei solchem
liejdnnen Jene entgegensetzen, die dai*an kein oder gar ein gegentheiliges
Interesse besitzen, bringt sie in offenen Widerspruch und führt zu einer
anHlnglich nicht beabsichtigten Neuschöpfung, die aber bei strengerer
Prüfung sich !»lo8 als das endlich an's Licht tretende Resultat einer
Menge von lange verboi*gen wirkenden Ursachen ergibt. Man übersieht
nämlich gerne, dass sowohl die Abnützung wie die Refonn socialer
Einrichtungen und religiöser Ideen absolut not h wendige Sta-
dien der Entwicklung sind, der sich gar keine Idee, wäre
sie die erhab<^nste, entziehen kann. Dazu müsste ihr jene übernatürliche
Kraft innewohnen, die sie nicht U^sitzt, ihr aber oft die moderne
I*hrase zuschreibt. Ein schärferes, unwiderleglicheres Argument für die
Einl»oziehung der menschlichen GeL^testhätigkeit in die durchaus natür-
lichen Erscheinungen als diese die gesammte Entwicklungsgeschichte sich
liin<lurch windende und sell)st in den geringfügigsten Dingen nachweis-
bare Wandelbarkeit der Ideen lüsst sich gar nicht denken.
Entwicklung und Wirkungen des Islflm.
Die Anfänge des Islam liekunden ül)erraschende Aehnlichkeit mit
j»-n#-n <i«*s Christenthums. Während jedoch an der Person des Heilands
hb^tariM-hf Zweifel erlaubt sind, Vieles von ihm Rerichtete lediglich
diclit«*ris4lM' Ausschmückung Andrerer sein kann, ist M u h a m med eine
fraglos historische Persönliclikeit und all* die ihm zugeschriel>enen
Wund*T himi von ihm sell>st U'haujitet und geglaubt worden. Gleich
di*n ibristlichen Mönchen zog er sich in die Eiiusanikeit der Wüste
runirk, «ler Ik*tnu*htung, Fasten uiul dem (leitete geweiht. Hier fiel
♦ r (»rhirntauM-hungen zum Oi»f(T, auf <lie zweifellos auch ein gut Theil
«br rhristlichen Wunder zurückzuführen ist. Diese Wunder, Fj^chei-
nungcii, waren lieidesmal Wahrheit, denn es sei wiederholt, Wahrheit
ond Walu-heit sind zwei sehr verschiedene Dinge. Die subjectiven
lfe>irhte uimI Tonemptindung^a, von denen Geisteskranke und EpUeptiker
emnrt und geängstigt werden, siu'l für sie Realität und iliH'h eine ganz
aiMb-re, aN die Ril<ier und Töne, die man mit gesuntlen Sinneswerk-
yi'iuren wahrnhnmt. *) Nicht nur aber ist das Proplirtrnthum ein für
• #• ni i t i s c h e s Blnt lH?rauschend<T (ledank«*, * ) sondern Muhammed
'i ii^cmr iRchmidt, Detc*Md*Httehr9 und iMirwlttiBmut. L«ipxig 1873. 8* 8. IS.
*> J«!!«» Braun, A. a. O. B. 10. Aaeh ChwoUon, Die aemUtsehen Vffkgr.
^ IT rrkUrt 4a« Proph«t«atknin für fine Er»cbfinuDg, die foBt nur bei 8«fflUea vof«
108 D«r Orient tmd der ItUm.
wäre auch nie Prophet geworden ohne eine krankhafte Anlage
seines Körpers, die man als männliche Hysterie bezeichnet. •) ^ttr
alle nämlich, die nicht dickgläubig sind, kann es kaum einem Zweifel
unterliegen, dass Muhammed*s erstx3 Vision und Offenbarung durch einen
epileptischen Anfall herbeigeführt wurde, Muhammed aber als Betrogener
oder Betrüger jenes körperliche Leiden ausbeutete, um in den Ruf ra
kommen, er sei von Gott gesandt.^)
Wie Buddha und Christus wandte Muhammed sich zunächt an die
unteren Volksschichten, wegen ihrer geringeren Bildung von be-
geisterten Reden leichter entflammbar und dem Wunderglauben geneigt;
gläubige Sclaven wurden losgekauft, die Partei des Islam zu stfiricen,
\de in den ersten Tagen des Christ eiithun» geschah, wie Buddha*8
I^ehre die unteren Kasten zu befreien strebte-, wie Buddha und Christus
fand er allerdings in höheren Classen nur wenig Anklang, wie Buddha
und Christus endlich sah er sich Verfolgungen ausgesetzt. Begreiflicfaer-
we'se machte Anfangs seine Reformation nur äusserst geringe Fwt-
schiittc, erst alhnälilig und ganz wie das Christenthum in Folge der
Anfeindung gewann sie an Bedeutung und Einfluss. Deutlich lassen
sich im Qoran die drei verschiedenen Stellungen unterscheiden , die
Muhammed nacheinander zu seinen Zeitgenossen eingenommen, und die
nichts als drei logisch noth wendige Entwicklungsstadien sind, nftmlidi
erst als Reformator, dann als Stifter einer neuen Religion, endlich als
Gesetzgeber und Fürst. In gleicher Weise langsam entstand der Qorftn,
kein Schriftstück aus Einem Guss, sondern voll der mannigfiEushsten
Lesearten. Der Kampf mit dem Spott, womit ihn seine Gegner über^
schütteten, diente dazu, die noch sein» unfertige Lehre Muhammed"»
vollends auszubilden und zu festigen.
So wie die Reform Muhammed's eine allmählig herangereiftei
keine in seinem Gehirn entstandene Originalidee gewesen, nahm auch
seine Lehre in ihrer ersten Entwicklung schon fi-emde Elemente auf
Von andei'wäi'ts entlehnt sind nicht nur die dogmatischen Trttmmer,
sondern auch die Bräuche und Gesetze, die das Leben reinigen und
veredeln solle n. Die Lehre von der Auferstehung des Fleisches ist
*) A. Sprenger, Lrhfft und Lehre Ndhammad'e. I. Bd. 8. 207.
*; Dr. Henry Maudttley, Die Ztireehnn*tgHfäkigkeit der Geinteikrank^n, Leidig
1875 8* 8, 51, >vo der berühmte Verfasser fortfahrt: „Nicht aelten b«hMi BpUeptllnr
in Irrenanstalton ganx ähnliche Vi'fionen, an deren Wirklichkeit und W«]irbAfllgktlt
dieselben glauben. Wie ich nicht an Betrug denken darf, wenn der verfoIgMid» 8*«tat
in seiner Ekstase ein gläubiger Paulus wurde, so erachte ich te anderen«ita fDr au-
gcmncht, dnss Muhammed von vornherein von der 'Wirklichkeil allea dessen, was «r im
seinen Vitionen Koh, überzeugt war." An einer anderen Stelle, 8. S50 sagt der A«ior
von den Epileptikern: „Während sie noch Fleisch und Bein sind, kommen ele wolil,
gleich Hwedenborg, in den Himmel, wo sie mit Engeln, mit Propheten oder tflbat mit
dem Allerhöchiiton verkehren, oder die Engel steigen so ihnen, gleichwie in Muhemmei,
herab, nm ftie mit einer prophetischen Mi<*i«ion xu betranen. Ihre Visionen heben groiM
Aehulichkeit mit jenen, die bei gewi«.)en rellgiüsen Enthusiasten vorgekommen teil
sollen und woraus bestimmte religiöse Dogmen hervorgegangen sind.**
■atwIeUmBC and Wirkiiag«B da« Itlim. 109
ütparsisdi und liegt in den jüngeren und älteren Parsenscbriften noch
vor; auch as^Tische Vorstellungen verschmähte er nicht. Mit dem
Juden- und dem Christenthume kam er in frühzeitige Berührung
und nahm Manches davon au£ Die Juden, zu Yathrib (gewöhnlich
iMi'na d, h. ,,die Stadt" genannt) in ganzen Stänunen f lieni Nudhir
und Ben% Kurpiza wohnend und ihi*er höheren Bildung wegen als
Gegner gefthrlich, suchte der Prophet durch Lob, Duldung und Zuge-
ständnisse, wiewohl vergeblich, zu gewinnen, worauf dann bittere Ver-
folgungen kamen. Den Christen stand der Islam zuerst eben so wenig
feindlich gegenüber, musste sich aber von ihnen trennen, je schärfer
er die Einigkeit gegenüber der christUchen Dreieinigkeit Gottes aus-
pfigte. Ist auch die Dreieinigkeit eine Ueberkonunniss der Heidenzeit,
ao verdient doch wegen ihrer Bekämpfung der Islam, selbst auf so
vielen heidnischen Bestandtheilen angebaut, keine besondere Bewun-
demng. Trotz ihrer Einheit Gottes haben die Muhammedaner es in
der Civilisation nicht weiter gebracht, als die Christen mit der Drei-
einigkeit Auch darin ahmte Muhammed andere Systeme nach, dass er
drei alte Gottheiten des Ueidenthums, die drei weibUchen Schicksals-
göUinen der Mekkaner: Ozza^ Munah und Lnt zu Engeln machte.
War Muhammed auch gewiss kein Betrüger, wie Manche wollen, gab
er sich selbst auch nie fUr mehr denn einen Propheten Gottes (nicht
für Gott selbst) aus, so nahm er doch für seine Offenbarungen den
ToOen Wunderglauben seiner Zi enossen und einen übernatürlichen
bioimlischen Ursprung in Anspru schon der Prophet füllte die Welt
nul ^ich den Fasten, Wall&hrt« i u . Almosengeben, der Auferstehung
und dem künftigen Leben anaerer Rehgionen erborgten Dämonen,
Dtdiinn's und Iblys, die den christlichen Engeln und Teufeln eben-
bürtig und nicht erst in späterer Zeit von der dichtenden Volksphantasie
enonnen sind. *) In beiden Puncten steht der Islam um kein Haar
böber als das Qiristenthum.
Die Ansicht, Muhammed habe die Stellung der Frauen wesentlich
iq bessert, beruht wohl nur auf Unkenntniss der früheren Zustände.
Toditer galten nämtich bei den alten Arabern dermassen für ein Un-
^Qdc, dass man vor Muhammed sie oft gleich nach der Geburt lebendig
begrub. ») Die Aufhebung dieser Sitte allein ist Werk des Islams, doch
war ihm darin Zayd ihn Amr vorangegangen. Im Uebrigen war die
Stellung der Frauen vor Muhammed durchaus keine gedrückte, vielmehr
eine »ehr freie, und ist es bei den Beduinen heute nocb. '*) Es herrschte
nämlicfa neben der Vielweiberei, und zwar sogar in überwuchernder
Weise, die Polyandrie, und die arabischen Frauen eilten mittelst der
Sdieidung in kaum beschränktem Wechsel von Flitterwochen zu Flitter-
*) Die« «ckeint Drap er A. a. O. 8.360—361 ansuncbmen.
) Jaliut Br «a n. A. a O. B. 88 , dann Dr. P e r r o n , /VmMi#« arafr«« araitl «1
4«/«^ ritimmwm». ParU A Alf er 185S. 8« 8. 167 — 170 führt die Graodj au dieeem
•N'ic«** *i^ ^* ufK^ Qblielien Menaekenopfern saaammeobftnf enden Gebrauehe an.
OJvl-Bravm A. «. O. 8. 61. Perron seigt die« aatfdhrlieh In seinem Bncbe
110 D*T OlKat Btt br Uls.
Wochen. ') Trotz der in den phymolof^scbea VeriiättniBBfflt niiter JoiM
Breiten begründeten Polygamie genoas im arabischen AHerthnlBe ^
Fran dn l>fdent«ides Anseilen; sie war niclit wie lid den Hdlaiai
ein nnglttä^licbes GescbOpf, sondern spielte bei Kriegnltgai, VVtedeai-
sdüOssen eine einflmsreicbe RoDe und begeisterte, wie in der rftte-
lichen GeBellscboft, die JUnglii^c za Heldenthatea ■] Du VH'*^
beeaae vollkommene Freibeit in der Wabl des Gatten,*) nsdVcrfUnr
der Unscbold bnden eine strenge Strafe;*) die Fran war dem XftBM
fest vollkommen gleid^estellt^ ') endlich sehen wir tot dfln-MlH
Fnnffa als Dichterinnen glflnzen. *) Diese SteQung dea yrtAm''tA
nnn der Islam keineswegs zn ihrem Vaitheile verbidert; v^;'
er dos Loos der mottergewmdenen Sclavin ^v
woilUstigen Launen ihres Gebieters preisgab lui
Stelle des Weibes in der Familie schfirfer ^lli^, stuili-tf »ic mit
gedehnterem, rationelleren Rechte ans. Die ]!f srliräiikiinfi der Pidj^
gsmie auf nur via- rechtmOssige fVanen ist da;:< ^i-ii riilMiretl diircbMR
nnbedeutend. Die vom Isl&m gewftbrten mati?i-iL'llcn Wühlt liatvn ünt
jedotäi an jedweden Ausschluss aus don Rdche ilci' Ititt-lligeuz gckiiüiifl ;^
der Harem ist freihch älter als der Islam, dieser allein ahrr Iiat ■■
dem eimlens freien Weibe eine Gc&ngene i^'-iiiitcht ; er bat das alv
jüdische Geseti erneut, welches Steinigung auf den t^iebnich setA
und der Prophet selbst Hess es mehrmals vojl/iehcii. ^j Von seüV
Heirat mit Zeineb stammen die Gesetze sm- Bi'^chHinkung ilfr weK
tkfaen Freiheit*; Dies der An&ng jener lliirt'ni^cfHngtnecbaft, h
anf die weibliche HUfte aller moeUm'schenSiiuiri'ii, und auf die mUte
liehe mit, so tief gewirkt hat und am Ver«iik»n in Üiiwiwienbnt Vit
Tra^nt, am Zurückbleiben hinter dem Abend lumlt- wcseutlich mUBil|^
ist i") Nicht der Fcd^amie, sondern der Hsremsgc&ngenBCludt
ist sehr zweierlei — ist diese Schuld zuznwUzen.
Bedeutung des Weibes vernichtet, sie von ihm frühi
mit dem Manne in das Bereich der Sachen berahgedrückt.
der Moschee und den öffentlichen Gebeten schliesst der ijurän das
aus. Dass es seit dem Islüm keine Dichterinnen mehr K''K('^>^'
sonach kaum der Erwähnung. Die durch die Katar luliii^te Vi
Ordnung des Weibes ist wobi ein Merkmal aller CiTilii^iti»», uIkt
Islam in schärferer despotischerer Weise als irgend eine vollzi^i
') Blihi Stier dlrien Oagrngtiiicl ■ncli C
Bit Bit Im IMm. Wlan IST«. S* S. B— S.
•»Pttron. A.a.O. B, 1t, 1S4.
1 A. ■. O. B. U», 111.
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a. O. I
Sntwicklmig und Wirkasfan d« Isl&m. 111
e angebliche Verbesuserung der Stellung der tYau durch Muhaiumed.
[K*h sei nicht verschwiegen, dass das arabisdic System für das weib-
Ue (iesi-hlwht weit entfernt war, drückend zu sein; sollen doch selbst
iristenfraucn im Serail entzückende /uducht gefunden haben. *) Diese
ftiaui»tuii<{ hat nichts Auffallendes, wenn wir zunächst das materielle,
rgenlose Dasein im S(»rail in Anschlag bringen und erwägen, \^ie seihst
u«|res]»r(Khene Gegner dieser Verhältnisse zugeben, dass wenigstens
der (irgcnwart die muhannncdanische Frau sich bei der uns so ent-
lnh*g4'nd dünkenden Behandlung vollkommen glücklich fühlt, ja eine
idore gar nicht «bilden würde. *)
Wie die Polygamie fand der Islfim die Sdaverei vor, und er
hafft(» die eine so wenig ab als die andere. Nahm er sich gleichwohl
s I^Mises der Sdaven mit Wanne an, so ist doch seine Thätigkeit
n Milderung ihrer I^ige kein (Jegensatz zu jener des (.'hristenthunui,
*!cli<s in gleicher Weise die Freilassung von Sclaven anstrebte und
asM-nhaf^ zu Stande brachte. Die humanere Auffassung der Sdaverei
itens d«^ Islam übte aber die unerwartetst(^ cult urhistorische Wirkung;
'nn nieht nur wurden bei KrolM'rung fremder Länder viele der alten
Inwohner als Schiven verkauft, scmdern auch, während im christlichen
liondlande bei steigender (Jesittung die Bedrückung der Sclaven zu
iiulicher Bes<Mtigung die.-es Institutes führte, bewirkte ihr mildes Loos
den mo>linrschen Lindern eben das Umgekehrte ; es forderte die
pfühle der M< nschlichkeit zu deren Befreiung nicht auf und s(!hmiedcte
üiit die unzerreissbarsti n Ketten. Während das christliche Eurojia
e S'Iaverei längst überwunden und sogar den»n mildere F\)nn, die
nl)eig»*n<chaft, abge.stnMft hat, ist sie im nmhammedanLschen Oriente
ne tief mit Religion und (Jesittung verwaclisene, nicht zu entwurzelnde
•i Draprr. A. a. (). H. 255.
•> MoriK Lüttkp, Aey^pteng n*ue Zeit. T. Bd. S. 15A— 157 ; einen guten EinbUck
dll0 Ilar«'ni««erhiiltni4«e grntattet da^ f^iinzr (^apitcl. S. 134— 171. Auch d<*r Clrifln
D»tita: Htlf*r'» Rtiptn nach Vordtranien und Jmliem bieten dpm Cultorhiütorlker
■ektm^werth»« MMeriai. hielte aueb Kinmriinf Lott, The Entfliah gocerneat in
'jßt^'. Hartm Ufe in Kßjfpi and Co»»tantinQpU. Lomion iSftfi. 8* 2 Bde.; dann H.
^ r- * *» n >lalt£Art'<* OricntultBrhe Jfnremutuiltrn in d.T ^eufn freien J're»t0 vom
und 37. .\iigiist ls'^. — Prof. S p p p hiilt <u'h nach allrn bi-herigen Krfabningen
r hf'*e*'h*\i:t, il«»' \ii«irbt: ^enn die Polygaini«« bo'«oitigt c'i, \%'ürde aurh die Frau im
r/»- 'j'. > in die ihr grbubrenle Stellung eiiige->etEt , ibrrn -«ittlicben Einfluß« üben,
w ..!••' fi r •• r h <■ n. Fftr*|^«'h "el dio Pulvguiui»' Irn Oriente i»fhon beseitigt, dennoch
• 1*^' iJi- lliitfrfn.ilung x\^i■^^•b«•^ Muiin und Frau in der OefTentlicbke.It fort. ^Reiae-
^r» «w» Ift Ijet'iMt in: Bethi'/^ tur AVg. Zeitu^iif N». 212 vom M. Juli 1871 8. Xli3.v
1 <!^* Mj-'i'iiar Rf>v. II. II. J e .<< 4 u p nifiiit : Wollen wir au.richtig ^ei^, »o müsnen
- f-i'l. r. , «la«* lii«« Sti'lhinjf «1er Fratn'n in den u.nteren (Je^ellsrhafls^chichten bei
* .n. fA.-i-^l.-tj a«.« b ijii'h» fo ^ehr «lilTerirt, nur mit d<»m l'ntrr-rhiedo, da*«, wahrend
•/•••n •!.*• Pru»<*ln de» Wfibe« eint' Art 0«'br>t de* t^oran^ Ist, unsere Oenetxgebung
^ '. £■ f n kijfi«-hnt. AlIrnÜnK" kommen dio Oattinnenmorde etwas hiiiftger vor alt
V'-e M ! '»nd ■«Mid, unbald «ir blo* di^ Form der Strafe annebinen , nur ••citen von
»r y -.-l.m Ti r'»'K*n b-'gleitete Acte, allein, wir Rev. .Te^nup ver-lcbert , i«t diewe
fi*. n'f.b'it b« I dr-n gri<»fhi'«rhen ('hri-«ten jener Gegenden nifht minder Im Hchwung«
I t.#i ih'-'i m-ih.-:n:mc>daiii«<*hcn Nachbarn. (II. II. Jc«i>up, The tcomen of the Ärahn»
112 n« OilMl imt te Uha.
Efnrichtimg. Demnacfa duf mu nidtt in Etnen Atlinnnge MHMcfc
findea, da» Mohunmed die unbedingte Anfbebnng des InsthatB der
Kneditachaft nicht geUetai konnte, das nänHche Vorgehen iet Chieten-
thnou aber der herbaten Krittk ontendehen.
In den Horalgrandsätzen dee Q(»in waren die
Uekkaner bereits so dcfaer, dasa IfQbammed's oigeiie ^jiilton? TbatoQ
nicht Ober, wohl aber tief unter ihrem Vorbilil'^ stpheii. ') Eben w
wenig wie dB8 Evangelimn bradite der Qor&n ein neues MoralgeeetE
Eum Vorschein; Beine moralischen Vorschriften sliiiiineii vielfach mit den
diriatlichen Dberein, ohne sie an Gnwsartigkoil zu eiTeichen. Genas
wie du Christenthmn, empfiehlt der Isl&m dan Gläuliigcji Ik>dlicbkeit,
Treue, W^hrhaftigk^t, MfisBigong und SCIdthStit^keit, doch hat er in
den eroberten Lftndem eine moralische Beeücrung kaum bewirlit.
Wahrend bei den alten Persem die Lüge «in grösstu ^ciiande und
Ahriman selber als ihr Erzeuger galt, lügt Qberliauiit der heutige Perser
„so lai^ als seine Zunge geht"*J In sdner Pbiluraphie stt'Iit der
Qorän onrergleichlich tiefer als die Sdiriften (^iik.viunuiii's, in »einer
Wigaenscboft ist er völlig werthlos. Sdne Artiruiionue, Koäin^finiie,
Phynologie sind kindisch, literarisd) ist er den BUcht^rn der Hchrtter,
der Bibel, untergeordnet, die er an Wissen Diiht ubertrifit'j Ab«
der Qor&n nm&sst nicht nur das religiöse, sondi^m auch da« bargerUt^
Gesetz, und wie gross in dieser Hinsicht seine ]M)Liij^i'l, zumal für die
Bedorfiiisse der Gegenwart, auch sein mOgen, so if)t immerhin dos Bitäi
bewunderoBwerth, d^ vom atlantischen Heere bis /um Tion-Sdiau und '
weiter als Geset^Kicb gedient hat ui^ noch dient. *j Des^halb ist der
Isl&m nnzwöfelhkft, Shnüch wie das CSuistentliuni für Europa, dne
Cultorsegnnng fOr den arabischen Stamm und diUber biiiuiis geworden,
ZunAdut wmde Arabien selber von der Fremilhci-nschaft befreit; alle
inneren Fehden infolge von Selbst- und Stauune^hilfc, ewig Bhtt »lond
und immer neue Blutrache, diese vorwiegend Beuiilischc I'^-scbeinung, ^}
erzengeBd, sie &aden ihr Ende durch gemtintames Gtsetx und die
obeaMe Gntscbeidung des Propheten. Wenn nacbinals auch der ntiibo-
rechenbar alte Hass zwischen süd- und nordarabischsn Stämmen wieder
znm Ausbruche kam, so ist das nur mn Beweis, das» keine Itoligion
der Welt im Stande ist, solch tiefgreifenden V u I k a leideoBdiafteu dn
Ziel zn setzen.*)
■) JallitBraiiD, A.a. 0. B. U.
•) A. •. 0. e. M.
^Drapar. A. a O. B. US— »t.
•) J. Braon. A. a O. &. «0.
•) Ctawolaoa. A. a. O. B. S4, aod tatil blnni .mwehan ute«> Bmm MjiS
■irar nicht |ani nnbtkaiiBt , abar bat Iva Arabarn i
RecbtHTilem |*bricht and M |ibt b«l Ibain noch ]*M ■Oadllck «Mk fe
Gtnua dar ttlutracba.* — Di* Blattacsh* bal iIbb EallaBan «
Bleu* ainihnl. Biaha Hb« «Uaalb* la BOdarablaa: Br. Haiti
Mo. t B. 133— tu.
t J. BtaoD. A. a. O. B. TS-T>.
J
Ausbreitung d<^i« TitlAm. llo
Ansbreitiine: des Islflm*
Ausbreitung der muliaiumedanischeii I/('Iu*o ^ing mit der Eni-
des islamiti$k^hen Staates Hand in Iland Dazu that die
Jer Waffen zwar viel, aber nicht Alles; es wirkten noch
JmstAnde, darunter die» socialen Verhältnisse der eroberten
ait, in so feme dort ilas Christenthnm unter dem Einflasse des
mus von allem Anfange an heidnische Können angenommen
D schlimmsten stand es damit in Africa und Asien, wo nicht-
ööcer lebten. Nur bei dem arischen Volksthume aber liat das
linm eine civilisatorisdie Wirkung ausgeftbt. Wo immer es
irzel fasste — und dies ist nur selten gt»schehen — ist es
?n Formelwesen, zur Verzerrung der eigentlichen lA»hre gewor-
ÄÜen ihren Nachtheilen ohne ihre Vor/ttge;M man blicke auf
ißche Christ enthinn der (Jegenwai-t. *) Für diese Völker war
I entschitnien das Passendere, wvW Einiachere. Wie sehr dies
lehrt di<» Jetztzeit. Der Islam ist kein kranker Mann, er
md macht, ohne Missionäre und ohne Schwert, Fortschritte im
Lfrica's, wo er sich unter den Negervölkern unbestritten als
igion erweist. Er ist eben das für jene Völker und llimmels-
luglichste GlaubenslK^kenntniss. Klug Itehielt er die Polygamie
rhc in jenen Breiten der Anfonlening der Natur entspricht,
das Cliristenthum sie venlamuit. Keine Gesetze, weder poli-
ch religiöse», vermögen jedoch den Iknlüi-fiiissen der Menschcn-
«olutes Schweigen zu gebieten; im l>esten Falle werden sie
1*) und die landessitte sanctionirt was das Gesetz verbietet,
den christlichen lilndeni des trojnschen America geschieht,
itüriicher daher, als dass die Asiat(»n mid AlHcaner mit offenen
inen (Jlaul)en aufnahmen, der ihn<»n aus der Befriedigung natttr-
'gmigen ki*in Verbrechen machte, und gewiss si(;herte die Viel-
die Erol)enmg; iluT miwiderstehliche Wirkmig in Befestigung
n CMnung <ler Ding«* ward Imld offenbar; die grossen Familien,
He Polygami«» »«tifret«', drängten in d^»n I^uf weniger Jahre
e zusammen, zu (h»n*n Vollbringunj; es s<nist vieler Generatio-
vrü liabiMi wünb». Die Kinder rühmten sich ihrer arabischen
und wnnlfn angch'itet die Sprach«* «lt*r Eroberer, ihrer Väter,
hen. in j^dn* Bczifjning Anibcr. la wenig mt*hr als einer
(fcneration sprachen die Kinder des liamitinfhen Nordafrica
*» I)<»r Vciviuh, in W<»st<*nropa f«*st«*n Fuss zu fassen, miss-
b f««teh<> gerne «1« Aufnahme xu : die ugri«ch(»Q Bewohner Finnlaiid'i, die
•griochen Magvaren und die iberischen Ba«ken. %voriir «ieh der geneigte Leiter
f l«ieht «elb^t fragen kann.
iak* df««ea riiarnkteri-tik bei LUttke. Atfi^fpUnt ntut Zeit. II. Bl.
t.
•Mo 8at< b-krifiigt auch A. v. Krrmer, t^tUnryttrhirhtt dtt Orientn. I Bd.
raptr. A. a. O. 8. Vtl, :2J5-i;>6.
wald, Caltnrge^ehlehU. 2. Aufl. II. Ö
114 D« Otlut wU im bUa.
lang; von vorObei^benden Besitznngen im RQdUcben Ibüien
blieben die Araber auf Spanien beubrlnkt, wo eu.v nichtariMlM, dto
iberische Bnce, den Grnndstock der BevOlkenu^ Uldete; tuid adlMt
bier gelang es spftter dem mit den arischen Gennuieit eingcdriigea«
ChriHtenthome den lalftm auszutilgen, woran in Asien und Aftiim iddt
gedacht werdea kann. Die christliclien Reiche in Asien mr 2a& ige
KreuzzOfte sind spurlos verschwunden, ohne einen wafamehmbanB H^
floBs auf BevOlkerang und Cultur jener Himmelsgtridie aoigefifat N
haben, die heute muluunmedaniiu-her sind denn je, wie die iimihi na
C3iriBteiiT«{}lgungen in Syrien, die erst kürzlich gelOate Sdiwisj^ai^
in das Ostjoidanland PaUstina's zu dringen, zur Qeoiflge dirtliiin. 80
gering man von dem ostrOmiacben Eoiserthmn in Omstantinopel
mag, so sehr dort das arische Volksthum mit fremden ~
versetzt war, ctt behielt dennoch die Kraft, dem
siegreichsten Tagen zu widerstehen, eine Kraft, die es Ihb
hat. Denn als endlich dos Keich zusammenbrach und die Lelire dai
Propheten nach Constantinopel gelangte, war dies an ffieg nicht im
arabischen Semitismus, sondern des bodbasiatisclien TOitenthoma Giri
auch diesem gelang es nicht, den Islftm auf dit' aii-iln' 7Ti ii^> m
abertragen; in der TOriiei der G^^wart und die .Mnli^iiuiiKiiuziti' dia
enorme Minderzahl nnd &8t ausschliesslich auf da- tiukiBdn- Kk'tiieiA
heschr&nht. Die arischen Griechen und Slaven, dii- Miiji>n1Ai der Bfl-
vßlkemng, hangen fest am ChristonUimna Nur die ujuhLiiiiiiiedaiiiicbai
Skipetaren (Albanesen) nnd die numerisch wenigen ijiuhitiiiin(.'ilHiiiKlHi
Bosnier lalden Ausnahmen, die wohl als Beettttigaiit; ilrr Hegel dieneg;.
Ich mochte nun nicht im Vorhergehenden ili<' l.tliii- anünteUa^
dasB jede Race ihre eigene Beligion habe, oder da-^s [i'dc KclijjJQn
unter «nem gewissen Himmelsstriche geddhen Lüuiie, ilenn b«
Behauptungen wklersprechen die Tbatsachen. So Imi Niili der I
gldchmfissig Ober Semiten, Uamiten mid Tnrkvläker verbreitet, Ja adhk
die ostariscben Perser und Hindu ergriffen, deren tunillirlislc GroMi
freilich bet mit jenem Breitengrade abschliesst, der <[k Sti>l^-i<nz« d^
eoTDpäischen Indogermanen bezeichnet. Bei der iKi'liiLMatini'lii'ii od
mongolischen Kace finden wir dag^en den IsIAm, ilin ÜiidrltiiKtnuB, i
Lehren des Con-fu-tse und Lao-tse nebet dem gralicn Scliiunaiiisiuua Ig
Uebnng. Eben w krSftig mOchte ich gegen die in tuiutii' Zeit bnUe|||l
K^wordene Meinnng von diT Kinheit der Religionen h iiiioh vt'rwahre%
t DaM dar WiK<ng(h*n mit laliUelchaa ■ pHtti ■n^fcleLUen U;palliu*ii, y/U
mar, dia aehoB Jotil dl* Rinbelt aU« Rall|lon«B naahmlif.j ulll nnd du T«da d
d«r«B lltaite UrkuBd» baieisliBsl, nicht g ad laal Itl, habt nltfii^ohi Alfrad «. KtiaW
babylonlaehaB Oari
I>i« Broberangen der Araber. 11 1)
Sind jedoch Bacengrenzen nicht, wie man vielfach mit eigensinnigem
Vorurtheile festzuhalten sucht, auch Ideengrenzen, waren sie dies weder
vor noch nach dem Christenthume, so ist doch nicht minder wahr, —
was durchaus kein Widerspnich — dass kein Volk die seiner Race
gesogenen geistigen Grenzen überschreiten kann. Nur dadurch lassen
fddi die obigen Erscheinungen erklären; oder sollte es blosser Zu&Il
««ein, dass das Guistenthum ausschliesslich bei den Indogermanen, der
Id&m vorwiegend bei Nichtariem gedeiht, dass die arischen Perser
gerade Schiiten sind, und in der christlichen Kii'che der Protestantismus
lediglicb auf die nördlicheren germanischen Länder beschränkt blieb,
der Kathdicisinus bei den südlichen liomanen den meisten Anklang fand,
wflkhrend die östlichen Slaven dem griechischen Schisma anheimfielen?
Die ErobomiijB^en der Araber.
Die Geschichte des Islam ist mit den Eroberungen der Araber
innig verwachsen- Schon der Prophet war am Abende seines Lebens
Forst und Gesetzgeber, schon er begann dem Islam mit bewaffneter
Hand Bahn zu brechen. Obwohl Muhanmied dem alten Yathrib den
Xamen al Madyna (Medina), welches die Stadt und auch der Rechts-
«lUAt beiffit, gegeben hat, so war seine Gemeinde doch nichts weiter,
ali eine Räuberbande.^) Muhammed reducirte seinen Antheil an der
Beute als Schirmherr auf ein Fünftel und führte grössere Centraliaation
ein — die Raubplane wurden von ihm selbst entworfen oder gutge-
Seine Bande unterschied sich von anderen in so fern, als
Avfgepfropfl wurden. R. Brown jun.*s PottidoHi a Unk MtcetH S^mlU,
«>Ml Ärpam; htlitf am atttmpt to trae* tht euUu* of Goi to ita aourcea. Londoa
10?f, •&• dorebAB« mlMlungenes Werkchen, nenne ich nar d?r Vollständigkeit halber. --
As «ia^a gMBelBMmen Ursprung der europäisehen Mythologien, deren Quelle er in den
▼Mate •rbUekt, gUnbt ferner George W. Cox, Tht M^holog^ of ika Ar^n notioiu,
ISTO. S* 3 Bde. Mit eben eoleher Vorsieht Itt aach dl«« Einheit der Baff*
Den bedeatendtten Versuch hat in dieser Richtung Jul. Braun mit seiner
d^r Saga. MUnchen 1864. S- 2 Bde. gemacht, deren üuelle er Überall
•mt AsfTptea tar3ekfahri. Da ich mich auf den leider verstorbenen, mir persdnlieh
b«ksjuitea jungen Forscher t\'iederholt berufe, so mu*« ich erklären, dasn, wenn aueh
bmmT in den Resultaten, ich doch in der Methode ihm beistimme. Braun
•i« Heuptgewieht auf die naturwissenschaftlirhe Methode bei Behandlung
aftb*iofflseh«r Fragen, und darin hatte er vollkommen Recht. Dais er mitunter irrige
sieht, Ungehöriges susammenttellt , ändert an der Richtigkeit dtit Methode
Sehr lehrreich ist e« heute eine in der Berliner NaHoHalt^rtuitg ISM^oder 1S06
Bespreebung Mines Buches aus der Feder eines Dr. Guntay Behneke au
D^r Reeaasett eifert gerade gegen die naturwissensehaftliehe Methode Braun's,
AaweaduBff auf die Sprache er schaalen Materialismus nennt. Wie gani anders
Et 4aca die Wieeeatchaft Jetst, wo die B&Ue Las. Geiger's: «die Sprache hat die
Vara«ait «feelMffea; vor ihr war der Mensch vernunftlos* (UrapruHf der Spracht 8. 141)
e«a Osaieiagate aller Gebildeten geworden sind.
*) I«h folge im Nachstehenden den Ansichten Hpreager'«, tvie er sie anlisslieh
*■• Kraaier'sclMa Bockae: Dia ksrrackamdam Idaam daa laldiua und in Ueberein«tim-
mmm^ mi\ dteasa al«d«rge1egt hat im Amatani 1M8, Nr. 43, ft. Il5.n— llft*.
8»
1 ]H Der Orient und der lelim.
\\('ni^>t(>i)s i)i letzt(']' Zeit die Vorbreitung des Glaubenf das Haupt-
motiv (lor Kx]M>cUtionen wai% und wie bei Karl d. Gr. Politik imd
ii*li;^qi)ser VAi'vY Hand in Ibuid gingen. Von unseren Armeen unter-
M'hicdcn sich dir arabischen Horden auch sj)äter, als sie Syrien und
Aejr>i»t(>n eroberten, wesentlicli: sie erhielten keinen Sold, nicht einmal
die WaJi'en von der Hi'gierung, sie waren nicht disciplinirt, bildeten
keinen eigenen Stand, gingen keine (>a]ntulatiou ein, stellten sich aus
tVeieni Antriebe unter die Fahne, folgten ihren Führern aus Vertrauen
und Anhängliehk(^it, und der nionilisehe Druck der öffentlichen Meinung
war last die einzige Macht, welche sie in Schranken hielt. Der IsUm
erlaubte ihnen <'inig zu sein und gab iluvin Streben Weihe, aber das
wähle l(and der Kinheit war (ienu^insanikeit der Interessen und ihr
/weck \N i\ w sich du r <• h U e u t e zu bereichern •, diese freien
küluuMi Kriegtu" wnren HüulH'r wie ihre Väter. Es fehlte nicht an
ciithuMaNtisclKu (Gläubigen und sie übten auch den grössten Einfiuss;
aber lin- ilie Mehrzahl war Iieligion nur eine willkommene Selbst*
iau>i.hung, >vi?lche sie in den Stiind setzt«, mit Bewahi-ung der Würde
tle.^ StannucN in welchem bei den Ai*abern das Indi\iduum au%dit,
>ich zu gemeinsamer That zu vereinigen.
AVie aU(s (J rosse in der Welt war auch Muhammed*s Umkebrung
Arabien^ nicht die Sache eines schlauen, von vorne angelegten Planes;
au') d(>m (Glaubens] »rediger ward nothgedrungen ein Eroberer nnd
Stallt ongriinder. Nachd(^m er in Mediiiu weltliche Macht errungen gdMit
er über ganz Ai-abit^n und streiften seine Horden selbst in die Gehiele
der Peiser und J^y/^intiner, hissten sie in Syrien und am Eaphnt
t'esteu Fus>. [)ii>> ilaui)tver(Uenst um die Giilndung des moslim'fldiai
Staale^ gebührt aber dem Omar. Nach Muhammed's Tod 632, bUeb
«lie geisthche und weltliche Macht in der Pei-son des Cliahien Terdnigt,
der "-ich in tler l'olge in den Kmir Alinnmenim (Fürst der GlAubigen)
verwandelte. Schon der ei*ste Chalyf Abu Bekr, führte seine sieg-
reichen Haufen nach Daniascus und er(»l)<u*te das lieich Hira im Lraq,
dann liaza sinimt den umli(*genden Ländern. In die Begierung OmaA
lldlt die Eiobei-uiig von Pei*sien bis Oiomssän, Syrien, Palfistina, Phö^
iiikien, Me<o)N)tanii(Mi, Armenien und Aeg:y|)ten, welche sein Nadifidger
<><inaii vollendet«'; kaum dreissig Jahre genügten, eine halbe Welt
unter da> .loch d(*> Islam zu beugen.
Min \'olk von Träumerii kann nur dm'ch Träumer zusammcnge-
lialten und aiig<trieben werden. Die Rebgionsfonn ist es, die im Orient
den M(nsc]icn an den Mensehen bindet, und so oft eine neue rellgiflse
l(l(^e. (\{\< Höchste und Heiligste, was die menschliche EinbildungAraft
iM-M-luiftigt, ghlubig aufgenommen, die (icmüther erhitzt, sind sie Abig)
^ich zu g(;nieinsamer Thütigkeit aufzuraffen. Diese Sntze sind schon
\ou Ihn ( ii a 1 d u n. dem gi'ossen Geschichtsschreiber der Araber, am-
«jv-prochen und durch die (lescbichte bewiesen worden. Trotl des
religiOv'ii Enthusiasmus der Araber konnte die Ausbreitung des Ulm,
thiilwriM' wrniLMeu^. nicht ohne heftige Kflmpfe vor sich gehen.
1 in die Entwicklung d(>s Islam und der von ihm auQgehendfii
Lultiiniilitung in (ilaulK'n, Denken, Sitten, lubtitutioueu und StMit-
XH« Krob«raBf«ii <«r k'nhf. 117
wwien war von dk^en wohl keiner wichtiger als der Vemicbtungskrieg
mit Perriea, weil nnter den Sassanidcn das acht persische Wesen noch
einmal vor seiner Verschmelzung mit fremden Bostandthoilon und seinem
stofenweisen Sinken mit grosser Energie sich hcthötij^to tmd in Ktinsten
und Wissenschaften denGrnnd legte für die von uns sosehr
bewunderte arabische Cultur des Mittelalters. ^ Die
Saasaniden nnd bereits ihre Yorgftnger, die hellenistisdior Bildung ge-
neigten Parther, sorgten dnrch Uehersetzinigen giiechisdicr Philosophen
und Naturforscher für die Verbreitung hellenischer Cultur in Persien;
die Baidnmst der Perser, schon in alter Zeit blnlicnd. ent>Aickelte
fruchtbare structive Elemente, welche durch die Araber mit Ilinzunahme
bjTXAntinisdicr Motive verwerthet, jene (iebftude entstehen Hessen, deren
praditvoQe Reste wir von Indien bis nach Si>auieu verfolgen können.
Der Spitzbogen ist unter den Sassaniden ausgebildet, oder richtiger
ftesagt (da man ihn bereit« im alten Assjinen tindet) aufs ufuo entdeckt
worden, nachdem man zur Vennindemng des I hucken (»ineu erhöhten
Bogen, und zwar zuerst einen Eil>ogen f^ie in Finizabad. Sarbistan in
Persien, am Chosroeni)ala.st zu Ktesifon) constniirt hatte, des^^en un-
«diöne Form jedoi^h durch Zuspitzimg l>esoitigt wurde. Dio MOnzon
der Samaniden zeigen einen vom i)arthisch-seIeukidis«liou Typus verschie-
denen eigenthflmlichen Kunststyl und sind die» Voibildcr (lor Chal^icn-
mftnzen geworden. I)ass die arabi.«<che Kunst aus der persischen abzn-
teüai iJ»t, wird kein Kenner l)ezweifelu; der Annalist Tabari Iw^sratigt
aus der Gesdiichte der Denkmäler gewonuon<*n Schlu>s durch
Bericht, dass Omar in Knfia einen Palast nach dem Plane dos weissen
Scidoimes in Ktesifon erbaut hal)e, und die blasse d<*ss<'llK'n mtts«<pn sich
lemno an die des letzteren angeschlossen halK*n, da man die Thorflngf^l ans
KleaÜbn nach Kufa schaffte, um sie dort einzusetzen. fHe B*nv(»liner
um Kuh ahmten das Beispiel nach und holten sich ;;leichfalls ihre
Hamtliltren aus der zerstörten Stadt d(»r i»eiNis(hcn Könige. Die
Denkmäler der Sassaniden zeigen sehr deutlich rönuscbeu Kintiuss.
nnd wie sich schon die alten Könige griechischer Künstler l>edient
kalten, ohne doch da.^ ( Tiarakterist ische des einheimischen liaustyls
so waren auch griechisch-römische AnlflgtMi die Mustei*
•) Auch liemalte man die WiUide d<'r Paläste, wie liei-eits
Zeit d<T AsHvrer nnd Babvlonier. Die Forschungen der < h-ientalisten
*} JUm y*elitt«Ii«iidf OAch einem Aufsatxr Prof FrrUiiiAiid .1 u < 1 1 - rAi'*fuiftt
tan Jft. li 8. 805—3111) Qb«r die Chm**{qit9 tU AtHtu-iyfi/ttr-MohiitttttKil-bin'IiJ'ittH-bt**-
(, trmtimtlt tmr ta ««rW«*« Ptrtanf tl'Ahou-Aff Mohammeif hrJnmf. d'apr^ß
49 fmri», dt Goiha , dt Londrtß «t de Ctutei'hury . par ^f. HnrmaDti
S«t«aV6rg. I vol. 8* Paria. Imprimerie imp^riftlc (nationale) I8fn—H<li. (ttHnte*i
fmr 0tt Ori&miml Trantiatitn Fund o/Great Britain a**d Irrlan,!, omf ßoft nt thr R. Apiof.
Bi*ri0tf^9 hmf0 Sr. 5. Stte Burtim^ton »trtet t^tfinn. «Im <?.»ni:cn XllI «ind ■2'^6t^ Seiten>
*» a« Wmvrkt Tabari (9, 10O>. da«« dieBtadt Rumia bei Kt*»8ifon nach df^m Master
▼♦*• A«tl«r1i{a a« der »rriaclien RAat«, tvo Sapor den Kal^or Valorian gefangen nnhm.
If. Bbeaao wurde die Stadt Scbnschter anter der Leitnnir dlimc« kaiier-
lea vea frieehl«ehen natime{4t4»rTi erbaut, und namciitlirli di<* rUIg^nnnnt*
11^ D«r Orient und d«r IfUa.
haben sich vielfiicti dicsiT interessanten Periode zugewendet und namenüidi
den alten persischen Rcb'gionsurkunden, welche dem Zarathustra zuge-
schrieben werden und damals ihre jetzige Redaction erfuhren.
Der Zoroastrismus der Pei*ser coUidirte vielfach mit Juden- und
(liristenthuni; manche Lehrsätze der letzteren Religion waren den
Persern anstössig*, doch sind nur dann Vei'f()lgungcn angeordnet wcHrden,
wenn die Christen geheime Verbindungen mit dem oströmischen Beidie
unterhielten oder den Voi*schriften des Königs nicht gehorchen wollten.
Wie im Römerreiche waren es meist die kräftigsten HenBdier,
welche sich zu Gunsten Verfolgungen veranlasst sahen. Sobald es akh
nur um religiöse Differenz handelte, blieben die verschiedenen Religionen
unbehelligt, und Talmri belichtet von König Onnisd (578 — 590), dem
Sohne des grossen Chosru Xuschirwan, welcher erst vor Kurzem den
I^yzantiufn'n ihre schönsten Provinzen in Asien entrissen hatte, da»
er auf die Vorstellungen der Magier, mau müsse Juden und Christen
v(*ifolgen, gesagt habe: ..Man kann in einem Lande Verschiedenheit
(l(;r Meinungen nicht autliebon, und in einem grossen Reiche darf es
Menschen vei*scliiedenor Richtungen geben."
In den nordöstlichen Theilen des i)ei'sischen Reiches blühte der
KuddhismuK, und Tabari erwähnt an verschi(Hlenen Stellen Götzenbilder,
welche die .\niber erbeuteten, und otfenbar Statuen des Buddha ge-
wesen sind.
Die i)ersische Nation niusste — ein in der Gesclüchte hinfig
wied(»rk(»hrend<T Fall — trotz ihrer überlegenen Bildmig vor der an-
bischen, deren dürftige Uncultur oft ihren SiH>tt reizte, das Gewdir
Htr(»cken. Eine vornehme Vmw in Hira war einem Amber als Bcnie-
theil zugefallen; sie erklärte sich In^reit, jeden Preis zu zahlen, wenn
fr sie ft-(Mg(^b(\ Der AmlH»r verlangte lÖW Dirhem, und die Fraa
wurde fr(>i. Als nuni ihn (Uiniuf aufmerksam machte, dass 1000 Diihan
(etwa 180 Mark) zu gering g(»wesen sei, gestand er, dass er von
Zahl über J(.MM) nichts gewusst habe. Jt^egeixl sagte zu einer
bis(*hen (r(*sandtsohaft, welche ihn auifordei*te, den Islam zu bdcennei
oder den Kani[)f aufzunehmen : „Ich habe viel Völker gesehen, THrlieii,
I)(>il(*initen, Slaven, IiuhT und andere, alK'r niemals liabe ich armseligere
als euch gefunden; Mäuse und Schlangen sind eure Nahrung und eure
Kleider iM^stehen aus Felhni d(»r Kameele und Si'hafe; wie vermflgt ihr
mein Reich zu erobern?" Treffend antwortete einer der Gesandten:
„Du hast liccht; Hunger und Blosse war vordem unser I^ioos, aber Gott
hat uns einen ProphettMi geg(»ben, (hassen lieligion mis<»i'e St&rke ist"
In der unenues.sli<'hen Beute, welche» die Araber nuichten, befimden
sich viele Dinge, w(>l<'he ihnen noch ganz unl>ekannt waren. Bei dflr
Kr(»b<»rung von Ktesifon erlMuitete man neben andei"en Herrlichkeiten
«»in KauHH»! mit einer Kiste l)ehulen, die den mit Perlen und Rahinen
Wa<«sorl<>ituiig|ärhftdr6wau mit dem fiendi Kaiaar (Kai«erdamiii), welch« noeh ktvt« W-
ftcht und mehrfach von Euroi'ttorn beschrieben i«t (man v«rgl. Ritter, AmUm •, U6;
•Ir Bude, TnireU in Luriitan and ArabiBtan 2, 148; Kawllnaon, Jown»«! ^ Hb« JL
ytogra^, Soe. 0, 7:);, vordankt diesen Künstlern ihre Entetehang (T«barl S, 80. 8, IITK
Dl« ■rob«f«flC«i d«r Artbw. 119
irniitiricten Rock des Königs, ans Goldfäden gewebte Kleider, die Krone,
an welcher 100 Perlen strahlten, den Ring und zehn Stücke ßrocat
«»nthielt. Panzer, Helm, Bein- und Annschieneii der königlichen Rüstung
waren Ton Gold; im Schatz fand sich ein goldenes Ross mit einem
«Ibemea, von I'Metsteinen Ol)ei*säeten Sattel, ebenso ein silbernes Kameel
mit einem Jungen von Gold. Ebenso wurde ein Winterteppich von
Hrocat erbeut (»t, welcher 3<M> Ellen lang und TiO breit war; er wurde
im Winter aufgelegt, und war umi-ahmt von einer Borte grüner Sma-
rai^, wfthrend verschitnlenfiarbige P^lelsteine als Blumen eingelegt
waren. Ein Stück derselben verkaufte Ali, der Freund Muhammeds
für 80iH> Dirhem (kaum 31MjO Mark), und die PMelsteine und andere
Koftbarkeiten wurden in Mekka an Kaufieute aus verschiedenen Län-
dern vergantert. Im Magazin der ParfUmerien fand man gläserne Ge-
fime mit Kampfaer, Ambra, Moschus und anderen Wohlgerüchen; nach
anderen Schriftstellern erbeuteten die Araber auch eine Schiffsladung
Karopber, welchen die Perser dem Wachs I)eimi8chten , aus dem sie
duftende Kerzen verfertigten; die Aralyer thaten den Kampher als
Warze an das Brod.
In Persien stiess<»n also die arabischen Honlen auf eine fremde
arisdie Race, auf ein uraltes Cultursy^ttem und die dem IslAm an
innerem Werthe überlegene Religion der Magier. Desshalb nahm der
Kampf gar bald die Können des RaaMikam])fes, nicht blr>s des Religions-
krieges au. Au<;h die Araber erkannten dies und während sie ander-
wftrtu zwischen der Annalune ihres (jlaul)ens und dem Tribute wählen
Kwucn, beisc^hten sie hier mit grösster Strenge die Ausrottung der alten
Gesetze, Religion und Sitten, kurz die V(»michtung jener uralten Civili-
f«tion, die zum Theil noch <'in I*>ljgut der Zeitgenossen Zarathustra's
war. Wohl vermcMrhte endlich nach hingem, heftigem, nicht stets un-
iMdüicben Widerstände die (iewalt der Eroberer der Sassaniden-Dyiuistie
ein Ende zu mac^hen, M ihre Cultur zu zerstörte, eine völlige Unter-
jodrong ganz Persiens gelang nie. Musste wohl nothiredrungen die
Mebnahl Bekefaning wählen, so gab es doch noch im X. Jahrhunderte
kkine Reiche sassanidischer Prinzen, wo eifrige Anhänger tler altpersi-
«dien Regierungsform und Ges<'tze ihn* Vertassung, Religion und Sitten
retteten and unabhängig fortlebten; andere l>egaben sich nach der Insel
ilmnfs von da weiter nach Diu und im I^ufe der Zeit nach Gudscherat.
Ilort in Indien Ivlnni dic'se Nuchkonmien der sas.Minidischen Perser als
Gnebern wlei* Parsis ohne alle Vennischung mit den l^mdi^seingelwrnen
nnth bcHite fort, und ein genaues Studimn ihrer Sitten, Aaschauungen
Schriften, eine Würdigiuig ihrer hervon-agenden geistigen Stellung
beatigen Indien gestattet einten Rückschlnvs auf die ivei-sische Cultur
*l Wa« Quinta« Cnrtius vom llofsUiite det Dariun Codoiuannu« erxtthlt, b«-
rtektrX Tabari auch von dtm IrUten Je^dfgerd; beider Kchickf*«! war ein gl«ielM»,
W*t#ft, «akerirrcnd, luletst von ihren eigenen Uutertbanen erschlagen, aanken sie vom
Tbro», de« als Fremder beatieg. Jesdegord hatte auf aeiner Flucht tOUU Personen um
•i«a. nmitft d«B«m kein Krieger sich befand , wohl aber Selavon , Küche , Kammerdiener,
MM«UU«r, 0cbrnib«r, Weiber, Oreie« and Kinder.
120 Der Oritnt uad der ItlAm.
der Sassaiiidonzeit. Allgemein unterschätzt man sie eben bo, wie jene
ältere, womn das noch ziemlich rohe Hellenenthom seine ersten Sporen
verdiente.
Fast gleichzeitig mit der Eroltenmg Persiens erfolgte die Aus-
dehnung der iVral)er über Nordafrica. Aegypten ^-ard schon 638 von
Amr-ibn-el-Asi, gewöhnlich kurz Amru genannt, angegriffen und
/um l^sitz des Chalyfats des Oniar geschlagen. Seit der Unteijochnng
des I^audes ergoss sich in dassf>lbe ein unaufhaltsamer und lange foit>
thessender Stnnn am bischer Einwanderer, die bald das nnmerisdie
UelKJi'gewiclit ttbcr die einheimische Bevölkerung erlangten. Wenn es
ihnen dabei glückte, letztere nach und nach beinahe ganz in sieb auf-
zunehmen und mit sich zu verschmebsen . so wirkte dazu der manen-
weise, theils freiwillige, theils gewaltsam ei*zwungene Uebertritt der
Aegypter zum Islam mit, d(>r hier um so leichteren Kingmig And, ab
das chnstliclH^ Ae^ypten fast nur monoph^^-sitischc Bekenner zählte, die
mit dem Dogma der byzantinischen Kiivhe ttlier die verschiedeneii
Niitureii Christi in Widei-streit standen». Hauptsächlich freilich wurdp
die Ausbr(Mtung des IMuluunmedanismus durch den Nachdruck der welt-
lichen Gewalt entschieden. ') Mit dem Uel)ertiitt war eine Hanpt-
«^;hi*anke gefallcMi, die sich einer innigeren Vennengung der VolksstfiauBe
entgegengestellt hatt(} und der Misch ungsprcR^ess guig so gründlich for
Mch. class daraus eine (Generation entstand, in welcher die Elemente
des alten At^ypteilhums — bis dahin erhalten — um* noch sporadiMh
/u erkeimen sind. Was die Kiuwandenmg der Isiueliten und Aethiopea.
was di(* Fj'olN>rimgen der Hyksos und Pei'ser, was die Herrsdiaft der
(Ti-iechen und Römer, was der geistige Kinfluss des (.'hristenthnma nkht
vemuK'ht und nicht gewollt hatten, das brachten der Isl&m nnd
die Araber fertig: niindich alle Dinge, welche das ägyptisdie Volk
/um ägyptisclx'ii machten und weh'he es durch die Jahrtansende ^flih
lieh unversehrt hindurchgerettet hatte, bis auf einen geringen Best n
zerstören und verschwinrU^n zu machen, eine ui*alte NationalitAt md
('i\ilisation einer f;ist vollständigen Vernichtung und Veigessenheit Wä
überliefern. - 1 Aegypten ist ein leuchtend(?s Beispiel für die Widrtig»
keit der ethnologischeji Wandlimg(Mi, weh^he in diesem Falle, wie in
manchen andcTen, allein den Umschwung des dortigen CnltargtjgM
erklären. Die in Aegypten eingetn^tene Wendung wird dorch keinei
der S<*hlagvvoi1e vom Ht'gierungssystem, der Beligion, vom P&ABnthlim,
der Aristoki*atii» (mI(t der unterdrückten Volksrechte ahgethaa; da»
ethnische Moment allein löst die Frage.
Von Aegyi»ten ans sollte das übrige Afrim unteinvorfen werden,
doch ruhte diese Krolwrung bis zu d(»n Jahren (>46 und 667; inden
trelang e^ den AralnMii noch nicht, sich zu l)ehaupten; dies konnten «le
ei-st zwis<hen {\\)'2 «»'.»s. nach schweren Kämpfen mit den Byzantinern,
den damalig^'n Heiren der nonlafricanischen Gestade; von hier aas
drangen *-ii' 710 nach S])anien. Mit den Krobenmgszügen der Araber
*i Steplinn, JJfts heutif/e Atj/if^tef. Leipzig lbV2. S* 8. SAT— 9M.
t Liittk«', AffiifptfM'0 tirue Zeit. I. n»l. 8. 12—11.
Di« SrobtToag«« 4#r Ara^r. ISl
kamen indes» nur Krieger nnd einzelne Familien aiabischer Abkunft
nadi Nordafrica, weldie sich in den Stftdten, hier und da auch in einem
befestigten Castell niederliessen, aber das ganze Flachland, das Gebirge
imd die Sahara blieben in den Händen der autochthonen Berber. So
igt e% eine gewöhnlich abersehene Thatsache, dass bis zum
Jahre 1050 unserer Zeitrechnung Nordafrica mit Aus-
nahme der Städte nur von Berbern bewohnt wurda^)
Bb um die Mitte des XI. Jahrhundeils bildeten sie verhältnissmässig
ciTilisirte Staaten mit berberischer Bevölkerung imd unter berberischen
Dynastien. In Tunesien herrschten die Ziriden, in den Provinzen
Constantine und Algier die Hammaditen, in Marokko die Almora-
^iden, alle drei Djmastien vom Stamme der Sanhadscha, der dar
aals sidi der höchsten Blttthe und Maclit erfreute. ^) Unter seinen
Berberftrsten war Nordafrica ein blühendes, dvilisirtes I^nd, n^ie die
Beridhte der pisanischen, genuesischen und venetianischen Kaufleute aus
dm Mittehüter bekunden ^) Erst in der genannten Epoche fand die
nicfatige arabische Einwanderung statt, welche den Bevölkerungs-
Verhältnissen mid damit zugleich der Cultureiitwicklung in Nordafrica
neue Gestaltung gab. Ein zweitem Beisiuel also von der Bedeutung des
Bacemnoments in der (Kulturgeschichte! Die Ei'oberung Nordafrica'»
m VII. Jahrhunderte beschränkt sich culturhistorisch demnach auf die
Annahme des Islam durch die Berl)er, die von jeher eine ausserordent-
bebe Neigung zur religiösen Sondersti*llung hatten und die Stiftung
neuen Secte mit Enthusiasmus zu begrflssen pfi(^en. Sie hatten
seinerzeit leicht zum Christenthume bekehrt, dann als Christen
Donatismus, den Circumcellionen und jeder vom Katholicismus
abveiGiieiiden Lehre gern fonatischen Vorschub geleistet; eben so liessen
4/t sich zum Islam bekehren,^) freilich nicht ohne zuvor den neuen
Bedrflckem den heftigsten Widerstand entgegenzustellen. Diesen Ueber-
erleichterte die von den Vandalen eingeschleppte Lehre des Arius,
i€h Guistus ni(*ht als gottgleich zu achten — eine Lehre, die
viel Boden gewonnen mid mit der moHlim'schen Fassung zu-
^ntraf. Trotzdem nuu^hte sich der Racenhass alle AugenbUdce
Laft durch blutige Aufiitände der berberischen Bevölkerung gegen die
arabisdien Statthalter, welche Namens des (1ial}'&ts Nordafrica regier-
ten. ^) Kein Jahrhundert war verflossen, als ein Theil des Landes nach
dm andern dem Cha]>iut auf immer entrissen und eine unabhängige
*> II. Baro« M Alts an, X>«r Vilktrl-ampf Mtritchtn Arabern ttnd Btrbtrtt im S»r4'
•/r^^. fAmüamA 187» No. Sn B. 44A.)
>> Malt tan. A ft. O. H. 447- 148.
*. A. a. O No. 24. 8. 471.
•> A. ft. O. No. IS. 8. 44S.
•> NAbOTM Ober die Oetehiehte NordAfrle«'» »i^hp b^l II. Fournel, Eiud4 9ur Im
tm^mHts ^ T Afrifmt fr U» Armbtg #^ rtektrehit »nr U» trihti§ B^rhi^rtg qni »ni 0ceuf4
Ut Mm^rtk €€»trml. ParU I85T. 4*; dann de»eelh«n : Lft herherf. Ettalt tnr fa cxfnquHt
4» rAfrifmm A'afrt» Ui Uxtt» amW« imprimH. PariH 1874. 4* I. Tome. £in ältere«
mvrk. ae«r iaflierhin noch braoehbar ittCardonne, Hi*toir4 d^ VA/Hqme *t dt lK9pm§m
mm0 *m d^mtmmtiom Htn Amhe: Pari« 17II.V .1 Bdc Deutaeh von Fttai, Ztt rieh 1770. •*.
122 Dw Orlnt mmk dtr UHm.
Dynastie nach der andern gegründet ifard. So entstand 789 die Hbr^
Schaft der Edrisier in llaghreh, wohin die Araber übeihaiyt wäm
als Ansiedler gelangten, im Jahre 80() jene der Aghlabitea
Tunis bis Aegypten und 877 jene der Tnlnniden in Aegjrpten
In Spanien herrschten zur Zeit seiner Eroberung dnrdi die Aniber
westgothische Forsten. <) An&ngs lebten die Landeseingeborenen wlb&ä
den, natürlich nur die Minorität, den Ade! bildenden Westgotfaen nie
sswei verschiedene Nationen, jene nach römischem, diese nach gennatti-
schem Gesetz, jene orthodoxe Christen, diese Arianer. Wie üiderwirti
unterlag aber auch hier der Arianismus, siegte endüdi der KathcdidantfL
Wir werden sidier nicht fehl gehen in der Annahme, dass hkm die
Ueberlegeuheit der Unterjochten, der Erben and Trilger der altifteisehen .
Civilisation, über die rohen Westgothen wesentlich beitrug. Bs
holte sich hier die Erscheinung, dass die Sieger die hiyhere Gnltor
Besiegten annahmen. Kein Wunder daher, wenn die Ootfaen
bald in das Joch der Geistlichkeit geriethen. Die nfimlidien UrsMiMi,
welche die Zustftnde im Reidie der Merowinger herbeiflifartien, wfalMi
auch hier und erzielten gleiche Resultate. Als der lalAm, dmctdi
Zwistigkeiten der gothischen Grossen herbeigerufen, über die
von Gibraltar setzte, wird der Znstand Spanien's ziemlich tnmilos ffih
schildert. Verblüht war die germanische Tapferkeit unter dem trlgM
hispanischen Himmel, der Adel verweichlicht, der Krieger der
der Waffen entwöhnt, der Bürger verarmt, der Sdave hart
Tm Nu fiel der grössere Theil der Halbinsd den Semiten rar
die eingebome Bevölkerung erblidcte in ihnen mit Recht BefM
germaniscl^n Joche, tauschte aber freilich nur einen Herrn gfigm 4tk
anderen ein. Ihre Rflubematur verläugneten die Araber anch bk Bpßttiä
nicht, wie ihr Benehmen bei der Einnahme Tdedo's seigt LudM ^
oberten sie nie ganz Spanien, sondern nur die südlidMm nwvfeiMi^
im Norden erhielt sich immer ein westgothisches Rddi, jenes iM
Oviedo oder Asturien, zu dem bald ein fränkisches in dem novAMIMii
Theile, Navarra und Arragonien sich gesellte. *) Das arsUsdie SpÜsM^
dem Chalyfenthrone einverleibt^ wurde dnrdi Statthalter regiert} ~sMft
die Abhängigkeit konnte nicht lange erhatten werden; so wte Ib ini#
afrka erböb sich kaum vierzig Jahre nadi der Eroberung iH %Ml>l
ein selbständiges arabisches Reich.
Am spätesten erreichten die Araber Sidlien und^UnterftaäsB. TU
ist eine feststehende Thatsachc, dass die Insel Sidlien, die. man Us li
dir neuere Zdt für ununterbrochen romanisch eraditet hat, nlAl
*> Sieh« darObor: J. A0chbaeh*B Gt9ekieht€ d^r W^ttf^iktm mmA Vtlls Daka'l
T>if poiMB^t G09chiehf dtr WttigUht», 1871. QtieneiiKdiriA ill liläOff«* Ml«f^
l«n8tB (t 086), HittoHa tfu Chromfe^H G^homm (1T8— 88$) ap .BNipw MiMifS «i. MkwH
111. T. p. 847 ff.
*) Siehe Jos. Asehbaeh, Ot$chMU 4§r Ommt^md^m im9fmitmm0Mi ^km^99^
$ttiimPf dtt St9l9it*tm9 d€r 9pani§ek0M, ckHtilUhtm JMtIk; 1880. f. tUti^ #■■ SWiTt
Witülrg d0§ MiM9utmmn§ d^Stpmgns,
i
IM« Erdb«ninK«ii 4^r Ar»b«r. 123
dem Xni. Jahiimndert italianisirt worden ist. ^) Bis dahin siirach das
I^nd hst aitfschliesslicfa griechiech ') und daranf arabisch. Die arabische
Erobefimg SiciKens ging erst von den oberwfthntcn Aghlabiten aus,
war jedoch nicht so leicht me jene Si>aniens, denn hier stiess man
nicht auf entnervte Germanen, sondern auf braintinische Truppen, bei
welchen rieh die Moslime auch andei-wärts nicht eben viele Lorbeeren
fehoh haben. Im Jahre 831 wurde der Isläni nach einjähriger Be-
lagerung Herr in Palermo, erst 879 in Syi-akus. Der hörten? Widcr-
>tand hatte auch grössere Flrbitternnp: zur t'ol^e, denn l)ei der
Kinnahme Taormiua*s (902) wurden alle dahin gefiüi»hteten Christen
<4unmt der B«'äatzung niedergemetzelt. ';
E« fehlt nun nicht an Greschichtsschrt»ilKnii, ilie vor ihn- t^oln^Tung
Ktnen wahren Abscheu zu verbreiten, in ihr die Quelle alles Unheils
finden and keinen Eroberer nennen können ohne ihn luit den Bezeich-
nongen ^•««•hJau^ «xler ,4^usam" au<^zustatten. Gewi.ss haften der Ei'-
ubening allemal sociale Missstände an, eb<Mi m) gewiss ist sie abpr in
der einen otler der anden^u Fonu die? einzige und ui*sprünglichst<;
Daiäs. worauf Staaten gegi-ündet werden. Al)gcselien, diiss der Unter-
<lkied zwis<*heu KrolKTungen auf physischem und geistigem Wege nur
«in relativer ist, da ilit? physischen Mittel, je nach Massgabe d(T
imtigen und .sittlich(*n Entwicklung der Men^chhcit, /umei.^t V(m geihtigeu
Factoren abliän^^en,^) sind jene Kj*oberungcn, die am fri«Hllichsten
niieinen 4ift die blutigsten von allen. Die (te>cliichte kennt kein Bei-
spiel eims Staates, der nicht auf KrolxTuuj^ gegründet wäre und
keines einer blutbesu«lelteren uLs jene des St4uites, der sich für den
freiesten, hmuansten, fne<llichsten von allen au*<gibt. Kein Ikxleu ist
mit mehr Blut gedUngt, kein Staatswesen mehr auf die Veililgung und
AoäitiCtung sein<T ursprünglichen Bewohner l)erechnet, keines bis in
die neueste Z4?it in die (tiüuel eines mörderischen Hacenkampfes mehr
verwickelt als die Bepublik der Vereinigten Staaten.
Dttiis auch der arabi.sche Sta«it auf Fj*oberung sich gründete, ibt so
naltkrüch, dass ohne di(*>e er ülN>rhanpt nie ei->tanden wäre, und roh
wie die arabis<'lM*n Stämme anfiinglich v.aren. konnte die Ei*(»b«»ruug
nor in roher W'eisi* jreM*liehen; ist die Sage von der Zei*stöi*ung der
Re^te der al(*\andriniM'hen Bibliothek diu*ch die AraluT wohl nur Fabel,
v> märe di(*^*ll)e d<H*li ganz im (ieiste ihrer damaligen fanatischen und
kri#irf'ri?chen Bohheit g«'W(*s<»n. Diese streiften sie ei*st ab im Contacte
mit d'^n fremden Nationen, die sie iM'siegten. Schnttweise lässt .sich
a^igen, wie die AralM»r tdK>niII die in den byzantinischen und iH*i*sischen
') Di«»M ThftUAch« ward« f«i»tg«.4t<!llt durch M. AinAri. StoHa (Ui Mumlmani in
Bi^.m. TlTtnwt 1KS|— 72. III. Bd. 8. 218 und Otto IlAriwig, EimUitung guLaorik
Geas«nbtell, 8ie0tmmi»th« Mährthen^ au» dem Votkumumit getnmmett mit AttmerkungtH
K«lttkold KökUr». L^ipiig IMO. 8 2 Bde. I. S. 21—50.
*> Di« fri«ckiMk« CiviU^ation der Int^I ii*t such vcrtrefllich hrrvorgehobrn b^^i
•• Jf T. Hoffw«il<*r, 9iciU0n. SchUdermn^wi* au» ütffeHtrnri hm^I Verpm»g«nhtit Lr||>-
r^ 1*10.
*l J«U«» Braun, A. a. O. H. :»4.
> Lni«af«ld, Sti^ltrttumeha/t der Zukunft. ]. b. IM.
124 Der Orient vnd der Itlln.
Ländern vorgofundonon Einrichtungen bestehen Hessen und selbst be-
nützten, sich so zu sagen auf den Schultern der Fremden zu höherer
Gesittung cmpoi*sdnvingend. Genau so erging es den germanischen
Barbaren, welche über das römische Keich hereinbrachen. Im Kriege
lernten die roheren Sieger stets von den gesitteteren Besiegten. So
war auch die glänzende arabische Civilisation, welcher das AbendUmd
so viel verdankt, wi(» die geiinanische, wie die fillhere römische und
griechisch -makedonische, eine unmittelbare Folge der Er-
ober u u \i.
Dir ]»atriar(«]iallse]io Zeit dos (liaHfatM.
Die bisher übliche Behandlung der ambischen Gesittung mahnt
lebhaft an jene, welche gewöhnlich den alten Hellenen zu Theil wird.
Die Darstellung wilhlt hierzu die glühendsten Farben ihrer Palette
Beide Völker halM'u in der That Hohes geleistet, dennoch darf man «»
nugescheut aussprechen: sie wenleii ni(*ht unbeträchtlich überschätzt
l^»gt man die kritische Soiid«' der F(»rschung an sie an, spürt man
den ri>>prüngen der einzelnen Bestand! heile jener gepriesenen Civili-
sationen nach, so gc? wahrt man mit Ueberitischung, wie gering der Zahl
nach die eigenen, originalen Leistungen beider Völker, wie gix)ss dagegen
die Zahl jener sind, welche sie von anderen Nationen überkommen, in
sich aufg(*nonnnen haben. J)ies >oll(>n die nachstehenden Blätter in da^
gehörige Licht rücken. *)
Die Entwicklungsgeschichte des Chahiiits zeriilllt in drei grosse
Perioden: in die patriarchalische Z(?it, nämlich die HeiTschaft der vier
ersten Chalyfen, von Muhannned bis auf Aly, d. h. von 632 — 661 itChr.;
in die Zeit der Onimajadendynastie, die ihren Sitz vcm Mediua nadi
Damascus üb(>rirug, 061 750 n. Chr.; endlich in die Periode der
.VbbasidenheiTscliafr in Bagilad, 750 — 1258 n. Chr., welche mit dem
Stur/.e des Chalvfats durch die Mon'.^ok*n ihren Abschluss findet Jeder
dieser Zeitabschnitte trägt sein bi'sonderes. eigenthümliches GeprSge
und stellt sich aN mit Nothwendigkeit aus <len fi'üher herrschenden
Zuständen hei-ausg(» wachsen dir.
Div Gründung der neuen lieligion änderte nicht das Mindeste an
Oiaracter, Sitten, (lewohnheiten und Anschauungen dt?!8 arabiscfaoi
Volkes in der etwa IJOjährigen Epoche, welche die imtriarchaliscfae Zdt
unifa«iste. Die Wirkungen veränderter religiöser Meinungen gelangen
überhauj»! stets (»rst nai-h mehreren (Tenerationeu zum Ansdnuto.
Indem man n.ich des Propheten Tode Abu Bekr zum Oberhaupte eiicor
und die freie Wahl durch <lie versammelte Gemeinde, sowie deren Be-
stätigung durch die allgemeine Huldigung als ein staatsrei*htlichc8 Princ^
') Die Dnrrttollung d«r arAbi<«chi*n (.-ultiir, wie >*i^ die erot«i AnAikg^ dies«» Buek»
rnthirlt. hnt durch du- st'ithor ^r^rh^en(•nc trcfTlicbe Work A. ▼. Kr«mer*s CmÜmrgih
ßrhichtr tJfn orientH HHtrr <7rH rhnfi/fit in allen Puncten die umfusradate BttHlg— f
rrfnhron. Irh n«>1inir «liiM^elho dnher dentn frendiger mm Fühmr bei dl#Mr amcfl B«*
prbriliing.
Die patrUrehftliMlie ZmH de« ClieUf«ts. 125
aoistelltf*, gab man sich dn&ch der Leitung der aus dem Alterthume
ererbten Gewohnheiten und Anschauungen hin. Denn schon vor
Mohammed gingen die arabischen Stdmme bei der Wahl ihrer Haupt-
Knge und Anführer von ähnlichen Grundsätzen aus. Die Idee von
der Nofhwendigkeit eines Stammeshäuptlings, der allerdings das Senio-
ratsprinnp zur Seite stand, ist altarabisch; dagegen war die Idee des
Erbkönigthums den Ara1)eni völlig fremd, und das Volk strebte auch
in den ersten Zeiten sein Sell)stl)estimniungsrecbt enei'giscli geltend zu
madien. Bei den Aral)eni nun ist es am deutlichsten zu erkennen,
wie enge und unzertrennlich in der Auflfiissung des Orients die Idee
der Souveränität mit jener der höchsten religiösen Würde, dem Hohe-
prie^teramte, verkettet ist. Zugleich waren dem echt semitischen Geiste
der Araber zufolge Staat und Religion identische Begriffe. So ging
die Souveränität, die Herrscherwürdc, die früher den nordarabischen
Stimmen gänzlich fremd ge1>lieben war, aus der religiösen Idee hervor
ond schien der arabische Staat eine verjüngte Auflage der althebräischen
Theocnitie zn sein, Soll ein Volk die Bahnen der Cultur betreten, so
■nsB dMs Erste die Vemichtimg der Freiheit sein. Dazu bieten die
Reiigionen die Hand, darin liegt ihr eminenter, geradezu uuschätz-
hartr Culturwerth. Dies gilt vom Christ enthum, gilt vom Islfim, Das
GrOeste, was Muhanuned geleistet hatte, das Gehoiiniüss dvr Macht des
Idlm, hig in der festen Disciplin, in dem unbedingten Gehorsam,
«eldien er den Seinigen einzuflössen wusste. Die Moschee ward eine
Sdinle, wo das Volk sich sammeln, in Massen bewegen und dem Com-
auido folgen lernte. Nur auf diese Weise konnte sich die persönliche
Sovvertnität, das monarchische Prindp, ausbilden imd befestigen. Die
imwTe Nothwendigkeit machte aas dem losen Bunde der nordarabischen
Stimme eine nach aussen scharf allgeschlossene und mich innen streng
<fisdpiinirte Körperschaft. Die monarchische S]>itze war hierbei ein
Gebot der Selbsterhaltung für das im Kampfe mit allen Nachbarvölkern
befindlirhe; neu entstandene Staatswesen des Islam. Dessluilb betrachten
afle arabischen Denker das Königthum durchwegs als eine zur Aufrecht-
erhaltmig der gesellschaftHchen Ordnung unumgänglich nothwendige
Ejnrkhtung. Das Königthum ist nach ihrer Ansicht auch eine un-
enthrhriiche Vorliedingung der Cultur und mit vollem Rechte nehmen
4t kernen Anhtand zu erklären, sell>st ein ungerechtes, gewaltthätiges
Kfifii|(tham sei besser als eine ungezügelte Freih(nt. Sf»ll>st vom heutigen
SUndpandf* tide es s<*hwer, dieser tiefen Wahrheit zu widersiirechcn.
Eine einzige Verirmng brachte di(» ^VralxT um alle Vortheile ihrer so
f *•% begrQndeten monarchischen Auffassung. Sie konnten das Selbst-
be^nunongsrecht des Volkes nicht versöhnen mit der Monarchie und
hielten (est an dem durch nichts geregelten allgemeinen Wahlrechte.
Ilev^halb blielien sie \m einem Wahlreiche stehen, das, wie überall so
aorh hier, die verderblichsten Wirkungen äusserte.
Mohammed war, wie er es als Prophet und Ilefoniiator seines
Volk*^ nicht anders sein konnte, ein Revolutionär im vollsten Sinne
drt Wortes, denn seine religiösen Bestrebungen musJsten nothwendigcr
WH»e iridit bkn» die staatlichen Verhähnisse gänzlich umgestalten,
12^) Der Oriont und der IsIAm.
siiiuloni sie hatton die o1>ou so M'ichtige Fo]^o, dass auch die socialen
/ustäiide in die vollste Gähning geriethen. Mau versetze sich nur in
die \a\^o der erstem muhaminedanischen (tenieinde, die sich in Me-
diiia um den Pidphc^ten allmähli« sammelte. Kr musste frtr sie sorgeiL
So bildete sieh die Sitte aus. dass von dem Staatseinkommen, wie Beute,
AruK-ntaxe und freiwilligen Beiträiren, allgemeine Veilheilungcn an da»
Volk vorgenounnen wurden. Diese Kinriclitung blieb auch in dex Folge
bestehen, als sieh durch fortgt»setzte Kro])erungen und durch die Auf-
legung von Koj^fzins und (irun(Nt<'iu»r in den unterjochten iJ&ndern
(las Kinkonunen unendlich steigtMte.
Sowie neben Christus der gröss*Te Paulus, neigen Luther der
grössere ^lelanchthon auftaucht . die als geistige (irttnder der neuen
Lehren zu l»etrachten sind, so erscheint neben Muhammed gevrisser-
massen der gi'^issere Omar, lioi diesem trat alier das nationale
Llement scliaif in den ^■ordergrund. Vor Allem Araber wollte Omar
die IIon*schaft an Andren f(>sseln und darum zunächst seine nationale
und religiöse Kinheit sichcTu. Für ihn gab es niu* P^n herrschendes
Volk, die Aniber. Alle anderen Völker sollten diesem unterworfen
sein. Aus diesem Gesichtsi)nncte erklären sich auch andere Verfüg-
ungen d(\sM'lben: so das Verbot t'iir die iMoslimen, sich fremder Sprachen
zu bedienen, das entgegenges(>tzte, dass die Christen nicht arabiflck
lesen lernen, sich nicht der ambischen Schrift Ix^diencn sollten, andi
<lie Anordnung (hr Austreibung aller Andei*sghiubigen aus Arabien.
Ks lag nicht in der Absicht der siegi'eicheu Moslimen, die unteijoditen
Völker sich zu assiniiliren, sondern im (legentheil die Scheidewand
zwisch(*n (iläubigen und Ungliiubigen mögliclist si'harf zu ziehen and
strenge einzuhalten. Ja, mu die Amber als hen*schcnde Kriegskaste
möglichst unvennischt zu erhalten, traf Omai* eine weitere wichtige
Anordnung. Er verbot nümlich auf strengste den Ambern, in den
eroWi-ten Lündern, ausserhalb Arabien, (irundbesitz zu erwerben und
Ackerbau zu treilH>n. Omar, der die Idee ed'asste, den Islam lur
\Veltreligi<m zu machen, kam, (Li kein einziges Volk, keine einzige
(T(;meindt> ausserhalb Arabien seiner Fiinladung, den IsKim anzunehmen»
ents])i-ach . zu dem Schlüsse, (Lis> (h'U Arabern dei* IJenif zufalle, den
Islam siegreich zu machen. Kin "Weltreich erobern konnte er jedoch
unm(")glich mit der (hunaligen Organisation seiner Krieger, die sich
nicht viel von orgaiüsirten liäuberliandcn untei*schied, keinesfidUs ttber
die rohesten Anfjinge eini's Milizsystems (»rhob. Arabien sollte fOirder-
liin ausschliesslich die Tflanzstätte der moslim'schen "Wehrkraft werden
lind diese in stehenden Heeren zur Verwendung gelangen. Er
ftdirte dessbalb die 7a(/////f/-l>ildung stehendei' liwre sowie Tadwifn,
(iehaltsvertbeilung. ein uiul legte dadurch die (trundlage zn
♦'inem dauernden Staat.
rnwillkürlirh diängt sich die Betrachtung auf, wie die Grttndnng
der Staaten mit der Ausbildung der Welu-kraft zusammenh&ngt und
die r>oberung zugleich die grossen E|)0chen in der Reform des Heer-
weseiLs bezeidnu't. Nebst der Raublust bei niedrigen Völkern, ver-
anlasst uuMst der iiLstinctmitssige Tri(>h mich Ausdehnung nnd Macht-
DI« patUrehAltoek« Z«tt de« OlMllfAt». 127
erweiteniiiit die Krobemngslust, die Eroberung. Diesem Triebe 7.n
feraflgen, »i eine Umgestaltnng dos Heerweflens meistens erforderlich;
«o Ring in Rom die Reform des C'amiUus der eigentlichen kriegerischen
Feriode der Republik voran; die stehenden Heere als eine vollendetere
denn die bisherigen Organisationen, wai-en natürlich noch geeigneten*,
noch zweckdienlichere Instrumente und entstanden, so oft. das Bedürf-
ü» ncfa darnach einstellte. Sehr erklärlich, dass die stehenden Heere
Bit scheelen Augen von allen »Ionen angesehen werden, denen Erober-
nngen ein (irftuel sind. Die stehenden Heere des Omar dürfen wir
Ott» indes» nicht so vorsteUen wie die heutigen; sie bestanden noch
immer nicht ans Soldaten in unserem Sinn«*. Er befahl den Kriegern,
welcbe Habykinien erobert hatten, ausserhalb der (irenze Arabiens
aber doch möglichst nahe bei der Wüste zwei stehende I>ager zu
crriditen. welche in kurzer Zeit zu lilühenden reichen Städten (ßassora
■nd Kufii) heranwuchsen. Es waren dies zwei stehende Armeen, und
et fßh iokbe auch in Syrien und Aeg}'])ten. Jedem Araber stand es
frei, vidi in einem solchen liagcr niederzulassen, ja es war OmarV
WonfKcfa, recht viele Beduinenstämme sollten das Hirtenleben mit dem
Waflcnhandwerke vertauschen. In diesen Ijigem imd Städten waren
die Bewohner immer noch in Stämmen gesondert, hatten ihre Schayche,
mnd im Kriegsfälle war die Verptiichtung die Waffen zu ergreifen nur
dne monliscbe, welclier nie Alle nachkamen. Im Kriegswesen selbst
■ftditen die Araber — erst nach Omar — M;hr wichtige p!Jitlehnungen
bd den Fremden. Ihre Kam])fweise, anfangs ganz die der arabischen
fiedninenstämme, änderte sich als sie die VoiHieile einer besseren
Httreioiganisation kennen lernten. Die ommaJadi.schen (.^hal^-fen
^u schon frtihe diesem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit ge-
ZQ haben und nahmen bald die wichtigeren Grundsätze der
die Kämpfe mit den Byzantinern ihnen 1)ekannt gewordenen
Kriegskunst an. Schon frühe wird das System der be-
fcgtigten l^ager eingeführt. Wie die Römer schlugen die arabischen
Fcftdherren nach jedem Tagesmarsche förmliche I^er auf, mit Wall
■nd Graben und zwei oder \ier Thoren. Ursprünglich fochten sie in
Limenftirmation, s]iäter in compacten Trup]>enkörpi*rn. Ursprünglich,
wie erwähnt, nach den Stämmen eingetheilt, organisirte man später
die Trappen in Neil»(tändige (!orps. Noch deutlicher tritt der römische
KindnM bei den Behigeningsmaschinen hervor, denn diese waren bei
dem Arabern wie liei den Römern Ballisten. Katapulten, Wi<lder und
SdiMkröten. M
Nicht bkw auf mihtärischem Gebiete machten sich fremde Ein-
wirlningen fühlbar, auch auf die staatlichen Verhältnisse und bürger-
lichen ZoKtändc übten die Schöpfungen früherer (■ultur]>erioden einen
nnckhaltigen Einfluss, obwohl auch liier der arabische, d. h. semitische
^■cwt nellMitthitig und schöpferisch sich geltend machte. Omar's
commnnistisch-demokratische Staatseinrichtung auf theo*
kratif»cher Grundlage int gewiss eine der merkwürdi((sten
*> Kr«s«r, Cmltmfjß§^§IUekt§ de^OHtmit 1. 8. 91(1. Üil.
128 Der Orient und der Isl&m.
Ersclieinungen der Geschichte. Das ganze Alterthum hat nichts damit
/u vcrgleiciien. Aber trotz dieser Unabhängigkeit Omar's in seiner
staatlichen Oi'ganisation von allem früher Dagewesenen nahm er für
(dnzelne Zweige des Stautswt^sens eine Menge persischer und byzan-
tinischer Einnchtungen an, so z. B. das MUnzwesen, die administrativ*
politische Eintheiluiig der Provinzen, das Besteueningssystem. Die
Vor möi^ensst euer, auch Anueutaxe genaiuit, weil der Ertrag ursin*üng-
lich an die mittellosen Moslims vfrtheilt werden sollte, bestand schon
im höchsten Altort humo 1x4 den Kanaaniten, i^hönikem und Carthagem
als Tempelabgalw zum Besten der Priester. Selbst die Bezeidinung
für die Steuerämter, sjiäter aui alle Kegierungskanzleien ausgedehnt,
das Wort iJqwdn ist aramäisch, indem Omai* dieses in den eroberten
iJindern vorgefundcme Institut fortbestehen Hess und seinen Zwecken
dienstbar machte. In Medinu war dies eine Neuerung. In den er-
oberten Provinzen des byzjuitiuischen und pci-sischen Reiches Hessen
die Araber durch Eingeborne di(^ Buchhaltung in ihren Landesspradien
führen, bis diese unter d<*n Onmmjaden dun^h die arabische Amto-
spi-ache verdrängt wurdtMi.
Um eine angemessene Vertheilung der Einkünfte, die als ein
Gesammteigenthum der Moslimen galten, zu eiTiielen, ordnete Omar L
nach giiechischem Vorbilde einen allgemeinen Ccnsus an. Wir stehen
hier vor einer der eigenthümlichsten Erscheinungen. Denn hatte bisher
jeder solche Census nm* den Zweck gehabt, schwere Auflagen nnd
Steuern einzuführen, so gewährte der von Omar eingeführte alkm
Jtmen, die zum (joran sich bekannten, aus dem Staatseinkommen den
nach den damals heri'schenden Ansichten als Uecht ihnen gebührenden
Antheil. Ks ist ük^iilüssig, zu erört(Tn, welchen Eindruck auf die
Massen, welche Anziehungski*aft diese Politik ausüben musste. Der
religiöse Enthusiasmus mag im Beginn des Islams viel zur Befestigang
der neuen liehgion beigetragen haben, aber der sichere Grewinn nn
Geld und (rut, den Omar den (rläubigen zuwendete, hat gewiss den
grössten Antheil an der riesigen und unaufhaltsam raschen Verfareitun|
der Religion ]VIu}iannu(xls so ^ie an dem fabelhaft schnellen Anwncfasen
des Staatswesens. Die unterjochten Völker mussten säen nnd arbeiten.
Die Moslimen ernt(^ten, genossen und triel>en nur das edie Kriegs-
handwerk. J(Mie zahlten Kopf- und Grundsteuer und mussten nock
NaturallieferungcMi leisten. Die Moslims aber entrichteten 2 7t Proocnt
Vermögenssteuer iflie iVi'numtaxcM. eine Grundsteuer von 10 Procent,
erhielten jimIocIi dafür vom Staate nebst vi<^r Fünfteln der Kriegsbeute
noch fixe Jahresdodationen.
Durch die Zuweisung von Gehalten an die I^amteu und die Er-
nennung von Richtern begrthidete Omar eine freilich der weiteren
Ausbildung noch sein* bedürftige Administration und Rechtspflege. Eine
der wichtigsten administnitiven Massregeln Omars war die Vermeasuig
I^byloniens zum Behufe einer glcichmüssigen Besteuerung, wobei nidif
blos auf den Flächenraum, sondern auch auf die Qualität des Bodew
liücksicht genommen wiu*de. Durch die Herabsetzung des Zolles nnd
die Eröffnung des Suez-Canals sucht« er die Einfuhr gewisser Gattungen
Dm arabUdi« CUwtolweMiL 129
Cnrealien zu ftVrdern, weldie Ai*abien nicht in genügender Menge her-
▼orbnuslite.
Mit dem Regierungsantritte Osmäns, des dritten Chalyfen, kam
eine andere Partei ans Ruder. Eitel und schwach, wie er war, stand
er Aber alle Massen unter dem Einflüsse seiner mekkanischcn Ver-
wandten, der Ommi^en, die er in jeder Art bereicherte, aus deren
ICtte er hat alle einfiussreichen und einträglichen Posten, besonders
die Statthalterschaften besetzte. Was die moderne Sprachweise Nepo-
tismii«, Verwandtengunst nennt, und wogegen so viel vorgebracht wird,
obgieicfa es in der menschlichen Natur begründet ist, galt den Arabern
■laüidi immer als etwas ganz Selbstverständliches, ja als eine durch die
Hefli^eit der FamüienlKUide auferlegte moralische Verpflichtung. Die
Terwandten und Anhänger des Chalyfen befieinden sich daher natürlich
aof den wichtigsten und einträglichsten Posten des Staates. Indem er aber
lanahraBweiBe hohe Dotationen zum Besten seiner Verwandten bewilligte,
»rlrtd^elte Osmän das System der Jahresdotationen. ') Ebenso machte
ff lahlreidie Ausnahmen von dem durch Omar mit so viel Energie
zn Rogienuigsgrundsatze erhobenen Gesetze der Ausschliessung der
MmKww vom Grundbesitze in den eroberten Ländern. Sein Vetter,
MoAwija, der Statthalter von Damascus und spätere Chalyf, bewog ihn,
ihn die Knmdomainen in Syrien zu übertragen, die bisher für National-
d^entlram der Moalims gegolten hatten und nunmehr denselben dauernd
entzogen wurden.
Das arabische Cllentelwesen.
Ton einschneidender Wichtigkeit für die ganze Geschichte des
Ckaiyfits gestaltete sich bald der im staatlichen Leben zu praktischer
(icitnng gelangende Unterschied zwischen Vollblut- und Halbarabem,
d. k zwischen wirklichen Arabern und jenen Besiegten, welche den
Ulm angenommen hatten. Die Wirkungen der ctlinischen Unter-
•ckiede treten dabei, wie überall so auch hier, mit auffallender
hervor. LedigUch auf diesen entwickelte sich ein Gientel-
wekhi^ mit dem fiist gleichzeitig in Kuropa aufkommenden
Fendaiisains und Lehenswesen die überraschendste Aehnlichkeit besitzt.
Wir gewinnen daraas die Lehre, dxiss weder Kirche noch Absolutismus
bei ons diesen Zustand in's Leben riefen, sondern, dass der Feuda-
ii«ani8 eine allgemeine culturelle Erscheinung sei, der sich
bei den verschiedensten Völkern von selbst entwickelt. )
Der kriegerische Uebermuth der Moslims, welche die Bewohner
dw eroberten Länder — gerade wie die Alten — als Heloten be-
haadc-lten and mit Leistungen aller Art auf da» Drückendste über-
bardcten, die strenge, unerbittliche Regierungs{K)litik des zweiten
't Kf«M«f, A a. o. I B. itrv.
•> A. a. O. I. S. 10».
«. B«11«*U, CalUrg«MU«kU. S. A«i. IL 9
130 Der Orient und der IslAm.
C]iaI}'fon, der den Arabern den Grundbesitz und Ackerbau streng
vfrbot, um sie ausscliliessiicli dem Kriej^sbandwerke zu erhalten, hatten
auch liier wie anderswo massenhaften Uebertritt zum Islam zur Folge,
wobei sicher Viele nui* d(;n änsserlichen Schein wahrten. Vjele der
alt^^n l^ndeseinwobner wurden l>ei der llroberung auch als Sdavca
verkauft und erhielten s])ät(T, hatten sie sich zum Islam bekehrt, die
Fn;ih(nt, wodurch si(> zu ihren früheren Herren in dam (?lientclvcrhältms8
traten. Nun verbleiben al>er nach arabischer Rechtsaufüassung die
Nachkommen eines Client en in demselben Verhältnisse zu den Nach-
konunen d(*s Patrons und man l)e^reift dalier, wie rasch die Bildung
einer Halbkaste von alten Landeseingcborncn, die zu den
arabischen Eroberern im Clientel Verhältnisse standen, vor sich gehen
nmsste. So Standern sich in den erol)erten Provinzen des ehemaligen
persischen Reich(*s folgende Kasten gegen(ll)er: 1. die arabischen £r-
ol>erer und deren Niichkommen; 2. die Nemnusclmänncr, d. L die
neubekehilen alten I^ndeseingel)ornen und (/licnten; 3. die nicht-
nudiammt^danische Ikvölkerung. I^etztere war, wenn nicht besondere
('a])ituIationen sie schützten, nahezu rechtlos und musste arbeiten und
zahlen, um die Kosten (h^s neuen Staates, namentlich des Heeres la
iK^streiten. Die communistische Demokratie Oinar's cxistute also nnr
fUr die Moslinrs, nicht für das eigentliche Volk; ganz in dar
nämlichen Weise existirten die Demokratien der Hellenen und der
römis(;lien lle])ub]ik nur für die Büi*ger, nicht für die in Griechenland
wenigstens die Majorität iler Hevölkerung ausmachenden Sciaven. Die
alt<^ernuuiischc Freihciit war auf die An^eliörigen germanischen Stammes
bes(rhränkt, die unterworfiuien Völker in Britannien, Gallien, Spanien
und Italien hatten keinen Antheil daran. Uebcrall jedoch bildeten die
rechtlosen, unterdrücktc^n , im Verhältnisse der Unterjochung Lebenden
die üb(»rwiej(ende Mehrzahl der Hevölkemng, oder mit anderen Woiten,
die angebliche Demokratie war genau genoimncn eine drQdcende
Aristokratie. Ich glaube für Ilclhts, Rom und die Germanen gexeigt
zu haben, wie diesem üln^rall wiederk(;hrenden Unter- nnd Ueber-
or(lnungsverhältniss(^ stets ein nationaler Unterschied, d. h. ein eth-
nisches Moni (Mit zu (ininde lag. Omar's connnunistisch-demoknilisclie
(irundsät/e versuchten zuerst von dxvmn nationalen Schranken abzusehen
und an deren Stelle jen«* d(T Heligi(m zu setzen, denn ihnen zniblge
sollen alle Muselmänner gl(Mchbei («chtigt sein und gleichen An-
s])nich auf di(^ Vertheilung des Staatseinkommens hal)cn, a]so andi
die NeulM'kehrten und dienten freni'ler Nationahtät ganz dieselben
Rechte g<»ni(?ss('n wi(» die Vollblut-Araber.
Ks gibt al>er vielleii^ht kein zweites Volk, das mit einem »
ausgesprochenen rnabhinmij^keitssinne wie die Araber auch so viel
a r i s t o k r a t i s c h e s S e 1 b s t g e f ü h 1 und so viel Exclusivität
^e^Mi|)Q))(.)- ti(.n FnMuden verbindet. Wer nun lediglich auf den Blicb-
stalH>n der inosIimisc.JKMi Sat/ungen hin und ohne Berücksichtigung
di(>s(>s cthnologisclieii Merkmal(>s ein (iemäkle der islamitischen Gnltiir
entwirft, üciert ein vollkoinm-'nes Zerrbild; denn nichts ist
irriger als, dass die Kigenart der Völker am besten ans ihren
Dm anblMh« ClUnielweMo.
131
Gesetzen zu erkennen sei ^) In der That, die arabischen Krieger
and ihre Nachkommen konnten sich nicht in den Gedanken finden,
dass der Uebertritt zum Isläm den Fremdgebornen zu allen
Rechten des echten Arabers erhöhe. Immer l>eti'achteten sich die
Araber ak die herrschende Nation, berufen über die fremden Völker,
die Barliaren zu gebieten. Und als Muluunmed alle Moslimcu für
gleich und alle Unterschiede des Heidenthums für aufg(»hoben erklärte,
dachte er sicher nicht daran, dass der Islam einst auch Nichtaraber
onnfinääcn werde. *) Man sieht daraus, von welch* unermesslichcr IJe-
deutung das ethnologische Moment ist, wie lächerlich die Ijehren Jener,
die dasselbe missachten, wie fruchtlos in der Praxis die Bestrebungen
dea^Gesetzgebers, des politischen wie des religiösen, der sich in der
Theorie darüber hinwegsetzen zu dürfen wähnt Sollte nach Omar*8
Ideen der Isl&m allein die Grenzen seiner demokratischen Aristokratie
hiUcn, 90 blieb diese in Wahrheit auf das Nationalaraberthum
beschriknkt
Die Clienten, d. h. die muhammedanischen Nichtaraber glaubten
aber ihren<eits ein um so grösseres Recht auf volle Gleichstellung zu
besitzen, als s i e es waren, die mit grosser Rührigkeit sich geraile jenen
gelehrten Stadien widmeten, die damals das höchste Ansehen genossen,
■imlich der Qoränlesung, Exegese, Traditiouskunde und Rechtswissen-
ubaft. Fast sdieint es, dass diese wissenschaftlichea Studien in den
enten zwd Jahrhunderten, also mehr als die ganze Ommajaden-Zeit
hindurch, vorwiegend von CUenten, nämlich von Nichtarabern be-
trieben worden; was sehr begreiflich ist, wenn man die Beduinenrohheit
der Araber in den Anfangszeiten bedenkt Aus der Clienten Mitte
ergänzte sich der Gelehrtenstand, und je mehr er sich allmählig aus-
bOdece, desto grösser ward auch der Kintiuss der Clienten und desto
Mhwerer fühlte man in diesen Kreisen die Unterordnung unter die
hemcbende Kaste der Nachkommen der Eroberer. Zugleich al)er ahnt
■an. wie die Blütho des arabischen Wissens fremden, zunächst
per^ihchen Ursprunges ist
Die sociale Verfossung des alten SaÄsanidonrciclios war fiu<t ganz
ft-odal; ein grosser, grundbesitzemler Erbadel, die Dthlans, bildeten
die Mittelstufe zwischen König und Volk. Dirsor Feudaladcl rottete
die Trümmer seiner alten Mactht diu-ch rcHihtzeitigi'n UobfTtritt zum
L4ini und gewann Imld Eintiuss und R(uchtliuni^ indem er das einträg-
bt-hf' Gi'schiUt der Steuoreiidielmng in die Hände Iw^kain. In Biibylonien
«<#lmt4* 4*ine dii^hte, ackerkiutreilnrnde, tieissige He\ölkening und iH'stand
rin nnWT iKi^ischer Herrschaft sehr entwickeltis System der Canalisation
*i Dt«««r 0«Mriop!«t> i^t tcbUigead widerlegt worden vom Lcydener Profc^nnr J.
C Gp«4«ait in Mioer Omtio äit »arUf eau»i» quibmn ßt , ut popuforum legt» oh forum
mm*%tm» ditreptmt. Liigd. Ratar. 1871. 8* Htoherlieh ^ind die Oo4etze im AllgemeineB
wokl der Avfldrmek de« VolkMwiUen«, tllein nur für die Kpocbe ihreit Kat-
et«ktat, kciaaewef« *b«r logleiek der treue Spiegel der Volk^ent wick 1 ung. denn
s*«bt<f*c^« UrtAcken verAolaMen ein Mi4tverbäUni4s cwi-tchon der lte4cU;ebung und
i'% Mtiea eiset Volke«, da« bkuflg deucrnd rrbAÜen werden liann.
* K reise r. 9ii9i/»SLgt. 8. IJ -16.
132 D«r Orient ond der ItlAm.
und Bewässerung, welches den Ertrag des Bodens verzebn&dito. Diesen
ergiebigen I^andstrich bezeichnen die Araber unter dem Namen Sawdd,
und musston dessen Einwohner Grundsteuer und Kopftaxe zahlen.
letztere ward jedocli nur von den männlichen Individuen mannbaren
Altei*s eingehoben. Wenn ^ir veniehmea, dass es solcher Steuerpflich-
tigen damals 500,000 gab, so kann man sich einen annähernden Begriff
von der Stärke der Volksmenge machen, die unter dem unumschränkten
Machtgebot der Eroberer stand, deren Zalil wohl kaum 200,000 Über-
stieg, I) also eine immense Minorität bildete. War nun die Besteuening
an sich nicht sehr drückend, so wurden die Steuern doch sehr will*
kürlich eingelioben und die Eingebomen mit Naturallieferungen an die
durchziehenden Truppen überbürdet; so war es in Aegypten, Syrien
und wohl auch in Iraq. Ausserdem hatte die Rtgah die Canile,
Dämme und Brücken in gutem Zustande zu erhalten und vennuthhch
auch für andere Regierungszwecke lYohnarbeiten zu liefern. Es ent*
wickelte sich demnach im Orient ein Verhält niss, welches zwar keine
Sclaverei, aber mit der Leibeigenschaft im christhchen Europa, auf
welchem damals ,.die tiefste Geistesnacht lastete", die allergrOsste
Aehnlichkeit besass. Schlimmer ward es noch als die von jeder Ri^jah*
Gemeinde zu entrichtende Grundsteuer als unveränderliche Pansdial-
summe angesehen ward, die sich nicht vermindern durfte, wenn auch
die Kopf/iihl der Gemeinde abnahm, und es ist zweifellos, dass eine
solche Abnahme sehr rasch eintrat und progressiv stieg. Viele entlegen
sich der FremdheiTsohaft durch Flucht und Auswanderung, viele traten
zum Islum über, woduich sie vom Steuerzahlen hätten befreit idn
sollen. Um jedoch eine zu empfindliche Abnahme des Staatseinkommau
zu verhindern, hielt man die Neumusehnänner an, die Kopfsteuer fort
zu entrichten und liess sie nie oder nur unregelmässig zur Betheiligung
mit fixen Jahresdotationeu zu, die man blos den echten Arabern
gewährte; als dann die alte ai-istoki-atische Partei von Mekka die
Regierung in die Hand l>ekam. fielen die grössten Uebergriffe vor; die
alten Moslims erwarlK^n (irundeigenthum, die Neubekehrten behielten
das Hinge, mussten aber Grundsteuer und Kopftaxe entrichten, wfthrend
von den VoIIblutni-abern nur die Einkommensteuer (Zehcnt) eingehoben
ward. So gelangt denn der nationale Unterschied selbst . im Steuer"
wosen zum bedeutsamen Auwlnick; alte Nachrichten über die Steliung
der Clionton zeigen übrigens miwiderleglich, wie dieselben von den
Arabern als ein<> untei^georduete Race behandelt wurden. Ich hebe nnr
Einen Zug hervor, der sie den Leil)eigenen der Cluistenheit völlig zur
Seite stellt, und am l>esten den Inlhuni entkiilftet, es sei dieses Institut
ein "Werk der christlichen Gesellschaft oder gar der Kirche gewesen.
Wollte Jeman<l nämlich im Orient um die Tochter eines Clienten an-
halten, so (lnrft(; er sich nicht an den Vater oder Bruder des Mädchens
wenden, sondern musste bei ihrem Schutzherm um ihre Iland bitten
und dieser bewilligte ihm die Heirat, wenn sie ihm gefiel, oder
*) Krem«r. A. ». O. 8. 17^19.
Dm ttrablteli« Oli«Bt«lwMtB. 133
sie zurOdL Sdiloes hingegen der Vater oder Bmder des M&dchens die
Heirml ab, so galt sie für null und nichtig, und war selbst schon die
Ehe vollzogen, so galt dies als ein&cher Beischlaf, nicht als Eheband.
Von hier bis zu dem berüchtigten jus primae noctis ist aber nur ein
geringer Schritt; übrigens dürfte auch im Oriente manche Schöne un-
freiwillig genug die Haremsbevölkerung vermehrt haben. Bekanntlich
durften sich die Leibeigenen der christlichen Staaten ebenfalls nicht
ohne ausdrückliche Zustimmung ihrer Herren verheirathen. Wer nun
in den düsteren Farben die Culturzustftnde des werdenden Europa malt,
bitte wohl die unabweishche Pflicht in gleichem Tone das Oemälde des Islams
zu halten und absolut identische Erscheinungen nicht zu verschweigen.
Sinnlos ist die Betraditung „der Muhammcdanismus habe den Grund-
satz der reditlichen und bürgerlichen Gleichheit aller Menschen, sofern
ne »dl zu den Lehren des Qor&n bekannten verkündet und dies in
derselbea Periode, in welcher unter den Christen das Feudalwesen mit
Kiner Unfreiheit der Menschen wie des Bodens einen heillosen Stände-
«Btersdiied schuf und die büi^erlichen und politischen Verhältnisse von
dar Wnrzd aus verdarb.^ Verkündet hatte das Christen! hum die
^eidiheit aller Menschen, nicht nur, wie es der engherzige Qorän
that, sofern sie Christen wurden; durchgeführt hat sie aber der
IilAm ebensowenig als das Christenthum. Ganz zu gleicher Zeit
teaciite er dem Orient Zustände, die mit jenen des Fcudalwesens die
voOendetste Aehnlichkeit besitzen, die Menschen und den Boden
terknediteten, denn bald galt der Satz: das Saw&d ist ein Garten der
Koreisdiiten, von dem sie nehmen können, was ihnen beliebt. ') Und
was die heillosen Ständeunterschiede anbelangt, so war nicht dem
Namen, aber der Thatsadie nach, im Islam ein nicht weniger verderb-
fidwr Adel entstanden, indem der echte Araber sich immer für un-
cadlicfa hoher und edler hielt, als den neubekebrten Perser oder Aramäer.
Uad wihne man nidit, dass die Behandlung der Unfreien eine väterlidi
gewesen seL Dem widerstreitet die liohheit der arabischen Er-
Dessgleichen war die Unduldsamkeit des Islam durchaus keine
«entschieden geringere^ als die der Christen, eine Ansiebt, die stets
oor die Verhältnisse in Spanien berücksichtigt, auf das Wutben der
Araber in Aeg]rpten, Syrien und Persien aber total vergisst.
Die erwähnten Zustände erweckten natürlich Missstimmung zwischen
den Arabern und Neumusebnänncm und diese trug wieder am meisten
za den fortwährenden Au&tänden und Erhebungen gegen die Regierung
der Cbaljfni bei; dieserhalb und nicht, wie man uns einreden möchte,
\km der individuellen Uerrsdiaft wegen, entstanden fort und fort Spal-
Ao&tände und Kriege. Die Sucht nach individueller Herrschaft
*>Kr«M«r, A. *. O. 8.10. yL%^ou^i ^ Ut PruiHtt i'or. T«xi$ tt trm4n«Hm
pme C. B»f¥i«r d«]i«yB*rd. Pari» 1865. IV. Bd. b. 'i6'i: .On raeemtait t»§U}
fmeempm^r Ut »/#v« #r d'ap^tr dit m 4erü ^ Otmam qu» U Saiead itait la pr^pri/tS 4—
jr«rvlrMf#«. Mi-Afikt^, dcmi h wrai mm ftt Jtalik, JU» ifehHargt ^n-Sokkäpi, M ßi 4—
kr» ä eH fpmri : ^Crüi*-4m 4»nCt Imi dtt-tt, fu'un po^$ plac4 fr Dttm d r^mhrt d§
•f fMi« fa fr^imtim d§ «m Imme— m'^wi fw'iMi jmrdin ptmr ipt H tm tH¥m*'
134 Der Orient und der IslAm*
Ycrsclmldete freilich auch viel, denn das Chaly&t war anfängüdi ein
Wahlkönigthum. Bekanntlich pflegt man als Nachtheil der £rbiiio-
niirchien anzugeben, dass sehr oft die Erbfolge keineswegs blos mittel-
bogabte, sondern selbst ganz unfähige und unwOrdigc Menschen aaf
den Thron bringe. Die Geschichte der Wahlreiche, einer geringeren
C'ultuistufe angehörig, lehrt, dass auch die „Wahl" diesen Nachtheil
nicht zu beseitigen vermag; ein gleiches zeigt die Geschichte der Re-
publiken, wo das Volksvotum nur zu oft walire Scheusale an die Spitze
des Staates beruft oder doch, wie beispielsweise seit einer Reihe von
Jahren in den Vereinigten Staaten, die Verwaltung der meisten Aemter
in die Hände von unfähigen und wenig gewissenhaften Mftnnem legt
Kein Wunder daher, dass auch im Chaly&te höchst untaugliche Indi-
>iduen den Thron bestiegen, der dort, wie tiberall die Bekleidung mit
der höchsten erreichbareu Würde, seinen Zauber übte und Mandien
die Iland darnach auszustrecken verlockte. Dies dauerte ancfa fori,
nachdem die Onmiajaden die Chalyfenwürde in ihrer Familie erbUch
gemacht hatten ; auch jetzt kamen Unfähige auf den Thron, auch jetzt
gob es „Prätendenten", die mitunter blutige Aufstände hervorriefen.
I.);iran trägt, indess die monarchische Regienmgsform so wenig Sefaidd,
dass in der Jetztzeit die Menschen in republikanischen Staaten Sttd-
mnenca's sich dafüi* heiimischlagen, ob Dieser oder Jener für die
nächstcu Pa^r Jahre, oft nur Monate, l^räsident sein solle. Allerdings
vtrstelit es jede solche Part(»i, die Personenfrage in den Hintergrund
zu ib'ängen und ein scliönklingendes Schlagwort auf ihr Banner ra
heften. Der ganze Untersclued zwischen den Prätendenten in Repu-
bliken und in Monarchien ist aber, beim Lichte besehen, d^, dass die
ei-steren angeblich „für die Freiheit", die anderen „für das Recht^ la
liäuipfen l>eliaui)ten; in Wirklichkeit lenkt der nackte Egoismus Beide,
un<l dem Ciiltui-forsciier erscheinen sie Ikide gleich natürlich, ^eich
beirreitiich und gleich berechtigt, oft gleich verderblich. Einen Cuhiir-
fzewinn begi'ündet nur jene Veifassuugsfonn, welche sie am wenigsten
ermöglicht.
Oinniajadoii und Abba^itden.
Mit ^Vli's, Osman's Nachfolgers, Ermordung und mit des Ommigaden
Moawija Thronbesteigung wird der Charakter der Zeit und dea neaer-
standenen Staatswesens ein wesentlich anderer, als jener der patriar^
cliiilisehen Kpoebe (bT \ier ersten Chalyfen. In staatlicher HiimMit
bezeicbnet die Onunajadenzeit jene Epoche, in welcher die mekkanisclie
Aristoki-uti«' di(^ höchste (iewalt aii sich reisst und das weite Reich in
ih'v Art behen-sebt, wie {A)vn ein altarabischer Häuptling eines mftchtigen
Stannnr»s dieser Aufjrnlx* entsimicben haben würde. Sie stellt demnach
(li(* n(!''b rein arabische Epoche dos (lialyfates dar und dürfen wir ans
in derselben die arabische Gesittung noch nicht auf gar hoher Stofe
d(Miken. Geluirt die patnarehalische Periode noch dem arabisdieB
Alterthume an, so stellt die Ommajaden-Herrschaft etwa das arabisciw
0HMj«4«a «ad AbbiwIdflB. 185
er dar; die höchste Blflthe entfaltete die arabische Coltiir erst
n Abbasiden, mit welchen die Residenz von Damascus nach
iranderte. Dieses allmählige Aufsteigen der Cultur iSsst sich
Zweigen der Staatsverwaltung wie des öffentlichen Lebens
Den.
^er den vier ersten Chaisen war Mcdina die Hauptstadt des
geblieben. Mit dem Aufkommen der Ommajaden- Dynastie
mascus zur Residenz erhoben. Die Umwandlung der Stadt aus
echisch-s}Tiscben in eine echt arabische scheint rasch erfolgt
80 dass dieselbe schon in der mittleren Zeit der Ommajaden
lit mehr sehr stark von dem gegenwärtigen Charakter unter-
haben dürfte, es sei denn durch die grössere Lebhaftigkeit
cehres, denn es war damals der Sitz eines reichen, verschwen-
I Hofbaltes und seines ganzen Trosses von hohen Staatsbeamten;
r der Sitz der Administrationen, dann einer betrachtlichen
massc und der Sammelplatz stets neu zuströmender Fremden,
mte und Karawanen aus allen Tbeilen des Morgenlandes.
bunte MenschengetUmmcL, das noch jetzt auf den Bazaren von
B herrscht, muss damals in weit grösserer Masse die engen
]en mit den Kaufbuden auf beiden Seiten erfüllt haben. Sicher
f schon damals auf den Bazaren das ül)erall im Oriente be-
System strenger Absonderung nach Handwerken und Zünften,
inung der einzelnen Stadt theilc durch besondere Pforten, die
il oder (iefahr gesclilossen werden.
lererseits lä.s.st die innere Anlage und Eintheilung der meist
m erbauten Häuser und die zur Ausschmückung derselben an-
;e Ornamentik si)ätrömische Kintlflsse nicht verkennen. Als die
Syrien eroberten, hatten sie noch nicht einen eigenen Baustyl
let Wie sie in Bagdad i>ersische Bauten sich zu Vorbildern
schl(K<en sie si(!h auch hier zunächst an das Vorgefundene an.
(>mmajad(*n gestalteten Damascus in einen Aufenthalt um,
dcht lierrlicher g»»dacht worden kann. Srhf)n der Gründer der
erbaute einen Palast, der von (loid und Marmor strahlte,
k>drn und Wände prächtipjo Mosaiken zierten und in dem
iessi'nde Springbrunnen Kühlung verbreiteten, während henliche
Aanzen und schattige Bäume zahllosen Singvögeln zum Aufent-
►nten. Reich gekleidete Sclaven erfüllten diese Räume und in
T«»n (fomächern wohnten die schönsten Frauen der Welt. Auch
le WK'isti'n dies<T H(*rrs(iior von Damascus lustige Lebemänner
■nAttliche Zecher, denen di(» unvermeidlichen Herrschersorgen
listig gewonicn sein mögon. Zu diesen gehörte vor Allem
nabge (»ebet, das der Chalj'f öffentlich in der Moschee ver-
nojtste, und die Audienzen, die er als oberster Richter abhielt
man liereits in grosse, allgemeine und kleine untenwhied,
Abende hinfliegen gehörten der ges<»lligen Unterhaltung und
eren Kreise der durch das Ilarenüeben allerdings äusserst zahl-
Kamilie ait S*hon damals war es am Hofe sehr Ix^liebt, sich
idc durch Erzählen von Geschichten verkürzen zu lassen, die
18H Der Orient und der Itlim.
dem beimatlichen südarabii«chen Sagenkreise entnommen waren. Anch
Declamatiou von Gedichten und Musik belebten diese Abendgesellschaften.
I^nge dauei-tc es abcT nicht, so begann man trotz Qor^-Verboten sich
dem Genüsse des Weines zu ergeben, so dass diese Unterhaltnngsabende
unter einzelnen Herrschern zu reinen Trinkgelagen und Orgien aas-
arteteu. Denn unter den späteren Ommajaden machte die an&ngs
freiere Stellung der Frauen unter dem Einflüsse der den Byzantinern
nachgealnnten Eunuchen einer eigentlichen Haremswirthscbalt Platz.
Es ist der Chal>-f Walyd IL, unter dem diese Umgestaltung erfo^jte.
^lit seiner pj*mordung endet auch die glückliche Epoche dieser Dynastie.
Knipöiiingeu und blutige Kämpfe verbannten den sorglosen Lebensge-
nuss vom Hofe der Ommajaden bis zu ihi'em baldigen Ende. Gegen-
über den ])atriarclialischeii Zuständen stellt sich die Administration der
Ommajaden als ein unverkennbarer Fortschritt dar; obwohl die Araber,
deren Bildung nach unseren Begiiffen ab überaus ungenügend erscheinen
nmss, sclum damals, wie überhaupt, seitdem sie mit den Fremden in
Berührung gekommen, an ältere byzantuiischc und persische I^istungen
anknüi>ften, was A. v. Kremer bis in die geringfügigsten Details herab
iiaelnveist, so machte sich doch alsbald das Streben geltend, die einge-
burnen Beamten durch arabische zu ersetzen und fortan arabisdie
Spraclie und Schrift zur herrschenden zu machen. So drückten die
Araber trotz der grossen Licicbtigkeit, womit sie von den firemden Cultnr-
völkern so vieles entlehnten, immer den Ländern, die sie onterworfen
hatten und behen*schten, ihren nationalen, ganz originalen Stempel aii£
Im Jahre 750 n. Chr. wurden die Ommajaden von den Abbasiden
verdrängt, welche gar bald die Residenz des Chalyfenreiches von Da-
mascus nach Bagdad verlegten. Die Unzufriedenheit der persischen
Neiimuselmänner war es wohl besonders, die den Stiu*/ der Ommigaden
veranlasst hatte und persische Truppen aus Chorassän liatten luiaptp
siulilii'h di(^ schwarz«» Abbasidenfahne aufpflanzen geholfen. Wie immer
in solchen Fallen, kam mit dem "Wechsel der Dynastie die früher
unterdrückte Partei an's Bud(»r, Perser und die Muhanunedaner per»-
sein r Abkunft g(*langten zu grossem Ansehen und gewannen den grOssten
Kiiitlu>s am nialyfenhofe, obwohl Viele sich niu* äusserlich zum bttm
bekannten und innerlich dem Glauben ilu'cr Väter anhingen. Dieaa
persische K i n f 1 u s s ist nun von so grosser Bedeutung, dasB er
7X1 den wichtigsten Erscheinungen der Culturgeschichte des Islams ge-
zählt werden muss.
Dieselbe Umwälzung, welche die Herrscliaft von den Omnugaden
an die Abl>asiden tUH'ilrug, hatte zugleich die weitere Folge, dass Da-
iiiaseus zu einer Provincialhauptsta<lt heral)sank, dass S}Tien, welches
da^ toiiangeben<le Land gcwes<Mi war, sein Ucliergewicht einbttsste imd
datVir li"aq der Sitz der Chalyfen ward, die sich in einer QberaiH
^'lücklieh gewählten Lage Bagdad erlmuten, das von nun an durch
v'uw Heihe von .TabrliunchTten der Sitz des Chaly^tes blieb. So bestand
iVw erst(? >Virkuiig <h^s Dynastiewechesls darin, dass die östlichen Pnh
vinzen eine viel grössere lk?dcutung erlangten als zuvor.
O— M^a^dtn «ad AbVa*ii«n 137
Vcm den unter den Abbadden neu hervortretenden Staatsämtem
ist das Wexyrat das widiügsta Wie es scheint, war dasselbe persi-
schen UrsiKiings. Späterhin durch die Einführung des Obersthofineisters
(Amyr Duward) in den Hintergrund gedrängt, ging der Wez^Ttitel an
den ersten Minister jener buidischen Sultane über, welche nachmals
die CluÜTfen ganz unter ihre Vormundschaft nahmen. Die arabischen
Staatsreditslehrer unterscheiden zwei Stufen des Wez}Tats: das un-
besdiränkte, wie es z. B. den Barmakiden bis zu ihrer Vernichtung
durch Uamn Rasehyd zustand, und das beschränkte, fUr welchen Posten
einige rauhammedanische Juristen selbst die Verwendung von Nicht-
mohammedanem, z. B. Juden gestatteten. Denselben Unterschied wie
besiglidi des Wezyrats machte man hinsichtlich der Statthalterschaften;
die unbeschränkte Statthalterschaft ging dann sehr bald in die als
SCalthalterschaft durch Usurpation bezeichnete über, wo ein Abenteurer
sidi gegen den Willen des Souverains in den Besitz einer Provinz
gesetzt hat und diesen zum Abschlüsse eines Concordates zwingt, worin
sich der Empörer gegen förmliche Anerkennung seiner Stellung bereit
findet f die religiösen Prärogative des Chalyfen zu achten. Eine ganz
agenthfimlicbe SteUung nahm der Postmeister fsdfti/f allxirid ein. Er
laogirte als Chef der höheren Staatspolizei, neben der sich schon unter
Mansor eine sehr zahh*eiche Geheim])olizei vorfindet. Schon den
Uebergang zur abbasidischen Periode charakterisirten eine zunehmende
Schwächung der Centralregierung und wachsende Unsittlichkeit. Dieser
tiang der Dinge nahm unter den Abbasideu seinen ungeschwächten
Verölt Den W^ezyren fiel bald eine Rolle zu, ganz ähnlich joner der
UajoreM domvM im fränkischen Reiche, während die Macht der Statt-
halter in den einzelnen Provinzen beständig stieg, ja zur endlichen
Loarei«img derselben gelangte. Das Staatswesen war entschieden im
Xiedergange, in der Auflösung begriffen, während zugleich die geistige
■od materielle Cultur ihre höchste Blüthe feierte. So war's ja auch
im ahen HeUas, im römischen Kaiserreiche gewesen, denn die Entwick-
fang der Gesittung wird nicht vom politisibeu Gedeihen bedingt. Die
ktite grosse Umgestaltung erfuhr das Militäniseseu im Reiche der
i^halyfen, indem an die Stelle der regelniüssig(*u Soldbezahlung, die das
iBBehmende Deficit unmöglich machte, die Anweisung des Einkommens
cuuer Provinzen an die Befehlshaber der Truppen zur Bezahlung
da"**eiben erfolgte. So zerfiel das Reich in eine Anzahl halbsouverainer
Dem Chalyfen bliel>en kaum einige Provinzen und die Uaupt-
Um bei so geschmälertem Einkommen doch noch den (ilunz des
Hoirtaates zu erhalten, griff man zu »pressungen. Um die Anführer
der fremden Truppen an sich zu fesseln, war der Uhalyf gezwungen,
die KronUndereien an sie zu verschenken. Die Buiden endlich ver-
theüten anstatt der Löhnung I>ändereien als steu(Tfreie Militürlehen,
aa ihre Truppen. Die Folge hienon war ein auffallender Rückschritt
^tr loltor. Unmittelbar vor Beginn der Kreu/züge war somit der
^^rient htl ganz wie der damalige 0(*cid(*nt getheilt in eine Anzahl
fcrCNM-rer and kleinerer Staaten und I^henfüistenthümer, über welchen
ah gemeinaamca religiöses Oberhaupt, wie hier der Papst, so dort der
138 Der Orient vnd der Isllm.
rhalyf stand. Dieses militärische Lehenswesen ward Ton den TQrken
iiiul Tataren, welche von nun an als erobernde und herrschende Nation
in ganz Vorder- Asien auftreten, til>erall hin übertragen, wo sie ihre
siegreichen Fahnen entfalteten, nach Aegypten und West-Africa, nach
Persien und Indien, ja schliesslich sogar nach Europa, wo es erst seit
den Keformen des Sultans Mahmud und der Einführung der regulfiren
Armeen zum Fall gekommen ist.
liemerkenswerth bleibt endlich noch, dass das Cha]}'&t, wenngleich
geistlichen Ursi)runges, in seinen guten Zeiten doch eine weltticlie Hal-
tung zeigte, welche erst dann wieder einer schärferen Betonung der
geistlichen Seite wich, als die Chalyfen in ihrer welthchen MacbtsteUung
mehr und mehr beschränkt wurden. Wen mahnt nicht auch dieser
Zug auffallend an die Geschichte des Papstthums?-
BellglOs-plillosophisehe Entwicklung des IslftniB.
Die so zu sagen plötzliche eolossale räumliche Ausdehnung der
arabischen Völker war naturgemäss ftlr sie, wie für die Länder, mit
(lehnen sie in Iki-ührung kamen, von religiös und staatlich gleich be-
deutsamen Folgen. Ich will diese in Kurzem auf religiösem Gebiete
erörtern. ^ Man daif dabei nimmer ausser Acht lassen, dass die
Amb(T aniUnglich theilweise nur rohe Stänunc waren, durch Beategier
und EroberungsluRt vereinigt. Sn'ien und Babylonien, dem Macfat-
gebotc des Chal>*fen zuei-st unterworfen, befanden sich dagegen seit
dem höchsten Alterthume im Besitz einer vorgescluittenen Civilisation.
Die Araber traten also plötzhch in Berühi'ung mit einem ihnen gani
unlM^kannten geistigen Elemente, dessen volle Macht sie kaum zu ahnen
vermochten.
In Syrien stellte sich dem Islam eine durch eine lange Reibe
dogmatischer Streitigkeiten künstlich ausgebildetes und dialektisch be-
giündetes Religionssystem entgegen. In Mnionien lebten neben ein-
ander vei*scliie(lene alte (iilte in gegenseitiger Toleranz, eine der bestes
Seiten der altheidnischen (flaul)ensfonnen. Aus dem gewaltsamen Zu-
sammenstosse des Islam mit solchen alten Glaul)en8leliren eingaben
sif'h zahlreiche neue Verbindungen, geistige Kämpfe und Ideenumwuidr
lungen, von hoh(T Wichtigkeit für die fernere lleligionsgeschichte des
Orients. Wenn man versucht, auf solir unsichere historische Zeig-
nissp hin, die ei-sten Secten der christlichen Kirche auf Uneinigkeitea
unt*T ihren (irün<lrrn zurückzuführen, wenn man die viel&chen Spalt-
ungen ihrer .higmdzeit ihr y.iun V(»rwuife macht, so dürfen fthnliehe
\'orwüi-fe dem Islam nicht ei*spart werden. Auch darin stand er nicM
h()li(T als d:u< (liristcnthum, aucli er ward von allem Anfonge an doith
zahhcidic Secten zerrissen. Und da ihr P^ntstehen lehrt, wie Ides
') Ich fulge dabei fn^t auAflchlicflsIich dorn eminenten Werke AI fr. y. Kr«B«f*i:
(i§»chiehta der herrnehenJen Idee» de» iHläm'». liCipsig 1868. 8" und Miaea
gesehiehttichen Strei/gügen auf dtm Gtbiett dti lildm^i. Leipilf 1878. 8*.
* fUlifiÖA-pkllOMplitach« SnIwIeUttOf det Itlims. 139
in Idee etitzflndet, so wird es wohl erlaubt sein, auch f&r die
ddien Secten ähnlichen Ursprung zu vermuthen: die Berührung
Iteren Glaubenskreisen. Ist es doch ausgemacht, dass das Christen-
grossentheils auf altchaldäischen Vorstellungen fusst. ') Nun
68 seinerseits zur Sectenbildung im Islam Veranlassung geben.
Mit dem Cliristenthume nftmlich trat der Islam zuerst in nähere
luigen und zwar zu Damascus, wo damals eine bedeutende Schule
■orgenlflndischen Kirche blühte. Die Chalyfen jener Zeit legten
grosse Toleranz gegen Andersgläubige an den Tag; Christen
I nicht blos freien Zutritt bei Hof, sondern bekleideten audi
rlditigsten Vertrauensposten. Es mussten sich hieraus vielfache
imngspuncte ergeben. In den Verhandlungen mit den dialektisch
(eediulten griechischen Theologen lernten die Araber zuerst die
* von ihnen so hoch geschätzte Kunstfertigkeit der Beweisführung
■rliielten die erste Einsicht in die dogmatischen Spitzfindigkeiten,
die b>'zantinische Gelehrsamkeit schwelgte. Auf diese Art
in ist die überraschende Aehnlicheit zu erklären,
wir in der Anlage und (rliederung der byzanti-
h-christlichen und der islamitischen Dogmatik
e r k e n. Aus diesen Controversen entstanden die ersten religiösen
A des IslAms: die M o r g i t e n und K a d a r i t e n (M o t a z i 1 i t e n,)
Bilden, heiteren und trostreichen Uel)er/eugungen der Morgiten
(Cgensatze zu der Furcht und dem Schrecken, der die erste
"Slion der rechtgläubigen Muhamincnianer erfüllte, stimmen über-
»d zu den lehren des eben zur Zeit des Entstehens dieser Secte
mtflcus t hat igen und in hohem Ansehen stehenden Johannes
Damascus. Viele von den Ansichten der Morgiten, bei den
m ReliKioiishistorikem der arabischen Literatur als diejenigen
iinet, die sich am wenigsten vom orthodoxen Islam entfernen,
I den sjjäteren Islam übergegangen: denn die noch jetzt am
iten verbreite»te theologische Schule des Abu Haiiifah, zu der
die ölierwiegende Mehrzahl der türkischen Muhammedaner
tut, fusst auf morgitischer Grundlage. In der That sind die
Htn stets die toleranteste und am wenigsten fanatische der vier
ioxen Schulen des Islams geblieben; die hanbalitische da-
die fiittatischeste und bigotteste. So gelangt man zur Ueber-
Bg. dass die Ideen der Morgiten unter dem Einflüsse der christ-
Religions])hilosophie der griechischen Kirche entstanden sind,
i drutet darauf hin, dass obenfalls christliche Einflüsse ~ einige
erwiesenemiassen — }m der Fjitstehung der religiösen Ansichten
[Adariten, der sogenannt(*n Freidenker des Islams, thätig waren,
piter unter «lein Namen der Motaziliteu eine sehr iMnleutsame
Bg »ich errangen. So ist denn die neue, aber nicht unbegründete
t Vi«!« VordUIIuagtn «Irr heotigAn MandAer am nnteren Euphrai mOssten ifvir
m Ikt ekrUtUck oder aas dem Chrlstentbum« entlehnt halten , wenn sie nicht
iUck tchoa vor dem Chrintenthum und ab Eigenthvm des chalüücehan System«
«eÄs«i «ärea.
140 Der Orient vnd der Ulämu
Ik'liauptung berechtigt, dass die Bildung der religiösen Secten des
h'iiiiesten Islams und die sich hieraus entwickelnde Dogmatik wesent-
lich auf christlicher Grundlage und unter dem Ein-
flüsse christlicher Ideen stattgefunden habe.
Andere Eindrücke erhielt der Islam von den fremden Elementen
im Euphratlande, wo damals mehrere Religionen neben einander lebten.
Die hen^chendeu Perser bekannten sich zur Lehre Zarathustra's; das
C'hi'istenthum war in einzelnen Städten vorwiegend; ja ganze Beduinen-
stämme, die sich in Mesopotamien ihre Weidebezirke gewfthlt hatten,
wie die Kabyah und Taglib, bekannten sich dazu; dann waren
die Manichäer, die Bekenner der von Manes f Moni *) gestifteten
Keligion, die, aus einer Verbindung des zarathustrischen Glaubens mit
dem Christenthume und indischen Ideen hervorgegangea, lange in Babyk»
den Sitz ihres geistlichen Oberhauptes hatten, sicher sehr zablreidL *)
Endlich aber hatten sich auch viele Anhänger der alten heidnischen
Culte erhalten, deren letzte Gemeinde, die der Sabier in Harftn, Üb
weit in's Mittelalter ihren Bestand fristete. •'')
Alle ditse vei>chiedenen und sich widerstrebenden Elemente ^rer-
einigte äusscrlich das gemeinsame Band derselben Beligion. Doch bd
der ersttn Erschüttenuig eiwies es sich zu schwach und rii^ Dies
ges(hah schon wührend des gi'ossen Bürgerkrieges zwischen AU und
M(.awija, Es bildete sicli eine demokratische, den beiden Kran-
])rätendenten gleich feindliche Pailei, meist aus echt arabischen Beatand-
theikn-, um Ali schaarte sich eine zahlreiche &natisirte Menge Jena;
die in ihm den legitimen Nachfolger des I^opheten venehrten und
auf ihn allmählig die altpersischen Ideen von der
göttlichen W'ürde des P'ürsten übertrugen, indem rie
ihn und seine Nachkommen als Propheten verehrten. So entstand
die Beligionspailei der Schiiten, deren extreme Fraction Ali genden
als (iott an^ah, wähi'end die Gemässigt eren seine Nachkommen ak
die leßitimcn ()l»erhäupter des Islams in geistlichen und weltUdMB
Dingen betrachteten.^) Nel>st diesen a]t])er6ischen Ideen waren noch
andere Ix^i den GlaulK^nsvoi-stellungcn der ältesten Schiiten masq^bendL
So ist die Lehie von der Wiederkehr und der Auferstehung, wekke
*) Oeb. 214 n. Chr. in Ktesiphon; trat M«ni 28S als der im EvangeUam JohaHMi
verboi-sHene Paraklet auf und ward unter Bobram I. 374 lebendig g^eehundtB. >%
') Pie Manicbacr vci breiteten »ich ocit dem IV. Jahrhundert io Voi
Africa und Italien, unterlagen aber im VI. Jahrhundert dem gleichen Ilaee« der
9(hen Mngior und der ('1iri<4tll> ben Binchöfe. Doch finden itirh noch im MltUlaM«
Hpuren eines geheimen Manicbäismun , mit dem die Albigenner \«'ahr8cheinlleh !■ S«*
oammenhange ^tanden. (»lehn Albert Röville, Le« Albtgwit io der Bewm4t 4m Snm
Mondes vum 1. Mai 1874.»
-) A. V. K romer weiftt die Beibehaltung heidnischer Gebräuche, iffle dl« Klagi
um ilen verlorenen Adoni!« noch bin in*M späte Mittelalter in MeHopotamleo nach. (Qmtk»
./. htrrHch. Itlten d. Ulüm'». I. ö. 14. CHltHrgetrhlehil. Slrtifaügt^ 8. 10.)
') Diese Erklärung den Hchiiti^mnA ist sicherlich correcter ale j#ne, iffoneek te
Haon der Af«-chA, einer Frau Muhanimed>, gegen All die ungeheuere Bpftitvag in IdlB
veri«chuldct hat (J. Braun. A. a. O. K. 60;, wenngleich dieser Umc «■bwtraitter to*
etauden und miti;o>virkt haben mag.
ft«Ufl5»->phlUM|>1ii«clM KalwIekliiBg das Islims. 141
gßja &g^nü lücben Verirrangen fahrte, indem sie eine ausser-
ordentüdie Todesrerachtong beforderte, jüdisch-christlichen Ursprungs.
Man vergleicht oft den Schiitismus des Islam, weil er die Sun na,
die Interpretation des Qorän's nicht anerkennt, mit dem Protestaiitis-
m» des Christenthoms, sehr irrthümlich; denn der Schiitismus ist
BD Gegentbdl die complicirtere, sich mehr vom Monotheismus ent^
femrade und von den widersinnigsten Sagen (hwüs) entstellte Form,
«ilu^nd die Sunna den ursprünglichen Islära nur in so weit um-
yiUltcte ab nothwendig, um das für Nomaden gegebene Gesetz
in Verhältnissen einer sesshaften GreseUschaft anzupassen. ') Denn
H» wenig als das Christenthum war der Islam angelegt als Welt-
rdigion, obwohl er sich von Ai g an als solche ankündigte; ge-
worden ist er es aber ans den n liehen Gründen wie dieses.
Mflflsen wir im Schiitismus < Au *uck fremder Ideen erkennen,
H» ist 68 nicht minder bedeutsam, seii die freidenkende Richtung
ia religiösen Dingen, um derer m\ die arabische Cultur so sehr
geprieien wird, auf völlig frem ;, pe und indische Einflüsse
ODUckselÜhrt werden muss, wio A. v. ü^remer überzeugend nach-
bat
In Bassora cntwidcelte sich nämlich zuerst die Lehre der Bekenner
WiDensfreiheit, die in Damascus unter christlichem Einflüsse ihren
Pnpning genommen hatte, zu einer eigentlich rationalistischen Schule
Theologie, den Motaziliten. Und in dieser Stadt lernen wir
religiösen Freidenker kennen, die mit dem Islam mehr oder
lu brechen den Muth hatten. Aber auch hier wie in fast
geistigen Leistungen der Islämiten war nicht das arabische
BguMnenthnm der Ausgangspunct, sondern das Perserthum, und zwar
nidit nur persische Ideen, die sich allmählig geltend machten,
es waren Perser selbst, die in einem kleinen Kreise denkender
geietreidier Männer sich schon um die Mitte des II. Jahrhunderts
Mobamroed in Bassora zusammenfanden. Der Dichter Bashsbär
\%m Bord, aus altem persischen Geschlechte, war eine der llaupt-
dieses Orkels; er ist der Typus der Scheinmoslimon, üu^ser-
Bekenner des Isl4m, innerlich aber demselben mehr oder woniger
Man bezeichnete sie mit dem Namen Zindyk, einem Worte,
m verschiedenen Zeiten seine Bedeutung änderte. Ursprünglich
als Anbänger der parsischen Lehre, galt es später von den
BdRiuiem der manichäiscben Religion und den Anhänj^ern der dualisti-
Weltanschauung, endlich verfla<^hte sich die Bedeutung immer
und ward zuletzt identisch mit Atheist, Religionsveräcbter. ^) Die
*> IH« W€Mo d-s Bchiitinmas hat knrs and bündig dargHegt Dr. E. J. Polak In
M%A«ca Backe: Ptnimt. Das Land uMd m/n« ßfttohmgr. Leipxig 1S05. 8' I. Bd.
*> Takarl «atwirft ▼ob den Zindvks foigeado Bchilderang: Sie bebaapten,
fwi nnr •!■ waitier Mann gawei^Kn, der fieine Religion nicbt naeb gUtUeber
•o«4«ra BAck MaMkga'ia ••Iner Wei-^heit g«4tiriei, den (joran dureb Mio«
Oak« 4t Baredtaamkait verfaMC kab«, und Jedar MaoMk mit •OiCben Oabaa
142 Dot OrlMt «Bi tor lUte.
Abbadden waren gegen diese Zindyks tiieflweise sehr strenge, dft der
Manichäismiis — nnd die ersten Zindyks ivnren mit den MaaMUtarii
identisch — den Gewalthabern des Isl&ms wirididi mandmial goftihriich
erscheinen konnte. Bei den Moslimen nichtarabiacher Nationalitit^ be*
sonders im nördlichen Persien und im Stromgebiete des Ozm nar dlor
Manich&ismus sehr ausgebreitet, allmiJhlig erwarb er selbst Anhingw
unter echt arabischen Moslims und sogar am Ghalyfenhofe. Der grtMa
Theil der Zindyks gehörte den höheren Ständen an und zeicfanele wkk
durch rhetorisches und dichterisches Talent, dnrdi Büdnng und Wei^
heit aus, wie Ihn Mokaffa, einer der be^n arabisdien SdirilMdhr,
der das Buch Kaiila und Dimna (aus dem Pelilewi) in'a JlnbiHte
übersetzt hat; Ali, Sohn des Jaktin, des Siegelbewidirani onl T«^
trauten des Qudyfen Mansur, durch dessen Htode alle Staat^genUfte
gingen; Jesdan, der grösste (damalige) ScbriftrteUar Peraena, We^
und Sohn des Wezyrs Badsan; femer Personen aas der FuiiHa -4«
Regentenhauses der Abbasiden und aus andern Tomdmiai Htasnm.
Sie hatten bereits während Mehdi's QAaXyfaX unter den Sdniftsttilaa,
Gelehrten, Theologen, Adeligen und Borgern Prosefyteni gemacM;
wollten sich der Beobachtung der Gesetze des Islam entnehea
volbsogen aus Faulheit weder die Gebete noch die WaschuigMi- Dv
tlialjf Mehdi (t 785) liess viele dieser Sectirer fainrkliteaj ssift
Nachfolger Hadi verbannte sie sämmtiidi. *)
Die Geschichte der römischen Gesellschaft ertbdlte uni Ae Lehn^
wie die steigende Gesittung mit wadisender Irreligio(Atftt gepaart
-wie er könne «Ine Religion etlften. 8ie ilbea keine dem Moelim Tirrpiiiiilrtw Ml
Pflicht, beUa und festen nicht, geben nicht AJmoeon, pilgern alaiit aaflk Mtkla.aili
lachen die Pilger am. Eine Yereammlnng Betender nennen eie Kunedto mm. titlMll
von solchen die ei^'h betend naf ihr Angesicht werfen, sogen elCi dieselbet Mlgln Olli
ihr Hintertheil. Ale man den Umgang um die Kaaba hielt, firagten ■!•} ^Wa« iMiil iir
in diesem Hans?" nnd beim Opfern der Sehafe; «Was haben dUe« Bahafli llr
gethan, dase man ihr Bist vergiesst?" Als sie die Osremoale das 8mf9 «ad Ütmm
ziehen sahen, spotteten sie: ,Ha>>en diese Leute gestohlen, dass als so tealiMf* AIN
Theologen sind einig in dem Urtheile, dass diese Secte sehUnUBar Ist aU
Cbristenthum, Parsismus und Vielgötterei, denn wenn jemand eia^ dieaar
aufgibt, so bekennt er eine andere, aber die Zlndrk verwerfen das Prlnelp dar
selbst und erklären alle Culte fUr Tiuschung , verl&ngnen Gott und die Pr«ptialM.
Welt sei ewig so, wie sie heute und wie »ie ftrQher gewesen aal, dta
sur Welt und stürben wie Oras, welches jahrlich wächst, rartrodtMrt «ttd
dass niemand wisse, wohin es komme ; Sonne , Mond und Sterae, also alihtkavt
erzeugten Pflanzen und Thiere und Hessen sie wieder umkommea. Jcdar ksAa .Ümb ^pp
er will; glrirhwohl halten eie das Böse oder was die Weisen als solehaa WtrMli|i|ii|
nicht für erlaubt, wie Ungerechtigkeit, UnterdrBekung , Likgf. Xaa toO« iMii Utk
Menschen nicht die Dinge von einer Seite zeigen, die ihnen misslUtaB kömita, J» alill
einmal Kleider tragen, die sie nicht gern s&hen. Ausser diesen Regeln bab«i ato
Gesetz noch Dogma noch Ritns.
*) Dis«e Cbalyfon dachten also nicht so politiseh, wta Ihr Votigiif
dsr von den Rawendi, welche an die Beelenwanderung gtaubtan vnd das
die Incarnation der Gottheit hielten, «agte: ^Ihre AabingUeiiktil aa «kk «li Iktf
Ehrfurcht vor mir gibt ihnen ihren Glauben ein; mögen als la dia Hllla
sie mir ^ur trnu sind; die.-t iit mir lieber, als waaa sla gngta
al« gute Moslims Anspruah auf den Himmel UUlaa.**
i
B«1lffl5t-plittoflOf1iiMh« Xoiwieklaaf det IsUm. 143
wie der Gipfetponct der Civilisation und der Wissenscbaften den Moment
beieicluiet« wo ein allgemeiner Atheismus die Massen ergriffen hatte, wo
philosophische Systeme, Stoiker und Epikuräer an Stelle des verlornen
(ilaubens traten; es war dies zugleich die Zeit der ärgsten Sittenlosigkeit,
den hiö<lejiten Aherglaubens, der gemeinsten Laster. Die Geschichte des
LJam wiederholt diese denkwürdige Lehre. Mit der Zunahme der Ge-
Mttung entwickelte sich der Luxus, mit diesem die Ausbildung und Ver-
leinemDg der Dichtkunst, zugleich ein üppiges Genussleben, welches die
ahe Sitteneinfieüt verdrängt, (Ue Strenge der Beziehungen zu dem früher
hehr hoch stehenden weiblichen Geschlechte lockerte. Danel)en ein gcnuss-
stkchtiger, sorgloser und namenthch in religiösen Dingen nahezu ganz
iAdifferenter Geist Mit diesen wenigen Worten ist der Entwicklungs-
tfßBg nicht nur der arabischen, sondern jeglicher Cultur gezeichnet
Da» Steigen der Coltnr hat überall unwiderruflich die nämlichen Er-
acheinangen — möge man sie nun gute oder böse nennen — im Gefolge.
Man studire da« Zeitalter des Perikles, der niedergehenden römischen
Republik and des Kaiserreiclies, der europäischen Renaissance, der
modernen Gegenwart Auch das ist eine unabwendbare, überall wahr-
maehmende Folge, dass die eingetretene Sittenlockerung eine Reaction
der Fanatiker und Frömmler hervorruft, welche jede frohe Regung auf
das Heltigiste anfeinden und die religiösen Gesetze dagegen anrufen.
AUein wie immer in Fällen, wo Unmögliches gefordert wird, bleibt das
Gesetz bestehen, um stets umgangen zu werden. Mit anderen Worten,
die Zeiten der SitteneinfiUt sind jene der Rohheit, der Uncultur: sie
Bod aoch jene des religiösen Glaubens; das Wachsthum der Cultur be-
ruht auf erhöhtem Wissen, und das Wissen an sich untergrabt den
Gkobeo; mit dem Schwinden des Glaubens beginnt der Sittenverfall,
der demnach in cultureller Hinsicht nicht als Merkmal der Gesunkenheit^
loiidem viehnehr einer hochgestiegenen geistigen Cultur zu betrachten ist
Diese Ansicht wird auch nicht widerlegt durch den heute gerne vorge-
brachten Hinweis, dass die Unsittlichkeit eben anden wichtigsten Giaubens-
itAttea. wie z. R. in Rom, am stärksten sei. Wir wissen, dass im
armbifldien Rom, im heiUgen Mekka, die Unsittlichkeit grösser ist, als
aa irgend einem anderen Puncte der muhaniniedanischen Weit. Irre
ich nichts so steht auch das heilige Bochara in keinem sonderlich guten
Rofp. Das Pliänomen ist jedoch leicht zu erklären. Die Heiligkeit dieser
<hte beweiiit nämlich nichts für die Intensität des dort herrsehenden
Cv 1 m n b e n s. Jede geoffenbarte R('ligi(»n macht eine Periode des (ilaubcMis,
df« F^anatismus, dann aber der lÄs>igkeit durch, welche es sich an der
MSAfren Beobai^htung ilirer Satzungen genügen lässt. An jenen Orten,
wo di*' Anwesenheit der KircheuolMThäupter oder sonstiger religiöser
Momente zur stricteren Beachtung der nicht mehr imssenden Gesetze
iwimct. tritt nach dem bekannU'n Gesetze, wonach I)ruck Gegendruck
erBeiit^ eine desto ausgiebigere Umgehung des (iesetzes eiiL Die Sünde
«chent zwar m»»hr denn an anderen Orten dis Tagtslicht, wuchert aber
^'!tU9 mehr im Stillen. So scheint es sehr glaublich, dass die Mochannnt^
weiche so ziemlich dem entsprachen, w.is die AU/ii Üiuacdi nannten,
mit Voiüebe in der heiligen Stadt ihr Wesen trieben.
144 Der Orient und der lelim.
Als der Atheismus an Boden gewann, war natürlidi von echter
Reli^osität keine Rede mehr; wie im alten Rom spottete man ttber
Alles und durfte es auch ungestraft, war man nur gegen den Verdacht
gesichert, einer antiislamitischcn Secte anzugehören. Es war gestattet,
am Islam zu zweifeln, nur durfte man an nichts anderes glauben. Ueber
die namenlose Demoralisation, die mit einem maasslosen orientalischen
Luxus gepaarte cynischc Kohbeit, selbst der höheren Gesellschaftskreise
Baji^did's, i'uhen die besten, voUglUtigsten Zeugnisse in den Werken der
gleichzeitigen Dichter. Wie in Rom mit dem griechischen Einflüsse die
IMderastie, so verbreitete sich fast gleichzeitig mit dem persischen Eht
Husse das ursprünglich den Arabern fremde Laster der Knaben^*
hebe zu erschreckender Allgemeinheit Die Geschichte dieses Lasters
führt auf die alten Hellenen zurück, von welchen die Perser wie die
Römer es erhielten. Im Anakrcon wie im Hafis tritt es nngescheat zu
Tage; es hat im ganzen muselmännischen Osten ungeheure Aasdebnnng
erlangt und soll in Persien geradezu entvölkernd wirken. Vom coltor-
geschichtlichen Standpunctc darf der Hinweis auf diese Seite des Ge-
mäldes orientalischer Sittengeschichte wenigstens nicht unterlassen werden.
Noch eine weitere Erscheinung mahnt an das alte Rom. Dort bestand
bekanntlich keine Kirche; als der Atheismus um sich griff, nahm daber
(las Volk als P^rsatz für seine zertrümmerten Ideale zum rohesten
Aberglauben ZuHucht. Es half sich selbst in seiner Weise, da es
keine Kirche gab, die helfen konnte. Im Islam nnd im Christenthunie
that(>n in diesem Falle die Kirchen ihre Schuldigkeit, sie gewfthrtea
die noth wendige Hilfe, natürlich wieder in ihrer, den Volksanforderongen
jedoch entsprechenden Weise; die orthodoxen Richtungen gewannen
die Oberhand, und genau wie das Christenthum suchte der (»thodaxe
Islam sich innner mehr zu einem festen, abgeschlossenen, dogmatiadien
System zu entwickeln. Diese I^ehre ist hochwichtig; sie zeigt die
Orthodoxie als eine untrennbare Folge der frei-
sinniu(>ren Ideen. Ueberall kann man ihr Entstehen erst in
jeiu*m Aiig(»nl)]icke beobachten, wo der (rlaube an ihre Lehren ei^
scliüttert zu werden beginnt. In der That, so lange die Menge die
D()>:;men der Kirche für allgemein wahr hält, ein Zweifel daran nidit
aufkoiiiiiit . bestellt auch für die Kirche kein Grund orthodox za sein.
Je ärger aber die (i rundfesten des Kirchenglaubens in's Wanken ge-
nitliou. desto schroffer die Orthodoxie, nach dem ewigen Naturgesetie,
(la>;s Druck (ifjjeiulruck (»rzrugt. Die Kirche ist es, die mit ihren der
Vernunft Avidersprei^henden (üaub'Missittzen , in einem gewissen Stadiom
den Zweifel wachruft, dem auf geistigem Felde fast jeder CuHorgewinB
verdankt wird. Dies der Moment, bis zu welchem die gern flbei^
s(>)ien(; w(» li 1 1 h ät i ge Wirkung der Religion und Kirche reicht, indes
sie (las feste Hand des (Glaubens um die Menschen schlingt und dadordl
j(Mio Vereiiiiuung (Tzwingt, <lie das ei-ste Culturerfordemiss ist Nu
aber ist dies«» wohltbätigi» Wirkung erzielt, und da jedes Stadium der
( nltur nur angestn^bt und eiTeiclit wird, um sofort wieder Terilaasea
zu werden, so wird eincM'seits fürderbin zum Ilemmmss, was bisber
Hebel gewesen, andererseits übiTuehmen neue Factoren die FOhreractelt
Rcllgiüt-phllACAphiMli^ Entwicklung de» Inlim. 145
aiif *^m Pfedo zu oiiiom neuen Culturstadium, das die jeweilige Ge-
fp*iiwiirt als einen FoiiÄ^liritt bezeichnet. Diese Fü!irerschaft ül>ernahm
in religkls<»n Dingen zunftrhst der Zweifel, die Skepsis, die nun ihrer-
^ts wieder mit aller Macht auf den alten Kirchenglauben drückt. So
M e< denn der kirchliche Liberalismus "selbst, der die 6rthodoxie der
KirHie erzeugt.
FHe Vorgänge aasserhalb des strengkirchlichen Gebietes l)estätigen
«liese Sätze. Mit dem Zweifel erwacht der Wissens<lurst, somit die
Wissoiiscliaft, und lungekehrt erweckt die Wissenschaft den Zweifel.
IIH den AralMTu l»egannen Ske^wis und Wissenschaft erst nachdem sie
«Inrch syrische ('bristen mit den Schätzen der altgriechischen
Literatur ln^kannt geworden. So ging auch hier wieder die Anregung
nirht von Anü>em aus, nicht sie haben dieses werth volle Erbe ent<leckt,
•It* na<*h ihn»m eigenen (r<\ständnisso (kmals die Summe ihrer Kennt -
ni^se hihiote. Während al)er die freigeistigen, atheistischen Ideen unter
•li»n Cirbildeten um sich griffen, entwickelten sich gleichzeitig aus dem
StOilium iler Ahen die aralrischen philosophischen Schulen, welche
liald eine theosophi seh -mystische Wendung nahmen,
in ihrer Art also niclit besser waren als die kirchliche Orthodoxie.
IH<K war auf geistigem Felde die Gegenströmung gegen den Atheismus
ond die dadurch 1)egünstigten materialistischen Anschauungen. Und
allenial hat die Ausbn.»itung d(T liCtztereu das schärfere Hervortreten
theistisrher Miiiosopheme zur F'olge geliabt. Im alten China war I^ao-tse
rar Zi»it entstanden als die Sitten sanken, die Jugend voll Dünkel der
Ahni*n «|K)ttete, die Vereluning Dessen lächerlich wanl, was bis dahin
al* heilig gegolten. Die (legenwart, deren wisseiLscIiaftliche Entwicklung
mphr denn irgend ein Zeitalter den Realismus fördert, findet die sich
<nnst arg lK»felHi«*nden ortho<loxen Theologen und angeblich lilieraleu
Tlni-^tiM-hiMi Phil<»sophen jecier Parteiscliattirung, im Namen des „Fort-
*rhritt**s- vereint im Kam])fc gegen das freie Manneswort, welches
nrnthiK ilas alleinige Walten eherner Naturgesetze verkündet. Nicht
an'lrpi war's im Islam. Wohl stützten sich die i)hilosophis<!hen Schulen
«Vt AraUT vorzüglich auf Aristoteks, den sie in fehlerhaften Ueljer-
tramiiup^n di*m Al>endlande l)ekannt machten, al>er daneben hnd auch
ffii* platonis*lie Philosophie, luimentlich in ihrer neuplatonischen Aus-
art nnsL vifle .Vnhänger und aus ihr ging jene cig(MithümIiche Schule
I*hräky liervor, die, neuplatoni.s<'hc Id<H?n mit einer aus zaratlius-
iri^-h«*r »mIit Wiihrs4'heinlich numichUischer yu<»lle stammenden Lichtlehre
/n #-in«T eUmso origineUcn als ])hantastischen Weltanschauung verbindend,
dmvli .\ufTuihmc fremder religiös<T Vorstellungen viel zur letzt4»n Um-
«vMaltiiiit; d«s Islam durch dcni Sufismus lM>ig(*tragen hat. IVr
••ftf«*ntli<*h<' Suti«imus nämlich, sowie er in den versi'hiedenen Derwisch-
<inl«*n '»«•inen .Vu?»<lruck findet und stn'uge zu scheiden ist von der
••infiirtH'n a'»ketis<*lw'n UichtuHg, die s^'hon im früluNteii ( 'hnstenthiune
iiif^ritt und auch in den Ishun ülx'rging, entsprang wisentlieh indi<(*hen
I«l»i-n und /war namentlich der indischen Vedanta-Schule. ' )
' k r*iicr, .\. a. O. H. 3.1^46.
T lUKwAld, (TaUargMchiehl«. 3. Aufl. II. 10
14^) Dftr Orient und der TMtm.
Mit (l(>ni rcOxM'handuelinion clor ckstasist'hnn und scliwäi*morirtc1ie:i
(■('ist(S]*irhtiiii>^ (uitstandon im Isluin wit> im ( /hiistoiithumo zahlreiche
Dcrwix'hoi'dfMi. rH^eiiclilot d(>s Ausspruchs Muliammod'rt: „hji ist koiii
-Mrmclisthuin im Islam", ;{o\vaun \\\o Neigung dos AralH^rs aLh Wü^teii-
)K'V(»hn(>rs /.um cinsjuiuMi und Ix'scliaulichfMi lAdNUi IkiM (bis Ti-bergc-
wirlit i\Wv «las NVtut dos Proiilictou, und ein audoros: .Jjio Anuuth
ist uuMH Hulnn'' odor ,,Annutli ist ^ar ^it** miLssto zum Deckiiiantol
dicfuon. untor dom sich das Mönchsthum M'lnni droissig Jahre iiaoh des
Proplioton Tod in dio Ililrdc dos Islam einstahl. Seitdom liaUMi sieh
im Oriout dio Onlon der Faqyro und Dorwiselio so sehr vermehrt,
dass man mui 72 Ordon d«M' l)or\vischo spricht, woninttT «ler noch
jot/t i)lnhondo der Mtficlrvl, von I)scholal-od-din I^umi, dem Dichter
dor liichtloh]*e ;zostiftoto. nicht nur oim^r dor iM'doutendsten äoadern
nucli dor einzige ist, dor Sympatliio, ja Hospect hervoiTuft. ^) Christ-
liclion (iu<»llon (Mitsi)ranjr vorzüKHoh dor Sutismus, iloeh ist is j^ut sieh
zu (Minnorn, dass da> christhtiie MiuK^hswesc'u sollwt witnler orienta-
lischen Ursprungs war. Sufi hoisst NVolleunuiuu und gah man dieite
Namen den Mitgliedern askt^tiM^H»!' HrUdoischafLeu, tlie eine wollene
Kuttt» aN Ordonskloid wäldten und hestinnnte Ordonsi-egehi l»efuisäen;
auch nannt4> man schim in frühester Zeit die Sufis Danrifurhe (Der-
wis<-hoi und Faqtjre, wovon tUis eine Wüi1 uu IVi'si.scliou das amlere
im Arahlschon arm iN'doutot. Dio Sutis wariMi also DettelinOndie.
Soldio nrüdoi-schafton können nur dort aufkonnuen, wo religiöse Ueber-
Npanuuug und Pauporisnms zu Hause sind. Letztere IkMlinguiig ist noch
viel wichtigt'r als dio oistoro, doch winl in einem liUnde, dessen IJi»-
wohnor d(T r<digiös<*n Kxaltation vorfallen sind, Schmut/. und Armath
nicht lange auf sich warten lassen. Als nach dem Falle der Onuoa-
.jad<»n der Wohlstand ilor M(»slimo in Aogypten und Syrien sank, fanste
dtr Sutisnnis daher au<'h in dioscMi Lüudoru Wurzel.
.Vis sich der SnHsnms zu verhroiton anting, war das Stiuliuiu
der un)slhu'schon Theologie ttino ^^chworo, aliei" lohnende Au^Ih*.
KiuL'Ui haaiN|i;dt enden D(»gmatik(M' mit hütischiMi Miuiieren und Schlau-
heit stand eine glänzende (arrioro hovor, denn der Qoran und die
Snnna sind für dio .lustiz- und StaatsviTwaltung die Hichtsehnur und
dio. rioma>. wie man die Theologen jt>tzt hoisst, ob zwar lüeiiuik
Priester in uns4M'(Mn Sinnt*, waren stets mächtiger als die Regieruiig.
Desswegon driingten sich auch Tausonde zum Studium der Tiicalogie
und es war unmöglich, den Khrg(Mz Allel* zu iN^friedigeiL Sowohl
Sutis als riemas ,,macht(Mr* in Itoligiou und buhlten um die Volki»-
gunst. und ila dio Krsteren mit den Letzteren hi winseiucliaftlidier
Hildung nicht concurriren konnten, wurden j(>no duirh die VerliiÜt-
niNso zu einer anderen liichtung hingnirüngt. Aus deiLselbeu Beweg-
gründen, aus denen sich ein Lass;ille «Hier ein Dr. v. Schweixer au
die S])it/o unznfricilouer .\rhoitor stellte, schlössen sieh schon in frAher
'AvW Männer \on (iei^t und Hildtnig den Sutis an und es wnt^i.«^'!!
') »iieho übor die M o \v I r w i : BfH'ij/f zur AUjftiHflntit X^it-titj vom 12. \pril ln7i.
D«r folAm In Spftnl^n usd Afriea. 147
ämA aiu ileii I uift«n helle Köpfe heraufi. Solch e Leute be-
«ckütigten sich luit Theologie uiui Philosophie, gründeten ein System
<ier Tlieoeophie Olr ihre Anhänger und versahen sie mit einer Masse
v<m kfUmen Aussprachen, Versen und Anekdoten, welche sich von
«ien anwisHemlen Mitgliedern gut verwerthen Hessen. Wie alles Mensch-
lidie eriitt th» SvKtem der Theoesophie im Verlaufe der Zeit bedeutende
Vertmlemugen, und ui die Askese mischte sich bald ein Mystidsmus,
4en alten Persem. nainentlidi aber den Hindu von Alters her be-
kannt Dort haben wir die Yogys getroffen, welche auf physiologischem
Wege, besonders durch Athemeinhalten sich in einen Zustand von
tion versetzten. Die nfimlichen Mittel kehren bei den Sufis
', deren Theorien alhnähUg eine iiantheistische Fftrbung an-
^n: dieser ekstatische Sufisinus wurde theils gegen die Offen-
Imning Mnbammed's indifferent, theils vollkommen liilretisch. Nebst
Athemeinhalten wandten diese sjtftt^Ten Sufis noch viel wirksamere
an, um FIxaltation herbeizuführen: Opium und Haschisch, Ge-
vmI Tftnze, au%efttlu1 in nächtlichen ZusammenkOnften, ganz
besondere aber griechische Liebe. Tagy-aldy n-Kaschy versudit
«o^ar zu bewdsen, dass Niemand ein gi^osser Mystiker sein kann,
obAT dienem I^aster zu fröhnen, — er mag Hecht haben. Sidier
aber ist die zweifellos buddhistisclu^ Idee von der wunderthätigen
Kraft der Asketen, Yogys, aus <lem Buddhismus in den Islam hertkber
gekonuiiea. *)
Die Geschiebte des Sufismus fuhrt uns die Askese in ihrer höchsten
Höhe ond in ihrer tiefsten Tiefe vor, unter den Mitgliedern hat es
die abucheulichsten (liaraktere, Mörder, Räuber und Mordbrenner
^e^ebeiL Der Ver&ll der Orientalen steht, wie sich liistorisch nach-
läßt, in directem Verhältnisse zum Wachsthume des Suiismus. ';
Der kUoi lu Hpauleu und Afriea.
Die Geschichte den Islam in Andalusien führt uns weit aber die
Karl d. Gr. und IlarunaiTascldfrs hinaus, bis zu welchen ich
Culturgang un Qbrigen KuruiHt vei-folgt habe, denn nahezu acht
JakHumderte lastete auf S])anien das arabische Joch. Wer sieh da
bciuiiQ flAhlt, arabische und islamitische (rrösse zu preisen, sicherlich
taadit er seinen Piitsel in die glQlienden Farben moslimVhen Lebens
ia Andalusien, und mit Keclit. Unter den aralnschen Herrschern
ipriaagte die ( reist esbildung d(^ Volkes %u einei' in Eui-opa damals
ifiln&rtini Stufe. Wietier muss ich der Versuchung widerstehen, die
Eisaribdten aufzuzählen, worin die spanischen .Vraber glänzten in
KaiMl, Wi«iüen!k*haft und Mocialen Kinrichtungen ; kein geringer Tbeil
. waM <hiH .\lN»ndhind dem Inlani Kchuhlet, ist eine Schöpfung
«piini}*chen .Vralierthunis. Da die AufgalM' der ('ulturg(»5»chichte
'« Kr«a#r, Otuchlthtt d»r hfi-ftrhtmlru idf«H dt» t»tam$. S M6.
» *pr0UfT. Am$UH,l itfift. Nr. yi S. IXli.
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t Lobe odr Tadel gfaUt,
wir nnbertrittencn OolbÜMbt
en desIaUmimCMeB ffawa^
r SpanieB in Btlde niiriihtaglr,
in, Bcfawaag einer Dmr Sjüte-
m der alte Httwmnlmm iwfachw
(.«lliiii-ih-ii; /.u l.(nli^'i.„ Vr\u\.'n
irl li;tlli:'. Sil ui'iii^ vtruitiriitc
Moiiinit yii lu-wOltiKfu. l)u
okraliscUc (iruiidlage und nun
eine Ironie acr ueKliii^lilc nlntilieii , i^ (^ iillemrtii
n t nnr bd An iti ig der FUi-HUiiniui-lit ifi'io'Wf''-
e, die oui neuerer, vn i nailiijiliciii'icr Siliriftsh-llPi- zd
nnd an der £^KKbe Lua\ KI^'. zu crliiirtni virsmlit lint, <i
sugnnBt der Utarator ona vt «'[i-xluU'i uiilii fruninic. wldor-
falle von Thotsacbra. An aen )!<M<']i .I<t l viiirimii ))luiittni
Hellas ersten Gröaeen, Athens (ih(ti/|"-iii>ili' hifthl sieh wi
I thatstchlicheu Allänherrscbev liiii-. .li kmiitilititi SuuU»-
I Namm der I^den ist mit <km iCixiilioii eini'f ßi-icrhiwliru
: nnlOdich verbunden, an I B|;iwt.iiK kiiniiit »iili <li.'< guldMic
I idier Literatur, und ui r den iienäHdi^-siiiuiti'ii (%aljfon
i en e sich die G' tu <\fr AniluT. In Sjinulfii *ull-
II r I a kiins)- iiiid |iitu-lit!i('b«'iidcii
' innen s i o] m iti tolUKrr Bimhe, bpaomlns
iCi worin uori>n'iis (lii> unlorJHvIilfn \V«I>
wi w Armbeni wittdforten. Aus dem Vw&B
e eicfa eii)<' Atiyjihl klninircr Stan(«iL,
wie loieoo, u^oz, aemiA, uranada ali. in wcldini m iM-lit cig^nl-
licli die Cultur ihre höchste Entwidttnng iiilnniiii. Hüili^t uiurkvillnB^
trifft nun der VerfitÜ des Onun^fadbclK']! iliiilynils in Sjiauicu mii
dem verbeerenden Ein&lle der Araber In ila- Ix'i'lH-i-laclio NiirdalHca
Es ist ganz sicher, dass dli' im VIII. JulirliuudiTtc niuili
legi ei
viele
Pe
Onaaigaa
in Ad
gotl 1
Spanien gezogenen Araber flehte Araber
aurji nhlreicbe berberiBche Elementi' iHhi
im Osten das echte VoUblnt-ArabeTthiun tun'
sammtbevancfflrong biklete, so audi in Sikiuimi
iiatHrliclien Verhättnisse eine allmUilige \vr\-'
VdkBthnms zvr Folge haben, das in (ili li t
H^niat krinen ausgiebigen ^adischub hk-Ih
BerbfT hingegen trennte nur die schiii:i!<'
konnten sich demnach leicht über Spanien
die Oberhand in der
atlctn ido ftbrUn
ilii- Mwrciige, So wie ,
■in tVagiuonl äer Gf- ,
iiiit'Ii liior niiMdCH dh '
j<'i'iiii;j df^ arubUrliTU
■jiiii'nmii)i von v-iutr
rliiilt Die i(twitteti'ii
iliL'.iiUD'sUUHKC und fii-
gowannen I
D«r UUm ia BHniea uad Afrie«. 149
(Biaaml, dsuss nach den Omnuyadon hst ttberall berberische
rnartien entstanden, l»ercdtes /eugniss ablegt. So bildeten denn die
erber im Wc«ten jenes Cultumumient, welches im Osten vorzttglich
Hl den rersem henorjnng. In der That ersc^hienen die a r a b i sc h e n
Amme, welche 1050 in Nonüifrica einfielen, als durchaus ungesittete
[Nnaden, denen hanptsäclüich der Untergang der nordafricanischen
viümticm znr litöt fällt Wären die neuen t^ndringlinge civilisations-
lii|Eer gewesen, sie hfltten ohne Zweifi'I in den eroberten lündem
für Rricbe und Ihnastien gegründet, allein sie blieben Beduinen bis
r Stiimle. Seltist unflihig die erolierten I^änder ]K)Iitisch lunziigestalten,
rsturten sie xwar nicht gänzlich das staatliche Gebäude, das sie in
Df*fi vorfinden, a1»er sie Hessen gleichsam nur dessen Umriss stehen.
ki lleiche, welche vor lofH) bestanden, gingen also nicht eigentlich
iUt, ihn^ Fürsten und Dynastien blielien am Ruder, aber deren
arbt n-ar ein S<^hatten geworden. Aus den Städten und Seehäfen
ftrhtcn sich die IkHhunen nichts, desshalb Hessen sie dort den alten
rnastien weiter die nerrs<*baft, ja sogar die nominelle ()l)erliolieit
MT ilie Ijänder. Fast der ganze Theil und die fruchtliarsten Oasen
T Saliara bildeten <Ue Weidegrttnde <ier Aral)er, aas denen sie die
nheimtschen lkTb(*rstänmie theils in die Wüsti», theils in die hohen
r4iirge ziirüclcwarf(»n , cmUt worin sie ilie KingelK)rnen als Unt(>rthanen
rtvegetiren Hessen, dem äussersten, weil gänzlich willkürlichen Steuer-
«irke )irt*isgegeben und ]K>rsönliche Unfreiheit erleiden<l. Die Sultane
r gesitteten B<Tl)erstaaten waren gänzlich in (He Macht der ^Vraber
Dieses (remälde sticht freilich ab von jenem im 1»eiuu*hbarten
«nien zur nämlichen Zeit. Das (mmiajmlische tlmirat von Conlova
IT wf>hl der Ueliormacht «»iner Wezyre und Statthalter erlegen, und
rh seinem Sturze zerklüfteten zahlreiche Parteiungen das islamitische
Aiiien. iKich gi*lang (*s den africanisc^lien Almoraviden, sich für
insc Zeit «He verschie<lenen kleinen islämitisc*ben Staaten wieder zu
itcrwerfen. IHe Almoraviden warm /war dem schismatischen (leiste
iU|»ning<Mu ihre I{<*ligionHlN*wegung hatte sich alMT l»ald ülwrlebt, weil
r I'arteiglaulM» nichts lIetcro<lo\es, kcincrh^i n'ligiöse Neuerung ent-
piU jMmilcrn nur eine \Vie«hTlM*lcbung der alten strengen, sunnitisc*hen
mmMtze war. iH^ialb gründeten die Almoraviden auch kein Uhahiat,
•dern <*rkanntcn die abliasidisclien Chalyfen von Ikigdad als ihre
lilpöM^n Olicrbäuptcr an. Dies konnte die neuenmgssüchtig<»n IU*rber
rirt brfne<Htfen und machte sie g(*neigt zur Aufnahme der Almoliaden.
Y'A^ii ein .Ialirhun(h*rt nach der arabisi'hen UnterjtM'hung liefiiml
rb ika^ IkTls^rthum N<»r(bfriai*s n<H'h in voller LelH'uskraft; da raffte
rli ihT im giiisscn Atlas h'lMMide, urkräftige IkTlM^rstamm zu einem
-«altig**n Schlage gegen das AnilMMthum auf, und stiftet(> die neue
F>rtr thr .\ I m oliatle n. Ihre dogmatische Ikisis bihh'te die figtlrliche
»i alb'tfori.M'li«' D<'utung di»s C^on'iirs, wäliren<l ihre sectii*erische l*artei-
') M « 1 1 1 a n. AutJamd 1873 No. 33 K. 448.
loT) Der Orient und der T«Uni.
Stellung die Inshenge aHxu buehstählicbe Auffassung dct« liciKgen Textes
ab Anthro])omoi-pln9nms verpönte. Interessant ist es in der Gegenwart
daran zu erinnern, dass ein Hanptdogma der Alniohaden die Unfehl-
barkeit des. Imam (Mehdi, Mahadi, d. h. der TerheisBene ReligioDS-
neuerer) bildete. Der Isl^ ist dem Cbristenthame mit dieser Idee
um etwa sieben Jabrbundeile vorangegangen, die Almohaden eiklftrten
sicli für die alleinigen Träger der einzigen richtigen Anf&mmg dcH
isläm im Gegensatze zu der übrigen muhanmiedanischen Welt. Durum
konnte auch nur ihr Melidi imd sein Nachfolger der Clialyie, der Be-
herrscher der waliren Gläubigen sein. Sie verwarfen nämlich ganz das
genealogische Princip des Imnmats und gestanden der Maine der
Gläubigen das Recht zu, den Chalyfeu aus freier Wahl am ernennen.
unbekttmmeil um dessen Al)stammung. Dass nun auch ein Berber
(-halyfe werden konnte, tnig wohl nicht am wenigsten zur VoDk-
thümlichkeit der neuen Sectc l)ei, die so reis.senden Aufschwung nahm.
dass ihre Anhänger in kurzer Zeit Marokko, Algerien, Tunesien und
das muhainmeilanisohe Simnien erol)ei*ten. < i Aus dem Jn1)el, womit der
unfehlbare imam von den lu^hgebildetcn Mulianunedanem Spaniens
aufgenommen wunle, kann man ennessen, wie gering schon damals das
arabische , ^ie stark dagegen das berlierische Element gewesen sein*
müsse. F^rst nach dem Untei-gange des Almohadenreiches glücJcte es
den africanischen Beduinen das berberische Element wieder niederzn-
drücken und Noixlafrica zu arabisiren, zu dem zu machen, was es heirte
ist, so dasH den Türken nur wenig hinzuzufllgen blieb. Ist auch heote
die Macht der AmlxT gebroclien, es mag wohl noch Jahrhunderte
dauern, ehe diese I^ünder sich wieder heben und dies kann nur durch
die Berl>tT geschehen; denn ihnen gehört nicht nur die Vergangenheit.
ihnen gehört auch die Zukunft im Nordwesten von Africa. *)
Wie man sieht, sind die Gesi^hicJce S]>aniens und Nordafrica's
unter den Moslim'.s, den Moriscos cnler Mammen der christlichen Ootben
rnit einandei' innig vci'fliH^ten. Die weitere I'^twicklung des arabiadieB
Staatswesens in Spanien führte zu Ei-scheinungen, welche man gewöhn-
lich dem Absolutisnms beimisst, imter „vicarircnden*^ Formen aber aaeb
Freistaaten charakterisiren : Thronsti-citigkeiten, Palastintrigoen, Ai^
stände, dann auf allen Seiten Gii\usamkeit und Barbarei. Der Monardd^
mns, der ganzen Vergangenheit der Araber und ihrer Nahnmnlige
widei'strel>end, .soll Ti-sache der vielen Aufstände in S^ianien sein. Dodi
hatte Niemand ihnen denselben aufgenöthigt und ward er inderThatauek
nie bei ihnen l)eseitiget. Wo eine Hegienmgsform der VergangenlNit,
besondei-s al>er der Natui-anlage eines Volkes zuwider ist, entsteht sie
nie s])ontan, oder winl doch, wenn aufgezwungen, wieder abgeschflttdl.
Sehr richtig l)emerkt ein gi-ündlicher Kenner von den ersten Arabern,
also jenen, deren Naturanlage besondei-s in's Gewicht fÄllt: „dieses Volk
hatte alle Elemente zu einer aristokratischen Republik in sich, in welefaer
die AralwM- «lie Iwvor/ugte Ka<«te, <li«» übrigen Völker die Parias zu sein
') M Alts an. A. a. O.
) A. A. O. No. 34. S. 471.
i
Der Trii» In Spanien vnd Afrle«. 151
h^fffiimt inin*n, sio kam iiIkt nie ni StaiuU», woil, wir o sc-hcint,
Nfraand anf den (»(»danken voiliol, eine Kammer von Abgeordneten
der militbiM'hen Stfinnne zn bilden. AVie einfach anrli die Maschinerie
t\p> Ili'prÄsentativsj-stenw ist, s« ist sie doch eine FMndnnp, die pemaeht
und dureh die FjHlahning verlwssert werden nniss/' •) Ja wohl, diese
FxfiiHhing ist al)or v<m Semiten n i e gemacht worden , sie widerstrel)t
\iolnielir dein seniitiRchen (ieiste, denn sie erfordert den Widei-sjmich,
die Discnssion, *) im Keime schon in den Volksversammlungen der
ähesten Ar}*er erkennlwr. Der Semitismns hat seiner Natura nla^re nach
iHe Tlieokratie gelieren un«l nie die IHsi'ussion vertragen; man vtT-
<leidie (h*e rnduldsamkeit der monotheistischen Lehren des Talmud,
il^-s diristenthums und des Islam. Die spätere Toleranz l»ei (liristen
lind MoKlims l)ewei8t dagegen Nichts. FY(»ilich vei-steht <»s sich von
-i^lKt, da.««« an Höfen, wo man den Weintrunk statt des Fi1\]igebets
Hnpreftlhrt , wo man d«*n tnK*kenen (ianmen «1er Derwische verhöhnt.
;si/«*neiiM'hlanke Mftdchen für die waliren Muezzins. d»'n IJecher ftlr die
U-str Iiini]m zum KrU*uchten der Klaus«; erklart, tiass tlort auch
keine Spar v<mi (flau1)enszwang gegennlxM* den Nichtmoslimen stattfinden
konnte. »• 1H<» christlichen Untert hauen, <üima1s in Spanien wie heute
in diT Türkei «lie hnmensi* Majorität der Uevölkennig, konnten nach
« igfnttii <fcfalli*n ihn» IHM-hofe und I^riester wühlen und ihren Kirchen-
jf»4inliirlien ungi»stört folgen, ungestört wenigstens seitens der lleliönlen,
d**nn an gegeUM'itigen Neckereien zms4'hen den religiös und ethuivh
hrtiTooi-nen H«*inenten gehnich i's nicht. \Venn die MoslimV kopf-
•«•hftttelnd v«in den <'hristi»n sagten: einfsiltig(»s. lMMlauernsweilh<»s Volk.
da* *kh iliin-h M»inc l*faffen iM'trUgj'u lü-^st; welche Thorheit ihre f^ftgen
m frianfwMi! mi konnten die (Inisten mit IJccht das Nftmliche von den
AH^mlititten des Islam iM'lmupten. Ihunit wuchs die gegenseitige Kr-
HifttTTing nnd trotz des blühenden Zustand<»s in (rewcrlM». Kunsttteiss
nnd Wüwenscluift «»itnigen <lie sjijinis4*hen ('hri'*t<'n nur zithneknii*schend
ib« Jorli der islAmitis^'hen Kindringlinge. Ik'iderseits •«teigf'rte *iich der
Fifiati^nins in's rnglanbliche und führte /.u masslosen Auss<'hi"eitungen.
M t^ \ofn Standpuncte des Philanthn»]KMi tief In^trülMMid luid nieder-
drUflcend. zu H-hen wi(> di(> MeiiM-hen in sohhen Füllen, und /war
irnMie diireli <lie Keligion zu ein<'ni Wüthen in den eigenen FJugewei-
4«v «•■••rächt wnilen können, ^n erli-idet seilest durch solche Ik*trachtung
dip .\ii«d«*ht Mm der Nützli<*hkeit der Religionen keine Ki"schüttemng.
Iht' l'>6hnnig h'hrt. ilass nichts die .Mens<-hen mehr zu tiTunen vermag
iK M •• i n u n g s v e r «* e h i v d e n h e i t . gh'ichviel ob anf i-eligiA«em
'■Wt ^in-itigem (Ji'biete. In <ler (ielehrtenwelt halMMi mitunter die
tMitiKMen iKmker Heb mit bitterst<'m Ila^ne xn-folgt und bekttnipf)
entgfv«*nge^»tzter .Knsichteii üImm* oft kaum neinienswerth«» (lering-
' Haf «hf. t. Vhymtrt ,»ml l'ofittrß. H. l.^ft fl.
*■ J Br*uQ, OtmUtttf der mphammeH. Wett. H. A'il.
162 Der OdMi «^ iM Ukl. •
fugigkeiten. >) Mainiii^diTergeiii Ober Taili ■■ Altla^lrbnu
bat mehr denn einmal Freunde in F e Tei , ,iif giolltiMJwu
Felds aber Menadien in den A n Andertr zu ^'erbrecbuni micr
AUrtjrern geetempelt Der poli J täkuapf zwisclicn Monarcbixlcu
und BepuUikanent, »nscben moi c iatoi und ßopublikaTun-n vi-r-
Bchiedeür Elrbong nnter aicb, bat ni ^iches littilvct^cF'Nrn vcranteesl.
Allen diesen mannigEftcben Erecbänniitj m Hegt nnr cdne nd doribt
Ursacbo in Gnmde; die Ideendiffereni. Sind udi die Tfkj^lh
logischen Torgftnge des Denkproceeeea nocb lange niAt ennltt^,4W
muBs docb ao viel zugestanden werden, daas CHeiddUnd^Wb ^1
Dive^eni des Denkens auf pbysiologiscben HomenteB. liei:Ä& Wk
steigen aocä bier eu emer natOrlicben QndlebliaaC Bmt-.yHiltmß
Betracbtong Idtet mr ^iienntniss, die aat UeenarMbiMB^tiliM
^l^ningenen K&mpfe, Febden and »intigein OraniHriniteB nkUi^a»-
den» rind als der Kampf nm die irbeit, nimlldi jener lahiwii
tiven Wabrheit, weldie die V ft oft all Irrthnm flBtpqp^
die aber der Menge allem 1 lo hk gewibil Kidd wh mtr.iat^
sondwn ms sie für wabr halt, i gt die MenschhelL Kefa ,TÄ
der Erde hat nocb fbr Ideen gestrit und griihtat, die e
wahr hielt; kein Denkender bebant oei seiner IT '
von ihrer Wahrheit aberzeugt ist
Diese sobieolive Wahrheit erheischt eeütem des CullurTorwbcn ilie
hödwte Beachtong; sie li^rt den SchlOmel au Jen scbdnbar hderth
gensten Phänomenen. Uarie Alacoqae, die in iin.'M-ren Tuffen vii'l
genannte, war keine Schwindlerin, kdne Betrflgcnn; van «ig bchauiileU,
beruhte auf Babjectirer Wahrheit; sie bildete xiih i>in, ulM•^uUd^
tiche Uesciite erbUckt xa haben and war v>iii ilcr WuhrliMt ifares
(jCBcben- und Empfondenbabcns Oberzengt. So bildi'ti^u dio ]tIciL-«-lii-u
sich ein, diese oder jene Beligioa sei ^ Walii-Ii<^it iiml bbiU'ii wüüit
diUUr; so bilden Andere sich oin, die HerrsdiaA ämii Ihm Larli», IhMt
Miguel und sonst Jemands sei in Wahrheit ein ■■rNtn'b<<n.<w(-t-tlic« ülask,
und lassen ihr Leben dafür: so Uldeten die Milium- di>i- &bfpi'kcu&-
berrachaft, sich ein, die J^Yelheit und Oleichlieii »ei in Wahrheit da
') Mao s*d«Dk« dar Anfalndmi aliiM Okiwln dkreh Ftrua wiHftmehiinfickM
(hcatr, vaa d«a BlahtwlHUwkaftUchu KllStti gu alFlil t.a Tcdea. Waleba UoaM
■tttriU ilak sieht uf D>*l(i 8(ras«(, all diMU dv ibualcliciLiliu Mainuag «lax
kldaaa KtaUa* dtakcBdar Hanishas ABidroak au vctli^ilicn wactat KM
8lMdp«aot Ib JUmt F»|a Ist dJaMr: AU* Ballgloata «lad InlliiiFii; lilfar iritku* M
DDlkwwidli (Dr dl* H*«HB, Bloht ni'r dis klsloa Bskur , dio il» .Wir* In tUna«'
Bacli Ti>nt«nL Hnr Rti dlsH Ut Mla Buch |«M>kTi*b*a uuO van dloian .WIt* 01-
lakalnan wordas. SiMer .Wir* (lud niekt vMa, dtrh ctahnmi liFh ftn tt»
KorfpkSan dar WIuaiuBkmft wU E. Hiakal, Horli W*CB^> (Mmpar, Ki>,d|liatu, «M
dl« VaKluomnai du BtTuu'iikaii BaokM Hlanil, w rSkn >l« ■»£><«. rlitinllik tasdu
Uouai|ii«uaa ktr, nalake ilsh In palitiHhat mwiokt Ott ?<ir*i>» «ui dar Ainthnl
Uirwln'sfhen Lab» argaban. Dis TonStniui leaaiuea flitlxihAa rr.lgar<ii«M (■
M minelio aodora, batagdan hintlcktlich dar BraaUinin«! llrr dl<' llollKlcnl 'Ind j»
dureluua loglicb, Ja dl* eiailg D«(llchan; la tat back bj; ^r, y.^xi, da» oan »h
arkaBDa, wla dia Tktottmc KodarMi Pkraicabcldcn btl Jff nudutnaB KalVTfMarbM^ J
kalM UntanlStniig fladaa.
B«liglö«-pklloMphlteli« SDiwiekloBC de« IsUms. 153
tnMlirsiäche ZuHtand und — köpften ihre Mitbürger aus Ue1)or/eugujig.
e Aubjcctive Wahrheit ist es endlich, welche allem Hechte zu
imdc liegt. Die vergleichende Völkerkunde lehrt in der Mannigfaltig-
H diT iN^tehenden Uechtst^egriife und Rechtsüberzeugungen, dass ein
ijcctivcK K(H;ht nicht vorlianden und die ('Ulturgesi'hichte l)e8tätigt
w vollkommen. Alle Kiüni>fe, die nicht Namens des (jlaul>ens ge-
int wurden, pHegen an irgend einer Rechtsfrage anzuknüpfen; beide
icüe glauben das Recht auf ihrer Seite zu halien; beide Theilc }ial>eu
an oft den nämlichen Gott, jeder um Sieg für die gerechte Sache
igpüeht.
Auf die Ge&hr hin, das Maass dieser Abschweifung zu |lber-
hrciten, muss ich noch weitere Betrachtungen dem Vorstehenden
iTriheiL Die Thatsai'he, dam alle Völker einstehen ftir die subjective
ahrheit, also für den Inthum, wie es unter den gesitteteren Nationen
Konflers die Religionskriege beweisen, die nach dem oben (lesagteu
i v«ilIkommen natürliche Erscheinungen aufzufassen si'in wenlen, lässt
Btlkii erkennten, dass Ideen zugleich Interesst^n vertn»ten. Ideen, ob
iitige oder fals4*he, sind geistige (rüter und diese bilden zugleich die
chslen materiellen InteresscMi der Menschheit, denn an sie knüpft
h «lii* Frage niu'h tler inneren lk*fri(Mligimg. Mit gutem Vorlxnlac'ht
nne ich dic»se ein materielles Int(»rt*sse, denn innei*e Ik'fnedigung
gk'icbU'fleutend mit inliscluT (tlückseligkeit, j(*nem Zustande, der als
MeiMN Ziel allen menschlichen RestrebungiMi winkt. Darum zu allen
itpu Kämpfe für bU^en als das köstlichste Gut, seien diese Idtvn nun
rköri'PTt im Poly- oder Monotheismus, im C'hnst<Mithum o<ler im
lain, oder gar in den Abstmctionen philosophis<>her mid iNiIitisdier
-«tf 1*1110; sie sind stets mi jeweiliges Ideal, und dieses ist. wie S4!hon
vAhnt, unter allen rmstiinden niemals die Wahrheit. Allein es sei
idi nie«IerhoIt: ^^ i t— ^i • * i r x
Nur der Irrthum ist da.s Let)en.
Nicht als ein Zeii'hen tiefer Rohheit, die an thi(*rartige Zastände
ihnt, werden wir demnach die Religionskilmpfe iM^tnuiiten, simdem
rwk* als ein Merkmal selum gestiegener Cnltur. Wo um des (ilaulK*ns
iJl«*n Dlutstnime tliess<Mi, dort sind Me(>n Jüngst als Güter erkannt
mi«*n, A*ren Werth sellist höhen' als thierähnliche Kntwicklungs.st adieu
rh nicht /.u iH'UH'NSfMi wiss<*n. Auch hier s<*hiirft die Kthnographic
B lUirk und k'wahrt vor der Rehauptung irrthümlicher U*hn'n. Die
br»4fn Wilden, an der alleräussersten Grenz«» des Fetis<'hisnius, obwohl
fib4 iM^Milndigem. mönlen*<4*lien Kriegs/ustandt* unter einander h'lK'nd.
»■ff«'n iiirht d*'s (fJaulMMis IuiIIht zu den Waffen. Dt'u Fnnordungen
n«tli«*lH*r Mi"«Monäre lieut Ihm ihnen nirht der (iedanke t^iner (lefahr-
\mK ihn-^ <tot/endien>tes zu Grunde, soiuh^rn antlere. meist nrlit
i«i-ln' Mi»ti\e. Auch i>t das Ki-^ehlagen einiger Fn'indlinge kein
für <>ine etwaige Krhebung des Volkes gegen 4*ine S4*inen (ilaulN^n
«lnibi'n«ie l'elN'nnacht. Auf jenen Stuftjn der Kntwieklnng wenien
rit-ffi' iht'iK tlurcli Stn'itigkeiten nmt<Tieller Ai1, theils durch den auf
Htm ilunkeln. in^tincti>en, angelMirnen (iefühle iMM'uhemlen RactMi*
LI« \i r.inla.s^t. Was fn*niden Rlutes ist. ist an sich ImssiMiswetlh. und
IM bmOt
fchra wir ^ne niSeMfgirtf i
Ton den untpritten SttÄln
hindnrdntindcn nnd am Vrf
Alte weitere Gedttnng du
den Hintergrund, «chwid» '
ansktsdien ni kOni l E i
V(rikem ni8]rredien i, wo an <
al« wirkende Motive treten, Danin
Hegnngen obenan und so wider^recnt id e« m der i
liMckenden Beh&ndluiig der Cnltorgtechicfate klingt, der die i
alhnRIilige Entwichlnnf; der Cnltnr von f
gendc Beoinchter iiiiihi im Basen der I
gcwaltigein llcht«-lohen Bnuide a -iHi- l'hiiiinii' il» Iiciikeu
Krilssen. Die in dieflcui Kampfe ner iieiMiT ncborpiifl umt entwicta
Vendiirfiing des Denkens miwate u^fnifliftK dniiin fnhnni. i-fnend
üic'b Ober die rardinalpnnrte rieier r igiii /.» >'ci-)>tSiid)Kf n , ändert
<«itH aber auch Differenzen In imte rdintin. Fi-OIi'T uiiU^tu'htPt gi
Uiebenen Pnncten m erzengtm. Die ivhtl <mj>'I-1ivii ilm MciiiungMitiC
whiedeuheiten V e r e n g e r 1 0 »icb kwhi. * im i i iii i- lirli abe!"
ziigteicb. So kämpften die Cbiiaten rnn»! i.'cg«'» ili-ii I^läm, daa]
s])Atteten sie sidi in Katlioliken und Proli'Hiiiiili'ii, ciullinli Iwifttoji «W
die yersdiiedenen Confendon de« Fn)teKtiiiitiMiiii<> unter einaindcr tri
strts wadnender ErWtteni in dei' lip^ciiHiirt di-oht
den Katbullken imd den «nue aieii AWtiilli'ilikfii. ilir HtiKlwrflpn i
In einem einzigen Pnncte vi innen 4i ni\ii-ixAv'uh'M. ein ähnlldMr
Zwist anmibrecben. Erst i r Ow- .Mimuni M-inr /Zugkraft <"
bflnte, also wieder ein bOhei w «(;iiliiiiii ci-klDiiiniiii war. rtib
die Klinpfe anf dein Fekle i ü s, jfldi^li IiId» imd Miih nnf Jt
der Politik xa fiberti-agen. Am du dn<l si<- M den fiHlguwIiritUi
Vftikem Pkuroi«'» bis bente ; len, nnr isi in ibifi' iintflrllrbt« 1
wifidnng die Politik ans den \.i «t icr l'iii'uti'n iti dio V'olkakaiBmini
gewandert, nattlrli(4i (riine i i 9e ie Mmlii lillil<-ti. den l^iir d
RreignisHc in bemmen nnd diu u n üninH iln' Kmv ■'u \imHviäiatt
Ob BeligionskrJegi' beute nort nnrer den inili-iiicii F.iimiiä^ni inftglUi
•lind, BteW dabin, docb Qbt die re e M<'itiiiM).'-M'iN,-lii.>i|ciilii-H not
yi»At geang, nm innerhalb eine« ti es lifiitziiKHu', ni>iin aiic}i in
Mutige Klmfrfe tu veranbaien. Bei < n mindir Kinilli-u Vi>lkr>rn dl
Ostern MJHwren selhit in dn* Gegenwart nocti IhIih VritMtion Ar* Vacltihm
des heiligen KrirgeH, mich Jnng und AH nii< ilic ^■lüiu- F'ahnc Av* Pn
pheten xnm Kampfe gegen die tilaubenxfeiii'lr'.
Dir Bedcutnng der (itanbendcampfe itnd llfliKion^krii-ge tu d
Cultui'gevcbichli' Hcbicn mir itiese Iftngere Ali^Hiwi-ifiui^ kii nvMAirtlip
V* lag mir daran, ibrc Stelle bei der i'iNicn llcgi'gnniig m Hdn
Im moclim'st^lien Spanien ISiwt sich merst iliis Aiift-iiiaiidoriitHtxm xwvl
»■erschirdenrr Religio nmrirteme am bestiit l>pnhachtcH: drr pawi
Widerstand der L-hristliclien l'ntertbaneii. die iifTrnc» AngrilBr 4
KOthist^h (leltKebcnen Spanien anf die ouirtiinleH. <
find nnr verscbiedeoe Können einer ttna i inung. Oiln^
A^flrdigmig 4er ftrtbli>ebeii CuKur. ifin
«dl ff*i^txnliaUfMi H, 4tas»i Keligionskriego nicht nur keinr nnnatftr-
sondern vielmehr natürliche Ereignisse waren nnd liei gcwiJisen
B noch sind- Allzn geme vei*gis8t man, dass nicht Cinlisation,
n Btrhurei der nrsprt^ngliche Zustand der Menschheit nnd es
ner ganz pmngen Zahl von Völkern gehnigen ist, sich di«»seni
tfn Zwitand zu entwinden. Pflicht der Cnltnrforschung ist. auch
MiRtgestiegenen Nationen an das Thierische ilirer Ansgangs-
i ra mahnen.
Würdigung der ariibis<«lieii tiiltiir.
LKe geistigen l^eiHtnngcn der Islannten \ erdienen um so mehr
mnnng, als ihr AuBgang^pnnct , das arahische lieduinenthnm.
■f einer s<'hr niedrigen Tulturstufe }H'fan<l. Allenlings erfolgte
kerer Au^'hwnng «Tst, nachdem liie Ai-aber nn*t der giiechiwhen,
ler iiersischen und indisi*hen Literatur l»ekannt geworden. Allein
Diche geistige \Vechwl Wirkung findet sich melir oder minder liei
Nationen; lasKMi sich (k>ch sell>st M den genialen Hellenen
gmionHMite nauHMitlich i>hönikis<*hen nnd ftgyptisc'hen rrspnings
cfiMii erkennen; immerhin hleiht den AralKTU «las Vei-dienst,
inen Irkannt gewordene fremde Cnltur nicht imr \m sich anf-
laeii, sondern auch mit Eif«»r ge])rtegt. gefi^rdert nnd nach ihrem
venu-l»eitet zu hal>en.''
ine solche landlftutige Wünligung der islamitis(>Jien Culturcnt-
tifc leiil«»t an augenscheiidiclM'n Allgemeinheiten. Von einer sehr
!en Cnlturstufe sind nicht ntn* die Be<lninen. sondcni fast alk*
rölker aufgestiegen: Hellenen. KOmer nnd (tennanen. Sie alle
dftK Vrnlienst, <lic ihnen iN'kannt gcwonh*ne fi-euHk* Cultnr
nar anfgenonnnen . scmdtM'u gepflegt und nach ihrem (tt^iste ver-
i zn lial»en. So weit entlocken also die Aralxjr keine lx»sondere
demng; hftheit^ Staunen als dies<' licistungen der .Vralier nnd
^nannten (*nltumationen vcn-dienen si<iier die ChinesiMi, welche
tien HO i-oIm'U Anfängen zu ttlH-n-aseliender Höh«' aufgestiegen
ohne fn*mden lk»lehningeu ii-geiul etwas zu venhinken. Was
rtxten» aulwlangt. so ist es richtig, dass s^deh' wechselsintige
litnng d«'^ (i#*ist<»s mehr «kUt wenig<'r fast ülN*rall stattgefunden
■bf-r den rmfiing soh>her fn*mden Uildungsmomente zu ergritnden
wt/i»«t«*Ilen . das ist eben die Aufgabe «l«'r Cultur-
lichte. wenn ^\v andei*s die Culturentwicklung erklären will,
e M e n g e und (^ u a 1 i t ft t des aufuenonuuenen frenul(*n Hildungs-
giht siclM»rlich einen untrOgliehen NVei-thme<s«»r für die Stelinnff.
einem Volke in der liesehichte der («»sittung zukonnut. l'nd
iben die Mi'Uge und (Qualität der fn>mden Hildungselemente M
lrilen«*n «Twies<»nennasM'n eine so ül»eraus gi-(Hs<» ist, Imlie i<'h
kbKcben I/dieserhehungen diesem genialen Volkes unterla^i^en ;
in allen IHngen ist der Keim wiehtiger, als die Kntwiekinng:
Me kann ohne letztere >orhanden sein, niemals alier letztere
150 Der Orient und der lelim.
ohne den ersten. Indem Giieohcu nnd A)-alx;r die empfangenen Keime
in ihrer All auslnldeten, thaton sie, was sie nicht latssen konnten,
wozn ihre et hn Isch e Anlage sie unwiderstehlich zwang. Dies ist
so sehr wahr, dass <lie gesannutc, mit lUvlit gepriesene Cultorcntwick-
lung der iHlAmitisehen Völker sich ausw»hlic8Klicli auf die iVraber und
ilire Lehrmeister Ix^schränkt, nicht aber von den tatarisdien
und tiUkischen St«1nnnen gilt, die gleichfalls den Islam angenommen.
Das nationale, nicht das religiöse Moment gibt in dieser eigen-
aitigen VerarlMMtnng des fremden Culturstoffes den Ausschlag. Gews*
war seinerzeit der Islam nicht nur kein Ilemmniss in der tlntfiiltung
<l(T Gesittung, wie Viele glauben, die ihn nach der Gegenwart l»c-
urt heilen, sondern In^kundete einen wesentlichen Fortscliritt im Hinblick
auf di(i früheren Zustände der semitischen Araber,
nicht abi'r im Hinblick auf das (lu'istenthmn , welches die gennanischen
\'ölker ei*gi*iffen, nm'h selbst auf den Parsismus, den er in Persien za
N<Mnicliten sich l)emühte. Die menschliche Kntwicldung bewegt sicfa
stets nacli den gleichen (resetzen, nur (b*ücken diese» sich je nach den
Völkern, unter denen sie wirken, durch eine verschiedene Formel
aus; desslialb muss, um das allgemeine (resetz zu entdecken, der
Culturln'stcniker die Vr»lkerkunde vor allen andeivn Wissenszweigen
iK^vor/ugen. Dann wird vr sich htlten, von einer islamitischen Cultu*
dort zu sprechen, wo nur von einer aralnschen die liiHle sein kann.
Hat nun der Islam, hat (ks Chnstentimm gar keinen Finllusii
auf den Gang der Entwicklung gt»habt? Sicherlich, wer wollte düs
\ erkennen. .Ulein dies(^ Kinwii'kung blieb doch inuner (lic seeandäre,
niclit die primslre. War ja schon <li(^ Animhme dit^ser oder jener
Religion an sich eine Folge verscbiedener Ui*sachen, worunter den
g(Mstigen AnJagen d(T Völker eine Hauptrolle zußlllt. Jedes Volk
verarlMMtet(» ferner diese Keligion in seiner eigenaitigen Weise, wie
sich dies In^sonders deutlitrh am Islam wahrnehmen Iftsst. Man ver-
glcMche den Islam der Aralx^r mit jenem der Perser und TUrkcn;
jcn(>n von Cairo mit dem von Standu'ü otler I^k;)uuii! Je nachdem
ein Volk nun nach Massgalu^ si'iner natürlichen Ik^bung diesen Ver-
arbeitnngs]>rocess ras(*her (Mh*r langstnner vollzieht, tritt auch rascher
oder langsamer jenes Stadium (mu, in dem jede Ileligion aus einem
Culturfortschritt ein Culturhinderniss wird. In der von Parteileiden-
schaften durchw(ihlt(>n (iegenwart fehlt nur zu liäulig die Krkenutnisi
Iwi den Kinen, dass für die meistfortgeschnttenen Völker die religiösen
KinflUsse ein IIennns4'huh jvdvr weiteren Kntwicklung sind^ bei den
Anderen, dass (liest* nändichen religi<')sen FJutlttsse seinerzeit den
grossten ('ultl^*vor^prung b(>kundeten. Ik>m fulturforscher geziemt es,
bcithMi Sätzen gerecht zu wei'th'n. Ohne Voreingenommenheit erkennt
er. dass anfänglich Christenthmn und Islam ftir dtus r<»he Kuroiia ud
.Vrabien ein ungeheurer Culturgewinn waren; dass die Verdrftngang
des C'hriMeiithums aus tU'm nördlichen Arabien dm*ch den Islam dort
eJKMi so wenig ein Rückschritt war, als die Verdrängung des Ileideir
thums durch die chri>tiiclie Lehre bei den Kümern und Griechen; er
wird aber ernstlicli protestiren gegen jede Unter- oder UeberschAtziuig
WOrdlgaBg der artbisehen CuUnr. 157
»inos iKespr bdden Religionssysteme zu Gunston des anderen, abj^eleitet
ms <Ut gleiclizeitij^en Civilisationsstufe ihrer Ik»kenn(T. Manclie Völker
irmnchen eine lange EntwicklungsfriRt, andere steigen hoeh in ras(ii(»r
Wt; nicht die FYueht, die am schnellsten refft, ist aber stets die
tf-liiiuickluifteste. Als die arabische Cultur erblühte, Ximcn Euroi>a's
Veltker noch in tiefer Barlmrei, nicht wejijen, sondern nmii trotz ihres
[lirii«tenthunis, das sich damals in keiner, gesunde Knt Wicklung aus-
iriilieMiend(*n Stagnatitm befiind, wie die Folj^e liewies, die gerade sie
Im liöHisten Regionen (Ut ( reist esentfaltung entgegenführte, währen<l
fip Maniitischen Aral»er weit zurückg(»l)liel»en sind. Und wenn dem
lait Kecht apponirt winl, die dermalen höchst gestiegenen Völker hätten
ilire Höhe nur im Kampfe gegen Cliristenthum und Kin^he erklonmien,
w feit die Antwort, «liss eljen dieser Kampf eine der wi(*htigsten Ur-
«rhen unj»erer stolzen ( Zivilisation sei. F^ ist der „Kampf um's
[ÜMieifi^ auf dem (lebiete der bleen. Und weil dieser Kampf um's
[IwiHn hei den Islumiten nie zu solch g(4stiger Wuth entbrannte, sind
^e ehen zuröckgeblielien. Die (re<laidccMi aber, welche bei uns den
Kampf gegen Religion und Kirche eröffneten, sie waren im Schoose
flfT rhriHtlidMMi Völker gelioren, von Religion und Kirche selbst ge-
Beiligt worden.
Ich habe mich bemüht, in dem (resagtcn scmder Vorurtheil zu
■atn-sdieiden den Anthiäl des GlaulK'as und den Antheil des Volkes
aa der Cnlturentwicklung. Das l*Irgebniss meiner Prüfung geht dahin,
ilim der letztere schwerer wiegt als der erstere. Wenn demiuich die
Btethe dfH Orients gegen Knde d(*8 ersten Jahrtausends unserer Zeit-
miuiQm^ anstatt dem Isläm liaupt.sächlich dem arabischen Volke
zn/ir^cbmlien ist, so liegt- hierin eine hohe Anerkennung der semitischen
Scanifiies(*igeiiscliaften. Um so getrost43r darf ich der Ptii(!lit nacli-
knmiiieti zu zeigten, wie Vieles von dem, was als ein Pn>duct arabischen
limtM gilt, sich lK?i genauerer IVüfung als fremdes Element ergibt.
la f-mter Linie steht auch hier wieder das Perserthum.
In RaKsnra mit einer zahlnMchen Ik'völkerung, die jicrsisch als
Malter(|inirhe redete, bildete sich <lio erste arabische (leh^hrtcnschule,
di(* nicht wie die hohe Schuh» von M(»kka und MtMÜna, nur Qoriin
anfl Sunna, xmdern auch grammatikalische und philologische Studien
Irii'h; fiarin allein s4*hon iK'kundet sich der UnterschitMl zwischen arischem
aaiJ Miiuti«*cheiii (reist, welch* letzterer sich vorzugsweise mit religiösen
Titieleik'n bt^iaftigte. Die arabische (frammatik ist eine
>rhöpfung der Frennlen, der Anumier und Perser, und ging
an^ dem IWörfnisse lier\(»r, richtig arabisch lesen und s]»reclien zu
Irrmm, ganz l»es<m<h'rs für Nichtaral>er, welche den gebohrten Stutlien
«^-fa wiibiH'U wollten. Als (»s dann Mixb» ward, mit gelehrten StudicMi
aihl Aini-r Rücberbildung zu prunken, wandten sich auch die arabisclu^n
Itrk-hrtrn (iii-nen SUulien zu, ent>i ickelten al»er die Spra4>hlehre ganz
ia aimliiM'iien (ff€*iiite, iL h. mit echt semitischer Vorliel)e für Spitz-
ändigkettcn, zn einem in die abutrusesten Haarspaltereien ausarten*
^
den Syitem, wdcJior mcttt and Rclilndil dw »MB JTintwfc 1^
Uiebou iaL*)
Von den in den Kdnaten dei Vütiltma od dav Htltm'GMil^
•ation wugebildeten Bjnantiiieni imd FerM'in i-ilii riiui >lif AiiiUm aadfid
pine bekannte KiMMnung, abenMchenil -i-lim-il ili.' KikuHtf <!■'.■< gtt^
«eiligen IiebraugeaiMCS, des Ltuus nnd <lii >. inMl^in-i Itjc ('IwJyfrn
iu DBrnABcuH Borliten mi> Inld mit i1bi< (<l<ii/' ihr .Maj(>»tat ^u um- ,
geben, ro weit die noch sehr ftUgemeiuen Kiiliiijunvlrti-n ilii-s itf>uttftcn
So Mttelinten de vom Hofe von Bj^sul' ilu- irn AihIhtii tWlher »b-
liduiante Mode der Eunocben fOr den irititii'ii Dii-ii^t lUw Clialy
IJttlMtes und beaondera dea Uorama, oli^l'-ich ticliiiii Uidunnocd
<4istnttion verboten haben mü, wu fretlioli ^iii Itewi'ii« ihitM> Vi
incnu bi^ den .\rabern vrftm DessgUöclii-ii Kcwniitu'ii riß h.M
Kenntoiaa Ober den Hof and die Pncbt iUt iiorültirheii Künifie, deaM
solion die Omnu^jaden Mele« nachabmteit Am rrttlKMlvii MrauKbll
iniui sich mit der ^eichblls im QuAD-vectoti-ueii Siirr des Welulrinl
Die Kawnt de« Gesanges nnd der IC«^ kuiu rinn AralKm von
Persern lu, und die n-HMu und besten 8it)it{i-i' uiid SitüKttrinofu «aoav
entw-eder nelbst p^-HÜclier Abknnft oder iI<h'Ii /.A|{Kn|t<' vijn |ifriii«h|B
Meistern. Seibat in der Tmdit ahmte nuiit )>i>iNi<^eli» Moden nndZ
persiscbc Kleidung ward Hoftracht nnd dif lidirti. Miiuam-n, iMToiMihife;,
iK^fdfltnnigeD Hate, den eoiapliscben CpfUniliiliiinn -et)]' ühnlkk, wui-det
Hchon vom nrdteu abbasidischen Clialyfei> nilini U luiweMhrii'Wn AmK
aJtperaicbe Feste wurden gBfeiert: Niaifut, Mihigä» und Ajm.
Perser «idelten bobe aflUtarccmmando'i mlcr Hmui^^n. wio lUe bf*
rahmten Bannaldden, sonst hohen Efamiiwi. I'itkjkcIi» KOiuttlM-
waren ee aber auch, weldiea man die ScbipfuiK! dir vorxUglii-h*(«t
islAmhiudten BaudeoJnnale, wenigstens hi < '^ntnUiwcn. viirdankt. '»
Dies rief allerdingi den Unwillen aor Araber liervw, der
ult redit derb Iioft madite, indole Jedixli iiirJitx un dnn iwtar
Uange der Dinge. Der persisdie KfaifliiK'' am (1tal>1i'nhofp ualun .
und erreichte unter Hidy, dem berfklinitcn llnruiunTiidsclitil <i
^tamfin, also gi<rade xd Anfang di'i unlHcrun /eilaltei
der WiBBen|T:barteii im Cbaljr^i. ^hwcm (Hpfelpmu.-!. (
meiateu Weiyre der geuanitfuL Ghalyfen wm-mx j'irwr «der docli )M
siscber 'Abknnft. Visa HOnv dm njinri-ioo nmlyfi-it MntawaU
. B. u— M.
■ XaHhM Dbn d«B Qnb« dai
AabatJ-Diabaatawl H HurlUI-TarkHlb *>xr<]i>
ton «Uw Cbodiaba KnitalB •» floUrla du Pi
UaktakoBiiiii, La mtfaU fAtrtt 4aa4 b -iU, .
Im amM* il« t*ir. i4 Farlt IBKL II. Bd. S. 11^ 1 U)
lUaaikuil'i Ult Vinb^r; daRlr, tew dto MaliUf 1%
Mbr. LoBdoii IMl. B< 8. HS), aln* Aiulabt, dla '"UV
Uadlotr ftMi mUtUrt aT^/tOMtlliml li dar Barllnar
Uli. e. 41t). Da dI«H BiBwarka all« ■■! aaf l,r ;;,.
X\'. Jahlhuslari», »rDrkcfUkaB, ag liL 4aMB> n f.Km
H hu daUa alakl i* Mahaa wM
AVQr^Igwig d«r arAbiMkea Oaltur. 1&9
tr (knu M^m die EiiUrtiiiig der SitU^i fühlbar, zeigt dieseii FUn^teii
reiii iKTüiscluT Tracht, und wenn auch der früheste I^lani gegen
lAcbliclie ßildnidhe keines^ls nehr streng war, ^i<> müsi^en wir d4>ch
Bfli solchen Zeiigni!»8e gegenüb«^' uns vollständig klar werden, da»«
■ dauiab am (lial^fenhofe mit den altmuliammedanischen Vor urt heilen
wilieh geblichen hatte und auch in dieser Ik^xiehim^ dem Beispiele
penöüdien Sassanideii folgte. <;
Weit entfernt, die l^eintungen auf wissenM-liaftlicIuMn Gebiete zu
kAnuueni, füge k\i vielmehr rasch hin/n, dass die Araber damals
Ailrittea lias höchstgestiegene Kulturvolk waren. I(agda<l war nicht
\ die iKditische ilaupUitadt des weiten lUnches, sondern auch der
anpunct alhu* wiiMensdiaftlichen Hcstrebungeit Dort las man mit
I liingebendsten Kifer und der feurigsten Begeisterung Aristoteles
. Pkto, rief, auf Euklid und Ptolemäu<< gestutzt, das wissenschafi-
e Sluiiiuui der Mathematik und Astronomie ins LebeiL Mit Uip|io-
ta^ und (ralenus an der Iland oblag man der Heilkunde und er-
cbte man die Geheünnisse der Natur. Die arabisc^heu Forschungen
dieaen Dl^^upliuen, aufgebaut zwar auf die Krruugeusdiaften der
sMidriniriehen Schule, al>er auch mit vielen Bereicherungen, sind die
ittdkgen unserer s|Mlteren abendländischen Wissenscliaft geworden. ' )
w nicht blos auf dem (tebiete der exacten Wissenschaften zeigte
I diexe Rührigkeit, auch die philosophischen und juridisch-politischen
dieii ^uideii die eifrigste PHege. Man sann über das Wesen und
Lebenabeiliiiguugen des Staat^'s, enlachte politische Systeme und
idMcfae ÜK'orien, die an Bedeutung Alles ülM^rtrafen, was die
bren Volker des Mittelalters geleistet liaben. Die arabische Philo-
hie ') Mieb lange der Born, an dem die mittelalterliche (leleiirsam-
t «cbOpfte. Namentlich der letzte der ambischen I*hilo90phen A b u 1
i 1 i d M u h a m m e d Ihn Achmed Ihn U o s c h d , genannt
errut'ii erlangte durch seine Kommentare zum Aristoteles, dessen
liM^iliie er für absolut wahr hielt. al»er auch in eigenen Schriften
^enibih liirtzubUden suchte, ein ausserordentliches Aiisi*hen \m den
Hifaurtikern, und imUfm besondei*s sein<' Ansichten ülter das N'erhält-
\ \on (rlaubcn und PliiI<»sophie gross(Mi .Vnklang fanden. l»ildeto
I •»in christlicher A > c r r o i s m u s ♦ ,, d<'r w(»sentlicli zur Selbst-
hpüemig der Scholastik l)eigetragen liat. ..So gibt es neben dem
lQiig*v«tnMne. der von Born aus KuroiKi ht^fruchtete, noch einen
aleii au«> dem t>sten. Aw getmgen ist von dem (rethinken, da.sa
Freiheit de?. StndKMiJ», dit? Erhebung des sittlichen Gedankens, die
dw (temüthes (hi> «»in/.igc Ziel *w»i. da»< den Mens<*hi*n zum
0 Krcm«r, A. ft. O. H. *i7>-an.
•} Vi* Bekrift von ÜUMtav nierckn, />/« Armbtr im MitttUltet mm«! ikf Kittflnss
dt0 CmHmr Kmr^pa': Anfiab4>rg 187^. S. Ut alekU mU ein mit üeuieiop)iU«a auf«
■Ml««. 4a« Arabarthum pri'i^eiidei Ke«uroe, in dem aiicb nicht e i ac neue TliaUaeka
|*tWilt wird oder auch aur e i n orlginellar Gedanke vorkommt.
*t WerthToUe Beiträgi> gibt l)r Fr. IMeteriri, /^V rkilatopUit dt,- Armktf tm
ß^hrkmmd^H M. Chr. I^eipAig, tSitf. tt.
*• Hiaht d»rAb«r: K. Eeaaa, A«*fir^t4 »t l'At^ff^itm«. Pari« liiJ S.
IßO
■ lll?>iitlPB wollt
;. l iTi tlil- FjlIkllTIlll'
[c ArnlxT piisabpii sirfi
rmilttllc-n rii-ji \>rhrtir
M«>iisehen eritcbe," ') Die a G
bt^^ndeteii Aiwprnch i ' i ere J n»»»!
erwarben flie fn(^ nn: i Vordleii ite. *)
dem HaTMlel, worden aie tfenemcfaer der See,
und hraditcn oine Hei^ werthvi r Knen^üii^sc <]i'« ii<<1raiK itnrd
Kiimpo. Von Bamora und ans i Oman ^In^fii <1ic »mbiM-liPu
Kr7.e\igmim nach Siräf, wo die Chi ^fiihrer ii fr.nlilct wnirdcn. iiw!
noch fndien. ') Kn großartiger Vi »rrerti Ik )ir.i,lirp .\i-al*r unil
CSiincHcn in tftglichc und lebendige Berfibrai^'. mu! CtiiiDi, vm damnl«
die ordnende Gewalt einer an^ebüdetcnBeamirnliicratrlii" tbri> bUr(!»r-
litjwn Wnnder geadiaffen hatt«, hinterUess du .AniluTii Hr>ii KindrtHi
einer hnJien geseUscliaftScben Reife.*) Dw r'»i\fc«wn rifi-cnlp **
BPhfin nnter den Uteren Clalyfen einer «»gliiltisrfti Itiirrliliildnng tmH
liefttrderte Briefe and Nacliri<4iten in die entfr-inli-Httti Prnvinmüi iln
nMwKm'Hchen Reiches. ') In allen die sn urI vii'lfit nndtTcii Iiinüi-n
Htatiden die Araber hoch Aber den obrigen A'^lk'Tn
Chinesen auBgcnnrnmen. ^der gi »t es iln rmu
in dem Plane dieser Untei :hi durch \>ii/ililrin
Arabern in den einzelnen '. len eifciinnrt n W^iin
&ng ilirce WisHcnB an en , ich bemerlie mu . da-
in das StmUara der ara len Scliriften jetn'r V.\hm-]]
höchsten Bewunderung errouL
Dieses ftrhenprSchtige ( Ide veriiert unlil tii
Gluue, ntmmt tCber doch eine en ' asdüel< ju >r!i:i
die Betnuditnngen, zu wddrni e« i nn^ in Ni
enlgebt die an&llende Aehnlichkrit zwfediet itn K'
und Jenem der Römer; beide verdank nihra l i>jinm;
beide erstreckten ridt &st Aber die i nHdten 1-ji
tterazenen doch bis in die Modislpi -) wo (io i
Knlo. lÜf
irli lif'ql l»
r ii>n lim
aif
> il.-« rm-
VfTlirfiiiiii
i* mil diT
nHnn*
I K.iilir .l.-!- Arahw
Hüiiü ilci' KniliiMiniK
rjliiiui-; ilrniiKi^n d)»
Norden und SüAen
defl OroBsen SL Bernhard in den i Ulsdieii (icliir^on iaagc p^iK
verweilt zn haben scheinen, mn eü OrtBnaiii'ti /tirilck/ula<ni'n ; tinit^
endlich waren von rohen Anflbigen in knmr Ki-iMt m iHihcr (r<\<iittuu!;
geLuigt. So wie dieROmer ab Voll lement jolnHi in ihrftn ^mwii
■IWaria Dlatariel'a
PhllolDgM nd
•) ei*h( klarlbtri Dit
Mo. 33. 8. tST— ni) nmd A. Bp
18M. 8. V|L
ÄftHtm waS ifi 3D' VDriunmlunf i
int.
IP irmktr da ätr •JmfraiAIr, fjmtl.
tMlwh» Wlwa i<" Afint duHWIlH
I.Hr*IC
1 Vgl. dartlbtr: Kd. Unliariar, »■•tu mr ■ l'^Mf'-ivf {■tlU^i; l
m faitt pur In Anhti M Ut Ptrtmm iant rimit rt A la lltlnf «»i 1
■irt chriltwH. Jkn, mrmU U fi» iL L4a(U*) tm.tn-Ji« «■**»',
uKi A H. nainaad. (J»¥rtmt ■itetJfH IB4e 8. Vi--71i). KiAet >lt* «akmUM
HaatUchtlikalt dar HUdarabar alaba anah: Peaak«!. V^ltrkamU, H, in».
•) O. Faicbal, OitetihM* in JTdralMn twr »dira-o-gt'. Wnllgart na» Aar^
yn-n
•t Uicb« darllbat Bpisaiai
') Bläh* ÄmlmHi »75 Mo. 8 ■. K--*1.
WOrdlffUBg Ur arablMken Cnltor. 1()1
Knrb^ dahiiiMbwuiden und sich verflQclitigtoii, so war dieses auch mit
lini Aniliem der Fall. Die heimatliche Halbinsel, v<m der Urzeit an
in Kohl*' ihriT natürlichen Ikscliaffenheit zinn Theile stets von noniadi-
M-ben Stäiinncn iM^wohnt, hätte in der Tliat niniiiKT so t^rosM^ Mons4*hen-
uia»ii>4*u aush|H'ien können, um alle erolM*rten liiinder auch wirklioli mit
AralrtTii zu l»evölkeni; s(»llwt «lie dem semitiK<*lM'n Stiunmc» (»ij^ene
rrihiitlwrkeit - eine ethnische Kif^enschaft - mit in Ketrarht t^o-
/ijfPMi, sind do(*h die eroberten I^ndtM^haften nie in (Mnem anderen
NiniH' aralus4*h ^ewonh^n, als iHMspiolsweis«* Italien ost^othisch oder
Uinietil«rdi<ch, Sjianien suevim^h «Mler W(*stKothis(*h ; «i. h. die Aralier und
ihn* NaA-likiHnnien bildeten, wie ich dies fi-üher entwickelte, nlK*rall eine
an!4(ikratiM'h<' Minoritftt. Nahm auch der Islam an li<*keimern zu, so
brdi-iitet di<*H nicht auch einen Zuwachs fUr (bis eichte AralHM-thum,
«iehnehr wani dit^scK, dem natürlichen Verlaufe der Dinare zufolge, immer
«rimftcbtT. je mehr es sich liald mit <len UmdesiMnfi^elNirnen vennengte.
Wir wiweii dies iKisitiv von Aramäa und Persien, obwohl gerade mit
Pt-rveriiiiieii die Vennischung auf (Us strengste untersagt war. Jüdische
und rbriiitKclie Sclavinnen duifle der Moslim als (oncubinen halten,
penii^'lH' S'la\inn4'n nicht einmal als lk'is<'h]üferinn('n. TratiMi nun
inity MdclMT Satzungen dit* AhiIkt denniM'h s<*lir liald mit der {lersi-
M-biMi IWvAlkeruiiK des Inui in vielfm^he lieziehungen, so ist ntM'li
»eniicer («ninil für die übrigen Crebiete ein Anden^s \oraus/usetzen.
Wie alior oben dargetlian, war nicht das AralK'rthum das Culturelement,
«indem fusste die anfängliche (tcsittung der iHMluinisehen MndK^nT
nMteriell und geistig auf byzantinisi*lien und persisi-hen Grunillagen.
llvch die efbiiiscfae Vermengung nahmen die Aral)er diese fremden
Unaenle nur desto schleuniger in sich auf, und nun tritt ein anthro-
pntogjsrher Factor hinzu, der allein <len Schlüssel zu dem staunens-
wntlwn Kithsel der raschen Kntwicklung <ler arabis(*hen Cultur entliält,
.irr en erklArt, warum im Orient die AhiIkt als die Träger der Cultur
erscheinen, während im (kridente die gennaniscli(*n Völker im
^«odefi die» niemals gewonlen sind. i>ies(*s Phänomen iNTuht l<*diglich
»ai d«'r «lern S^mitiHUius eigenen Zähigkeit, an dem Festlialten seines
lypuv IHe Anthro)M>k)gen sind darfkUT längst einig, (biss in dies(*r
KiB.<icht die Völker, sellist einer und dersellx^n Kace, von Natur aui» Mflir
\rr«ii*btt^len ausgestattH sind; so iN^wahren lx*kanntlich die (i riechen
ibrrn Typib« trotz aller Misi*bungen; «he (irierhen wnnlrn nie slavisirt,
««■«lirni halN*n lUe Shiven gräc'isiil. h Kein Volk (Lig<>grn Wt >on Natur
Am» i(eii«Hgter. hdnen Typus rasch aufzugelN*n. als die Germanen, 1h*-
•««ikT^ die llHUts(*lM'n. wi«* die im Auslande lelNMiden DtMit .sehen lehren.
liN- alkncriivile Zähif^keit lN*kunden je<bM'li flie Semiten, deren aus (bT
\VHiin«lunu mit Indogermanen entspnisM^ne Naehkonnnen \i4>le (teuiTa-
^mnrii biiMlurch den si*mitis4'hen Typus iN'wahreii. Von der Kraft di(*sf*4
Au%Muu<4 kaim sich Jeder an den in uns^'riM* Mitte lelN'iiden .luden
'■ *t*gm» dl« I'a'liii«r«\er'ii4'lic Tbeorte vuiu Hlaseulhunie der Unecbrn tivb«:
r*«' B^rabcrdf^rbmid. thi» l'vUnfrbrn der \rin/rirchfn itnj Ju$ ktlUnUckt AUtv-
■ H«..«*.d, ('uU«rg«.ebiebU 3. Aufl II. \\
tGi bw OriMi.>^ Am Ute.
zur Oenflgf! SberaeiqeiL Dm
selbatvereUbidlicli keinem Volke weder sui Vonnirie noeh x
ihre Wirkuiif<eii in der Cahurgewhtcble i
Bedeutung,
Es wird Hcfawer bilen zu I en,
iiutben oder deii aemittiicben Am 11 der mbere, angelMUeten TM
war, als «e niit fremfleu Coli im in Contaot gerietheB. Dnk
stiller letrJiten Abflorytioi wurde indem der Ofnotae m, 4h
üUfflioben geuUeteren Xa n 1 hlOrR, der dhe Anlwr rillt
oder wenigsten)) erst oadi viel rtr Zeit Der robe GenMM mi
der rolie Beduiu« emiitiDgea Itewe C^tnr am dea lUBJe» thiv
Unterworfenen; indem der Gotbe aba* icb mit dem Bflnier nfaMM^
litlrte er auf Gothe xo nein, gab si ; Sprache aof ud wvda i|i: 4m
utldisten (ißtierationen autth dem Blute nach seilet ein Rommw; lifeH
der Araber mit dein Peraer Hieb vermengte, bUeb et Amher. DfttfM
waren in Sadenropa die Romanen die TrSger der (^Kv; ■■
gothiscli, germanisch verhaute, hli^ nA; im Orient nahwm dia Ante
die firmde Gvilisation auf, bewahrten Typiu nnd Sfnetae a*i AlM
die Honcbaft. Desahalb dQrfen wir von einer arablachek Orilv
sprechen. -t
An der Ilaud ^eses anthropologiicben Faduuu- trklän *ii'h Afi.
Jcn«ai, der nach der notOrlicben Entwicklung in <l<'r ('iiltunt*>'<ducfallj
sptUit, die arabiaclie Gesittung eil a 1 a d i e F » r t <: i- 1 y. 11 11 k d ef'
C'ultur den Altcrthums, vei ttelt diiicli llyüaii tinecj
nd Perser. Auf eiiLsam titalier n le glAaite iIhiiihU Ity/«
hin halte sidi gefla
an Kenntoisae» |
iinägenthamlidie k.
»o tief verachnldet
die nun im ara' a Get
anstaunenden V&hier Jiiuropaa,
da.1 manches Auge demuuwen b
Die
nnil ri)iiiiM-Ui' Aili^rtlMHlj
i ircöcfae Air blühte de.« OrUtnUn
I aar Byantimr iiiul iVrwr WM^
ao lie den Sini^iTrulK de« IkIjuML'
iders in Spanien, lioraittral, lUK
en dartlliifr TlMUllrlilieMÜ
überBieht. Dazu gehört die rx
Cultnr eine aussehliesBlione Folge i
war. Nur 1 »obernng IconMe d innigen Contiiri iiiii ji>nf-n i
Elementen k o, die so ch 1 lichtend virhtoji, üchon t
habe ich an aen i uui 1 naidigewirr«'n, wiiji^h' inunnitül
Culturgowiim die nacuueii 1 ner £rabernng srf.r>iu-n: nn KWeiMJ
lew^btendes Beiapi« uietet 1 a er im. Ihm v<-i-<laiiki-]i*dii' mit<>aw
lAiidisdien VoUter die Zufuhr nng 1 : Ideen ninl Wiwu^ii>u«-hiltii\ dM
verborgen im Schoosae des Oriei scounnmerten. Sn wio die B/nu«/
ÜJJili ihnen F>oberuiigcn, ei 1 nde Gohei* ua m'^jüilivt vi^lnr
Puucten der alten Wdl d en, da« t-i'' i"" du lUiiar«
nicht roclir vDllig veruichiet wemen iconnte, uiKlim ilmrli i.>a-"'n4
Caiiille in ttie Qtmrfloss, so iNt e» das Vei -
dieCuKur des Orients verbreitet in haben. VpA i
Veiiireiten an sich ist bohr» Verdienst; von 1
w^ höheren GvUiaation der ürtlioh nod aw
irfilß
J
Waraifmi« 4er arablMktn CoUur. 163
•bfnchiedeneti ChineRon liat die aUgemeine Cultttrentwickiung nur
fleriiifei'U Nutxen gexo^eii; ihre Verbreitung aber hätte — wäre sie
iiiütritiii Ko^f'^'n ^tiz Asien nüt hellem (ilanxo erfüllen ntUssen.
IHfS«**^ Mw N'erdienst <ler Verbreitung durch die Krolierung fällt nun
aiLv«riiliesKJirh dem arabi sehen Volkr» zu. Darin iMM'uht xunüchst
«^iiie und lies aux seiner Mitte gelN^renen Islams (rrösse.
Mit S4)l<*heni Ma8S8tal>e gemessen, wächst und sinkt zugleich die
Ik^leiilmig «1<T Strlle des Arab(*rthums in der üeschiclite der Culyu".
/wtn volle Men8clH*nalter higen nänüich zwixclien den tiroberungen
in M*'!<4i|Mitaniien niifl Spanien und die hier erblühende ('ultur war
•<«*Imhi eine FVilge <h»r fremden P^nHüsse. Trotz aller Zähigkeit musste
itnitT tler arabiselie Typus Iwi zunehmender VenielfiUtigung der
MiM-huiig«'» allmäliiig, wenn auch s|)äter als bei anderen Völkern, unter-
tfrlien. die fremilen ethnischen Bestandtheile die OlKThand gewinnen.
F/* wini erlaubt sein, für die s|)ät(Te Zeit sicherlii^h, S4)gar einen guten
l'lM*il der Träger arabiH<*her (relehrsamkeit in Männern nichtarabi8(*her
AlikiinH zu Kudien. 1*]k stehen mir leiiler keine diesl>exüglicJien Nach-
fiiTM^liungen zu (felK>te, allein ich denke mir, dass es sich wohl mit
iiHiiirir gcfiMertein arabischen Namen verhalten könnte, wie z. H. mit
AbulfiMla, der ein kurdischer Kjubide, (Mler mit Abulfaradsch,
•-f n«*m < liristiMi jttdiHcher Abkunft, der gleichwohl vieh' muhammedanische
><*bAb'r liatte und mit Hecht seine Stelle untt^r den arabischen Schrift-
mWUtu behauptet. Wnen weiteren Beleg dafür bietet die (res<'hichte
der Ovusländer. In den tiefen Steppen Centralasieas, welche der Oxus
and Jaxartes dorchtlifttsen, sassen von jeher eranischt* Nationen; hier
fanr ja Ilaldi in iler (regend des alteranischen liaktra; kurz vor der
armbuclien tjiibemng waren von Norden her Türken herabgerückt,
«^uen Tbeil des l^andes an sicli reissend, und nur durch den Einbruch
•Irr aralttschen, fauatim'hen lUuberhonbMi vtrhindert, weiteren Einfluss
in Transi>xanieii za gewinnen. Dreimal en>bert, dreimal mit Gewalt
/am l^dam gezwungfMi, Im'I Ii<H'hara dreimal in seinen alten Parsiglauben
j^ufiif^k, <*he es detinitiv dem Islam gewonnen blieb. Trotz seiner Ver-
tunrntang in MittelasiiMt erstrtH*kte sich das Mai'htgelMtt ihr Chalyfen
nicht ülwr den westlichen Theil Chokands hinaus, rnwillig luu*, unter
ftirtiiAhn*n<b*n Aulständen, eiinig Ikn^ra das arabiM*he J(M>h; nie
{/•"fauig efr dem ArabiTthume, doi1 f(*sten Fuss zu f:issf*n und kaum
i«Vi Jahn* s]H&ter herrsc^hen dort die Sn man! den, eine iM^rsiscbe
iHna^tie. di*n*n Stammvater, ein (b*m /Mirathustrailienste lange treu
•i«*tili«*lH*nf*r Vornehmer aus IJalch, sich zum Islam lK»kehrte. S<i n»giorte
• iiH* »'niniM'lM* Dynastie ülier vm cninisi'bes Volk, ilas heute n*M*h in
•t*-ti /^hlrinchi'n TafLs4!hik*s >; ( entrakisiens fortlebt. Obwohl nun in
Ifaa-hjra die Nationalität un .Mlgemeinen unlNTührt blieb, sehen wir
•li«*h Kvfraile dies<* Staill, die Muhammt^tV 1/ehre am heftigsten an-
v*4fiu*\vt liatt*», dithtelbe s|Kiter am eifrigsten pflegen ; ja sellwt heute,
') l»i^ fri«llf« t'eberl^grnbrit d«r T*44chik, welch«» auch !4tet.<* itettbaft und im
ii#«itc« 4^ IIaimIH«. d^r Kiin«t« und Wi<*4«n4rhaft«>n sind, wird von al I r n mir bekttniit«a
k^f^W«ricli!rn der Sftteki rbf.n «it wir ibre erAiii«cbr Abkiiufl rinntirumif ao«rk*nat.
11*
lanw, d|
164 Dm OMal «U <w MIm.
wo der lattm Einigen zufolge ao aOm Thrilea Arfeia d« itttttehf
V«rlalle entg^eng^t, ist er in Bodiln noch is JeMm Ctamuide an»
ii-effen, worein ihn die ersten Chalj'fen geUrtdet hkttao. WokI aat*
wick^ ücti mAohtig die istamitisdie Cahw in Gegenden, die wir hMl
als barbariache kennen, alMn* man darf nimmer untarlMaea MndHgM,
da» dart schon längst vor dem lattm eine hoch eotwiduKe OMmäm,
die peraiscfae, Utthte. WaU entstanden in der Tatarri nnd In THtkeMla
llodwcholen, Ktdintiteken nnd Sternwarten, wohl biUetea BecUn,
Sanüukand, Herw, Nischapur und HerU Haiqitsilxe der CMehmnUl^
aber nicht erst seit dem und durch den Isübl Tm dn .
\Vundem Sogdien's konnten die hefauktbreiuleii n>bpn amliiNdw«
Erobnvr nicht genng erxthlen, nnd vor ulli'ii raKte IlorMni ali« *4W
Wiege der Wissenachaiten sdion nr Zeit ili^ l'amttiiiiiiK hrrvor, Mb
warb nicht erst, sondern bdiielt nur als „du» edU' und (rranme Docbiilft
»einen Glanz unter dem IsUu, nnd die perNiscJn' Stiult luii '/.fnffxiJät
blähte unter pnaiechtn ForsEcn als ein Sit/ di« Itek-litlianui.
Wissenschaften nnd der weltbertthmten Seide niiidustrie imniiT iiicJir a
Wenn wir den bodiftrisdien Grossen des Inlänis iiarhspDnMi.
Chodscba Ebn Hifz ai Bochari, ilein laugjUiriKftn i
liCiter Boner Vaterstadt, eineoi Ahdullali al Fikih, dom i^rAeitfvA
muhammedanischen Recbtsgdriulett, einem Muliamiiied «1 SphdW
muni odw einem Huhammed bin ul Kuitl, d«u {crftwlcn Tbt^
logen und Exegeten seiner Zeit, so werden wir kaum nne aralröcMi
Abetammung stdcber MAnner nadmnreiaea \eniU'iftiiii. ■) Hier bl ^
das gerocüuamf Band des Idim, weldies in ilcn AralN-ribiini nnd Isltfi
EU identifidren geneigten Augen das Ansdirii dcH r^mteren wfaweDL ■
Wahriwit sind aber die Leistnngen Jener Maiiikt Si-höjtfmigra w«dm
des Antberthums nodi des Islänia, obwohl »le lieiden za Gute kointtia|
gezeitigt hat sie die Cnltnr des eiganen Voikm. (itua aiuktg war, IK
schtm erwihnt, die Cultnr in Nordafrica hU kuid Jahn* lOMi n. C|0
nidit arabisch, sondern durchaus berbei lieh Vio tHnaxtiAB mp
l-^lrisiden in Fa (788—935), der Harnin.ulii.i. in Cm» und HT
(1016—1083) nnd der Beri Saleh In Kokin iT";i it.i:., w'ar«]
allerdings oraUach, allein sie statxten ddi iluiilina-« iiut Kei-lH-rHltUniMt
weldie die litlrsten adoptirt hatten, so dj>' l'>L-iKidpii auf dtni SIboh
der Aureba und die lieiden anderen aof dfii der Oboiimra. l>if HcfW
Bvliaft geborte immer den Berbern, Anbei st Animo wuri^i ibuni^ no^
gar nicht da *) Diese Kinaelnheiten genau fG<tti>.aliaJt«n. iat un«1talUj
soll die Cnltuigescbichte die Angabe atüSk'u. den Antheil iler VölHii|
an der Entwicklung der Clviüsation m bestiiiinieii. j
DafQr, dass Mam^ies als arahiMh odiT t>ila»iiii>u^k »111, «an 4
nicht ist, gibt es noch mannigbche BebKi'. IHi- mgT'iiaimtm iM
bischen Ziffern sind bekanntlicfa indiscben rrKpruii^ und da^f^Ufll
i^t es längst ergrOndet, dass der Sehatz virn Kr/ikliliiti;;''!!. ili-r nnlV
', amhltUr BtOiirt't tätr Tr*iu»ta>ihif:
U^ß^Wf». k> LIM.
J
Wirdlgaag d«r arablselieB CoKnr. 165
fm Namen Tausend und Eine Nacht durch die Araber in's Abend-
nd gekimiDien, in Indien oi*i$onneu worden sei.
Die Cult Urgeschichte iler Araber ist ein blendendes lk*ispiel ft»r
e Fortpflanzung der einzelnen Culturelemente, für das Vercrbungs-
oment in tier Tulturent wickhing. Wir venuögen die Anfänge, den
rvpniiig der (resittung nicht positiv aufzudecken, können ihn nur
fpoihetiR'h cionstniiren ; noch weniger lässt sich erinittehi, welches
oQu welche Kace, >ielleicht noi'h in spi-achlosem Zustande, die erste
Bhurregung empfunden; je mehr wir uns den historis(!heii Kpochen
ber nftheni, <le«to deutJii*her erkennt man, wie jedes Volk von den
irberKegansrenen gelernt, mit anderen Worten, (Hiltui-schfttze auf-
•iMMnmen und weiter vererbt hat. Jedes hat ferner im geringeren
iüT grösi*c»ren Maasse zur Mehnmg dieses Schatzes seü>st Iwigetragen
id aoch die8(*s Mehr anderen hinterlassen. Die C'i\ilisation unserer
■ge ist nur die Summe dieser einzelnen Beiträge, die Uebereinander-
iucbtang der v(m jedem Volke geleisteten Kulturarbeit, ein mächtiger
trom, aas dem /usammenilusse unzähliger kleiner liäche entstanden.
•nun ist das Tatieln gewisser (iesittungsphasen, den^n jede ihre noth-
oidige Berechtigung besass, so ungeheuer sinnlos. Nur hei solcher
asdiauang winl es möglich, die Entwicklung zu erkennen und
nvt^llen, die in der mens(*hlichen Cultur wie in der gesammten
qgMiischen Natur waltet. Dann werden auch die Unter- und IJeber-
Mlziuigen einzelner liCistungen aufhören, die dtx'h nur auf der Vn-
nuitnim dessen lieruhen, was als fremdes angeeignetes Element Anderen
I Gute koiimit. Wir wenien (iann freüi(!h unsei*e Bewunderung der
ftfwiscben Alten lierabdrfickeu niüss<*n und sie zum grossen Theile auf
«e Völker Asiens übertragen, von denen erwiesener Massen so Vieles
ervUmmt, was eine l)eschränkte Philologenschiüe und ihre Nachbeter
I» au!«ichliessliches Venlienst der Hellenen ausgelten. Die Phöniker,
fgyvUnr und, wie neuere Forschungen lehren, die lN»i*ser waren es.
nuen Grie(*henland seine Kulturentfaltung verdankte; l>ei den Hellenen
iai^en dann die Römer ffir die I^ege des (reist<^s in die S<'hule, und
EMI dietieii nnd ihren Fj*l)en, den ostn^mischen Byzantinern, sowie von
nü aJtfTanischen Ciüturlande lernten die Araber, ihrerseits <lie sjifltereu
riumeuder des christlichen Abendlamh's. D<*ssw(»g«'n dUifen wir nicht,
ie «ine dem (liristenthume feindliche Ströumug versucht, gering achten,
an eine \orur1 heilslose PrOfung wieilrr als alleinige Culturarbeit der
bffiitii<*hen Völker ergibt. S) sehr diese auch Vsvhon gcNchichtlich
Bgrmhener Nati<mrn, so s<»hr es not big ist, wollen wir ihre Verdienste
■'«UtHlen, \orher abzuziehen, was an illtcTCMi li4Mstungen ihnen zu-
pfiülen war, so ülK'rragen sie an sich d<M'h zweifellos .Mies, was frtihere
Ipcidim emmgiML Dies klar zu ma<'hen. wird meine spätere Auf-
ibe sein.
Asien im Hittelalter.
Die nnl-ultaTsehcn TSlker. ■ ■=■■
Die Betrachtang der islAniitüdtGii Calttir ftllnl iiaUinr<'inaH!4|^|
Asien. Der Untergang des Araberthnnn veniKTliic niiinlii-li ilitK^H
breitang der muhammedaniKhen lieliro eben mi miiiu anOnhiilttMi, ab
die Feindseligkeiten der Jnden seinerzoit jene ll•-^ ('llH^l<'nthlIlIlv Wim-
indeaa der Islftm Jene Cnlturrdigion gewewn, \^i'l'-lic niain-li bcKi'iitt<?n<?r
Bewanderer der araimchcn lielHtonfteu darin crl'liiki-ti will, it litutc
nothwendig die Nationen l^uropa's ei-obem niUNsmi. Trutx Act tiefe«
>'ac))t der Battorei, welche im frtitm Hittetalt it auf ittiHrarun EHtheile
lagert«, atanden aber fttr die Annahme de« leli'mi di«^ i-liriKttichrn
VMker viel m bodt. Im Kampfe mit detn ('iiriHtctiiljuitic konitto er
nimmer (didegen bei den Aricm Kon^'a, die »linii rUtunh >tii- r*~
wiesoncn Pbde zu ihrer kOnftigen tirOa» waiiiirliin. ItHKi-g«'» tofi rr
mit onwUeratehlidier üemlt dne Anadil halhrciriT. silillUJtcr \'aikrt
ArieuB and Africa's in seine Kreise, fQr wddir hIIi' iii»t nr mit Huna
Cnltnrgewinn gleichbedentend war. Die frohen HcittfrcwfiKicn llaiideb*
verblndongen der Araber hatten ndierücb miifliti); iIa/u N-igMrafEm,
ibn in den sfldOHtlichen Oebieten ron Africa uin in ilfi' malayisiteii
Insetlhir belcannt /.u mat^n; allgenieine Vertiniiiiiiif tiuiil i-v nU'V Arm
erst lange niAter. Die VMkcr, die ihn nafciiKri. Kur<ii'n xu M'tnm
Trtigem, wie heutzutage der tOrkische Pad)'<vliali \«n Siatiihiil tk-r
ialarottisdien Welt als Nachfolger der araUsditii Cliulyfcii inlt. 'j DirjNr«
l>bertnigen einer Idee anf gmndvwscbiedi ii'< IVi-snnlii4iki'ltou i»t
caltnrgeschiühttich aberaoit merkwOrdig; es i»t lin nirJii nii!«»nvTr-
stehender Flr^rzeig, daai< zwiscben beiden liiic /iiMuumctiliftiigeiidp
') eiM BcnarkoDt Ottolliniia AmnkTn'* (-D'xti«->>< ii-«^. VIll HA «. »
wotueb dlCM MaabtDTgiriiAftft alcht klltaBMin ■Bart4miLl, «.iHlnrn IdUctirti bI<h Ab-
ffluioBg dsr TOtktii lel, btditf «lnl|ar B(riBliU|aii|. Srillnn üIxI'ik 1. w» akmllca ■•
glOeklleli im Jlnngt IMT mf Hiliism rsldiug« i^am da* llrhK'tKhir A•c^P^'n* Turnt«
Kay, dauen lUoptotsitt Kilto In fiturn lu Bckmea nod dioon ll*h«rri«l>H um »■-
fanianaa lu mHhtii. Tuman Bay muuta nun auf daa 'I llrl „<'h>lir' (NMhrotsai *ft
Fropbalcn), welahaa nur dia BaharrKhcr Aanplana n hih'rn bun-'liiifi »kh«. •■■•■a
auch aar alla Bachte slna* Daichllliata der belll|a* BIMic >[rl,b> und MrdlM VvraMfci
laiitaa, iTsranf dwa aaLln I., d» bla dahin nur •InfMh „Suliiii" hi»*, tliL aum Mg^*
DI« «ral-«lUUebeB Völktr. 167
K^tr %on VorstHliiiiRon liestoht. Kn vollkoiunicncs Analogon bildet
im AlieiHllando die Ucljcrtragun^ der altröniischen Kaiserwürdo auf
Karl d. (ir., keine ]»haiita8tit(ehe l'iigelieuerliehkeit, sondern die natüi-
lielM' F«»lgi» d<»s ununterbrochen lebenden Bcwusstseins von dem Fort-
iM'vtaiide des römischen Reiches.
Kine Hauptanziehungskraft übte der Islam auf viele Völker des
itnilahaiM'hen Sprachstammes. Dit^sem gehöilen die Hunnen an, als
Kphtaliten o<ler weisse Hunnen an den (Jrenzen des Sassaniden reiches
an^*>MK; einer ihriT Zweige waren vielleicht die Bulgaren, die schon
Umlr dk's V. Jahrhunderts Thrakien verwüsteten, das oströmische Heich
»* i«*<hT!iolt l»eilrohten, und endlich zwischen r>t»0 und iM\H in dem lH»reits
\«»n Slaven erfüllten Moesien ihr Standlager aufk-hlugeii; ein anderer
Haufe <lieser Bulgaren zog Anfangs des IX. Jalu-hunderts an die Mün-
dung diT Kania in die Wolga, wo das wolga-bulgarische, auch gross-
«wlfT weijisbulgarische Reich entstaiul und sich als Staat und eigene
NatifHialitftt Ws m's XIH. Jahrhundert l>ehauptete. In ihren Sitten
nwi Oelirüuchen glichen diese Wolga-Bulgaren*) in hohem (Jrade den
HntitH*n. Ihr König herrsi'hte des|>otisch •, sc»ine Steuern iMv.og er in
KiiMl>hftuten und sein Volk wohnte im Sonuner in Filzzelten, im Winter
iit*T in hüUemen Häus<Tn. llmide- und Wolfsgehend (Mithielten günstige
ViirfMHifutungen , die Schlange war unantiu^tKir; gleich den Kalmüken
war ihnen vin Haus inler Zelt, in das der Blitz geschlagen, eine Statte
«<i Iffottps 'Atmi wohnt. Ihre Nahrung war Hii*se und Pfenletieisch,
ihr ^ii'tränke Meth und Birkenwasser. Wir erfahren von Schriftstellern
tat^ der CTial\'feiizeit, dass ihr Handel weit nach Nonh'n und Osten
nichtr: >ie liracliten von den in eisigen 1 binden wohnend<*n Jugren
/nliH-, Hennelin-, Bükt- und Kichhornpelz, von den Builasen schwarze
Fiirhj«|ii»lze. In Bnigar n»sidii1en die Könige, die theilweis(» sogar
M<ki»si*ii iHügen lieusen. Als hn I^aufe des X. Jahrhund(»rts die Russen
ihrr Ma4iif aibniehnteiu ei-schttttei1en sie mit am meisten <len Bulgaren-
«laaf, den «lann im XIII. Jahrhunderte di(* Mongolenfluth v(*i1ilgte.
fVote >tind die Wolgabnlgaren cImmiso in den Nordslaven aufg(*gangen.
«ip di«* iKinaubulgaren mit BeilK'haltung ihn*s Namens j(><loch
H-bitn %iel früher \tm den Südslaven alrsorbirt wordcMi waren.
f tc^r 't'^* Prupbeten rrklärte uimI xiigirich «lic zwri Titel „(^balyP* und „Kniir-fl-
^tVMim** t^itr«! ilfr Ulaubigi*!!) aiinahni. l)a«.'« dir Schiiten dm buünn von Httmbtil
,Hbt •!• KA^kfitls**' rf^* (*halyfcn an^rkrnn^n , i->l mrlir denn natürUch : wa*( ab«r dia
\rm^r ank^Uugl, lo haban ni«* nur theilwei^e dino Narhfolgi; nicht etilen laaaen, dia
ara^ktarMa Saltan« dar afrieani-rlinn ()!«lkij-*tc orblirkrn im PadMchali dnn Naelifolgar
<e- t>al«frn iiud f*r»t vor kurser Zeit »andle der Hnltun dor C'<>nior«*n i«oinen Oheim
'•«'h ( -jKAlAfilniiiicl um HuUan Murad V. nl^ ('halxfcn des l«luni »u begründen. (AUk-
/•r ^••ü» I Joli l^'i^ ^ 'i>ilS.) Kin Qleichr« i«t in Zanzibnr «lor Fnll, und dfr Attalik
•,k«t%. 4«r Ciründrr düa U«*irheji U ^ eh i t i ncha r in O'tturkc-klän. ja noKar d<>r rphamere
M«lkaBwfli^4«nfr»taat in Yüiinau rrkann(<*n dic«p KiRrn^rhnft d«*« Padi^cliah willig an.
t Nicht die Hulgaren oiud et, die ihri'n Niinim \<tii der WoIrm habrn, »andern
• « #r^i*t <Jrr Fhi«^ den Namen \«>n ihucu und /war uirht \or dcut Üe«taudo dn« Bul-
ca'»nrri<-ke*. Bride Namen «tammen wahrf^rhcinürL au<t d(*rnclbcu Wursel. ImX.Jahr-
» i^^rtc hte^M die Wolga noch allgemeio Atil^ wft» eine ostjakisehc Benennung lu naio
ick<iat
168 Asien im Mittelftlier.
Krüh/.oitig iialiincii dU^i^o Hulf^arou den Isldin an; bei drn möftischen
Donaiihiilgaron, wo die E|xm'1io sc»ines Aufkonimeiis nicht fc8tzaste1len.
wai* rr indoss nie so allgemein, als an (ier Wolga, wo er zu aiisschiiess-
lii'her (ieltnng gelangte. Hier ninss ein Theil der Osthulgaren schon
im IX. .Jahrhunderte zmn Islam bekehrt worden s*oin, wenn es wahr
i^t, dass die damals ikm-Ii heidnischen Chazaren, ein ngrisebes Volk.
^ie der Religion wegen l)ekriegten. Die» zweit<», tiefer eindringende
Rekehnnig ttillt knrz vor 922 n. Chr. Von da an bestand ein reger
N'erkehr zwischen dem osthulgjirisi'hen und dem (^halyfenreiche; es ward
rlie ganze Cultur des Umdes onentalisch, und d(>r Islam hatte bald
kein^' eifrigeren Anhänger als die Bulgaren, »j
Bei so frtlhem und weitem Vordringen ge^en West^sn konnte der
Islam um so eher die l)enachharten Turk Völker ergreifen. In der
riiat huldigten schon zur Zeit der Erobenmg Cbowarezms durch die
Araber viele der l)esiegten Türken dem neuen (vlauben. Bald gerieth
kein Volk in nähere Berührung mit dem Cbalyfenreicbe, als die Türken.
\ iele war(Mi als kriegsgefangem^ Sckaven im Beiche selbst verwendet,
An<h'rc nahmen ob ihrer kör|)erlichen Schönheit die Stelle von eintiuss-
reichen (rUnstlingen am Hofe ein. So gelangten die dem Isl&m erge-
benen türkischen Sclaven zu einer dem Staate gefUhrlicl en Macht. Ein
l'ürke war es. der die Dymustie der Taheriden in Cliorassan, die
erst(» im Orient, gründete, weichte d(»n Verlust der übrigen östlichen
Länder nach sich zog, Wie w(^nig lüis nationale Araberthum die Fähig-
keit besass, die durch den (rlauben zusaunnengeschweisste Menschheit
auch stiuitlich zu iM'heri'schen , lehrt der l'mstand, fia.<s alsbald in den
\ei-schiedencn Provinzen Dynastien von durdiaus fremden Stftnunen
auftauchen, darunter mehrere türkische. Die Tnluniden und Ichschi-
diden in Aegypteu und Syrien waren Türken, dessgleichen die mächtigen
Hui den in Persien und die noch gewaltigeren (rhazneviden, ileren
Heich sich über (bMi ]K>]-sischen Ira(|, Dilem, Kurdschistän, Tabaristan.
(leoi'gieu, Chorassan, Seistan, Chowarezm, Fei*ghana und Indien erstrecken
uud dem Islam in letzterem liandt^ dauernd Fuss zu fiuwen gestatten
>ollte. Neben dcMi (fhazneviden stifteten die gh»ichfalls türkischen Seld-
sclniken in Vorderasien das grosse Sultanat Iconinm oder Buni nnd
schränkten die Macht (b>r Bagdad(T (halyfen auf ein Minimiini ein.
So blieb denn das .\egyi»ten. Syrien und Westanibien umfassende Clia]}'fBit
ih'v schiitischen Fatimidcu die <'inzige gröss(Te staatliche Schöpfung
des NationalanilH'rthums. Ka kann nicht Aufgal»e di(.*s(T Zeilen sein«
den inannivffachen Wechsel im Kntstehen und Verschwinden der ahl-
losen HeiclH' zu \ erfolgen, (He bis zum XHI. Jahrhunderte die asiatische
CJescIiiehte (»Hüllen; es genü'jct für unsere Zwecke, zu ei'wflhnen, dass
sie alle nn'hr oder miuder dahin strebten, da,s numerisch !M*hon sehr
^«•hwaeh gewordene und entnervte arabisrhe, durdi das ii>htTe aber
kräftigere türkisrhe Klenu'nt zu n erdrängen. Und di(^ gelang so sehr.
«lass das türkische W(»sen bis auf die (iegenwart in ganx VonlriUMcn
und einem grossen Theili» ('entralasi<»ns sich iK'hauptet, obwohl es den
')Ri)?«lcr, l'rber i!ie VülkefateHuftf fler Butgaren in*einon: H9min{$cf€m SlmH:Bm,
Die «ral-AlUUclien Völker. 169
iiBioii (irr ^foiigokiicrobn uiig trot/in niiisMc. Dadurch sind d'e
rk^^lkcr 7U pinrni cultiirKCsc'hichtlidi wichtigen Kloineiite geworden,
1 hiiT einige AVorte gewidmet werden niüFM^n.
In iler arak>-kas]nHehen TiefelKMie tmnnu^lten sicji wohl Mit jeher
flttditigen Hosten türkische Nomaden, dicht auf dem Kücken der
nis<*h<*n Cultnrwelt, die sie zu vei^schlingen dn>ht(>n. Das älteste
Ik, welch<»s die (Jem'hichte Nordasiens kennt, sind die l^e-ti «Hier
dl*, llioity-nu («L h. verächtliche Sclaveu) war eine andere chine-
rhe Dezeichnung desst^lhen Volkes, welches in die drei Stännni* zeiüel:
i-Tighur, rghuz-Uighur und Tuckuz-Tighur. Ihre Unter-
iorn hi(*ss«»n Turk (Türken), d. h. Sclaven, folglich sind Pe-ti (Hier
dr, Hiong-nu, l'iguren, Tungunen und Türken lauter Namen eines
1 dessellien V(»lkes. Die Un-Uighur siedelten sich am Orkhon an
\ lireiteten sich gegen Westen bis zum Irtysch und Dsaissang-See
». Von ihnen stammten die Hunnen (Hier l'nnen sowie die Hnno-
rcn. Die Tghuz-righur sassen Anfiangs am J(Miiss(>i, später im
den lies Tian-si'lmii, in Kamul und Tui-fun. Von ihnen stannnen die
rgisen, die AW-AVäm der Chimvsen. Die Tuckux-righiu* (lliongnu)
eigentlichen Sinne; sassen im asiatischen Nordosten und sind die
immväter d(T tnngusischen Völker. Die Türken (hI(t Sclav(Mi unter
MMi erhielt«»n v(m ihMi im Schimpfen so virtuosen Chinesen den Namen
\a'fnef 7Vi/ff/illun(h\ mVdliche liarUu'en), wonius der Name Tataren
tst&nden. Die Turk-Tataren wurden in weisse Tataren, d. li. vom
i*<*n KmM*hen «nler edlen li^sprungs und in schwarze Tataren, d. h.
B si'hwanrj'ii Rmn-hen «Hier un(Hllen rrsjirungs geschieden; wieder
I IVweis, da>s die rngleichheit , nicht die (rlcichheit der M(Mischen
s IltTZ diT Natnrv(")lk<T g(*graben ist. N(K-h jetzt liezeichnet w(»iss
d M^hnarz in Nonlasien (*d(>l und un<^lel, frei und unfrei, ^i /^u den
üwarrfMi Tatan^n zählten die von den Chin(*sen sogenannten Mnu(j(ffni
'T M*';/hnf^ uuMTe Mongolen, deren Name aber erst ll.S.') n.Chr.
d«»n rhim-sischen Aunal(*n (»rsciM'int.*)
IHv iUtestf (ieschi(*hte der Tataren ist natürlich durcluius FalM*l;
t^rvHiM. g(*winnt für uns ei-st das Reich der T u - k i n , w(»nniter gewis»%
•bin anderem, als die Türk*»n (hs AlNMidlandf^s zu >ei*st(»hcn; dies«"«
•i^-b dauerte bis 1 i'y n. (Iir., wo es von ein(Mii Zweii^e dvv Tiguren
Mftrt wunb'. I^'tztere waren unstreitig der am weittsten in der
Itur fortgcHi-hrittene Stiunm der Türken. Frühzeitig luitt(*n sie (>ine
!rn«' N'hrin und IJteratnr; später nahmen >ie v<m den nestorianischen
.«^iiinären di«* sMisch«» Sdirifl an, woraus sich auch jene der M(mgolen.
Juiükf'n uinl >[ands4*hu entwi(*kelte. Nel»en dem Buddhismus und
r i*hiii«*MS4'hen Bildung fanden ih>r |M>i*sis('lie /jirathustra-CilaulH». die
hr«* Mani*s der Manichäisnnis) und das nestorianische ('hnst(*nthum'>
'i Umh^T «o häiiftg norh diT .\ii-dnirk für den kiiihpr wn Kii«-liiri<I «In %%ei-*iier
if tml'immrj «ntk'^nifttt.
*i ^l»ll• iih<>r die«^ KthnoloKi(> di" Kinlrilutift xn Fraiix >on Krdmtiiii, 7Vm-
>^.M Htr rn«r9rhUUtriickf. LetpsiK KMfi. M*
i \ s llumholdl marbte xucrflt darauf Aufmrrk'am, da^i ni>ch im \\\ . Jnhr-
b.'lrrf«' artnf ai«ch« Müoche ein Kloatrr %tn Mordufer doit l^ri-kul-Kec* gehabt hftUen »oUea
170 Asien im Mittelalter.
\ iolfacli KiiijjaiiR. Srlion im V. «lahrliiindci't cirnilirtcn \m den Uigurcn
nianclir rliinosisclio Werke in ui^un'sclier Ueliersetziiiig. IHo Uigwirn
l»rliaiii>tete!i siili lai)j<?e als eij?ener Stamm, der seiner Hildnng nnd
Ciiltiir w(«r<ii in iKjluni Ansehen Mand, verlor aber durch spätere
Misrlnmpen seine Nationalität, ihr Heieh, deren IleiTschcr den Titel
Fjh'hnt fühilen, bltUite in Ostturkestan nnd vemnipte sflnuntliche
Turkstäunne im änssersten Osten.
In Westtnrkostan erh(»b sieh, dem arabisehen Chalyfhte ein iKMlnih-
lieber deiner, das Keieb der stammvenvandten Seldschuken, der
Ahnen (h-r hentiiijen Osmanly'), vom Indus und den Grenzen diiiiaV
bis an die (i(^biiji;e (ieorgiens, in die Nähe ( onstantinoiJels, Jmisalenis
inid des «j^hlrklielien Arabi(»ns. Doeb ni<']it allzu lan|j;e (lauerte die «Hd-
sehukisebe Maebt, veh'bo unter Malek-Sehab auf ihrem Zenit he stand.
Noeh zu l^ebzeiten dieses gewaltigen Kaisei*s wurden von ihm grcK^se
Provinzen, (He ftir kbMue lleiebe gelten konnten, an einzehie IJehlinge.
unter dem N'orlM'halte eines Vasallennexus verschenkt. So wanl ('how-
iirezm, «las moderne Chanat Cbiwa, ein Lehen des Kannenhälters
«MJcr l\isrltid(n's \\m\ In^fand sieh 1097 in den Hunden des St2;ttha]ters
Muhammed Kutb-ed-diu. Sehon sein Naehfolger Atziz nuusste
sirh 1 KJH di«" rnabhjingigkeit an, knmjifte um dies<*n)e mit den Seld-
M-huken und rijnn*en, und stiftete das Haus der Chowarezniier,
(li'ssen >birhtausbreitung mit dem Nied(M"gangc' der S<*ldsehuken fiist
gh'iebru Schiitt hi(»lt. IJald war ganz Turkestan, Samarkand uud
[{oebara untei* das Sec'pter der ( liowarezmier gebracht.
Im nördlichen (*bina gründeten H72 die Khitan, ein tungnsiscfaer
Slannn, das Hcich Kbitan oder Lia(». Ihre g(»waltige Iten>t<?haft uiiisste
aber drm Heichc der Kin Platz machen. Der Volksstaimn, welcher
letzteres Heicb stiftete, nannte sich withrend seiner HeiTschaft Ju-tchh^
auch Nhi-fsrhhi und AV/<-/.v<7/f' , endlich Dsrlnirdhchc (Hier Mand-
•^cliu. Kiner ihr<T Füi*sten, Agu-tha, em]Kirte si<rh g(*gen die Kbitan.
warf sir- in mehreren Schlachten nieder und grthidete 1115 unter dem
Kaiscrtitcl Hoam-ti, die gohhMie Monarchie. Kntspreehend nannten
•iic Monirolen die Häupter drr Kin-Hynastie Altifn r/iattr, ^ddene
König«'. Mit rim chiursischrn Sung-Kais<'rn schlössen sie einen (ireni-
\('iirag. welcher den Kin die Herrschaft übei* Pe-tche-li, Siiuuiti, Sehang-
tong, Il«»-nan und den nördlichen Thi'il von Sehi»n-si sicherte. Die
Hauptstadt ihres Heichcs war IN'king »um ll.V»), welche Stadt damals
den NauHMi l\srlntiui-tn i kaisiTlicl»' Sta«lt tXv^ Mittelpunct<»si nUirle.
Im Norden leichte ihre lleri^schaft his zum Orkhon, zur Tula. mm
Kerulun und Amur. Im .labre 12ol wai*<l ihre Moiuirchie von den
Mongolen \ernicht<'t.
Kin nönllicbere«^ Heieh. das sehwarz«* China twler Karakhatni,
ward \ou einem khitanischen I'Ynsten gestitVet. Als nändich da.s Heieh
der Khitan an di'U Abgrund gedrängt worden war, bnu'h Tusehi-
l'algun («hincsivrh »hlu-hitsrhr inh-r th liu'fasrht')^ der Feldherr d«*s
N'tzten khitaniHheii Kaisers. JPJl mit einer kleinen Scliaar nach den
') F r i e «i r i c h Müller, Afh/emeine Uthttoyi-aphie. Ü. ÜtT— 340.
Die aral-Alt«lMb«B Vdlker. 171
«titrtrn nordwestlich vuii Si'hcitöi auf und lie»> sicli nach und nach
I Ka.«<*bgar. Yarkand. duitan bi» zum SHyr-l)ei'ja, aln) in Turkrstan
Bkbg#n. Kr ist der U*rühmte UHiatisi^he Kr /priest er Johannes,
Ml «lern niittelalterhche Ikrichtc in Kuroiui als von einem mächtigen
EorMtlkhen Fürsten des Moiyenlandes sprachen, doch bleibt es noch
umrr niiffi^wiss ob Jelu-tatsche Nestoiianer und zu dem Titel prcslnjicr
f rer, Priest erkOnig, iK^rechtigt gewesen sei.') S(»in lleich ei*str(»ckte
ch V4IIU Oxns bis zui* Wüste Schamo, vom üindukuh bis xnm kleinen
iltaC erhielt sich al)er nur bis auf «las dritte Geschlecht, denn der
lakel <les »Stifters verk>r 1217 die Krone an die Monj^olen.
Mlttlerweik^ war niindich unter den Mongolen, den TilrktMi in
prache und riiysit^gnomic verwandt, ein Held eitstanden, der die da-
MJigv |N>litis<'he liandkarte Asiens veriüchten sollte, Temudschin oder
'emurdschi, den wir unter der lk*nennung Dschingis-Chan, d. h.
rr Starke, der Mächtige kennen. Seine und si*iner Sölnn» Heerschaaren
■gten die Cliowarezmier, die Keste der Sehls<*hukenstaaten und jene
a iMirdiichen (liina hinweg; Imld (»rstreckte sich di<* MongolenheiTSi'haft
hrr ganz AsieiL, nachdem sie auch Kuropa zu ülK'i-fluthen gedroht,
la» ras€*lM» Kntstehen solch weit aiisge< lehnt er Kei(!he, wie in Voran-
p|inifk*in iM'richtet, ist indess um- in dünn lM»si(»deiten (M»gen(b?n möglich:
nr d»>rt \ormag eine kleine alnT U-her/t«« Schaar die schwache und
iTsUnMite fW'völkennig für knr/e 'Mt unter ihi*en Willen zu InMigen,
rMinder^ wi>nu i\m*m* WKh nicht sesshaft «^ewonhMi, nm;h nicht Ilaus
ml liof zu v«*rt heidigen liat. Auch die weiten Flächen und Wüsten
fl«gttii^tigf*n siilche KroU'rungszüge. Wir seihen denniach dif^ mongtH
«cImmi Nomaden, von Temuilschin zu einem Volke g(rinigt, gl(Mch einer
naiinialtsainen Woge üImt dit^ gleichfalls noniadis<'hen 'rurk\ölker heran-
[illf-ii uiwi aucli in Kun>pa si(*h über di(* W(*it(*n Flächen KussLimN
nrit-^-MMi. Am Fusse lUnr <MU*opäisclien (iebii-gsländer alKT und dort
« die M«'ns4h<'n schon s<'ss!iaft und venliclitet lebten, brach sich da-
••tffii ihr S4"!nt'«-klicher Anprall. Auch üIkt (üis lM'>ölkerte China, wo
eiiiml^hinV S»hn und Nachfolger Kublai-Chan <lie Y neu -Dynastie
iMiftet, \«nn<Kht<'n die Mongolen ihre Ilen*schaft kein .lahrhnn<it'rt
ri iH'hauptm. UiLsh wie >ie entstehiMi, ptt<»g«*n sojrh ephemere
Tini'lungt'n. niogrn sie auch zu nioniciitauiMi Weltreichen auM'hwelh'n,
i'-i^r /u \«TMh^ind<'n. S'hon narh Trnmdschin^ T<Mle zerfiel der
taat. «b'r ^irh M>ines noinadi'^i-hen Charakter^ niemals entsehlagen
imni«* Von Chanbalyk. dem jetzigfii iVcking, > erlegten ilie mmi*
iifLM-h«-ii (in»HS4'|i;nie ihre Ki^sidcn/ gar iMild na<h Karakornm. dessen
Qrrlit'h anftfefnndenc Htitnen * • /.n schliessen gestatten, ditss es trotz
»Nu ii«»rt U'fimllirlHMi goldmen KaiH'r/elt(»> ein iinnhcher Ort, \ielleicht
Urhanpt nur ••in gross«»»* Zcltlagri- gewesni. Die uionjzolisrhrn llen*-
*i >i«>h' ul'er di» Fragr tl«'^ Krsprir^trrs Juhnnnc« <lii* tln-^ Innpgf'urhti* Hath<«l
'>^:.*rf1r *»^bfifl \on (iiiAtAv < ) p p •• r t , /Vr Vrti>h>fter Johannt.*. Berlin 1861.
• l» «rrh Irri ru«*i 'difti Ket*en«Irri Hrn. I*A«lrrin h(»i KorA-HiilRlia<«.«an l»i*>»eT
'1 ..;l i-n^h '!*!. Tafeln der Jennitcn in 17 '.Tili' n Ur. iiml 1M«-.M -l«» writlirh von
• •k-r I'«* f*furM!#iirn Kuinrii reichen dpAte^trn« l»i* nim S»»hnr Tn^ontemMr-« (I;J70-
>» h.T^'ti ^lek« d«rab«r atoyrmphieml Mmfatime^ JuU 1971. ^«. i:n— 131*.
1 72 Aniea im Mittelalter.
^ihoi-, jihMi'limiltij^ fio]ion (ilnulM^nsfonnen, licsseii für sich von Nestorianeni
und Muliaiiiinodanorii ))otot); in China wiirdon sie Buddhisten, in Persien
traton sio /um Islam, im Ki])tHrhak /mn (^hristonthnnie Über, und bald
rut^pann ^icli oin lebhafter Ik)t schuft erverkelir zwist^hen dem Abendlande
nmi den I len"sc}iei*sitz(Mi der (h-a^^sehane. An ihrem Hofe Haben frftnkische
K«Msende /.mn n-sten Male ('hin(»s<Mi und Kingeborne aiw Onam-Kemle
d. Ii. aus Daurien; es erseliienen auch aus dem ftussorstcn Nordosten
die auf Sehn(M»selnilien geübten l-riang-itoi, tunfniHisohe Solonen am
Amur, ja selbst tributpfiiehtijxe Mandwhuren von den Inseln im ochoU-
ki^clicn Husen. die zur Wintei-szeit, wenn die See gefroren, von roon-
m>lise}n'n Freibeutern heimgesuelit wuiilen. Da al)er die Mongolen den
Hand«'! iH'gtlnstigten. so wurde im XIV. Jahrhunderte ein geordneter
rrlM'rlan«lvi»rk(»br bis nach Chanbalvk in China erÖifnetJ) Unter den
et)niogi-a])Inschen CmwUlzungen, welche in Ontralasien die Mongulen-
heiTschaft zur Folge hatte, war das U eher handnehmen der tür-
kischen Kiemente in allen Theilen Turkestans eine der widitigsten,
und dai'aus erkliirt sich leicht der Anhang, welchen der aus dem
türkis<"hen Stannne Köreken in Scherisselw i;J.-i3 gebome Timar*
Keg^i fand, dem AlxMidlande als Tamerlan (Nler Tamerlenk bdiannt
Mit seinen Froberungen, welche ganz Mittela^d(4l wieder vereinigten.
freilich nur für kur/(> Zeit, und mit dem Sturze seines llausea, der
kunstsinnigr*n Timuinden, schliesst eigentlich da8 Mittelalter für TorkestAn.
Als TimurV Kei(*h sich haltlos aufldsti*, machten turi(ische Stämme skh
wieder zu Herren, nachdem schon früher auf den Tillmmern des SeU-
Si'hukeurciches sich die Osmanen erholuMi, welche Mitte des XIV. Jahr-
Inindcrts, Angst und Schrecken verbreitend, Fürs in KiuxiiMt ge&sf4 oad
alles I^md vom Iios}N»rus bis zum Ifftmus unterworfen hatten. Der
letzte Tinnn'ide, Sultan Haber, nuisste endlich dem Schelbani
Mehemmed Chan, aus der Familie der Dschingisiden weichen und
ihm (iie llcrrschafi in Samarkand Ulierlassen, wogegen er in Indien dis
Heich i\vr (ln>ssmogurs zu Dellii lM»gründete.
Uns iiinliaiiiiiHMlniiisclie Indien.
Indiens (icschichte im frühesten Mittelalter ist überaus wenig be-
kannt. Die Halbinsel war seit dem etwa ^.^5 v. Chr. erfolgten Zu-
$animeubruch<* des müchtigen Iteiches Maghada, welches den grtasten
I heil N<»rd- und Centralindiens umfasst, in eine Reihe einxelner und
unabhängiger Staaten gespalten, von welchen wir nur dArftige Xadl-
ri<hten iM'sitzen.^) Die \vichtigst<'n <lii's(M- Königreiche waren: das Reidi
•) l*0^chol, f.'eitrhici'te »Ur Knl künde. S. 1 ,'»<>— 1.')3.
0 Die vii'l^nrh gi>thoilto Ansicht, (1a.-*A dienor gewaltige Bruberer mongoJiMkn
I rupriiMK'^ '*ci, lini Vünibi'ry widerlegt, indoin er dosten rein tatArisehe Abkaafl MiiMr
/wrifel Hr.t/to. <ll i< r m an n VAmlM?ry. (ie^ehiehte Boc^ättt't «Wrr Trmnmrmmlvm wn
dtn ft-Rhentcn /.fiten hin auf 'iie tieffentrart. \. Bd. 8. 178.)
') Sie Hill«! trRtriirh xii>aninieng<'raA!«t In LaflKcn, litdttckt Afttrikmm^tmmäe, Ut
]H. und IV. Üd. Die ÜGi'chiclite der einselnen DynMtUn Ut dort kritltoh gwiahli^
Dm m«haBH«dAnU«he Inditn. ]73
dir BallahhU welche» die liaiuMiaftoii Millava, Aiiaiulapura, Vallahhi
vmA liOcbbt walirKc4ieiliilicli auch dtMi westlichen Tlieil der Halhiiisel
(■uz«Tat*s lN*herrs4'hte ; das brahmaiiische lieidi Sindh. jenes der
jüiH£i*rPii Ciupta. welchen es [(elan^ Malava Sindh, dm südlichen TIumI
lVuikaiiaila\ lSaii(U*lakhamL, Maj^adha, Ko<;ala und das (iehiet xm
lüi|»ila\a»tu für einigt* /<*it unter ihrem Scepter /u vereinigen*, das
KHcli der Vai^ja- Könige odtT der Aditja von Kanja<<ui)dscha. (iauda
<iiiiT lieiiKalen, wo die Pala- Dynastie K^lM)t, die in den östlichen
und ftihilicb<fn <iebieten ihrt^ Heichc*s im Jahre 104() der Vaidja-
ThnaMie, in der westlichen «hige^en dem Kadschi)nten-(ieschleclite der
Ua<«btrakuta unterlag;. Im Norden Indi(>ns treltVn wir die Stiuiten
A^^am mit ik-m InMUU'hltarten, dem Tiva-Dienste cr^rhenen Tripnra,
uimI öas Keich Nepal, in weir,h<*m die ii4*hre (^'akjanniniV schon früh-
/eitifs hlingang fdnd^ obwohl dvv Ihiddhisnuis, dessen vollständige Fju-
fühnuiK erst später Btattfand. den Neiuilesen von Tiln^t aus mitf^t^t heilt
«anL Im linieren Indiens thronten (he Kandrateja-Füi-sten in
)IaKailha, ilie Kajastha in l>s(*hajanagara und Kalands<-hani und im
«f^lk'hi'ii Tlu'ile des Innern che Pramara-Dvnasten. Im Nonlw<*sten
bikkfte Kahulistan ein hrahmanisches Reich, welches mit <len Tomara
\tiB IMhi und Udaja]>ura in Verbindung trat. Diese lösten im IX.
Jalirbuiulerte <Üe Kiihumaua-Filrsten in der Heri*scliaft ah. Kndlich
liUdpt«' Kaschmir von Alters her einen selljstämhj^iMi Staat mit einer
an^ehnKchen , in di<^ fernsten K))och(*n /urückreichenden (fcsittuuf.^.
Nirfat weniger zerrissen war das ftitdliche Indien «Mler Dekkan, d<N')i tritt
hier dai« Kadschputeii-(fes(*hlecht der Kalukja hervor, wcIcIhs um die
Mhtir des V. JahriiundertH von Ajodhja aus <his milchtige Reich Kun-
taladeva auf dem Hochlande d(>s Dekkan*s ^q-ündete. Mit den Kalukja
renken die .ladava um die li<Vhste Macht, deren Ilauptsitz die Malabar-
kfr4e, die um die Mitte des XII. Jahrhunderts ihrt^ Herrschaft auf das
HtM'hland auHdehnten und ihr Hotlager in l^akuiuH und iH^vagiri auf-
««'hlugen. Sie verdrftngten die Kalakuri aus der Herrschafr. Nel»en
di»-sen zwfien hlQhte n<M*h das Reich Orissa, wiUinMid den dn*i süd-
itt-hntHi Staaten, Kola, Kera und dem I^ande der Pandja weniger
RM«*utuiig /uktHnnit. Lanka <MhT Ovlon, allmiUilig /um IIaui>t.sit/e
•ie» HiHlilhlMnus gf*deiliend, erfreute sich endlich einer ^>llHtilndigen
pfilitr^M-fafii, staatlichen und culturellen Kntwicklung.
Mit ileni Westen trat Indien eiM um 71.') n. Chr. wieder in Ver-
k«te, aK der muhaiiimHlanis<*he (iouvernetn* Ikiss<ira*s eine Tnipi»en-
Biviit ent2«ndte, die RQckgalx' eines in don IndusgewiLss<Tn /urOck-
;^4laltenen araliischen Schilfi^s xu (Mv.wingen; doch blieb Indiens Ruhe
iintftHrübt. \ii> ein honki*K'her Türke Sebuktegin t^ir» /n (f ha/na und
kitrtil. am Fusse des Hindu-kidi. (*ine unabhängige Ih^rrschaft grflnd(*te,
•1^ «ich l«kl luu-h allen Richtungen hin ausib*bnte. SelHin ^ein grosser
*^ihn Mahmud unterwarf sich das Reich der S;nnaniden in IViNien.
«rbhig M RaHi die /ahllosen tatarischen Horiien dv> Ilek-Chan aus
« •-ritr,&U<«i4'ii und erw(»iterte die (Irenzen meines ReielM'> bis un die
«■aincx Kr unterwarf die Ra4is4'lia*s (^Reheri^scbert \on iMihore, Multan,
iMlii, /enitörte die iudiHchen Pagoden auf den \'orhöhen des Hinuüaya,
]74 Arilin im MilfHftlUr
liaiiiit fnriaii dor Isirnii dort licri'^iolio, plrindorto die Schütze dos reii^lien
.M:ili;idr\;i-'l'<Mii|M'ls /ii Soiiiimtli Mild t'iUiii«* iiiicniM^slirlio Beute fi»rt.
In dic^^ciii udiiu/ciidri) (ilia/iu^idiMi-KHrlio hlülitni nunimdir Handel iiiid
liidiiNtrir. \Vi*isi'nsrliaft<Mi und I'ni'M<\ und dfii H(»t' Malmiiid*s ver-
hrnlitlitcii die iM'rülinitcsttMi J)u'liti'r und (i<d<dii1tMi des M(>i'<;en1aiM)es.
\h'v Srli\v«T|nmrt dt's K(>i(|i(>> la^' jnl«K*h niflit in Indien, sondern in
l'iMSHMi. Obwohl (h'iii NIain ep^chcn. stützten die (ihasneviih^n dennwh
iliri' Ih'ii'S'-liaft auf this altmuiisrho Nati(mal<(ef<dd. Sie zeigen sich
iliddsiiM iivtrvw diMi zaratliu<ti'is(lnMi I.icht- und Fenerdienst und ftirderteu
die Wii'di'ilM'lelmnir der Sjmirlie und hichtunjr der l'ei'ser. Ki'st Sultan
Masud III. verl('«^te ilic Heichsliaujitstadt von (rluizna mich Ijaliure,
al>o inneiiialb d<»r (irenzen Indiens. I>ald a!M»r war der (Jliaznevideii-
Slaat «'ine Mmle der SchNcluH-ken. Dafilr erhob sieh ihis Haus der
m
(iauridcn in Lali(»re, welches alsbald das «(anze I^and nfVrdlich Ton
tU'V Nei'budda. Ueniralen, Sindh un«l (Juzenit inl>ejip-ltfen, sich unterwarf,
lirnares. der Sitz (b-r Urahnianen und ihrer ( ? elehrsamkeit. ^•anl dabei
11 '.M zerstört, und hiennit der (rrnnd zum Verfiille des Hrahmanen-
tbuins und der Sanskritspniche jreh»^, weh'he v(»rhin die HaupNpraehe
in llin<b)st:m «ie\\<s<Mi, abrr von nun an durch die KinniischunK vieler
\\ «irter au> der Sjii-ache der Kr(d»erer ihre Reinheit innner melir wrior,
bi«i sie alhniihlijz zu dem Sanskrit der Hiicher, eine tcwlte Spi-nche ward.
N;u'h Muhannned des (iaur's T(n1(>. ^'20'i^ waixl sein Kru»>te8 Kaob
^M-tlieilt; der peisische Theii liel an lldiz, der hidische au Kuttab-
(•d-I)in, den Stifter der Patanen (n\vr AfKhanenVi in llindostan.
l'j* verh'^te neuerdin^^ die Hauptstadt v(m i^ahore nach Delhi und sein
Naehfol^er scheint der erste muhammedanisclie Ftki^t geweseu zu seiiu
welcher lu'oberunj^en in IJeni^len machte. Unter diestT Dyiuistie ward
endlirh ^anz Indien zu einem einzigen Kelche, zwar von Ki^)88er AiKr
dcbnumr, aber von ^bU-klichei* innerer ()i*^nlsati(m vareinigi. Nnr
hckkan. an rmtan^ iN'inahe jenem gleich, welches die Potaneu 8cboo
in llind(»stan besass<>n, fehlte noch und blieb auch, trotz wiederliulter
An'r^riti'e. im (ranzen unenduTt. In die /i*it dieser Tataueu- Dynastie
lallen die innner häutiger w<M'dcn(bMi Hinfalle der Mongole u in'«
l'nndscbab und 1211 so^ar in Bengalen. Di(>se tlrschütterungeu flöas-
Tcn mehreren zinsbaren Königen der indisi'hen Reiche den Mnth eiu,
ue^en den Kaiser von l)ellii aufzustehen; in Ahwedisluug mit den
Mongolen, die im Pundsebab fe.ste Wohnsitze erhielten, schwilchten «liese
l'Virsten das Reieh innner, so dass es zu Timur*s Zeiten auf ein Uus
melir kleines (iebiet besrbränkt war. Der verwüstende Zug dos mou-
^(»liscben Kroberers sti>rte die politische (restaltuuf^ der Dinge in Indien
/war niebt. denn 'liunn* be^nü;:te sieh, den KaisiM' von Delhi sk'h
/inskir zu machen, aber als mit Mainnud HI. die i'atanen-Dvuastio 1413
«rloscli. geriet b llindostän in trostlose» Verwirrung. Zuerst schwaugen
sieb die Seid's auf den Thron M4i:$ - 14r>i)). iLmn alnT zerfiel gani
*) Sit>Iifi libpr tlt«>4i>,ll)*' Kawfird Tlionia>«, The ChfOHhU» 0/ th» palkdM I'fM^f •/
i*tlhi bjf cüing, intcriptiom, (inj other antiqitaf!aH vemattts. London 1871. 8*.
t)M malüUBM«4aniflehe In^Iftn. 1 i 5
IiiiluMi in liiulor kleine Staaten oder Statthalterscliafien (Su)>abieuV
Nttibuials ciyriff zwar (Iah afKlmiiische Haus l^odi l^*sitz \on dem
Ibnme in IhAhu diN'h tiel /.u Anfang des XV i. Jahrhunderts das lleieb
auf^ NrUf* in VerwiiTuuK, welche dem Sultan Häher, einem Nueh-
Liiiiiiiieii Timur*s, den Weg zur neuen Krohenmg von Indien hahnte.
Ui(N in grolNMi /Ugen die Sehieksale Indiens in jener KpiM'he,
»flrlie «las Mittelalter der euro])äis4*hen Nationen unifasst. Ihi alter
kitr, iik'lit wie in Kuro|Ki, keine frenulen l»arliaris4*hen Horden die
Aülikt* Cultur z<*rstörten und (»in neues iielMMi h(^annen, da in Indien
ilie Verhalt nUs«\ w(*lche wir im AlitTthnmc dort kennen lernten, un-
uut^TlmN'hrn fort waltet (mi, so Uv/eichnet diese i\>ri(Mle in Nindostan
«filtT rin<Mi (lesittum^verfall, noch eine Neugehurt irischer (*ivilisations-
l»luM*ii, s«>ndern die einfache luitmv« 'müsse Fortentwicklung dcM' hingst
«irksaiiien Factonui. Sehen wir von der Sanskrit s)irache ah, welche
iiiiiu«TiMelir IUnIcu an <lie 'rocht4M*s|)rachen abgelten nnisste, zumal der (ie-
liTAUch diT VolksHprachen sirhon in frühen Zeiten durch dii* Buddhisten
lirgtk nötiget wunle, die sich eincN T(H*Iiteridioms des Sanskrit, des l'ali,
at «'iiMT lu'i]igt*n Sprache In^lienen, so sind die meisten Zweige mens4*h-
lM'bi*ii Foph^Ihmik, WLssiHis und Könnens in Aufschwung hcgritfen Nur
»iie lNM'?»ie, st«»ts eine Ik»gleitiTin der Völker jugeml, trieb in l'eberein-
Miuiiuuiig mit di(S(Mn ülHimll zu iM^obachtenchMi (lesetze, k(une neuen
Itlütlieii eines schöpferis4*hen (teistes mehr. Hin»' gross<' Kntaiiung d(»s
init4*n (fes4'hniai*kes tritt ein. Wo die Wissenschaften ihren Kin/ug
haütPtu dort müssen Poesie und Kunst weichen. Der Zeitraum zwisi'hen
Anfang ih^ IV. .1 ihrhunderts n. (*hr. und d<ML ersten KrolMTungen
iii«lis4-her (iebiete von den Moslims litsst sich aber sehr pass4'nd mit
d'iii alfxandrinis4'hen Zeitalter vergleichen. *) Die altcMi Sagen wunhMi
:;*->ajiini«*It und dailurch vor dem Untergänge gesi(*hert ; die merkwürdige
>cuiiiiiluiig von Thierfalieln und Milrchen, wel(*h(^ uns die iiuli.^*he
Wftsiieit «*nthQU(*n und späUM* den herrlich'iten Kr/eugniss<»n der west-
«urotiäist'hen Literatur «len Stoff lieferten, erfolgte» in jener KjMM^he.
Im Drama wunle in jenem Zeiträume HMeutenrles geleistet, wie den
(ili«*rtiaupt das Theater- und r>ühnenw(sen namhafte Ausbildung er-
fuhr. t> spricht M'hr zu (funsten der gest»lls<-haft liehen Zustünde der
Inbr. «btv« auch Frauen auf ihren Kühnen auftraten, welches die (irierlien
qti«l l%önier nicht zidiessen. Kndlicli wanl in der gedachten iNTioile
411« h dii' Mu««ik wis<iens<haftlieh behandelt. In der P h i I oso )» h i e
Sih H<'h Ue;;<amkeit in der Hildung \ersc)ii(Mlener Schulen kund, von
•UfH-n finigc, wie die V'vlniita nicht ohne Kintluss auf aus>ennilische
L-4ir*> "ti-me blielM»n. Die Mathematik faml ihre eigentlicln* wisKen-
«•-tuftlii'hi* Di'gründung dun'h Arjabhatta, der Anfangs de> 111. Jahr-
kuuiileri** n. J'hr. h'bti', ohne jediM-b iM-deutendere Nachfolger zu scliaffen
Im- uiibT ilen lielliMten am weitesten fortg<s4-hrittene, im IV. Jahr-
hoBil-rti' lelH*nde Diophantos hat <*> nicht mi weit gebracht, als die
l.A««ca, t-ilitek* Altgt-tkmmtkmmJg. IV. B<1. H. ml.
170 Aftion im MltleUUer.
iiKÜsclion ^ratliematikor. *) Kiiion wahren Glaii/.piinct al)er bilitet der
in II(m1(> stcliciidr Zeitraum in der (hs(*)iichte der iiidisdieii Archi-
1 <• k t II r, lK»s<mders liiiisirlitlirli der K c» 1 s e n t e ni p e 1 und Kloster-
li () li 1 V 11. Obwolil Hnddliisten, Hmlnnanen und Dschaina sich an Bauten
(lieser Art bctlH'ili^ten. so tni^en d»K*h diese Denkmale des frommen
SiiiiU's diT frühfiTu Inder einen vorwiejjend huddliistischen Cliarakter.
Dies ^ilt namentlich von den Klosterhohlen, zumal das Khist4.Tlebon hei
den Imddliistisehen Mönehen in Aufnahme gekommen war. In Resdehnng
auf d(Mt Dan von Felsi^itempeln wanMi die Hrahmanen aaerkaiinter
Weise ilie Naehahmer der Hnddhisten; die Hetheili$i(UiiK der ^-ivaiten
l»ei (hMisellu^n erklärt sieh aher aus dem Umstände, dass seit der Mitte
lies Vlil. Jahrhundeils der (/ivaismus eine weite Verbreitung mid
\iele AnhUnjiCM* gewann. Was die in (h»n Tempehi vorhandenen Sc ul p-
turen aidietriilt, so köinien <lie besten den voi'zügUebsten l^eistnngen
der (irieehen nnlKMlenklieh jj^Ieiehgeset/t werden. *) Auch die Raokunst
zeijrt JM'soiuh'rs in Kaschmir <»ine hohe Stufe der Vollendung, wie die
rem]H*l von Sinharostika und Martand bezeugen. Hier will man frei-
iieh Khitiüsse der I^kanntschaft der kasclmiirischen Architekten mit
der hellenischen lUiukunst bemerken,'^) d(H*h durfte unl&ngst die Mei-
nunji ansg(Nproc]jen wenh»n, dass im (u-sgentheile diese Ueberreste weit
älter seien und möj^licherweise die hellenische Architektur beeinfloart
haben, statt von ihr bt^eintiusst worden zu sein. *) Sei dem jedoch wie
ihm wolle, <ler ausländische Kinflass blieb jcdenfells vonsugsweise anf
Kaschmir iK^schränkt und die gross;ii1igen Werke der indiüchen Ardd-
tektur im ei-sten Jahrtausende» unserer Acra, hauptsächlich in Adschanta
und KUora, bekunden einen echt indischen (-harakter.
*) L AH wen. A. a. O. IV. Bd. 8.80*2: „Die indUchea MAlbeniAtiker kAnntea g«M«
die K^chnung mit bestimmten Zahlen; sie hatten den unendUckeB QuAdraBten «aitdaekt,
>\ eicher n'ich aus der Thcilung bestimmter Grünaen durch eiaa Zahl «rglbt; »1« bwua«a
fine ailgemeiui^ Methode, der Aunösungen von UleichungAo den tweitaa Or*4m» mmk
liubeii mehrere Fillle einea höheren Grade» entdeckt; aie hatten fernar tiut •IlgtaebM
Mi'ihude gefunden, um bestimmte Gleichungen ded ersten Gradan an löean und vtralaad««
(■iii<> Anzahl von Gleichungen de."* iweiten Qradet» mit Erfolg lu behandaln, deren LOawig
\ou einer einzelnen vornuchi^wei^e gefundenen Grösse abh&ngt. Sie WAran dadureh ftlekt
r -hr ^-eit entfernt von der Entdeckung einer aUgemelnen Matkode der LBaaag der
irlfK-hnngen der «uletst g Miannten Art, welche in neuerer Zelt Lagraagc erfandca ktX.*
*) Lassen. A. a. O. IV. Bd. H. 864-865.
*) Vgl. weiter oben. 1. Bd. ti. 41)6, dann Lasse o. A. a O. U. Bd. S. lltl «sd
IV. lid. S. 87«.».
*) Andrew W i I h o n, The abodQ of gnotr. Obattt'atio'ig oh mJomriMg/fm tkim§9f
Vihft to the Indian CauranuH troMffh the upper vaUejfn of tht liimiklnga'*, Edlabargfc Bfed
l.iin<l(in ItiTj. H . Der Verf.iHser beschreibt auch den Tempel von M4rtand , viallalekt
das wunderbarifte Ueborbleibsel de« gesamnite.n Alterthoms, und rttckt dcaacn Krkaaug
iii'fe Jahr *i.VM) v. (Mir. hinauf. Doch i«l sein Alter wahrHcheInlicb nicht ao hoeh, eblMbl
f men der von Wil.-ton ungerührten Argumente, ein geulogischea, alle Baaehtnng vardtonl.
DaA bo-«te Werk über indischu Architektur däucht mir der dritte Band in dar aancn
Aiiflagi' Miii .1. Kerg u Hno n*:« Hittor ^ of Äfehiteclmre , betitalt H/ato'*^ a/ i«dl«a «aJ
tuMter» arehittrtMft. London 1876. 8*j dieser grosse Kcuuer glaubt Jedoch nn^aU
ludiich«:« Baidenkmal illter deuu etwa 390 Jahre t. Chr.
Dm aaliAftUM^Aaltefce Indien. 177
An der S|iitxe aller VerwirkUehuiigen des Geistes eines Volkes
sieht die Religion, und bei einem so gottesfÜrchUgen Volke, wie die
Uinda geblieben, hat die Religion ihre hohe Bedeutung nie eingebOsst.
la den uns besdiiftigenden Zeiträume begegnen wir in der brahmani-
Religion nur einer einzigen bedeutenden Erscheinung, nämlich
Entwicklung der 8ecten, die zwar \1el früher schon voHianden,
aUeia ent in dieser Periode bedeutender hervortreten. Die in dieser
Frist eingetretenen Bereicherungen der brahmanischen Götterwelt be-
sduünkeu sich auf drei von sehr verschiedener Natur; die eine steht
BiBilidi an der Spitze des ganzen Göttersystems, heisst Trimürti
md irt ein wenig erfolgreicher Versucli, durch eine Einheit der höchsten
Gottheit, indem «ein Begriff die Thätif^keiten der drei höchsten
Götter in sicli vereinigt — die verschiedenen Secten mit einander zu
friwliiiieben. Die anderen Ik^reicherungen fallen der untersten Stufe
Gottlieiten zu: es sind nämlich die Halbgötter, welche VtdJadJiara
, und die Vctdla genannten Volksgötter, von denen ^glaubt
wird, da» sie Leichname bewohnen und bewegen, ja sogar aus ihnen
bcrmosreden können. Was das Verhältniss der Verehrung der zwei
growen VoUugötter Vinchnu und (^ioa anbelangt, so bestand deren
C«it IM den meisten indischen iJUidern Uindustaas neben einander. In
KaBchmir finden wir, dass die Beherrscher dieses Reiches sowohl An-
beCcr des Vlschna, beziehungsweise des Krischna, als des ^'iva waren.
iai attdüdien Dekkan bcsass der Vischnui.<anus das Uebergewicht. Es
crlieih aus dieser Uebersicht, dass die brahmanische (tötterlehre während
des in Rede stehenden iSeitraumes so gut wie stationär geblieben ist
Der einzige eigentliche Fortschritt ist die weitere Verbreitung des
Kriaduia-Cultua und die verschiedenen Feststellungen und die Reihen-
Mge der Verkörperungen Visdmu's. ')
Viel folgenreicher sind die in der Religion ^kjanmni*s eingetretenen
Vcrftademngen; sie stand noch um Mitte des VII. Jalirhunderts, wenn-
gleich im Ganzen der Buddhismus dem Bralunanenthume kaum das
Gieichgewidit hielt, in voller Blathe, unterlag jedoch nachher entweder
■üniihHg in den meisten indischen lindern den Verfolgungen ihrer
Gegner oder näherte sich in einigen Puncten den brahmanischen An-
sditen und ersdieint in dieser Umgestaltung unter dem Namen der
Ditcbaina Die Verfolgung der Buddhisten mag etwa um G70 n. Chr.
brvsonnen haben; fOr die Verluste, welche der Buddhismus in seinem
Vaterlaode erlitt, ward er jedix^h reichlich entschädigt durch seine Er-
iijige im östhchen Asien. Die Gi^-hichte seiner friedlichen Eroberungen
wini einen späteren Al>schnitt ausfüllen.
Die« lieiiäutig lndien*s Zustand, als die muhamiuodaiiischeu Eroberer
ftdi aber dasselbe ergossen. Am längsten von allen indischen Reichen
erhielt iddi Kaschmir, was sich genügend daraus erklärt, dass dieses
I^Aad durch seine Ijage im Gebirge viel gesi^hüt/.ter war, als die sttd-
bdierea, in der Eliene gelei^enen Staaten. ALs Ursachen des Sturzes
der Reiche un nördlichen Indien darf man die Uneinigkeit und Eifer-
•» LA«a«a. A. *. O. IV. IM. 8. &6J->575
«. UcIIwaU, C«ltars««ebiekU. 1 AuA. II. 12
Baeht' der indiBOben Könige, dum aber lÜo Bmch&ffeiihnt iler
nniBBimftiiiiitriwn. BMre baeuÄneB, im VurKloii^he in den indi^Ji'ni.
Jene beeUnden m aligebtatetoi Vülkuni, Afg^umun uod Turlu-n.
die dua mit femtfachi» Eifer fitr din Verlireitung ilimi GlauWns
stritten. Um HupttraA UUete die Ittrilurei, mit wulrhrr die iiidiMfw
sich nkht ucMen koimts; gegen dir leiriit l>eweglichei] Kimh> der
fremden Heere kconteu die achwcrfiilli);i>ii KricgBOlf^iiluuit«) iln- UbidB
nichts «Qarichten; die iiidi§cben Krici^swugea konnten femer nnr dcuu
mit ErlMg gebroscht werden, wono fUc SctiliubtfelilcT i» tÜMüittu mbir
mindeelens wenig hOgelrddien Gegcrulni laiteii. Tmtx ihror grüMenji
Tapfarbeit miwten dernnkdi die iDdJi<<Jii<u Iii><?rn dHii oiuaclaiäuiiiM-JKa
gewAnUdi ODterUegen.
Die AnfBlwer der riegreicfaen U'»liiiirlu<ii Hmtr «ihon sinrdii-ii frObe
ein, da« die bute Manrcgd des QorüiiM, wotutclt in «nilxrtvu 1 Jlsdcm
die n&nnüdie BeWHliemng entweder /nr Itpli|;ioii dt» fiufäKiea belu^fait
odo", IkoB lie äät nidit dun Tenldit, itetOdlM. werdKn mill. wAfantsd
Fnuien und Kinder der Sebveni ulu^iRifHll(>ii, in solcber ^n-nge nidil
durchfBhrbar sei; die Besiegtoi dnrl'h n it^^i'ii i-im? Khiritg vfwmiAk
Steuer auf Undwden nnd dne D-'-'-hitijab geiiännti> Ko^rfst^Dor ihre
lAndereie» behalten, ohne nm Idim (ibcrb-Gteu xu intt«aen', üt> cj^idten
dadordi das Bedit aof den Sdiidi ilrr iiciimi IletTM'ber, und n ent-
Btaoden Veililhni«e akalieh den in Pei-mieu KeM^iidoi-tcn, I)a IndeaKa
nicht eeltea andi arge Vemtatiagi'ii nml UnkiMuidccitcn dnrdi iB>
mubammedanladien Machthaber begungcn uunlcii, »i hunnte tf> nidbt
antliletben, da« die neue Ilenvdtafl m-Iidu fr4i]ii> tV'u llindii ali« «^
drüdiend nnd verhaast endden. In der Ki^^X wallet« du» Sjrstmi w,
dasa anfibigüch den in'<"<*»" FBi^ti^ii die VerwalUiiig Üiwr Roaite
Unter der Bedingung gelassen wurde, duM nv die Obnrhurrwfaaft dtr
BVemden anerionnten, ihnen Tribute leiHtcten uiwl natUigeufallB Traiijwn
steUlen. Als dann die Frentdbenschiill fi'^liTi' Wiirxi^ (jttichlHK^n battn,
wurde das Stenerwesen von den nu>Hlini'»iclien Kurilen gcww geregdL
Sie legten dabei die altindia^ Tcrbs.«uii|t /ii (iriitulo, uadi wi-lclior PhU
d. h. Herrai genannte Verwalter ober 1. li), 20. \m und UKKi DArftr
und ober Stidte aogeatdlt waren. l>i<^ IiucIihIcii dieser B«uu(«n fdlutiai
Bpftter den Namen Degädükdrin, )H'r<irJi Zemindär odtr Jlentaar
von Ländern". Dieee Beamten bebUtIteii ilio Moalbn» hc4 and aba>-
trugen ihnen die Verwaltung der Poli/ci iitid <lw l->ht^liunK di-r Sti
in den Daiftm und Btidten, nefaat cli-ii Ländcrcien, die dlmcn I'
anvertnuit wurden; die Verwaltung der iiiiiiUu-iM^ieii AiijtiJixenbtdlMi
erhielten vornehme Muhamnicdaner /iimilieilt. denen oiiio AiinUil vor
Truppen beigegehen ward. Die lit!id<-ii (iniiidlatten diu- imlbdim
StaiUen, die Kasten- und die Dorf-Verfuüsuug mit «-blicliKn Be-
amten and Handwerkern, haben die nxiselnianntHclie Herrschaft iu Jaien
Theilen Indiens bis heute fiberdanert, wo sie ['ittwFJler in vin-UÜtak»-
mteng spaten Zeiten eintrat, oder teiur bcdcnleiKie Zahl von McaluM
sich niederlieasen , oder endlich dir Lirsiultri^Uche lV\'Alk(!run|| jcnm
Islnm sich bekehrte. WUireiid aber dii.' itiosllmVlieu Muuan^wi «iwn
Theil der vurgefundenen altindiadieD VerbaHung beJhdilelten, konnten
J
AnsbMiteiiff de» BadibUnat. ^ 179
mndere Thefle derselben nidit fbrtbeHtehen lassen. Es versteht sidi
TOD selbst, dass sie nar Muhammedaner in den höchsten Staatsäintem
ansteUten; aadi mnssten sie Gerichte einsetzen and in diesen entschied
mosliiii'scbes Gesetz. Bei einem Volke, wie die Inder, welches so fest
ao aeinein alten Glauben, Gebrftuchen und Sitten hing, übten begreif-
üdMTweise weder die mohamedanische Religion noch die den Moslims
eifKenthOmlichen Gewohnheiten irgend einen Kinfluss aus. Dagegen ist
bekannt» dass die in Indien ansässigen Muselmänner einige indische
Sitten sich zugeeignet haben. VAne I^rücksichttgimg religiöser I^ebren
dir MüHÜms von Seiten der Inder gibt sich erst )m (nnigen späteren
Secten, hanpisicblich bei den um 1500 gestifteten Sikbs (Seikhs,
d. L Schüler j kmuL«)
Eine eigentbünilicbe Flrscheinung veranlasste die niuliammedanische
Eroberung in den nördlic4ien (tebieten Indiens. Durch die Fluth niusel*
DuUintscber ]*>oberung von den Ktienon Indiens vertriel)ea, suchten unzählige
Bkmlmianen in den nahen Bergen Nepdls Zuflucht. Da bemühten sie
seil, den Hinduismus Gmvertiten zu gewinnen, und als Mittel, ihren
EinfloHi aiiszndf*hnea, verbanden sie sich mit Töchtern des I^andes.
Eot^pgen den Satzungen ihrer Religion verliehen sie ihren Sprösslingen
Hinduismus zweiten Grades und damit eine Superiorität über die
umgebenden Eingebomen, welche sie sich auch jetzt erlialten haben,
lieate sind nun ganz ausg(»Eeichnet4i Soldaten. Sie sind frei von
iok religiösen wie auch anderen Vorurtheilen ihrer Stammverwandten
m dar Ebene, sie tragen z. B. willig den Proviant für mehrere Tage
uat äem Radien, was den SeiMvs unerträglich erniedrigend erscheinen
und sehen auch in fremdem Dienste nur „Ruhm- und Beute-
wfthrend die indischen Truppen im Contacte mit den
«Unreinen** nor EntwOrdigung erblicken.
AuHbreitunfT des BuddbiHiiius.
Keinem Glaulienssysteme der (f('g(>nwart trägt der christli(*he Aliend-
Under niceres Interesse entgogi^ii als dem Buddhismus, jener liehre,
dir in ihnT diamf*tnilc*n Vf*rschi(Mi<Miheit doch wie kaum irgend eine
asfifTP, niaiinigfiu*be Berühningspuiirte mit den rhristlidien Lehren
aofweiict. IMeserhalb siiwohl als w(>gen ihror tieft^i Btnleutung für den
flna«en Yölk«»rkreis, d«»n sie sich friedlich rrolMTte, ist es gelwiten, die
<jC9ickkiite dieser Religion, ihn* ferniTe Entwicklung mit Aufmerksam-
keit za vcrf«ilgen. I>er Buddhismus ist ein System von ungeheurer
GriMttrtigkeit, ilenn es umfieusst alle Wiss<4is/W(nge, welche die Völker
de« We»ct«-ns seit huige gf^wtihnt sind iK^simden^n Dis(*ipliiien zuzuweisen;
■I ISoilfihiMnuM sind verkör}N*rt elMMi so (ngenthümliche als grctssartige
e An^ditcn, eUm so niflinirte als heikle ThconMue alistracter
(*in (telAude ])liantastLs4rher Mysticismcn, ein ausgearbeitetes
■nd weitsebendfnt System ]iraktischer Moral, fMidlich eine Kirchenorgani-
*| L«*«#«. A. a. O. lU. B4. 8. 1148 1IA7.
12 •
eation » weit in ibren PrincqKai, io Ma iiiiHM«iit VbM imVUM»
Detail ihre« Netswetke« wie irgend dne der WalL - ' ' "
Der luibezwoiMten Or^niilitU miws (li-imi« unloiM-luulM, ia tf i
mehr denn wahrecbeiidich, daas 9^'<}'<iniuai nicht <ler pts-
Buddhist, wohl aber ein grover Ri:'f<)niiiil(V itttt<-M<u, der Martlil .
Luütor einer Sect«, die vieDeidit •Flifin .litliHiaurlurtn vor ihm l»
aber ent mit ihm nud dvrdi ihn lu )ii-iiiii-«:lu<r ßfüIftiiUidK !>><^ «rfa
Ein anderes Uerkmal, dem Buddfai-nins vim ^innpr Mtistartiiuid i
gcdrodit, ist jener Gtist aa£richii;:<>i' I-Ydaiiiiiiii^dt and ^^
Toleranz, weiche daa Anfkumnen nml l''iirt»'l)reit«.-n ilvs Ktiildhimiiif
keiuuaiehnai und ihn in Stuid Butütcn, A'w MliUtzharen lil«cn al
Kel^ns^Btemc web anzu^nen, mit dnuni er in litiniliriinit kam, :
fast jeder Fonn von Vf^kstber^aobon ( 'nmiirDinisse m siMcmtu, v
eine Kircbe in stüleo und Taosendc voti Jalirfn m erliiiiteii, idia« J
einen einx^en Dissdenten verfi:dge& /u huissi'il
In äea ersten iwei JahThnndi^itcii iiai:li BmlUIia'H Tudc acheA
der EmflaBs der nenoi Lehre auf die üfurslautL-n der (iaiigi. Iwwhrfl
gewesen n sein nnd das Pnndsdi&b kiiuiu crreidit m haben. 1 ^^
nach dem Einfiküe dee makedoniadii-n AlcKaiiilera iiilMiind dus K»M
TEchandragapts's, der den nfUuh'^iidnn Ituddliitimiis zu bc^tsAi^
be^nn uod dessen Enkel A^oka &»t ganz Indien unlt-r fdn<nn ti
verdnigte, ngleidi aber die boddhistisdie l.^ire anuahm und dioe
mit aUen ilnn m Odwte atebenden Mitteln verbreitelc. So gffMla
tt, dass um 360 t. Otr. 18 bnddliii^Iisebc Missionare niuli China g
laogten, wo jedodi ihre BemOhnngi ii \<illi' ilivi JaluhundGi-t« hinc
frndrtlos blieben. Nach Agoka'a T»l<< mid 'lern Zerfullf »ciiiw Iteick
in derdnulden Periode, die unter P>i<jidmiira 17ä v. Ohr. Ouva ¥
punct erreichte, empfing der Boddlii^mtu in Inilicu finun Stoaa, t
dem er sich nie glLnzlidi mehr erbolir, obwobl or forlfohr, wie i
wissen, bis in das VR Jahrhandeit n. Clir ilie Geister in Inifien
bchernchen. XJebct, «iae BlOtfae iii jener Zaü lassen diu S
der chinesischen Pilger Fa-hien und Hiuen-Thsang keinen Zwdl
nnd es wBre dorduus verkelirt, den Budd)usmua in Indien etwa t
dem Hngenottenthnme in FVankreii-li m vurgleiehon. LeUtsres ba
nur bei einem geringen Bmcbtheile ilei* ftMu/äuisdieu Natliiu Wus
und konnte desshalb schon nach Iturzer »ist aiiw'jAtct werden: '
BoddhiBmns hii^egen hieh in Indiin '^ell'si iiacli zwaHhundertJU '
Dauer dem Brahmanismns tagt nocb lia^^ (i 1 ei i-ligf wicht , xtthlli;
seiner Heimat allem seine Bdrani" i mtib MiUiuuen und
Zudem aber hatte die Anfeindung d i/i^ li('iK''iruKcni, die lifbre E
nach aussen an verbreiten, namenillrli fauste er »cbon vor i
Zeitredmung festen Fuse bei den toi m IniiLiueii TatarenstAninien (Vn
asiens. Im Ilt. Jahrhunderte anseni \i in bitilite n nuch 1
und den sQdlich vom Oxos gelegenen 1. imUi Imfleu. Der Küuii; Kanl^
von Kaschmir ward ein eben so Ttiuiutc Anhanm^r und FOniow i
Buddhismus als es AQoka geweson und nritei- «einer Bcgi^rung ttai
Kaschmir das letzte Ökumenische fimril liebnli IlevUion Av» C*c
statt, wddies jedoch durch die boildliisUscbe Kiii^e Ceylons aicbt a
C*no
icbt aafl
AuabraitQng i%% BuddhUmut. 181
erkannt wnrde; hiordurch entstand um die Zeit dor cliristlichen Aora
«nn«* Kircliens|)altung, ähnlich jener der rOmisehen inid griediiseh(ii
Kin.*hr im Abendlande. Von nun an v^dh es tuneii südlichen und einen
Dönllirhen Buddhisnios. Der südliche, uändidi der von Indien und
«qiätor auch von ßinna und Siam, verlor immer mehr an IkMlen, l)e-
Mindens in Indien seihst, der nftnlliche hingegen er(»l)erte ein (rehiet
nai'li dem anderen. In Kas<*hmir und Nepal bl)(*b ct unontwnr/elt uml,
nliWfdd im westlichen Centralasien durch den Islam vtTdrilngt. verhnnteto
•T sich alslKÜd nach tasten. Durch ihre kriegerischen TJerühninj^en mit
d«»n lioddlustischen Tataren Centralasiens wunlen die Chinesen endlidi
mit dem Buiklhismtis vertraut, und was der Kifer der Missionare nicht
hatte zn Wege g:«d)racht, dies vollhrachten die WatTen; im .lalire 61
n. Clir. fand der Buddhismus officnelle Anerkennunp: in China.
,,Wenlen die Ik»kenner der Lehre Gautama's auf mehr als 400)
Milli<»nen geschÄtzt, so rechnet man dazu «las j:jesanmite chinesische
ViJk, welches dem Dienst vom Himmel mid Knie, s<>wie dem der Ab-
ffeschieilenen huldigt, Coufutse al)er noch innner als den sittlichen
lrt*M-ta5geber verelirt und eigentlich vom Buddhisnnis nur das Bud<lhahild,
xa anderen (Jötzen einen (M^zen mehr anjuenonnnen hat.">) Dieser
S«U ist nun dahin zu illustriren, dass allenlings die Anluln^^er d<*s
lonfutse anlänglich den Buddhisnms mit Feuer und Schwert U^kümpften
jrtjt aher «krartig von buddhistischen Ideen durchtrilnkt sind, dass der
aofriditigste Confutaianist ohne 8cru]>el alle buddhistist isc^hen Ceremonien
miCnarbt. Ka wäre sicher ein Irrthum, zu sagen, alle (liinesen wären
Buddhist ea, aber unstreitig ist das ganze chinesische Volk bis zu einem
0pvLwen (trade mit buddhistischen Ideen vollgejifropft. Die Lehre vom
Tao (d» l^ao-tse) ist Buddhismus im nationalen (lewandc und die
GlantH'nss&tze von der Se<»lenwand**ning, von der Hölle, von einem
akttnftigen Paradiese im Himmel, sind tief und weit in die Masi^e des
VrJkeft eingednmgen.
Von (Tiina verbreitete sich «ler Bu<ldhismus im Jahr IM 2 n. (Iir.
■arh Corea und von (k .V>:> nach Japan; in iHMden Ländern eirang
er jpd*N-h nur theilweise flrfolge, seinen höchsten Triumph feierte er
in Tihei. Hi«T ward er zwar schon -107 n. dir. unter Lha-Lho-
Lhori eingeführt, gewann alHT erst an IkMleutung, als (bis Schwert
de^ Islam die Ituddhistisi^hen Triester aus l'ranso?:anien und Kabuli«itan
\»-nri«*h. König This-rong-de-lsan 1 U) IM n. Chr. war «•<, der
ik'U lU'ueii (ilaulM'u in TÜH^t otlticidlen Eingang vrrxbafft«.*, wo d<T
IkMliOib^niu** sich al>l)altl mit dem ^SchamanismuN, lMsondei*s dem nekro-
iuuitt5i4-hen Alx'rRkiulM'n der l'jngelNjrnen \frl»and und dadurch ein«*
stm if-imT ursprlknglichen si'hr abwcichiMide Form annahm. Bald indes«
MiUtjuirf eine Partei, die drinsrend nach Kefonu iN'gebrte und lanjfe
^•iireWich darnach stn'bte. MitthTweile war das nc^torianiscbc (■liii>t«'n-
tbmn iiaeli rentndasien gfHlruiigfMi und Kinigi* m*u der Befoniipailei
«iur*leii iLiilurch lM*kanut mit der (ic>chi<'ht4' \on ('bri^ti LclM^n unti
'* Fetckel, TSnttrkuHif, 8. 290, nach Mftx Müller. Efa^n. Leipxig, 1869.
I E« £^ »9.
18S A^mmwaaMm, ,
dem Ceremonid der kathttitclica Kirche. Dem eUditisdieii Gaste d
BnddlOHniu gemlsB Biluneii si«< \ieli? olimlUchE^ Idci-n. Tmlitiunen » .
Certmonies «d, und als enJücb ihre Partei iti Tibet den Sieg davo% 1
trog, re<HfBninrtai sie dim itnrtigen Biidiltii«TiiiM , iiitlem itle Um 'u) |
dirisUidien Fonnen venetiteii. Huvreit «lies die biiddbüti)«iiu Orthoduxil^J
zalien. Auf dieM Weise ßtideii die AiiklütiKi' mit den dirulUdiri
Legenden ihre natürliche, bitgi-fwun^ene Kikl&nuig. *) Wuniltm i '
ans dewbalb nidit, wenn wir \<.'niehnieii, ^v» die tibetaiiiecbe I"
ihren FifiBt, ihre CardinUe, lli^hrifo, ['rieMur tuid Noiiiiiai habe, d
die tibetanischen Baddhisteii ilne Kiudstnufe, ihre LVinüm
Seelenmene, Patemoeter, £> iMtikränze , Wuilikerfen und Weihwi
ihre Procenionen, FeäertaKe ihuI FaetUge besitzen. Viele dinuir (
Heben üebericominniaM drangen selbst in die buddhistische Kirche L
and ihre literatnr, obwdil nie iu soldiem 3(itasBe, wie in Tlbet.>)
Beinahe in jedem I^nde ist es die Religion, weldie zucnil Km
nisse Terfareitet, nnd Tibet macht keine Aiisnalune vuii il' ~ _
Wie die ^nfOhmiig des Bcililhismos in Japäu von Seite Udtw'a i
atugehreitete Literatnr dtf (liine^i'u den unwissenden Ja]iaaem j
gftnglieh gemacht hat, so inm der P^ift^r indischt^r Suddhittvnpi
Pmeelyten m machen, den Tilnianprn m statten. AUes *
ist in der tibetanischen Lit iMtur, ist aiu liidicu Ki'horgt und t
haiqrtsttchlich in der Ueber^it/uiig der huddlu!<LiBc}ien Scliriflcu.
obinAl der gOttUche Chaiakio'. nddien dii- Til>t>tiuier \\\rvm l>atl
Lama zusdireiben, eine sdu- iiiiSTsdioidliihc lletn-tidiixie ist, IoUm
sie dodi im gnwaen Gaavn /u licn fsoi.risi'lii'ii wie i'Mitt-riwbeii
Doctrinen der nördlichen ilmlilliisiiii-l^rliuli-. '/.wtA veixiditen d»
Buddhisten die Landessprache duii-li das Saiisluil /.u teidräugeni ib
sich dem jedoch nnaberwindliclii: Schwierigkeiten enlKi^i-iuI^Utim, aUr>
trugen ne die Sdiriften in iIl-^ Tihetiuiische,, jedoch mit den Üevamtt-
\(T tiotlei-slaflt gelirfUiohlieliu Niutw Air
thfi. Kanskrit geschrieben wirdi. IHe in
Ituchdrackett verbreitete den wvtu
a^s er sicli »cImiii tu ktinuntcr Zt-it in
ilr norh festsitÄt. Wie verhaDgnt'«tua
auf Tibet )(i!weMKii nein intiK, Tür diu
ii:li Dnii'Jt die fSoirift m verlireitco, sJad
^aW-Zeichen (daa ist der i
indischen Schrift, mit weldiei
ganz Tibet flblidie Kunst d< ^
Glauben ongeniein rasch, bij d
Vtäke so feetfietzte, wie er hn
auch der Qnfluss China'« »liiHi
Kunst, nütteLit Udzblöcken dm
^
•) All! DitelU dliHT Timdlbi »
".i-ctlpi, rt><i>nB AIWt «od oob■■1■^lr>lt• I>«lta4i
Biok du lltHUn CodldM *t XnD):ni,
<>n AS du ß<iu> <ilal1*i> llai»; «rlinivti M kalst
l«r sbvrwUBUn La|eidaii iHk*^...!
iriinii. lila (nibiuti DvmriliHiaii d« jßttl^m
l>md4tl<tlKhu Cweu, wtliOi« <l« n«.
thlLbl- fcenM. 1.1 ]>.» von r.yl..„. dl. Jafad
nBidllck TOB OiKhtMkt III OaHkl-rhi
[ iJbrTlIotiTl wtrd^ nur ■■m Tb«lli- w*td •)■ •■
Mftndtg |»«li«h dttt ■r*l iKlHliia 111 »d US
n. Ckr. Voa C«}loB ««r ■■ Mik. d»
•) HMliEraitJ. KItal, »oä-l>.
Lg>id(», im. (■ H. 1-8S.
J
AmkrANnt «m BvMbUim». 183
£e Tibetaner ihren Nadibarn tief zu Dank Terpflichtet. Diese Ennst
hat wfüentlidi chum gedient, sie zu civilisiren und über andere Nachbar-
völker za erheben. Wie ein fqündlicher Kenner^) des liandes ensählt,
rand die Bttcher so billig, dass man sie l)ei den ännKten, oft mit
Srhmutz bedeckten und an gar Vielem Mangel leidenden Leuten findet.
Der Contrast zwischen dieser weitverbreiteten ('i\ilisation und der
Stumpfheit, welche in dem benachliarten NepAl herrscht, wo ein einziger
der dreixphn von den I^Iingebomen gespnwhfmen Dialekte sich eines
Hoefartabensvstems rühmen kann, ist geradezu ü1)errasc)iond, erklärt
mA jidodk durch die verschiedenen (xcschioke, welche die Imiden Völker
wü der Trennung der beiden liänder erfiähren ha1)en. Mehr als ein
Jahrtaa<end hat Tibet unter der friedlichen Herrschaft China*s gestanden;
da» Volk war vor äusseren Feinden wie inneren Kiihestörern geschützt,
wine Bildung gefordert die Entwicklung d<T Künste ennuthigt.
(vanz anders hat sich das (leschick der Einwohner Nei)iil8 gestaltet.
Den HimaUya überschreitend, noch ehe die Civilisation in Til)et ge-
diiumert, &ntien sie sich in einem wilden (iebii*gslande, inmitten
irewaltifcer Ik*rgketten, welche diesen Thcil des südlichen Abhanges des
Iliuialava durchschneiden, sonderten si(*h bald zu verschiedenen Stummen
m
und verlitirn allmiüüig das Ik^wasstsein der Gemeinschaft. Diis gewöhn-
bebe Kefoiltat solcher Zustände bezügli(*h der Spraciie blieb nicht aus
■ad wie wir gesehen, werden innerhalb der (rrenzen Ne|Kils nicht
wnünrer als dreizehn Dialekte gespn)chcn. Das in Neiial überwiegende
Minai »t das von Newari^ das als die eigentliche Sprache Nepals an-
ipneben wird und zwischen dem und dem Til>etanisch(.'n sich die Vei^
«andturhafl klar nachweisen lässt. Dieses ist substantiell indisch in
Structnr, wie acht Zehntehi seiner VcKabeln, auch bat der Stamm
l'mw'andlnng erlitten dun!h eine Infusion südlichen Blutes - — ,,von
bttrbariiicb(*n (iebirgsliewohneen, die essentiell von demselben Stamme
mm die versehiedenen and(Ten nciialesischen liochländcr^ - - und
terb die er zu dem gegenwärtig herrsttbenden Militürstunde in Nepal
fewurden.
Wiif sich das I^nd s(*ll)st in drei i'artien sondert, so sind auch
ikt dtaM'llM' bewohnenden Stumme in drei Tartien ubzutboilen, die
«iberm, Mittltrea. NitNlemn. Als die erstcren sind die Newars und
^ anderrn nnvermisrhten Stänmie in den llüg(^lkett(*n zu lM*tracbten.
HoHs^on giaulit in ihnen die letzten Emiginnten aus dem Norden zu
anter anderen (rrttnden <binnii, weil sie sich „im Allgemeinen duirh
*n deii einfiu'heren turanis«*}i(*n Typus kennzeit'linen, wälu^nd
4ie Sprarben der änderten Stänniie dnen i^implieirten^n Typus an sich
il«T git*iHi ihrer physisehcMi Ersirbeinung auf eine Vermischung
dm' Ita^a^iilas. «Nier den lb»s, den SiiitaN (hIit den Mundas, Sub-
d4*r S'»hne d(*s Tur, hinweist.*^ Di<>se Stünniie, bilden fl\v.
mHic Abibeiiung und die dritte lM*steht aus den helotisehen llaml-
'i B. II. II (1(4 ton, Kt9aj/M on the tattguaft», Ulerftlurf oh'I reUfftttn nf Stpill und
fA*f . t-fHh^r witk fmrtker pmptr» oh ths yeograpkjf, ethnotofff mnd rommtrcf t*f /Am#
••«rw« Loa4'>D, Triibnvr dk Co. 1871. 8*.
184 Aoien im Mittelalter.
werkslcuton der Berge und ThÄler. Es ist schwer zu yerstehen, wessbalb
Schmiede, Zimmerlcutc, Gerber ete., I^eutc, welche so ahsolut nothwendige
Beschäfti^pingen versehen, als erniedrigt betracJitet und ausf^cstoeBeii
werden, aber nichtsdestoweniger ist es der Fall. ¥An fthnlidbes An»-
schliessungsverfahren hat auch in Jai>iin statt, besdirftnkt sich jedodi
dort auf Gerber, Schuhmacher, Ledcrarl)eiter und Fellhändler.
Von besonderem Interesse sind die vier philo80])hi8chen Systeme
der nepdlesischen Buddhisten, deren Namen Si^dbhdvikaj Af^varika,
Kdmiikay Ydtnika in derThat vollständig dem Inhalte der betreffBnden,
meist höchst verzwickten Glaubensmeinungen und Lehrsätze ents|tt%chen.
In der philosophischen Doctrin tritt besonders der Cregensatz zwischen
Tbätigkeit (pravrittii und Ruhe (mrvrittij der die Welt herror-
bringenden Kräfte her\'or. Das Zusammentrcffsn des Qiiiilsmas mit
dem Buddhismus in vielen seiner Symbole erklärt sidi cinCeudi als eine
Aneignung von Seiten des ersteren; von hohem Interesse ist hierftr
der I^ericht, den ein nepalesischer Buddhist von den Göttern in den
Temi)eln in Buddhagaya abstattet, in denen er durchweg buddhistische
Gestalten erkannte, wälirend die Brahmanen dieselben znm Thefl in
sehr wunderlicher Weise als brahmanische Götter erklären. ^)
Von Tibet aus ward Buddha's I^ehre den Mongolen zngefllfart,
welche früher eine sehr rohe Religion hatten und einer Priestersdiaft
entbehrten. Die ersten An^nge der Bekehrung dieses rohen, aber
tapferen und weit verbreiteten Volkes, gehen auf die Zeiten Kaisers
Kublai Chan (1259—12^*0) zurück, welcher den BoddhismQS in
seinem grossen Reiche l)egünstigte. Beträchtliche Theilo des VolkB
wurden jedoch erst 1543 und 156G bekehrt., und diese tiefeingreifende
Veränderung hat vielfach zur Abschaffung einiger rohen Gebräoche der
Mongolen bisigetragen. ^) Auch die westlichen Stammesbrüder der Mon-
golen, die Kalmüken, nahmen zum Theile wenigstens Qakyamniifs
Lehre an; wenigstens bekennen sich die Kalmüken in den kaspisdMn
Step])en Kuropa's zu einem verblassten und entarteten BoddhisBai,
während die Bergkalmükcn im Altai dem Schamanismns ergeben UiebnL
von dem es sehr zweifelhaft erscheint, ob er übeiiiaapt den Nameu
Religion l)eanspruchen dürfe. ^) Die Mongolen besitzen die IwiliipM
Bücher in tibetanischer Sprache und ihre Priester, fjatna*«, sind ver-
pflichtet, nach Lhassa zu reisen, um dort ihre Weihen zu erhalten.
Im Vorstehenden ist die Ausbreitung des nördlichen BoddUsuMi
in grossen Strichen skizzirt. Eine gleiche Wanderung fiemd auch !■
Süden statt Vc»n Ceylon, diesem Centralpuncte buddhistischer fiiliilni— -
keit, gelangte der Buddhismus untiT der Regierung des HinghaMschsn
Königs Mahanuma f41(» — 432 n. (lir.) nach liinterindiea, nnd iwv
zuerst nach A r a k a n. Von hier aus verbreitete sich die nenif Religion
nach Birma und Siam, erhielt jedix^h in allen diesen Ländern elit
838, dem Anfange der bürgerlichen Acra dieser drei Nationen, ihre
*) ßUhe dArObcr Am<^ Buch Ton Hodgson.
*) L»ititen, Intliteh* AU§rtkum§kHnde. IV. Bd. 8. 7S8.
*) H«llwald, Oitfrafaf/«». Loipsig 1875. 8« 8. 03.
CvHvrwtrtli 4m Bwddkitmiit. 185
fettere Begrflndang. Etwas firtther, nftmlicfa 574 waren die Bewohner
Tim Nieder-Laos oder Zangomai mit dem Buddhismus bekannt
feworden. Wann dieses in Cambodscha gesdiehen, Itet sich nidit
fpenan bestimmen; jedenfalls trat dieses folgenreiche I«>eigiiiss Tor 638
ein. In dem nordostlichsten Reiche Ilinterindiens, Annam, herrschte
der rliinnnsche Eintlass Tor und der Buddhismus ward dort sehr spftt,
enl 154C^ eingeführt Was den ostindischen Archipel betrifft, so ^nd
Fn-hien bei seinem Besuche der Insel Java 424 n. (lir. viele Brah-
■Hwen, dagegen gar keine Buddhisten. Im Jahre 656 war aber schon
ein groner Umschwung in den religiösen Zustftnden Java's und Sumdtra's
eingetreten, indem der Herrscher dem Buddhismus ergeben war. Diese
RHHlie der Religion ^yamunis dauerte auf Java noch längere Zeit
Ibrty sicher noch unter der mächtigen D3f7iastie von Madschapahit,
deren AnfiUige om 1320 zu setzen sind und welche 1478 den sieg-
rrieben Waffen der Musehnänner erlog. In eine etwas frühere KiK)chc
ftUt die Verpflanzung des Buddhismus nach B o r n e o , wo Spuren von
iboi nnter dem Volke der Dayak noch erhalten sind. Diese Bemerkung
gut ebenfidls von seiner Verbreitung nach der Insd Ternate, von
«o aon er nach dem kleinen Eilande T o b i (oder I>ord North's Insel),
der sOdwestlidHten des mikronesisclien Archii)el8, gelangte. Dieses ist
der iasserste Pnnct in dieser Richtung, bis woliin (liese, höhere Bildung
rohen Nationen verbreitende Religion vorgedrungen ist *)
Cnltnrwerth des Bnddhtsmns.
Ehe wir flflchtigen Blickes Asiens buddhistische Welt an uns
vorttbaniehen lassen, ist es ge1)oten, den moralischen und dogmatischen
Werth jenes Gfawbens zu prüfen, der die Grundlage zu eigenthümhchen
Cmliantionen werden sollte.
Der Buddhismus entstand aus einer natürlichen Reaction, eincfm
Ptoteiit gegen die abnormen 'socialen und religiösen Formen des Brah-
muiimmm^ genau so wie der Protestantismus eine Reaction gegen den
Kukoiieimns war. Keine Religion auf I*>den bleibt aber auf die Dauer
rtrid: das Christenthum von heute ist und kann nicht mehr sein oder
es vor achtzehnhnndert Jahren war; mehr Veränderungen
dordilelite der Buddhismus, sowohl weil er keinen geschriebenen
orsprQni^ch hesass, als in Folge seiner Verbreitung durch das
Wort, seiner Ikrühning mit verschiedenen Religionen und
oder, was im Wesen dasselbe l^t, AlN'rgIanbens.s}'stemen, und
lOrimhkung der mannigfiiltigrn Nationalitäten, welche er sich mehr
minder vollständig en)l)erte. Dies gelK»n «lie liesten Kenner ilcs
BaMkÜBDOS zn, und für dieses (leständniss hal)en wir alle Ursache,
«^ dankbar zu sein; wir entnehmen daraus, w(>nn auch zwischen den
ZrOen lesend, deutlich genug, wie die Wandelliarkeit der Religionen
4ni srliiagendsten lieweis von ihrem rein menschlichen Ursprünge führt.
•) L*«6«a. A. a. 0. IV. B4. S. TIO— TIS.
1B6 KiMteUMMtal ■
die Rdigioiien rieh dn ili dw GegriitliM etlpipfi! ■^■r ÜMy-IM»
iöe vorgebe« sa seint gOttUcbe Olienbinng. ■'Wr BMkmftktp'taA,
wie atuli Uecin du eUinc^niUMto Homnt tii>ilifiiiir. »WimiW
BeneMnng des CidtanrartheB irgend ttam ItillliliMijililiW 4mad
ankommt, m nntarsudim, wdclien EbifJns" Jio ihr angohörcnulcn ^' ulker
darsuf genommen hiben, wie tbOridit rs mm Iteispide ist, ilnn (lirlsU«-
thiraie die Bohhcit Torauwerfen, welli'' ilie gcrmiuiiscbrji StAmnii; dm
frftben Hitt«laltera in dMselbe UneJ]it.'i-irai(oii. Vieles von dem, ms
ridi Ober die Entwi^Uong des Bndillii-^miis sagen IüskI, wnrdr^ mü
Nntten auch vra Stddien bebeniget worden, die sich mit cullurliislan-
schen BeortiieUmigen dei Oirlttaithanii's abgeben.
Ur^MUn^idt dem Brahasnisnnis diaiiidral enlgegpnfp-setet , hnwt
der BnddhismiB dodi nodi vide Ideen mit itiesem gemein, war er efai
Cra^mBerst ' von Gedanken, theila crii;i i:'>ll , tbeils vnm lin^maDisiimii
nnd frflhen ^vaismas entldint SeiiiL' cislt^ EiiiwicklDiigsDlioM, der
ente Temch, diese Ideen sfStematnth zti orilnen, iujitdiihnet du 9»-
genumte Bmäi/ana-QjiteiB, wekfaei ausxclilicwilicb muroliniie Ada»
predigte nnd veriangt«. So wie ahr <)i'r Bu<IdtiisuHu ftrawerB Aa>-
breitniig gdbnden hatte, trat an Steilu dur Hiui\>-nna äie MahdtfaiM,
«n System eseesaiver tranBcendent^r Sporalation, welche alstnk au
^«digaltigem Quietismus oder ifaetrirli^n Nihilismus flUirtt;. A» ikr
ersteren diesv bdden Schnlen giBgea die MAnncr hervor, weicht tbtl-
sidilidi ihrer ganzen Habe sich entBoiHerli'ii und mit uiiwidcRttuhlicher
Enei^e und Begeisterung Buddhft'sLrlir'- weit und brnt Ober OBtaaon
verbreiteten; die EweiteSAnks ernng*!' Manner ganz anderen Sehlagea,
Dialdctiker und Haarspalter, Lente, 'hi- zwölf .lulini lang anf ciaw
Flcdt starren konnten, ohne Mi ni nilirm, nbne m spndua, ahBa
zu denkea. Die gofahsne IfittdatnuK /winüien bnitlen vvnnobUi dw
Jfn<U,yiin(f.y<nia-8]rBtem sn finden, das aber, wie alla MiUetsBaMal|
za nichts fahrt«' und auch niemals bedi^'iili-iiden Atilunit gewaaK. i
HAcbtiga' nad amiebender aki uliu bisbiTigmi war die Tmut
Schnla Die Einsiedler hatten die HeiFkräfte mancbcr Krautiv,
HOndie die angri^oben OeheiiBiMW der wliwarzcn Kunst kntitieit |
lernt, wodurch sie WaBserdntii nnd Uiinser und rostÜena i ' " '
heilen aller Art bannen m IcOoneB M)i',>iilK'ti. Aitf iMvk Wvisa ^
praktischem Nntxen nnd gritrlftigt duili ika lluud mit dffli i
denen f>]nDen des popollren Aberglaiit>i'(i'>, i^ntitiiUni ili« TanttvSc _
dem Hahftjana-Sjstome alles, was ilir v<-i'Wfndhnr dankte nnd näai
dergertatt ein neues System tob fntktJArhfm iiiiil ptiil<v'M)|>h)M-Win
Mystfeinnns, der das Bttoale der biidilhii>tii>r:)iai Kirclir mit [rtnuitwt^
sdten Ceremmien und mystiadmi lünrxipn oberlud. Ilir fQL*)>raii|!i>n
die Priwter, welche als Regendoctori'ii, Wnlirswpr ntid A'^tro)>«>-n
Völker nnd FOraten betrogen nnd nH.I) gegenwärtig in Hnrau imHkfli
Theile Ostariena eine unumstdotokte (IüwuII. *u!>Ulmii. WUirrnd »Irt
die Tantra-Sdinle rar IlemduA der Ma^M-n goloii^tc, 1irhau|it»ie d
Mafa&yana- System srinen Einflass aof ilim itndt-n i~
schuf seinerseits wieder eine Menge iiliiln^iiiihiM^hi
nicht weniger als achtzehn nanwatHch bekannt sind.
langte, lichauiitme ilk< 1
it-n di<r iJieratiiT uad
«■her Si-huli-n , wrnne I
1 Selbst das Hintyaaa I
CaUurwOTtk dt» Boddliliinii«. 187
xt^usto einige Sccten, wie denn jede der genannten Kutwiokhingpphasen
'•irh durch eine Ilinterfauseascliaft von Ji^M^tcn, Schulen oder Parteien
rharaktorisirt, die aUe noch im modernen l^uddhiHnius existiren. Durch
dicM'n verwom»nen Knfluel dogmatischer Sj^steme zieht sich al)er doch
«in unuiitcrhrochener nither Faden, und eine (inii)pe fundamentaler
Iwi-hnn Ist zu allen Zeiten, in allen lAndern, »gemeinsames Kigeuthum
alliT Buddhisten; diese liChren sind es, die die F*ssenz, das Wesen des
:rf<«iiiiuten Systems entluüten.
Wiwierholt ist auf die zahlreichen Al)surditaten th»r buddhistischen
Truilit innen in liezuR auf Kosmogenie, Astronomie, (fcographie und
Natumissens« 'haften ülierliaupt hinfi^wiesen worden. Indess, räumt man
auch willig ein, <lass in dieser Hinsicht der Buddhisnms kindliche An-
H'baiintifcen hege, so zeigt sich doch, dass häutig in unseren Augen als
AliMiriiität erscheint, was duniiaus keine ist, weil unerfahivne Dolmetscher
di<* in (rleichniswm und ParalM'ln sich lH'W(»gendr Spnichc «Ut Imddhisti-
*>4'iH*M I^-hren missverstanden und das (Heichniss seilest statt des dahinter
*frU»r«fnen Sinni's für die I.ehre gehalten haben. TelHTdiw alier
iiu«*lH'n difse kindlidu'n Ansirhten den Huddhi.smus nicht aus. Kin
DuiiilhlM kann aUe Ki^iltate der mcMlernen Forschung annehmen, er
tkAiux ein Anliiinger Newtons und Darwins werden und doch daliei
IbuldiiiM bleilN>n, im strengen (ifgensat/e, wollen wir hinzufllgen, zum
(linsten, der durch die Wissf^nsclian seinen (ilaulM'u unerbittlich zer-
stört, \eniichtet sieht, denn die liehauptung. dass den-n Kesultate mit
liiT lli-liffion (nIit dem (ilanben in Fiinklang gebracht werden könnten,
i*t «dii'u X» mfts.sig und unerweislich als unwiss4>ns<'haftlich. Desshalb
ihtfib-n wir auch die Meinung nicht, (hiss nur das dnistenthuni, nicht
ODM-n' (*i\ilisation. ilen Unddhismiis jemals ülNTwinden könne. Oh es
«nM'nr Tullur gelingen werde, wis.M'n wir nicht, dass alH*r das ('lu*istcn-
thiu» ilazu unfähig sei, ilavon halten wir uns für ülnT/eugt.
IHt* bnüuiuinische Welt war iN'lierrsclit von einer durchaus ]ian-
tbfMi.-ch'-n Ansi'hauung; der Ihiddhisnnis scblug einen andern Weg
riu. It kennt keinen nrH]irünglichen ('rheUT, kein üInt- <Nier vor-
«rltHi'h«*^ Trincip, keinen M-lialTenden (leist. keinen l'rstoff. Di(* Idee
ii«> li<H«tehi*fis e\i>tirt nicht im Hiidiihisnius, denn Alles ist in lw»stAn-
•iimT Di*w«inintf, liestftndiger Veränderung, iN^stämiigeni Wechsel begrilTen,
•}i-h im ewigen Kn'ise wie<ler er/eug(Mid, rihiie Anfang und ohne Kmie.
I*ir DuiiiUiisniiLs sagt alHT nicht, diss uumtc Welt olim* Anfang und
fjiilf M'i. lias rnivei-Hiiiii, wtirin wir leU-n, ist \ielniehr nur eim*s
ait- iUt i-imUommi Zahl von Wt'ltsvstenien. .lfMli*s il4>rs4'llM*n hat einen
•
VnfiAng uihI aueh ein Knde. alNT nur tun Mofort wiiiler /u erstehen
mit ilem Zieli* nen<T Veniit'litung in endlos<*r .Miweehshin^'. Was uIm»
«- « 1 IT i*t. wirklieh ohne Anfang und Knde, ist nicht eine indi\iduelle
^^••It, fin einzelner Kit^KT d<*s l'niversums, si»ndern da*« (iesetz der
Iti'^nlntitMi. fast iniM'hten wir s&gen, der K\olutioii. so >ehr Greift
■i»* iiH-hr ilenn zweitatLsi*ndjä)irige I^'hn' iles indiM'lien WeiM-ii an
Dar« in« tmiilenie Kvolutions- inUt 'rransnuitationstheorie. So \\ii* dies«>
ir«-*f • ht i|cT HufkUiismiLH offen und ehrlich, ilas«« er lias Warinii und liie
<iruiidiirsaclM> dieM/s TrocesM-s nicht kenne, und wir sind natürlich
\
weit entfernt, in diewm Gestladni« dia BdnOKbe OmlnAäitlmkm
Systems m erblicken, da ja ifle theisttaeben lAHMitiktfc «Utarthi^
als in die nidit aounfUleDde Lflcke die Idfee ^in^ iiMpMiAM
Gottheit sdiieben, die Venitinft alao tot ktia gt^agam JUämk,-^
lieine weniger gevaltsanie Hrpothcse stellen. i ' ^ .
Z« dem buddhistiacheii EroliitidnBpeapl/c passte iu geviincni Sinak
sehr wohl die VmteUnng von der äi^cleDwandc.miiK Mit Mflei
psychose, die Oblong länge voi' (Um Buddhismus von den Ünfaman^
gekhrt nüi und in den Vedfa seltisl^ welche die lTii-it<>rhK<4ihßlt iht
Seele TeriiOnden, ihren' Unimuig 1ml. Katilrlicli wunin * "
Brahmanen in pantheistiaebein Binnr gedeutet, wäluvni! Biuldlia i^
alte Dogma auf eine BiuacUiffi^licii nitiraÜKcbe liäsis im iKtRDiuW.
suchte. An Stelle Brahma's setüte er die Idee von Kanna, d. i. V4
dienst nsd Vergehen. WAhrend die Urahmanen initeablen. diu
entsj^nge in ftafama und sei ein Thuil vun ilun, leime Bnddlia, Ji
Hensdi werde nadi dem Tode wicdiTgclioren mit einem Körpur,
im Einldange steht mit der BQuix der im vorigen I.«hen an^blnftMl'
Verdienste und Vergeben, mit ■nderen Worten, jedes fUhlcnilc Wi
ist das Frodnct seines eigenen moralistlien Worthi». Jf^enrnnn
tiaa der eigene Lenker sonee künftigen GesdiiRkes. Aber allo
lohnangen oder Strafen, die fiber ilic n-audumde Spula verhängt
danem nor eine bc^irenzte Zeit, sie sind nidit ewifc wie in der
nttnenlehre, die mit dem Elad» endtost»' Wiedergeburten die Pbaal
er8Ai«d:te. Aadi beKlirliikte Uuildhn die mOglidicn Formvo
HetefflpirycboBe anf die wgBitiMlieii Wemu allein, und dies war 1^
grosse Wohhhat For die SOtaii'' des WMtrtw hat tl(T (iedanfc« fSatfr
WledergebnTt nidita abadiTeokeiidoH. denn wir acljlen das Leben
and Tod ist nns verhaasL Nklit xu initiT tro[)i9ichi-n Srinncn.
Qbt das Ldten keinen beenidertii llciz und der Tud, wenn er andfl^
damBch auf Robe zahlen diif, ist dem Bcwuhner jener Ziinni '
Segniing. Der HoUe Pek taneodv von Jahren za crduldcm. ist ihm
80 qnliender Gedanke, ab die Vorat<>lloiig, hanilelu, nrlieKea »1 moi
(dute Ansicht anf EMOaong. (>iht m nun ein« ^tolcbc? Und
Antwort lautet b^fabrad; es gAt eine Fj-liisiing, die Mittel, <iif> m
rdcben, sind Moral und Meditalinn. dor Himmel endttrlier P>lAnui|i Bt
Nirväuti. Jener, der ohne je^ielicn Wunsch AU- «u4i seltMt erHiurben
ist, der allein genleest das walirhafte IjcImmi. Itiin^ >la« Haupt prirnip
der boddhiatischeo Horal; dkee (.Tttieill noch die wcitiTvn fftnf (ielinl«^
Du aollst nicht tAdten, was Lebcu hal, du »oUst iddit sielilen, du mW
nicht UnkeosdilKit treiben, du solM iiiclil lilgcti, dn «oib« tidne br-
ranschenden GetiAnke trinken. Üer Hiiddhismos ist also, man M«4tt
es, eine Lehre der Unelgennfltzi.^kcit und die» *tni\e SlArke, znglridi
aber seine Sdiwicbe, denn die burldliitiiisclie Tilgend ist wewjtffifti
negativ; es ist eine Moral ohne (•nttlioit, utkI vielleiclil nicht uiit l'nneH
sucht man in dem Fehlen des Ocittt^hc^lfoi ^ «lirsm nolhweadlgni
Irrthnmee — lUe Ursache filr die vrrnweifcite Melanclmlie der RudithMcn
Negativ sind nSmUch — es sei uns ditwT lütiwiti« \'pniUtt«t — vnt
den wetm Qebotea der JOdiaeheci Tradition fast alle jene, welch« nmfc
1
Cultarwartli dm Ba4dliUma8. Ig9
iH-uti» unsi>reii MoralnMlex bilden; ])08itiv nur jene wenigen, welche sich
auf tUe (iottheit nelbst und die Verhältnisse /Hischen KindtTn und
hJtrni ln»ai<»hi*n.
Ifcis Monilsysteni des Huddliisnius, wie es sich unter solchen IJm-
^tuiidfu i-ntwickelte, leitete zum Aufstellen ausführlicher Itegeln für
ibs iii'iii'hineu der Triestersiliaft , für ihre (iewandung ihre Nahrungs-
Ht-LM.- und lks4:häftigungen, zur pedantisi^hesten Vorschrift der Art uiul
Wfi!,«*, wie zu sit7.en und wie zu stehen sei; (»s gelM»t öffentliches Be-
kannt nish der Sünden, schuf einen (.nniinalc(Mie\ und entwickelte geist-
li^^H•^ lUngwezM'm Altstufungen (Ut Heiligen, ein ausgcarlH'itetes Ritual,
«'inen \oll.Htilndigen religiösen Kah*nder u. s. w. Doch blieb (^ auch
nii'ht ohne Wf»hltliätige Wirkungen; wunderbar war es angethan, reli-
iri«^N»-s und niomlisi'hes LelH*n in Zeiten ]M)litischer Aiuirchie und
iiionüi^4ier Versumpfung zu bewahren, licsonders aber g(*eignet, die
«irhtiisste CultiuürlH'it, das Zäiuuen wilder Stämme zu verrichten, eine
Aiifeikie, tlie, wir erinnern daran, nicht weniger vom Cluistenthuin«^ an
ik*D jct2ig(*n Culturvölkern gelöst wurde. Der Irrthum liegt nur darin,
tla.vi man inälint, dies<> herrliche Wirkmig müsse sich bei anderen noch
uiMi^iH^irten liarliaren unfelübar wiederholen. Das buddliistische Mönchs-
tbuoi war zugleii'h ein allen Volksclassen und Nationen hochwillkom-
UM-ne» Sumigat für das engherzige, aber wie schon gezeigt wurde, auf
n^ttrlitiien Ursachen begründete Kastenwesen. Wo es dieses nicht zu
brecht*» vermochte, wie auf Ceylon, milderte es dessen UebeL, indem es
ein (iegengewicht schuf. In Gegenden, wo Krieg, DesiM)tismus und
FeiüLALtystem noch weit grössere Verheerungen aiu'ichteten, als das
Kastenwesen jemals in Indien that, wirkte das buddliistische Mönchs-
thum wuhlthätig, indem es die Utopie von der Gleichheit aller Nationen
und diT allgemcineu Brüderlichkeit verkündete. Anderersi^its ist alles
M<'m4'h!*thum an sich moralisch verwerflich und wirkt verdummend; das
l«f|illii**tis«*}H' Mönchsthum liat niemals Künste und Wissenscliaften ge-
foniert. keine Literatur erzeugt, die sich nur annähernd mit jener
(liiiia's messen könnte, sehr verschieden in dieser Hinsicht von dem
«iirisflirhen Mönchsthume in Kuroi>a. Auch die Stellung des Weit)es
lat d*-r Hudilhismus in keiner Weise gelx'ssert.
IHe )»udd)iistischc Mond ist also nicht ohne Mängel; sie artet in
«*in System von Fatalisums, (mUt auch in eine* geschäftsniännis<'he liuch-
fühnintf aus, worin die guten mid lH)sen Handlungen gegenseitig al)ge-
»'»r«'!!, dii* N>ien al)er nicht als M)lche, sondern blos desshalb verdl)scheut
unil unterlassen wenlen, weil sie ihrem UrhelnT nachtlieilig sind. Dennoch
^A\ auf <Ii'm Wege dif>er Moral der I^fad zum Nir\äna gefunden werden.
Kn'ihi-h ««ind üIht keinen anderen l*unct der Dnlrin m) \iele Meinung^-
•.'r-^'lii»'il»'nheit«'n erstanden, aN jr^rade ül)er diesen Weg; jctle Schule
^ug \**n d«'ni nämlichen IdeenkreJM* au> und grlangti* zicnilich genau
/u lii-m nämlichen Resultate, der Idee des Nirvana. in ihrem Verkiufe
jk!»r bi> dalün entwickelte die buddhistische L(*hre diMi Idealismus wie
•i* u >Liti'rialisuius, den Positivismus wie den Nihilismus. Alle ])hilo-
»i|rLiM:b*-u Systeme gehen von den S4>genannten \ier Walu'heiten
(A'^dniMatifd.n) aus: dass das Elend ein nothwend'ges Attribut
mensdiliGbeii Dueiiu aai, dMB du psod Audi fcBlgtwiii.twi^
w«de, dma du AnriOaolHD der Begieriea mO^lch MiL,.'.mt itmim
einen P&d zn diesem VeriOschen gebe. Was U mm lfkt4mtf . "'Y
Der Sinn dtosea WortM ist i'in yiclunislrittctii-r; nmn lüt dnraber
hn UnUaren, ob es absolat« VeriirliiiiiiK iintii'iilp «licr Tiicbt. VWJitidit
bUte es woniger Strdt dtfOber jii^'lirti. wäre inan bedadit gcwi««!!!,
das es eben so vlde TeTBchiedent> ImddliisfiRche Schnlfii ah (!hrii>tlkbi>
Secten gibt, die Lebre vom l^rvüna daher aucli zu v(\r8rbied«un
Zehen, an vencbiedenen Orten viTscIiiiMii'ii voiwlra^i-n wurde. Was
aber Qal^amnnf fltr eine VorBtellunit vuni Nin&iiu gfhalit haln-, M
bente sa bestimmen guu nnmOgticb. ')
Dl« CBttBmtÜoneii UiiitiriiKlii-nt«.
In ier GcMfaUils mensdilidkDr l'iillui'eatfititiing darfen die <m
dunli neuem Forsdnugea niher Ix-kainit gvHdrdeneii Volker d«T
goMenen Halbinsel ntmiKr tberwlK-n werd^i. ') Idi will liaher vaA-
st^end In Kflne andesteii, weMie Hoilentui^ ihnen zi^wmml. Dabri
lasse ich natarilcb die sagenhafteii fVm'lii'ii iiiilM>rUi'k8ii'Aii);l und luw
blos, von den Birmanen digese^pri. liiTi'n (iesrliidito ^liuibwanJignr
Weise Uefer in's Alterthnm milMiri'irlil, rtt-n 7.nlra»m i,-»n dtr Rn-
fahnuig der Lehre Bnddha's oder, »'ii> er hier genannt «nnl, UaatAini'«
Ms AiängB des XVL Jahrtannderu in'it \ag>-, ilie-seM bcKolilioKit <■) to
sagen das htsterindlacbe UtteWIrr, denn <liiruh rfii- Ankunft der Pw
tngiflscn and die etwas g|ilterM Missiuiion da- Jesuiten kamen ibe
binterindischat YtSkenAaUea taem in BerdlirunK mit den Rnropleni
and werdsn ihre &ntftnde md St^hickwle t-ntt vun da an der Wert-
\
Die grosse hinterindisdw Hslliinicl /.v>i>ti^lLeu deiu McerbuHcii von
Bengalen nnd Tankin ist darch tn-h' Mm-iwih'Ufn In i>lH-n mi ftelr
LSogentbiier gespalten, jedes von ihu-Tn Srnmu' ilmrlitlus«
die staatlichen Verhältnisse nnd i^i'^iljjilitljilitii Kicji^niHw^
Nach dieser natoriidien Besdtaflbiilii'it /Miüii m Im]<I in i
1 J<!iieia Tbale luU sli;li d
oder jener Stamm, diese oder ^eiie FmiiiUe ztir I i>^rt-st-iiaft <
geschwungen. Hau findet jedoch in il'it nic^istun Jnlirbandiiten, i
mOge der Binnsale der Hauplftlise, Iruwuiltlv, Menaiii und V "
drei grosse Reiche: Annam, Sobuii iiml I'cku Mit uutpr i
Namen: Cochinchina, Slam nnl Itinna. t^ inu«« ilomnadi i
wstIb dl* inUnlltba l(a*|i «kr iiartli<
I
Di« CiiltarB«Uoni)0 llint«rlndienii. 191
•hl' (tisc-hirlilo ilrr <is(tlirl]on AUhoilunj^ von IliutmnndH^ii, dfT T(mkiiios(Mi,
('«Nliiiicliiii<>si.>ii und ( 'amhodsc^lianer ^otroniit wrnlon von ticr niittloroii,
•i»T T^ai oder Siamesen und Lao, sowie von dor d<T wost liehen, der
PtiniancT, liiniianen und Arakaner. NVii* wend(*n uns zunächst den
liPtzteren zu.
Als Kern niannif^faeher Sajj^en tritt die Tliatsache hervor, thiss zu
uieht i^Miauer lN*stiniin)Kin*r Zeit ein Fürst des inntTcn Indiens, aus
<4'in«'ni lliMi'iie \iTtri«'lMMi, mit seinem H«MM*e «las (iren/^ehirge zwischen
lnili«'n unil Ilinterindieii ühersi'hritt und dort eine IlenNchaft f^ründeti'.
liitiT M*inen S>hn«*n trat eui<* Theihiii^ ein; der jünji:ere U'hauptett;
•ii*h auf d<*in Tlirone M*ines Vaters, der ältere, von ihm venlränj^,
m:iim1ti' >ii'h n;u'h Aitikan. wo er ein iNv^mderes Keich stiftete. Da die
«f'M-hi.ht#* Arukairs von M*hr ^rerini^er Hi'deutini^ ist, so j^<»nügt die
F'.r^^.dmnn^. ilass man eine Aufeinanderfolge von fünf einheimischen
II»-rr<M|ifrlvn;istii'n in dies<Mn liande kennt, dep'n letzte his in die Zeiten
•i«'r l'i»rtiiKi<'sen rt*iclit ; ferner (Liss Arakiin wiederholt, in Kriege mit
•Itii iM'iLU'ldiarten Hiniiauf^i verwickelt war.
Hjls Irawaihlv-Thal hatten von AUjcts her die lii miauen in den
•iliiYen, und die Talain in den unteren Theilen inne. Die Talain
*0\trT Miin siinl di^ ein^tf^lNinie liiU'e <Mh'r clir ält4>sten Kinwanderrr von
l'tnsu. «liich lN-«j[<*Kn(*t man ihnen heute nur noch im Osten und Süden
'iiN Irawailiiy-lK'lta, in Martalian nwA Tenass<*rim. Im Alterthumt*
rvirhti'H ilie Itimuinen nur his etwa südlich von Pn»me. wo der .\kuktuui;-
KflMii in ii«Mi IrawaiLly vorspringt; diM'li seither hahen sie die Talain
«liiiuüiluf hinuunitiirt. Sie uutersch(>iden sich iuh^h weni^ vtni den Hir-
nanfiL nur sind sie im AllKt*meinen etwas heller, haln^n feinere (iesichts-
/aife und etwan BartwuehA. Der Klang ihrer Sprache untersi^heidet sie
liier siifiirt von ihren früheren Herrn, denn das Birmanische kennt kein H,
«ican (Li'« Idiom der Talain reich ist. Die ersten siehe hmi Nach rieh t4*n
ii»T liit' Talain stammen aus ileni Kndi* de.s IV. .lahrhumlerts v. (*hr.,
«I» di*' ApiMtel des nmlilhismus l'ktara und Sauna, ihre nauptsta<lt
ihatun:;. /.^i^icheu ih-n Flüssen Salwt*(>n und Sittanu, hesuchten und
^rir** l^din* dort au^hreiteten. Die Ruinen die^T Stadt lN*tinden sich
t^N-h ji'Ut im fl(»rtii;eii Dst^hun^el. Im VI. .lahrhumlrrte drant^en sie
ri«jnüi«'lu uiNTM-hritten ilcn Sil tan;; uml fa'üudetm das Koiiigreieh
i't-MPa Ihirch die icinzi* (f<*schichte ih'r Takiin zieht «iicli die Heihe
:rir»r kritn!«* mit dfii Ihrmanrn und «{«'li'^cntlich mit den Aiiikanern
uiiii >iamt-^-ii; NH*-K\iN*ditionen il<'r Küste «'utlan«; werdrn iTwähnt
^•iii \a\**\ hi> r.'M*|iitta);on<z. und M'il»>t (iefeehte sirhfincn zwiselien lien
• ••r^ hH-4|i-nt-n Fli»tti*n Ntatt^i*fiuidi*n zu halH*n. Naeh d<*m Sturze ili*s
iHTiiiaiii«« hfii I'a:£lMn-IleiclieN durch die <'hines(>n ^«'waniki'ii die Talain
.».r* I ii.iiili.iiiL^iükeit /unirk. und ^oUdd die kleinen St:uitrn di>r Hir-
'»lan« ii :ini Irawaildy ^>ich erholMMi, iK^irannen dif lti\alitätrn tlcr iM'idm
l..«r • II iiif^ Ncuiv Währi'nd d<"<> .Mittrlaltrr> war jcdneh Vainin jatcin
'•i#r u- T' :^u-Ki*i«'h d'-r Talain das mäi'hti:;rri>, nnd ilir i'uropäishrn
kff-i^-ii'i'n dt"* \VI. nml WII. Jahrhunderts hcMhreilH'n in üIht-
lrv-beri*'n Aii'^drücktMi die (tewalt und den lli*iehthum ilfs griKseu
192 Aalw im AtitUUlUf.
K()ini<8 von Po^uJ) Seit Mitte des XVL Jahrhunderts gdangte das
Kfich wieder uiitei* die Herrschaft der Birmanen.
Die Birmanen erzählen von drei alten Dynastien, jener von Ta-
^oiiK, von Prome oder (^-rixetra und von Paghan; ihre gua
si('h(Te (^(»schichte hej^innt jedoch erst 107 n. Chr., in welchem Jahre
die Residenz nsLvh Piiglmn verlegt wunle, nachdem die frttliere Haupt-
stadt Prome, südlicher am Irawaddy gelegen, 94 n. Clir. zerstört worden
war. Zwei Städte gleichen Namens liegen am Irawaddy und beide
waren in früheren Zeiten Hauptstädte des birmanischen lleiches, dodi*
ist es die untere, welche in ihren Ruinen filr die Blüthe des binuaniddien
Alterthums so heredti^ Zeugniss ablegt. Erst 847—819 ward sie er^
baut und 1284 (oder ViM) von einer chinesischen Invasionsanuee zer-
stört. Die merkwünligeu R(»ste einer sehr verfeinerten Cultnr am
(fcstade des Irawaddy erfüllen heute n(H;h die Reisenden mit katcr
Bewunderung. 1)(t grösste und merkwürdigste ihrer Tempel, etwa um
die Zeit dt^ Nonuannen-Pjufalls in England errichtet, die Ananda-
Pagode erinnert mächtig an südeuropäische Dome. Der gothische Spitz-
bogen fehlt keinem dieser IX?nkmäler, er ist die regelmässige Form der
Portale und an den Seiten und auf der Spitze mit wund^lidien
Hörnern und tüuimuMigleichen Thünnchen versehen. Alle diese Bogen
ruhen auf Pilastern, deren Ikisis, Oapitäler und Camiese den Mosten
an römischen Bauten so nahe kommen, dass der erste Anbüdc den
Ik'schauer in die höctiste Betroffenheit versetzt. Man hat daher adion
die Vennutbung geäussert, dass vielleicht cluistliche Missionare nach
Binua gedinngen wären, und in der Hoffnung einst ihre Religion Hber
den Buddhismus siegen zu sehen, die Kreuzesfonn und andere
liehe Elemente in die ostasiatische Architektur eingeschwfint
Doch bietet die Geschichte Birmas keine Ik'weise für eine sc^cfae Hypo-
these. Den Ursprung der birmanischen Kunst sucht man theüweiit
bei den Hindu, und in der That ist auch die Form der Thurmqite
sovile die meisten Details der indischen Kunst entlehnt Es fiuda
sich sogar vollständige Wiederholungen von Baoresten wie auf Ceylon
und auf Java, die auch brahmanisclien Ursiirunges sind. Die BogBi
und GewöllM} al)en die bei den Bauten in Paghan') ein so stark
vortret(4ides Element bilden, sind der HindulMiukunst gänzlich
Abwechselnd unter peguanisclie und siamesische Abhängigkeit f^
rathend, besitzen die ferneren Schicksale Birnui*s kein weiteres cnlbB^
geschichtliches Interesse.
Den mittleren Tlieil der liinterindLschen Halbinsel nehmen im
Norden die Laos, im Süden die Thai oder Siamesen ein.
obwohl mit den Siamesen eines Stanunes, hallen in der Geschidite
eine Rolle ges])ielt und auch in der Cultur mOgen sie, wie sich
* ) Friedrich v. U e 1 1 w a 1 d. HinUrinditcht Länd$r und VSOMr, Lalpsif
') Die Uuincn von Paghän Binil ausführlich (««ehildart b«l H«ary T«l^^
A Hnrratite of a mi^aion itttii 6y iht ffOC^rner-fftHrral of Imdto to M« Mtirf •/ Jm
l'i.'t.'t, *cith notice» of tht eountr^f govtmmtmt and pt9jpie» London 1856, 4*, WO
•ehr inntruetivo Abbildungen flndai.
t>i« Callam*tlo06n HinterlndUns. 193
ihn'n lioutigen ZufttAndeiP) Rchllcsson Iftsst, mir wonig Foi*tsc]iritto ge-
macht lalioii. Diu liOOK sind im Fortgänge der Zeit allmählig uns
Nimlcii, dem Tlialo des Mekhong entlang, inmier weiter nach Süden
hin vi>rg«»drungen ; es seheint, <!ass sie ehemals drei Ilauptstnaten bildeten:
Xieiifr tong iKeniahitain älterer Karten), Xieng hong (im Pali:
Alevy^ nnd Muong Lern. Diese Staaten hatten einen langen Kampf
za lN«>leheu gegen die ureingelxirnen Khas, welrhe das Reieh Mom-
phas g<*grtlndet hatten. Diesem waren die Tia<»s lange trihnt))flic)itig,
iua«*btrn sich je<liH;h nach und nach unahhitngig; s])ilt(T ers(*heint der
mirhtii:«* l^aos-Staat Xieng Mai an den (rrcuxen von China in der
<if'<i-hi«*hte; von ihm z(»gen die Kinwohner nach Süden hin in ihis
Stmiiithal des Menam und bildeten den (rrimdstock der heutigen
Safiies4*n.
Im Ifi-gensatzc zu den Laos, empfangen wir von den Siamesen
dnrrh die S<*hildeningen modcnKT Il<*isfMider tlen Fiindniek, als ob sie
in Ifa^ng auf tteistige Kntwieklung so luH'h st:ind(Mi als etwa die Fun)-
|Aer im Mittelalter, kurz In'vor diis weltli(*he Wissen der Griechen und
ICtVoMT dun*h die Si*liolastiker s(»iner Vergesst^iheit entrissen wurde,
UiaiEils, und mtch Ihm I^rjnne dieses Jahi'hunderts, haben die Furopiler
■it angireehtfertigter (leringsi'hiltzung auf die Asiaten heral)gehlickt.
Am frühesten wunle man je<loch den AnilK»rn gereclit, <Linn kamen
die (liinesen, na4*h ilmen die Hindu zur Gnade, und jetzt daif man
■ar mit liöehster Achtung von den Japanern reden, w(*nn man sieh
ikfat eine Itlösse ge1>en will. Allein die drei Haupt Völker Hinter-
iadiens zwis(*}ien Hindu und Chinesen eingeklemmt, galten bisher nur
ab halbe ( *u]turvölker. Für di(> Hinnanen ging uns ei*st <Lis Liclit auf,
ik IKTiH das grosse Werk von Yule ülier Awa die Ahbihhmg<>n der
laren Raureste d(T alten StiUlte im Irawaddy-Thale brachte, wo
aliiciniehen von Anklilngen an clnnesischen wie indischen (iesi'hmaek,
ui riiu^ selliständigen Itaustyl .stiesscn, der trotz srinor tro)>isehen
MMivrhwiliighrhkeiten als ein liohes geistiges PnMiuct auf uns ein-
virfcte. I>i?r Tjig \on DamastMis in Bezug auf flie Siam«'sen ist mit
Bastian*» Burh angebnichrn , seit wir ihnen geistig nüher treten
UkUM*n.';
l'eliiT die älteste (i(»s<'hi('lite der Siames<Mi lässt sich, trotz ihrer
rririvn hi^torisehen Literatur, nichts berichten; siciuT ist jedcM'li, dsi*<s
^ ihr»* giistige Cultur aus Indien emptingen. Oh s<-hon im H. .lahr-
kii>l»i1«* uiLM'HT Aeni brahmanische ( olonien nach Slam kamen, bleibt
mvttis^: iLis Altt^ste lM>kannte Kreiguiss ist die <».*(H n. Chr. <*rfolgte
Biftbning ii«**< IhiddhismiLs aus (\'ylon. Wahrscheiidicli fand dies<T um
fir 'Mt iTst allgemeine Anerkennung, hattt» alwT auc^h liier, wie in
fci ««^tii<:bi*n*u (lebieten Hinterindiens, M*hcm früher Zutritt erhalteit
Vf« ifcr ( 'iiJturlK>he der Siames<Mi in jenen fenwu Zeit«'n gelMMi die
*' l*.0 ÜCri*tantI«> d<>r heiitiKcn l.iio-* \i.\\n* toh auf (iriintl iI'T h irhAt ve nlii^n-ttvotlon
■•4 «.^fc!«f*n |'>»f«rbunK«rr>i«#'ri cIt Frniito^rn (iJrr M«kh<in(;-Kx|i(>ilitinn) |;i*«i*litl(lrrt in
*- \t*l»n4 1M7, Nr. »1 K. T'H 7UI.
• U*.:«ald, CulturgeMbiehU. 3. Aufl. IL 13
ir*4
}'^r. •♦'- r. df-r r9>\rÄ.[*r^rr-T. FEiopr-TAir Jithi*. Arvthia oder A j o d h j ä,
ir. f-iiV.Ui ;n irr. >rrn:un !n.!iii«iKr.ti»Ta < Aoale Z^nviiiss. Heate ist firei-
..' ti «'-n i^-r i.v': •r^:: s.:th'* ■»'=rr'-r ibri^ z^-Wk^ben. als eine grofise
Ar.Afchi ' i. ttV'f Trnip»=-i . -iiainirüi-ti nwrhr •j4er weniger im Ver-
Ui.f- Ir.r •• h'-fi-'-^it *-i.ir*- -üi2iir*»i-:h»:ii Wat lut^ieht iiides8 weniger in
'!• r Ar- Lvit^^r alr :r: •i'-r M*rD*r^ "j- r. .Irar-^k^n, w«-4nit seine Backstein-
f-vii-'-rr: «3.0! * Tu* VT» in« i^ v^rzif-rt srjL A}ixthfii nimmt eine Stelle «n,
•A'iTrüif ifi iif*T Z*:i' m^-K^'r^^r än»if:pr • >rt.s:faAften standen. Diese er-
UÄiii'iVrri 'iir H'iL*:iT. »i»- K>J:^-i vnQ r«iznliijPilMrfaa an. Um 13(K) n. Chr.
h.if/!i 'li*-*- "^rilr^ -.^i zr[:r.if-n nrA wan;n in Folije häufiger Fehden
rnit «i^n nordii-h^rn Sum^r^n nn»! «I*-n i-rtraanischen Mon*s sehr hemuter-
itf-khmmfrn. S>: \^-rn»-I*:n nn«I •> hlk-h ni«*ht.s übrig als der Name. Im
Aj»ril l.'i.V» •^ind'tr- mn K«inL' TTonj? die Stadt A^iitliia, weldie
im VhTivhTijfr fh:T 7j:'ii \*:vjT*'n,^:n Und v»;r=chönert wurdc. Die Yolks-
Tuf-nuf'. wrirh-; aijr I^r^. ( ünÜMj'^l'^cha nnd Pegii kamen viele Familien
fi'-ivbillii;. an- drrn r:hinfr*iH-lK-n Yun-nan wurden \iclc Kriegsgefiuigene
iiu/t-^.U^h'lt und au- Vopi*Tiii<li«:n fanden sich muliammcdanisehe KaoA
I'ntfr f;in. F'iiiifzr-hn Ki>nij£»? aus dem Stamme U Tong's regierten in
A>iit)ii;i Ijj.s auf <lie Tage der l'urtiigiesen. I>ann alter griff der mftcfa-
ti^ff Kollier \nn I'f$ni mit einem zahlreichen Heere die Stadt an, die
iiarli (ireimonatlicrher IkOagemng in seine Gent'alt fiel Seither bat
Ayrithia M-inr^n (^lanz verloreiL
AyiithiaV Riureste verratlien eine gcwiäBC AehnUdikeit mit den
staiiiien<>Herthen Hniiien in Cambodsoha, dem I^indc am Mflndong»*
(Icitu des Mf'khong. liier blühte das griisse, mächtige Reich Kbmer,
iiIkt (lesHeii l'rs]»nmg und Daner noch Dunkelheit herrscht Das Land
i^^t mit Hainen man kann sagen üliersaet. Sic bilden um das Noid-
eiiile des 'l'ulisa]HS(K>s einen ungeheuren Halbkreis, der an den QaeDen
des kleinen Flusses von IkittanilMing }>eginnt und sich bis in dBe nn-
hcwoliiiten Waldungen zwischen dem Tulisap und Mckhong erstredrt;
iiiif dieser ganzen weiten Strecke trifft der Reisende auf Schritt and
Tritt Spuren einer liolien, nun \ers(rhwundencn (^vilisation. Die RuineiH
stiidte südlieli und westlit'h vom See gehören alle einer viel jQngerea
/rit an als die Pracht ülxTreste im Norden. Hier lic^n Battambang,
die liuinen \(m Wut Kk, Banon und Baset, die theils aus SSegeb,
tlirils aus Stein(>n bestehen. Die Hauptstadt des alten Königrndiei
CiimhtNkha, dva Maha N okhor Khmcr, war indess Dngkor oder
A II g k o r, aueli N a k h o n (Hier N o k h o r genamit, dessen Ruinen ai
(inwsartigkeit auf Krden keinen, si^llist den ftg}'ptischen niclit, nach-
sh'lieii. Kill Tempel namentlich kann, nach der VerHichemng des
IVaii/.osrn 11 eil ri Mouhot, dem wir die erste genauere Kunde Aber
diese merkwürdigen BautcMi venlanken, ^) den Vergleich mit nnserei
srhoiisteii llasijikeii aushalten und Übertrifft an imposanter
l'.rsi lieiniiiig Alles, was jiMiials die Architektur der Griechei
M Sii'lio lUriitii^r (Ioa-umi wicbtigoA UciAework: 7Vae«ltf im tk« etmiral fmrt» •/Mb'
(''ii'i.i , Ni.iHi ', <'.imft.>,/i,«. ii>i4( Iniot, tlni'itff tUe ptar* ISöS, lliif mmd IBM. Lottdoai
^• J liJo.
Die CttltoroAtlonen llinteriadiens. 195
nnd Römer geleistet hat Die prachtvollen Strassen, die zu der
ahen Stadt führen, die Maueni, von denen sie in einer Ausdehnung
Ton 40 Kilometern nmgeben ist, die an deasell)cn angebrachten Thtirmc,
die als Tbore dienenden Triumphbogen, die gigantischen zu den Tem-
peln führenden Treppen und die Tempel 8ell)st, auf denen sich hunderte
rem GlockenthOrmen erheben, deren obere Partien aus el)en so gewal-
tift^n als zart bearbeiteten Steinen bestehen, alles das bietet einen An-
Wick dar, der unwillkOrhch an einen noch unbekannten Michel -Angelo
denken und neben der griechischen eine ihr würdig zur
Seite stehende asiatische Kunst erscheinen lässt. ')
IHe hohe Entwicklung der khmer'schen Kunst zeigt sich vorzugs-
«räe an den kleinen Gegenständen und den Basreliefs, was namentlich
Mm einer aus nenn Tänzerinnen l)esteliendi»n Gruppe, von einem vier-
eckigen Ramin, an dem über tausend Soldaten angebracht sind, von einer
finzHnen Tänzerin, endlich von Säulchen mit Arabesken und l^aubwerk
nat Die Gestalten von Riesen und Elephanten erscheinen vorzugsweise
9h Kar3rat]den an den Rauten von Khmer verwendet. I^wen, Schlangen
«nd mehenköpfige Drachen kommen ebenfalls haufi« vor, namentlich an
den die Strassen einfassenden lUiliL^^traden. Die Mohrboit der Köjife,
Arme nnd Reine an den (lestalten lässt sich aus dem Kinfluss des
*) W«d«r Zelebnungen , noch Photographien reichten aus, um den Europäern
aa«r«irbenden Begriff Ton der MajeKt&t jener Ruinrn eu geben, und darum
Mieb im Man 1878 eine neue Expedition von Delaporte unternommen.
der kUmatiiiclMn und anderer, durch die Localverhiltnis«« in den Urwftldern
KB ecbweren UinderaiMe gelangten die Reisenden tu Schiffe nach Prc^aeal-
Pralbiol, daaa nach Pontnay-Pracan und nach Prdasal-Prea-Tomrey, wo Nachgrabungen
rar AsMerkoog jener Qegenfttinde führten, die gegenwärtig da» Museum von Compi^ne
fiUrm. fkbwere Sumpffleber hinderten die Forscher an der Furtnetzung ihrer Arbeiten}
•• «laaaic ihnen Hilfe von 8aTgon aus Kugewchickt werden und der Commandnnt der von
d«rc mUendeteo Expedition, Capitftn Filoc, dem der König von Slam die Kinnchiffung
4mr FrB4pa«mte einer groaeen Pagode nicht gestattete, Hess dieselben in Gyp^ modelliren
mmi 4«c Abgüsse nach Frankreich bringen. Dort hat man in dem ErdgeschoA^e de«
an Compi^ne alles susammengetrngen wa» an canibndichanii^chon Altertbümern
ttm^M werden konnte. Im Jahre 1875 hatte ich sclbt«t Gelegenheit dieses hoch-
I«lrre«»aat4> Mas^ Khmer xa besichtigen und die wahrhaft überraschenden Proben
hist^riBdt«rber Kan«t xu studlren, deren feine und edle Htyli^tik mitunter an die besten
Tr**<ittel0 der Renai<«sance mahnt. Tntcr den in r.ompirgne beflndlichen (ix p-«Abgiisnon
■A»4 die Omppen , den To«i des Affenkönigs und den Eindruck des Fushcs de« Ootiea
a«4dh« Torvtrllend, besonders bemerkennwertb. Der Affenkönig liegt auf einem Bette;
•TIS A!te«t«r Hohn, der eine Krone mit drei Thürmcn auf dem Haupte tri^gt, unterstijtxt
4m» tlt*rb#adea, in deaeen Brust ein Pfeil steckt und der seinen Kindern eine Rede xu
kalUfs ftckeint. Der Anadruek des Zorns und der Trauer in den GcMchtern der Affen
Ml «n'trffffllcb wiedergegeben. — Der Buddhafue« niehi mehr einem Ei gleich, das an
*#!»<»«■ nordern Tbeile in fQnf gleiche Theilo gesondert int , die alli'nfalU für Finger
f**tew k>>aiien; die Fer^ besteht aun concentrischen Halbkreisen, In welche Fi^Mrbe ge-
awkfhet «lad; ihnen xunAehst erachelnen an der Kohle primitive Oewik'hHe, wie Mooee
•«4 A!c'a, weiterhin erblickt man phantastische Oestaltrn und dann Thiere und Men-
•rWa Im C^ntrum prangt das Honoenrad , denn nach iudincher Koitmogonie hat die
•»iSJi« aaa der von Waaser überschwemmten Erde alles Beklebende hervorgehen lassen.
13*
196 AaUB Im lOtUkltor.
Buddhismiis cridären so wie die Drachen darauf hindeuten, da« andi
die Nachbarsdiait Ckina's nicht ohne Einwh^ning geblieben aeL
Im Lande selbst weiss man über die Forsten, die jene henüdien
Bauten aufiiihren Hessen, so viel wie nichts und ainf Befragen über den
Ursprung der Tempel von Ang^or entgegnen die EingrtKmea, der
K(")iiig der Engel oder auch der König der Riesen habe sie gebaut oder
sie seien von selbst entstanden. Die als Tempelwächtor. fnngireiiden
Bonzen wissen ebenfieülls nicht melir anzugeben nnd die Inadiriften aa
den Tcmpelwänden sind ihnen unentwirrbare Mysterien.
Einigcrmassen begründet erscheint nur die Annahme, ^daas dieia
Tcniiicl in Folge einer von Westen her gekommenen Invasion erriciitet
worden sind, die den Buddha-Dienst mit sich in*s Land taradita Die
Ornamentik der Tempel legt zum mindesten aUor Orten Zm^daa Ar
die Bichtigkoit dieser Annahme ab.
Zum Schlüsse erübrigt noch, die 5stlidien TbeUe Hinlerinfina n
betrachten. Die Reiche, von denen bisher die Rede, haben ale das
gemeinscliafUich, dass der Buddhismus ihnen mittelbar oder nnaittalhng
aus Ceylon zugeführt ward und mit ihm die FAli-S]iFadie nnd Ab
indische Schrift Tonkin mid Gochinchina unteraÄeiden riek aber
von allen hinterindischen Staaten dadurch, dass sie ihre BOdmg aas
China erhielten und der Buddhismus nur wenige Anhftager ntSi
Bewohnern zählt Dreihmidert Jahre vor unserer Zeitredmimg
beide l^ändcr von Wilden ohne Gesetze und Ehe bewohnt Eni
dem China's Kaiser Schihoangti (gest 210 v. Cbr,) die
Provinzen seines Reiches unterworfen und durch chinesisdie
lungen in ihnen eine höhere Gultur eingeführt und deren
gesichert hatte, ü^ten jene zwei GrenzlAnder deotlidier
der Regierung des weisen Wuti wurde Tonkin eine dünarisdie
und in drei Bezirke eingetlieilt Die chinesisdien Kai
ihre Oberiioheit über diese L&nder bis 263 n. Off., in weldwn Mn
CS einem Cochinchinesen Kulien gelang, sein Yateriand inon der
Frcmdliorrscliaft zu befreien. Die chineedsche Herrschaft haftia ahar
lange genug fortbestanden,- um auf inuner die diineaisdia CUIv In
ihnen einzuführen und zu begründen. Beide stimmen unter iDan la^
nacbl)arten Ländern mit China am genauesten ttberein ond hlln— a ii
Beziehung auf ihre Zustände, Sitten und höhere BQdong
als Fortsetzungen China's nach Süden betrachtet werden. *)
Die Malayen-YOlker.
Im ostindischen oder malayischen Archipd ist Jara daa
Land, dessen Geschichte sich in etwas frühere Zeit nirlkftfaiJklk
lilsst. Ganz sicher fHngt sie indoss erst mit dem Jahre 1474 n. Cit
an zu worden, in welchem Madchapahit, dtö Hauptstadt dea
ti^ton cinlieimischcn Staates von den Huhammedanem
') Las Ben. A. *. O. II. B4. 8. 103a-l(M0.
Dl« XaUyen-YöUcer. 197
Dieses Ereigniss ftllt also schon an- den Schlnss der Periode, welche
idi hier behandle, und ging dem Erscheinen der P^uropäcr in Ilinter-
asien nur um Weniges voran; zugleich bezeichnet es einen Wendcpunct
in der javanischen Geschichte, weil bis dahin der indische Eintiuss auf
Java allein herrschend geblieben war und ungehindert gewaltet hatte,
von da an aber der Islam sich geltend zu machen begann. Was sich
in culturhistorischer Beziehung aus früherer Zeit über diese Länder
sagen Iftsst, sei demnach hier kurz zusammengestellt.
Die Javanen, obgleich in einigen Puncten von den übrigen Malayen
verschieden, welche nebst den tiefer stehenden Papüa die Bevölkerung
des ostimUschen Archipels bilden, gehören unzweifelhaft und zwar in
ihren beiden Abtheilungen, den wenig zahlreichen Sundanescn im
Westen Java's, und den eigentlichen Javanen, zur malayischen Bace.
Ueber ihre älteste Geschichte l>esitzen wir nur Sagen und daraus g(»ht
mit Bestimmtheit hervor, dass Java als eine friedliche Eroberung der
liinda betrachtet werden kann; die ganze Geschichte Indiens kennt
kein zweites Beispiel eines so erfolgreichen Unternehmens der Brahmanen,
weiche dessen erste Urheber waren und es hauptsächlich leiteten, ihre
Cohiir auf ein fremdes I^and zu übertragen. Pjn indisches Gepnlge
ist den ältesten religiösen Ueberliefenmgen, den politischen Einrich-
tungen und Volksbelustigimgen, sowie der Sprache und Literatur auf-
gedrückt, die altindische epische Sage füllt einen Theil der ältesten
Geschichte Java's aus; Schrift und Temi)elbaukunst sind indischen Ur-
sprungs und diese besitzt auf Java grossartige Denkmale eigenthümlichcr
Art, welche mit denen des indischen Festlandes mn den VoiTang wctt-
eifcm können. Die Zeit dieser indischen Niederlassungen ist indess
dnrcbaiis ungewiss. Einige versetzen die Ankunft der Bi-ahmanen in's
VL, Andere gar in's XL Jahrhundert; die javanische Chronologie geht
aber schon vom Jahre 78 n. Chr. aus, und dies dürfte jedenfalls
richtiger sein, denn 414 n. Clu*. besuchte der Chinese Fabian die Insel,
auf welcher er das Brahmanenthum schon in Blüthe fand. Von der
in dem indischen Inselmeere vor dem Eindringen der brahmanischen
lehren herrschenden Religion wissen wir niu*, dass es gute und wohl-
thfttige Geister gab, die in den verschiedenen Theilon der Xatui* walten
imd besonderen Beschäftigungen des Lc])ens beigege])en sind; es waren
al^ locale Gottheiten. Die Brahmanen fanden demnach eine sehr
ni'^irige Stufe der religiösen Vorstellungen im Arcliipel vor und es
konntp ihnen nicht schwer fallen, die einheimischen Götter durch ihre
Hi!»»nen zu verdrängen- ¥a unterliegt keinem Zweifel, dass die ersten
Ifirmhmanen. welche sich auf Java niederliessen, Vischnuiten waren; erst
c|iiifr ward der f ivaismus eingeführt und gedieh zur vorherrschenden
brmbnttni^icben Religion. Nachher trat eine Wiederherstellung des alten
f-inbeimischen Götzendienstes in der Weise ein, dass den javanischen
Götipm Namen der indischen Deva gegeben wurden. Diese Rückkehr
nr IdfAitne soll 140 Jahre oder bis .*UH n. Clir. g<»iiauert hal>en.
Ihr Z(*itpunrt, wann der Buddhismus in Java Eingang fand, lässt sich
♦4iHn «»41 wenifT angeben, als das lAnd, von welchem die Verkündiger
dr-«» buddhistischen Gesetzes auszogen; gewiss scheint blos, dass er nach
108 A»ien im Mittelalter.
J.iMi wenigstens 3(H) Jahre spätei; als die Bmlimancn gelangte und sich
nicht des Päli sondern d(.\s Sanskiit hediente. lia Uebrigeii behauptete
er nur kurze Zeit seine IIei*i-schaft und trat l>ald vor deni Brahma-
nisinus in den llintergi*und zuillck.
Was die pjnflüssc der indischen AnsictUungen auf die «Tavaner an-
betrifft, so seheinen die (lelehrtcn einen iKisonderen, hoch verehrten
Stand gebildet zu hak^n, der mit seinen liamlsleuten in der indischen
Heimat einen Verkehr unterhielt. p]ine Spur von Kasten hat sich
auf Java nicht erhalten, aber auf der nahen Insel Bali ünden sich
noch die vier indihchen Kasten, woi'aus zu folgen scheint, dass sie ehe-
mals auf Java von Indien aus eingeführt worden waren. Für die
ältere Zeit wissen wir, dass es damals auf Java Goldschmiede, Maler,
Verfertiger von steinernen Götterbildern, von gestickten Zeugen und
von Hokschuitten von Thieren gab, dass auf die IkfÖrdening des Acker-
baues gi'osser Werth gelegt wurde und der Gebrauch von Münzen,
deren Kenntniss den Kaufleuten empfohlen wh'd, etwas Gewöhnliclies
wai*. AVir werden kaum iiTen, wenn wir den indischen Niederlassungen
auf Ja>a die Kinführung früher unbekaunter Gewerbe und Künste, so-
wie einen wesentlichen Antlieil an der Verl)essenmg des Ackcrbaacs
und der Kntwicklung tles Handels zuschreiben. Es ist jedoch nicht ssu
übei*selien, <lass trotz des gewaltigen Kinflusses des Inderthumes auf
Java neben ihm das einhc^imische Wesen sich erhalten hat.
Das ei'ste mit genügender Sicherheit bestimml)are I>eigniss ist die
Gründung von Mendang Kamülan im Jahre G03 oder 599 n. Chr.
dmrh den aus Indien gekommenen Brovidschaja Savela Kala,
dessen Reich unter den ülteren das einzige ist, welches einen längeren
Bestand hatte. Die früheren indischen Ansiedlungen bestanden vor-
zugsweise aus ih'ahmanen, denen sich wohl Ackerbauer, Handwerker
und Kaufleute angeschlossen; von Kiiegern ist nicht die Rede. Die
ersten indisclien K(")nige wai'cn wenig mä<*htig und konnten keinen be-
deut(>nd(*n Kintiuss auf die politischen Verhältnisse Java's ausüben.
leinen solchen besassen die Brahmaiu'n nur iiusnahmsweise, indem einer
von ihnen sich (li(^ königliche Maclit zu vci*schaffen wusste; sie wirkton
dagegen iH'dculender auf die Entwicklung der Religion, der Gcsetxe
und Sitten ; sie führten die indisclie Sagengeschichtc und Dichtkunst in
Java (Mu und ilirc heilige Sprache erzeugte dort eine neue Tochter,
das Kawi, ({(^en Ti'acht eine javanische ist, während ihr Köqier und
ihr Wesen indisch geblieben sind. Durch die Stiftung eines grösseren
Stiuites, der auch Krieger iK'Siiss, gewannen die vereinzelten iiulisdien
Ansiedlungen zu(;i*st ein(*n iMittelpunct und einen wirksamen Schutz,
indem seiiu? Macht sich üImt ein gross(is (lebiet ausdehnte. Der schon
seit lange bestebende Verkelu* mit Indien erliielt auch diirdi diese
(inindung eine» grössi're Sicherheit und Belebtheit, in Folge dessen das
Indertlinm sich in allen Dichtungen kräftig entfalten und liesonders auf
dem (iebictt* der Poesie und Baukunst schöne und eigenthümliche
IVüditc^ trugen k(>nnte. ^)
') Lnsson. A. a. O. IL Bd. B. lÜ4ü~106tf.
IM« lUlayMi-ydIlMr. 199
Die Madit der Dynastie von Medang Kamülan dürfte etwa bis
700 n. Chr. gedauert haben, später ging sie auf jene von Dschangäla
aber, welche aus jener um 896 n. Chr. hervorgegangen war und 1158
von der von Padschadschäram abgelöst wurde. Während in den
sQdlidien und östlichen Theilen der Insel mehrere D}'nastien sich folgten,
bestand in dem nordwestlichen Theile Java's und auf Sumdtra ein
grosses Reich Menang-Karbo, dessen Monarch der damals in seinen
Staaten vorherrschenden Religion Buddhas sehr zugethan war, ohne
dasB durch diesen Vorzug die brahmanische unterdrückt worden wäre;
es hemchte daher vollständige religiöse Duldsamkeit. Dieser Schöpfung,
die wohl bald in mehrere kleine Reiche zerfiel, darf der indische £in-
flnss auf die Zustände Sumdtra's zugeschrieben werden. Mittlerweile
stiftete ein Mitglied desKönigshauses von Padschadschäram, welche Dy-
nastie zuerst den Anbau des Reises bei den Sundanescn eingeführt haben
aoU, im Jahre 1299 n. Chr. Madschapahit, das mächtigste aber auch
das letzte aller einheimischen Reiche auf Java. Nachdem in Bälde die
Macht der Forsten von Madschapahit sich über Java hinaus auf Bali,
Bahmhingan und das Königreich Sunda erstreckt hatte, zu dem auch
der sttdlichste Theil von Sumatra gehörte, bestieg etwa 1390 der grosse
Eroberer Ankavidschaja den Thron, welchem er mit Hülfe seines
Feidberm und Schwiegersohnes Adäja Ningrat oder eher Katu
Pengging alle Könige der kleinen Sunda-Insehi, den grösseren Theil
der Molokken, die südliche Küste von Cel6bes und die nordwestliche von
Bomeo, im Ganzen 36 Vasallenstaaten unterwarf Es war in der
Katar der Verbältnisse des grossen Reiches begründet, dass es nicht in
soaem ganzen Um£uige von langer Dauer sein würde. Die Vasallen
ieblen in von dem Mittelpuncte der herrschenden Macht so weit ent-
fernten Ländern, dass es dem Beherrscher der ganzen Monarchie sehr
erschwert werden musste, sie in Gehorsam zu erhalten. Dazu kam,
dasB der Verkehr zwischen jenen mit diesem leicht Unterbrechungen
erleklen konnte, weil er zur See bewerkstelligt werden musste. Die
zweüe Umdie des Falls dieses mächtigen Staates war der religiöse zu
Feindseligkeiten führende Zwiesiialt zwischen Volk und Fürst Ganz
nämlich hatte sich ün XV. Jalirhunderte der Islam durch Kauf-
und Ansiedler, besonders durch einige berühmte muselmännische
lidircr eingeschlichen, zuerst m Palenibang auf Sumatra, dann auf
Java seibBt^ wo die kurzsichtige tolerante Regierung seine Verbreitung
begünstigte. Muhannned's Lehre gewann immer mehr Anhänger
diese waren es, welche nach mörderischer Schlacht 1478 die Stadt
Madirhapahit in Besitz nalunen. Damit fiel ,,der Stolz des I^ndes^
llämle der Feinde der alten Religion und Ciesctzgebung. Nach-
der Anführer der Muhammedaner noch die letzten Versuche der
friheren Herrscher einen Schatten ihrer Unabhängigkeit zu retten ver-
■iditift und sich im unbestrittenen Besitze der ganzen Insel befiind,
Bp« er sich feierlich mit der hödisteii Wünle im Staate liekleiden;
rr |f*«n«* sidi den Titel Paminüßdham Ibrahim \m und wurde als
V«-michter des Unglaubens und Oberliaupt der Gläubigen ausgerufen.
Mit der Machteriangung Ibrahims tritt ein Wendepunct in der Ge<
200 Aalen im MitteUlior.
schidito nicht nur Java's und eines gi'osscn Thcilcs von SunuUra,
sondern auch in dem ttbnj?en Theile dvs indischen ArL'hii>els (üulnrch
ein, dass von da an sowohl der KinHuss der Musehnänner auf die
religiösen Zustün<le der Uewohncr als ihre politische Macht in st(!t8
weiterem Umfange sicli verbreitete. »)
In Voi-stehenclem lernten wir „im .lavanen den durch KinHUsHC dos
bedeutendsten östlidien Culturvolkes — der Inder — aus seiner Rohlieit
j^crissenen niul in j?(^wisser Beziehung verleinerten Malayen kennen
AVir linden in ihm einen jVlcMischen, der sich alles, was ein Cnltm'leben
ausmacht, anpeeij^nc^t, ja selbst eine reiche Literatur erzeugt hat, wir
nehmen aln'r au(^h wahr, dass er ül)er di(^ Nachahnmng dv» Fremden
nicht hinausg(;komnien ist. Der Javanc zeigt uns den Punct,
bis zu welchem die malayische Race sich entwickeln kann,
w(Min alle inneren un<l äusseren lUnlingungen zusamm(Mi wirken, und
es ist <h*sswegen K'^iide sein Studium von Interesse, weil wir an ihm
dvi\ Untei*schied, welcb(T in der Heg*abung der verschiedenen Haccn
j^ek'j^en ist, deutlich wahrnehmen können."*)
Die enorme Verbreitung der malayisclien Hace von Matlagascar
im \V<'steii bis ziu* Osterinsel im Osten und von den Sundwichs-lnsein
im Norden bis nach Neuseeland im Siulc^i steht beispiellos öa und i»t
eine der interessantesten ethnogiiiphisclM»n Krsclieinungen , welche hier
eine kurze Betrachtung erheischt. Dass dic»sc Zersplittenmg der
malayisclien Stilmme nur durch mantime Wanderungen herbeigeführt
werden konnte?, bedarf k<'iner besonderen Erwähnung. Die Undtzc der
Malayen sind wohl im südöstlichen Asien zu suchen, vcm wo sie auf
dem \Veg(^ freiwillig(;r \Van(h*rung (Hier unfreiwilliger Zerstreuung,
succM'Ssive und wenigstens im Ganzen, wie; die linguistische Vergleidrang
ausser Zweifel stellt, von Westen nach Osten, gegen Wind und Strö-
mung fortschreitend, in ihre dermaligen Wohnsit7.e gelangten. Dios-
b(>zügliche l'nt(H'suchung(;n ei-gaben nändich, diss auf den Sandwichs-,
Maniuesis-Inseln, Neuse(^land, Karatonga, Tahiti die Tradition überall
auf die Samoa-lnsel Savaii zurih'kweist und nebenlwi auch der Toiiga-
gruppe (Twähnt. jNIan gelangt daher zu der weiteren Annahme^ das«
die Malav(Mi a\v\\ /uei*st von (>ineni bestinnnten Puncte aus nach und
nach ül>er die Insi'ln des indischen Archipels bis Dun) verbreiteten und
erst dann zur Samoa- und Tong*agruppc inid von da aus über die
Inseln der Süds«*«' vorrückt(?n. Ik'zdglich des Zt'itpunctes dieser Tren-
nung <ler b<*id<>n AbthfMlungen d(*r Malayen dürften aus spradüicfaen
Kücksichten mindestens das .lahr PM.K) v. Chr. anzunehmen sein')
Jedenfalls steht es fest, dass diese Absonderung der l^olynesier von den
^geschwisterlichen Malayen vor dem Jahn? 7H n. ('hr. stattgefunden
habe. Mit diesem Jahre iK'ginnt m'indich die Zeitreclinung des Saka
iHlvr Saft'rnna, die von den ei nge wandelte n brahmanischen Hindu auf
Java eingeführt wurde. Nun wissen wir, <lass der Pahnwein, der ans
•)I.a)*scn. A. tt. O- IV. Hd. R. 461—508.
») F r i «• a r l c h M ü 11 o r. Xorara-ftetxe. Kthnogrmphie. 8. 88.
») A. ft. ü. S. 21—23.
Dl« ]fA]ftf«a-Yölker. 201
den Wanden der Cocoftbltttenscheide abgezapft wird, ToJdt/ oder Taddy
Ton den Malayen der Sunda-Inseln genannt wird Weil aber dieses
W<Hrt ans dem Sanskrit entlehnt wurde, haben die brahmanischen Hindu
en4 die Kunst der Palmweinerzeugung den Malayen der Suiida-Inseln
mitgetheilt. Da nun die Cocospalme auf allen Inseln der Südsee sich
ün<iet und auf den Korallenringen oder Atollen fast die einzige Nahnmg,
ja den dnzigen Trunk den Eingebornen liefert, so ist es geradezu
onidaublich, dai«8 die Polynesier, wenn sie vor ihrer Auswandeiniiig das
Geheimnis» der Palniweinbereitung schon gekannt hätten, es wieder
ver^resoen haben sollten. Es kannten aber die Polynesier zur Zeit, wo
ne von Kuropftem besudit wurden, die Zubereitung des Toddy nicht. >)
Nach den Angaben Grattanewa's gegenüber von Commodore Porter
würden 88 Geschlechter sich gefolgt sein, seit die Polynesier die Mar-
quesas-Inseln erreichten, so dass also dieses Ereigniss 800 Jahre v. Chr,
Nlattgefiinden hätte, oder mit anderen Worten nur wenig später als
die Gründung Carthago*s durch die Phöniker, während Nordeuropa
noch mit einem Fasse im Steinzeitalter stand und die Schweizorseen
von l^&hlbauem bewohnt wurden. Um so vieles später entwickelte
sidi im Abendhinde die nautische Geschicklichkeit als im })olynesischen
Oriente!
Jenes Vorrüdcen der malayischen Stämme glich jedoch völlig einer
Bodemen Aoswanderung, denn die Kanaken brachten ihre Tultur-
lerwichse, sowie zwei liausthiere, und als heinihchc Ik^gleiter die Ratten
■ach den Inseln, auf denen, mit wenigen Ausnahmen, ül)erhaupt alle
i^4af!eUiiere gefehlt hatten, die Fledermäuse abgerechnet. Aus jener
Zeit i<Uuumen noch die Reste von Steinbauten auf den östlichen Insel-
lonippen, sowie die steinernen Riesenbilder auf der Osterinsel, über
deren Erbaaang die Eingebornen so wenig Rechenschaft zu geben
witdtea, wie der ägyptische Fellah von den P>Tamiden. *)
Von der positiven Geschichte der Festlands-Malayea, die wir heute
haoptMichlidi auf der zinnreichen Halbinsel Malakka angesiedelt treffen,
Ht nur SpArlicbes bekannt Im Jahre 1288 n. Chr. wanderten Malayen
lim Soouitra aas nacli der gegenüberliegenden Küste des Continentes
oad legten hier ihre erste Stadt an, die sie Singapura nannten.
baki ward sie, Daiüc ihrer glücklicrhen I^age, die blühendste aller dortigen
Sudle, ond es kamen hier die Kauflcute aus den westlichen wie aus
4*tt östlichen iJUidern zusammen. Für die frühere Anwesenheit von
baddhtsten in Städten d(*r Halbinsel Malakka sprechen dort entdeckte
baddhistische Tempel und Inschriften, welch letztere jedenfalls älter
«umL als die l'jnfertirung des Islam, die nicht wohl früher als 1380 ge-
*etA werden darf Schon ein muhammodanischer Fürst war es aber,
der 1415 die Stadt Malakka gründete, durch deren lebhaften Ilandels-
«eriebr er einen weit ausgedehnten lOintiuss auf die benachbarten
lAu^er gewann, und da viele maurische, d. h. muhammedanische Kauf-
WtiXt' \ie\ die!!»em Handel sich lK»theiligten , gewann die Verbreitung des
; P«tcliel, rHkerkumCt. 8. 370.
> Bir ft UellwAl«!, Ihr vorguehichtUch« M0n$ch. 8. &8i— &34.
TnUin neuen An&chwnng. M Jahre 1511 macfataa <B« riilinliwiii
nnter der AsfDhniiig da groesen AffonB« 4*Albuqa«rqa» ämt
MalajTon-Beiche auf Ttfriakka ein Emis. Von dm abrigen Milajn-
Staatcn besitzt keiner «ine grOesere Bedentnng Ar die i ~
Culturgeediictate. ')
Bas Inselretoli des Ostewu
Zn don Kreise der buddhistindien LSnder tSUt uA, ta •
grösserer Abgeschlossenheit noch denn China im fenuten Oaten der iltCB
Welt lifsend, das Insclrdch der anheilenden Saniie, Japin,*) dana
Entwicklung zu beobachten uns nunmehr obhegL Strenge gBH^HBB
hatte dies schon im Alterthume gescheiten »Uen, denn die JKftaUk»
Gescbichte geht bis zmn Jahre 660 v. Ou*. ntriuk, abo fa dklÄe
Epoche als Griechen und BOmer zn den werdenden MatioiHii rtifcBitii,
andererseits aber ist es gerade die in die Zdten dn i
Mittelalters Mende Genttungsperiode, wddM das medate firt«
währt Ich hole also hier lasdi nadi was ans den I'
zum VerstOndniHse der spfiteren EntwicUoBg eifordetiloh ist
Jap&ns älteste Bewohner mOgen die heute ia i
Theil der Insel Yesso zurOckgedrängten
gange geweihten Alnos gewesen sein, von deren <
haamng mancherlei behauptet wurde. T
doch bei den Japanern den Namen Hoainas,
gotragea Nunmehr auf etwa 50,000 Kopfe t
Alnos EU den nncultivirtesten Tßlkem der Erde; Und i
diuBc Parias Ae» T^ovAotttniiB eine Gc«i:Jiichto und Bc1iwttl|«.'a niit i
i^liiilistlicr Freudu in di-r Eiiiiiicruug, Haue, ihre Almen dnut der J .
(jlciclR'U, wenn nicht <Ii;n?n Ik-rrfu g(wc«Mi. Um du« VI. JaliriHnidgil>1
vor unserer Zeitret^lmung millon die Atnos die ununudnrflaktea C " ~
nii'lit nur Yfsro's, soiuk^ii ttogiir Avs nCntlichen TlKdIe» WH 1
gi^wcaen iwin ; aber die Jaimiier bngäimon sie zmtUtoidiSBge^ *
ftIxT lue Strnase von SiitigHr, (luiiu na<'lirll('](MiiI alhiiÜTlig In il
Yisso's. Pirst gegen Ende des XIV, Jahrhunderts gelang ihn '
HliLiiili^L' Beaiegung und lIulci'wcifunK-
Diu Äinos liesitzm die lYadition, dam ihrr Unthnen aus i
Westen, also von dem itsiatiiidjen Festlands h<'n;rki>iiinmn sind;
liiilti-svcrelining ist sebr urwIlchsigGr Art und liiit mcIi ötwr *Iai'|
IViiscbdiciiBt kaum orliolwn; ihre rohe Mythologie Wühl auf c*
itimiili-ii I'riiii;iii. da:« mit d«u Tbiirrnn Act Juipl um! ilcn. rnurticn
der Tiefe in Verbindung steht. KoNuiogoniscbM- 'I'nufitiuufti
t-niiun|ti<lt auch M^llmt iliew>r Staiiiin i[ti-ht gäuxllch: aus diuu Wu
i«t ihnen iliü Welt «nistande». I>cr cntto Munwii aS<ir war f
ih-fuffi^o „Kum^vu
Dm iMtlnleh de« Ostens. 203
fin ,Weib, welches das Glück eines paradiesischen Lebens dadurch
vi'Hor, dass es den Apfel der Erkcnntniss von einem Manne
annahoL ')
Das heutige in Jaiuin herrschende Volk, die Japaner, halten sich
für AutcM^hthonen ihres Inseh'eiches, welches ihre unmittelbar in die
idtiTite iN)litiiiche Gescliichte *) übergehende Kosmogonie von den eigenen
l^ndcsgötteni ausdrücklich für sie erschaffen werden lässt. Indess steht
U>U <ia.ss auch <lie Jaimner von Westen, wahrscheinlich von China her,
angeblich seit 1340 v. Chr. eingewandert sind; sie sollen bereits Be-
wohner auf den Inseln vorgefunden haben, weh^he sich von ihnen durch
ihre physische Complexion deutlich unterschieden, wohl also die Ainos.
Nicht unmöglich übrigens, dass die Hace der asiatischen Papüa, den^n
Msihtenz auf den Philippinen sichergestellt ist, sich bis nach Japiin aus-
gi^liruitet hätte. 3) Von den neuen asiatischen Ankönunlingen wurden
ilie Ainos zimi Theil gegen Norden, besimders auf die Insel Yesso,
zurückgedrängt, zum Iheil civilisirt und mit ihnen vennischt. So ent-
stami die Nation der Jaimner, deren lK?glaubigte Cfcschichtc bis auf
ui\ti \»r unserer Zeitrechnung zurückreicht. Seither, also seit länger
iWiiA zwei Jalirtausenden, blieb das jaiuinische Volk unvermicht; Fn»nMle
kanten nur sielten ins I^nd un<l hatten nur wenig Kinfiuss auf das
lA-lton und die Sitten der KingelH)rnen. So blieb <lie Natiimalitüt der
Ja|iajK'r unangetastet, und sie verstand<'n es, sich ihrer Gegner wirksam
zn rrwehn*n. Ich glaube nicht, dass sich in der (lesiiiichte ein zweite
HeL^piel solcher Aristokratie des Blutes ünden lässt
*) fH€ UttUn Aim>§ (AttgemHne Zeitung vom 7. Januar 1065.) Vgl. über dioKeu
■rlt^ameo VolksaUmin meine, wie leb glaube, fast eritchüpfendo Arbeit im ÄualoHd
1473 Nr. 44 t^ 875 und Nr. 46 H. 911, wo ich allf> mir zur K(*nntiii4s gelangton C^uellcn
•aakalfe («aacht nnd deran Ergebniaso lUHammcngoMoIIt habe. Nur die schöne Arbelt
W«ajnkow*a über die In!»el Hachalln im Journal of the Rojfal Gtographieal Society.
iMmian 1473 VoL XL1I. 8. U73— 388 war mir damaU noch unzugänglich. Seither Itt
•ach DiiCk ein Interaaaaater Aufitatx von Ludwig Promoli Vther di9 AIhob (Corre»'
fmmä^mthSmtt d^r tUmtekmt anthrop. OtttUtchaft 1874 Nr. 3 uud 4) zu verzeichnen. Die
**wa «latm Hrn. da Long In einer Vorlegung zu Bacramcnto vertretene lUputheso,
warb di« Alnoa aaf einer Ophirfahrt durch Meere<«i<trümungen nach Japdn gebrat-hto
•■4 ««rflcbollea« llebrler wären, lii naturlich keiner Widerlegung werth.
0 tlUb«: H. Anatl, UMoHa dtl rtgno di Voxu dtl Giapon§ deir antichitik. Koma
lilS — P. deCharlevoix. liittoirt et deßcHptioH g/H/ralt du Japon. Pari« 1730.
f Bd«. — £d. Fr*iaeinet, Le Japon; higtoire et dttcription^ moeMrt, eontnmeg H
Paria 1M4. IS*. 3 Bde* — Wilh. Heine, Japan und »eine Hetnthner, de-
It€tt0 ttäethftek« und ethnographtKehe Sekilderungm ron lAtnd und lauten. Leipzig
IIMDI. S*. — K. Klnpfer, UMotre du Japon. 172V.
^ V'lndr. Mflllnr, PnkUme der Unguiatinehtn Kthnographie. <H e h m * • gevgr.
B4. IV. 8. SI4.) Vivltn de Haint- Mariin In PariH dngcgrn nimmt da« He-
wel«en Urraee au, deren eine groi^se Abzweigung i*irb über For-
imfkm «ratnekt kAtt«. Hiebe: Vn» nourelte race ä intcrite aur ta carte du
km JkrffiMi Jf Im SketM d« f4ogn$pMie de i'aHe 1M71. IL Itd. H 3(>0 31'.', und
UTS Kff. fD 8. 4M. D«r Analebt von der Verbreitung der «chwarxen PapAa*«
O. Mubnike, IHe Japaner. Kine ethmtgraphieche
ISn. 8*. 6. 18—14.
204 A«l«n In UII1aUlt>r.
Die Oisiliiclite -Taiiiins wfllircnd lüescr zwei Jiilirtauscmlc jiprßllt
in Kwci ilciitliili orkriinlini-R Poriiidi-n, wi^lrfic ilio .luiuintir Ouhfi und
lliixhi-! iiciiiicii. Hw crstfii' n'if)it von i'.iin v. Chr. bis 111)2 d<'r
cliiistliclifn AiTa, iiiid umfiisst die Zi'it dtT Allficwalt drr Mihmhn:
(■s ist iliis jii|iaiiisclio Altcrtiiiiiii. Dio zweite nitsiiridit diT Maoht-
(MUtiilluiijt der iS/wrfiiiin oder Militariionsdier, welclio die EurupScr
lüiiv'f niil (li'iri tiTi)inssi'ndtii Namen Taiknn /u l>rxi<idinen ptlrgtrn.
liii'sc /wi'iTo reriiide. das jnjiaiiisclii' MittcIiilttT, hrlrt mit dem Jahre
ll'.i'J n. V\n\ an lind endet ei-st l*<(iH; doch so wie anch in der (io-
si'liirhle iMiriiiwis iicKeiuIinct das .lulir IID'J licincn jölien Weclis«-! in
ilcn liisiiiuiTiinoii den l>nndcA, fumdern nur (wie in Kumpa das Jahr
14'.*2. wiJiiiit iiiaii das Mittelalter cndrii und die Noimnt l)OtniiiK.>n
lil^^sli den <!iiifeltiiiiict eiiXT Uinp'nnK'ii. jnhrliuiidertelang vorltercitotpii
Kiilwiekelnnii, denn erst mit lle/rinn des XYl. Jahrlinnderts nird das
Slnjfninnt eine let^üe, unliestiitteiio Kinriditnnf;.
In der filteivu geRehirht liehen Zoit halM.'n, wie man ftlr ktwüh
)iallen darf, lioiiie Ite/ichtin(cen der Völker MittelasiiMiH xu den 'Jainuieru
s1 Uli gefunden, dmli sclieint in selu- frlllicn Kpoehen eine Einwandcning
ans dem sttdlielien Coreo naeh den jnpaiiisclien Inadn tot sich ge-
piniion KU sein; man nmtliinasst, das» dieses Krciguiss stell etwa l'iUO
V. dir. zui^traKou li[>1>*'. Iliei-fUr spricht der Umstand, dass den
Ülteiiten Ite.wiihntTn JagKtn's die Dearbeitui^ der Metalle, vonicbmlid)
nlNT des Kseiis, noeli nirlit twkannt war, wie aus der Menge von
I'feil- and I^nyeiitiiritzGn, Streitbeilen, Messern und andern Waffen nnd
(icrfttlisi-haften aus kicselerdigen Mineralien, die daselbst allenthalben
^'efimdcn werden, uiizweifelhaft her vorgebt. Ea scheint selbst das
Steinzeitnlter habe bei ihnen nodi sehr lange nach ihrer Einwandenug
bestanden.
Die jaiianisclie Sprache ist dno dgenthomliche , da weder ihr
IcrammatiBchcr Bau, nodi die WuTEeln ihrer WlMer im AUgnoeiiH«
VamiidlMdMAvTeridltnln mit d '" "
die PciirilWiPh^iii «mdem ««* aJl» Antfaii^ Aw .- . . -
nnd winftlen Ilililinig kwi <.%ina ülMir tVinÄ Uwo''«- "f ^^"^^ to
r WUT tBi^Än^idi nlnw rhinreisdie nix^ \\aX erst iw '•* ,
( aHmnldtK wrtw Afm FJritIii«o der tvi?.'^''^'' ■ cSw«
■SJjlÜ«'
,^niw
Dh lualrelcb dM OtUat. 205
lii'faliif!l fitr iIh' Auriuihme froiiiJer TtildiiiiRscIemciito prsi'h<-iuon. Iliro
/iiiii'liiiiriiiU' ]k-l(.iiuitii<-liun mit iliT Ut4:nitiir «Kr CliiiU'Si'ii, den aihl-
I>~in tl ]<^'i^rli('ii uiiil ttif<is(i|iliiM'hi-ii Sitliiiftcii, illH'rliiiiiirt itcr ^uii/i-ii
Ikiiliwcist' iliT!<<'IlH-ti, lilicli lutlUrlk'li nUM olnic KiiiHiL-» iiiif ilirf ifli-
::t<>-M-ii AiiM'liaiiiiiii!<'>L uii<l somit iiucli nuf ili'ii Siii'o, iIit sich
kilil tiiitiT iliiii I'liiitlussp iii'A Syslcuis viiii I.iin-lsc zu ciiii'm
liiiii-<tlii-li /iKimiiK'UKc^t eilten l'iilytlK'isiiiiis eiilu iiki'lte. Im .hihic rt.')'i
ir.it ili-r ItiKlilliJMJiiis itlciihriillK ein iliiiiihisiliei' Iiii)hii1, auf iiikI ncIiIiii;
fi->ti- Wiiiyclii im l.amli'. Künste iiiul liiwirlic ruhrti' uiaii iiliiehritlls
.iiL- diiita imil Ciiiiti <>iii, uiul pfn'!) ITii ri. Clii'. nci'Ucii .MuiilLmr-
iMiinie K*-|it1)(ii/t iiiul ilit' Si-iib'iixiit'lil Ih'^duui'h. Auf ilie liiiuslicliea
I K-liräuebi* ik-r Jii|iuiier unil iliit' ffuv/.f I.<'lH'iiswt'i<i' luii uInt ilio
i-liiin-sin'|ie Ciiliiir iiiifdciili »-euiiicT tii'f iiml uiii<;e.'>lulti'nil [»wiiiil. wiis
4uf ulU' n-Ii)0<'M«'n, wiMH'iist'liaDlielieii und tlieilweise nui-li iiolitisclien
Vcrlitütiiiw«-, llierber gvliTirt /uemt die in .[»iiiin \iel fii'iei-e iiiul
iHiU-lilcti-n' S(clliiii){ des weililicliiu (icM^lilec-litcs hIn in vielen nndiTeii
a»iatiiiclu-n iJndf^ni. lleiuerkeiiKwiTtli ist die Freiheit, welche jniiKeii
Müli-lii'U /U){i.t<taiidrii wird, und wie sie sidi «viir dus Aeiisscr^to
iTlaulirn küniien, wenn wk'lics nur «iliiio 1-'i)l|;en bleiU, während di<:
itiriifiiathelrii Krauen mit lit'cht alx MimtcT von Kcuschlwit und allen
«(.■iUkteu Ti^endcn gc-Itcn. Die JaiiKfriinlichkeit, oIihi dasJen^'N wiiniirf
di« Hmitisclieii VDlkcr hei ihrer VvrliuiitUhunK den Kriisüteu Werlli letnii,
üt (br ilie Japaner im Allgomoinen ziemlich Kleiclmitlllw. IHou- A^'ient
SteOaig des W«ibG8 geht in Jajidn auf daa frUlH>:<te Altertlmm icui-ach.
Vmi Gebrtiidiai, die bei den Ja))anoni früher lN>slaniien, ist fenier
m cnrllown jener der Mensel nopfcr. DieMcr (lelirauch im All|ii>niei-
' MB BchOrt keinfr Ucee nitd Y< grupjie an, sondern Ltl allen uemeiii-
^m nd hit ki den Tcndiiedi m Zeilen und hei den ventchio^lenitten
TfllHiB halaadaL HeudietKqiter waren bei allen CuIturvOlkem ikM
[ vMleidit allein aiutKentnunien, *i u1n>ii mi gc-
nuch Lorbai-isoiien keltiM'iien und ipT-
la .Tapiin traten sie in der Fnriu (■■eiwU litten
ordn, lim Uitruüri oder mit einem fi'intTen Ausilnu-ke
') lul^ diy getuiu H) in £hren stand wie im allen Ibmi unter
<> fcWlIii vfeUek
«Ib M den dama
t*#- lljiup,^ ^„ Jajanc In alter Zeit, die MikadüH, waren
' tuiliUrU')u; Mftdiik
■^. "'*»«ni dt* UndcB wä
■*"'*dBi mil dm TodlM.
und so ün){c (k>r Kampf mit i
erhielt rieh auch ihre Macht. 1»
wohl fruchtlos, versuchli', die Sitte,
, auszurotten; sjiator ersetzte
M «• hfUtr 4urck ihlt SluUalntiehtBm
t. Blrh* ^■•la>< law Ni>. 47 fi. Illu^ll
mlH«! B«(gl>snheil dor u>ucglrn Ztit ■
«ll'k Ubaralnillnmi'iult' Ks ll.lrrnnii f
ekat Jiiyai. Wipi
206 Asien im MitteUUer.
man die Mensclicnopfer durch Holzbilder. Nachdem al)er die Erobomng
dos Landes vollendet war, sank naturgemilss das Ansehen der Mikados,
(leren man als militärische Anführer nicht mehr l>edurftc. (vonau das-
selbe hatte sich bekanntlich in Indien ereignet, nachdem die Bositz-
ep^eifung von Aryavarta abgeschlossen gewesen; und so wie dort die
Macht von der nunmehr minder wichtigen Krieger- auf die bis dahin
zit^mlich untergeonlncjte Priesterkastc tll)ei*ging, so verwandelt« sich in
Japan der militärische Shogun in einen T*rie8terkönig. Va erstand der
Sintoismus oder Kamidienst, japanisch Kann no mifsi, d. h.
Weg der Kami — die Verehrung von Geistern, deren leiblicher Nach-
komme der Souverän ist. Diese Sintoreligion, wie sie im Chinesisichen
bezeichnet wird, verehrt ein höchstes, durch das ganze Universum ver-
breitetes Wesen, viel zu erhaben und heilig, um es direct im Gel>ete
anzureden und identiticirt, in ihrer ält^ten und einfachsten Form, den
Himmel Teukn als Sitz der (iottheit in abstracto mit der Ictjcteren;
sie hegt auch den Begriff von der Unsterblichkeit der Seele und ewiger
l»t*lolmung (Hier Stnifc. Cie^^enstände der Verehrung sind die Himmels-
köri)er, di«* Ehrmente, sowie die Naturkräfte, die schon sehr frQlie mehr
selbständig und ix^rsonlich aufgefasst Tind als (leistcr — Kami — an-
gebetet wurd(»n. Auf diese Keligion gründete sich die an Stelle der
Militäniutorität tr(;tende Sintotheokratie, welche später dem Hnddhisrnns
<len Platz rämnen musste. Mittlerweile waren die Japaner nach Art
<b*r alten Gcnnanen \m der Hesitzergreifiing des Bodens vorgegangen;
(li(^ ])hysisch SchwiU'ben widmet^^i sich dem Ackerbau, die Starken
hingegen mieden jede Arl>eit und hielten sich dem Mikado zu Kriegs-
(li<»nsten l)ereit; sie wurden die naturgemässen Besdiützer der erstem
('lasse, die Vorläufer eines mein* militärischen als teiritorialcn Feadal-
wesens, das sich zu Gunstx»n einiger ALochthaber entwickelte, welche
alsbald zu HerrcMi des ganzen I^andes heranwuchsen.
Mit der Verbindung zwischen Thnui und Kirche l)egnttgte man
sich indess nicht, sondern sann noch auf andere Mittel, um die Sta-
bilität der l)yiia.stie zu befestigen. In der Regel ging die kais(Tliche
(iewalt erbli("h vom Vater auf den Sohn über, obwohl eine l)estimmte
N'oi-schrift in Bezug hiemuf nicht l)estaiid; unter dem Einfliisse der
chiiiesischen Ide(ui gelangte man nun dahin, vier kiiiserliche Familien,
Slii'shiH-wo, zu ernennen, welchen allein das Recht zu.stand, im Falle
des Krlöschens der directen Linie, dem Tiande Monarchen zu gilben.
Unter ilineii Instand eine ganz c<)nventionelle Hierarchie von ftlnf an-
<lern Familien, der (rosMcai. Die Macht der Mikados wunlc allmShl^
immer schwächer; beinahe auf die khisterliche Abgeschiedenheit flin»
Serails eingeengt, sahen sie sich in den Händen eines intrignanten
Hofstaates, dess^'u eigeiithümlicben ('harakt(T cIhmi der iduntisclM* Ur-
sprung aller seiner Mitglieder bild(»te. Die KiKjen waren die SprOm-
linge sowohl der Seitenlinien als die l^istarde von den zwölf kaiser-
lichen (oncubinen, also insgestnnmt Verwandte des Mikado; sie bildeten
eine streng in sich abgeschlossene Kaste, die als höchste Addsklasse
den Vortritt vor den wicbtigsten militänschen Anfülirom genosa, and
hinge hindurch allein noch die dem Mikado flbriggebliebenen Rechte
Dm iBMlraieh dM Otton». 207
ms&bte, indem sie allen andern den Zutritt znm Monarchen verwehrte.
So miditig die Militftrdynasten oder Clanhftoptlinge in ihrem Districte
waren, so hatten sie doch keinen Zutritt hei Hofe, und konnten sich
daher der Regierangsgeschäfte nicht bemächtigen. Japtin gewährt dem-
nach in alter Zeit das Schauspiel eines theokratischen De^spotismus,
mbend auf einer Schichte kriegerischer Oligarchie, ein Dualismus, der
in der ganzen Geschichte dieses Volkes wiederkehrt und in der Natur
di^s Nationalgeistes begründet ist. Die Billigkeit erheischt hinzuzufügen,
dam die Herrschaft des Mikado eine väterliche, imtriarchalische im
edehiten Sinne des Wortes war. Uebrigens übte er seine Macht nicht
selbst ans; frühzeitig schon übertrug er sie einem Kwamhaku oder
erstell Minister, der allein die Decrete unterzeichnete.
Im eigentlichen Sinne war der Mikado, w^ie noch zur Stunde, der
wahre Besitzer alles Gebietes im ganzen Reiche; in Wirklichkeit jedoch
emtredctc sidi dieses nominelle Recht nur auf die Gokiaai oder fünf
l*ro\inzen, welche die Stadt Kioto umgeben; nur von diesen bezog der
Mikado die Abgaben in Naturalien, und sein Hof war weit entfernt,
in I^oxns zu schwelgeiL Das IiCl)en war ül)erhaupt einfach im alten
Japsui, and sehr viele Kuges musston auf selu: bürgerliche Weise ihr
Brod gewinnen. Sie bildeten in der Hauptstadt jenes geistige ("entrum,
in weldiem die aas China eingewanderten Künste und Wissenschaften
zsr Reiln gediehen« Ihnen tiel also nebst der religiösen auch die
inleilectaelle Suprematie zu, und indem letztere das Privilegium des
HofiMieis wurde, trog sie nur dazu bei, de»ssen Verachtung für die un-
winende Kriegerkaste zu steigern und ihn von dieser, die ihm Ixild
den Untergang bereiton sollte, zu isoliren. i)
Zur Zeit, als das Ansehen des geistUchen Erbkaisers zur Neige
fong, massten sidi die Feadalfürsten des Kaiserthums, welche nebst ihren
rnierthanen wenig Genuss und Freude durch des Mikado Regierung
hattra, nach and nach eine al)solute Gewalt in der Regierung ihrer
Ilerrsohaften und Fflrstenthflmer an; sie traten in Allianzen zu ihrer
fiiemen Bescfafltzung und fingen einer wider den andern Krieg an, um
das ihnen wirklidi zugefügte oder in der Einbildung erlittene Unrecht
zu riehen. In dieser Ver&ssung der Sachen wurde Yoritomo, einer
der aiBgezeichnetsten Cliaraktere in der japanischen Geschichte, vom
Kaiser zum (reneralissimus und Heerführer einer zahlreichen Armee mit
lalifMrlirankter Gewalt bestellt, die Streitigkeiten l^eizuleflen und die
Krk^ swischen den Reichsfürsten zu l>eendigen. Er hiess nun Sio-
i-das'Siogun oder „Generalissimus, der gegen die Barbaren ticht.^^ Es
ifft aber eine bekannte und durch die Erfahrung aller Zeiten l)estätigte
Mauae, daas die mit Gewalt versehenen Männer gar selt4*n bemüht
«liad« bei solchen Gelegenheiten die Unnihen wirklich zu beseitigen,
w^lrbes die Geschichte des Yoritomo auch bt^weist, der bei einer so
and bequemen ihm in die Hände gtM^pielten Gelegenheit mit
*) VfL Oflorge Bounqael, l^a moeurg et U droit au Japan (Rern* de$ deux
VMM 15. JaU 187ft), eine trelTUch«) Btudic, welche ich mit llorauxiehung mAnnif-
■•4f tretüf— lUtorUle 4Immi Abschnitte so Qronde lege.
208 Asien im llitteUlUr.
rlcii stroitonden Personen geineinschaftlicho Sache machte und dadurch
sein oi^rues Interesse eni]>or/ubnngen suchte. Nach einem inohrjftluri-
i!,oi\ Krie^^e machte er indess den Kaiser zum Regenten, wenigstens dem
Namon nach, führend die wirkliche Macht in seiner eigenen Hand
hiicb. Diese; wuchs auch so sehr, dass er sich nicht nur unumschränkte
Madit in Entscheidung aller weltlichen Iliindel des Kaiserthmns an-
masste, sonchTU auch luich <lem 'l^nle des Mikado volle zwanzig Jahre
Iw'iTschtc und dessen Nachfolger einen mächtigen Vommnd zu iKwtellon
wa•xt^^ Ili<*rdurch erlitt die (lewait der geisthcheu Krl>kaiser einon
lödtlifheu Streich; ja nach Yontomo's TcmIc ging sein Titel auf seinen
Sohn ülK»r.
I)i(^s war der Anfang der Madit der Shognns odvr weltlichen
ll(MTSi-her, deren Amt alhiiälilich als erhlicli betrachtet wurde. Dennoi^U
galt der Mikado innner als im Besitze des königlichen Ansehens; der
Sliogun war ViciTegent, durfte aber nicht offen gleiche Ilcclite der
Sou\eränetät beansiiriKrlien. So blieb es bis zur letzten Hälfte dc8
XVI. .lalnhunderts. Damals waren zwei Hrüdcr, Abkömmlinge des
Yontomo, Hivalen des Shogunamtes-, die Füi-sten nahmen l^artei, es
entstand ein neuer Bürgerkrieg, in dem beide Prätendenten getödtet
wurden. Kr endete damit, dass Nobunga, Prinz von Owari, damab
der mächtigste Fürst des J{eiches, sich des Shoguiuits bemAcfatigte.
Kiner seiner bedeutendsten Heerführer war Hidi-Yori (audi Hide-
yose, Fi de -y ose oder Hijossi, d. h. Sonnengut, geboren am I.Jan.
10:57), ein Mann von niederer Herkunft, der anfangs als Pferdeknecht
unter dem Namen Faxiba diente, (binu Soldat ward, sich zum Obei^
befehlshaber emporschwang und endlich, als Nobunga durch die Hand
eines Meuchelmörders tiel, den Tlu'on des Shogun bestieg. Der er-
s('lir(!ckte Mikado l)estätigte ihn in seinem Amte und er nahm den
Titel 7a//-f/-<Sr77//(7 (Herr Taiku) an. Obwohl unter diesem liedentenden
Manne die Macht der Mikados immer m(*hr zum Schatten herabsank,
so stieg dennoch die flacht «lapans; er unterwai'f C>)rca und war eben
im Uegriffe, disselbe mit China zu thun, als ihn der Tod im G3. Ijeben»*
jähre abberief.
Zu LebzcMten dieses grossen Shogun, gegen die Mitte des XVL
.lalirhundorts, ersehitnien die ci-sten Europäer in JaiNin-, Portngleseii,
Franc(*sco Zoimoto und Fernan Mcndcz Pinto, derea
I^iUuLsleute alsluild versuchten, mit demsellKni in Handelsverbindang wn
tn;ten und sicli im .lahre \M\4 in Nagasaki, auf der Insel Kiosiu, der
südlichsten unter den gröss<»rn des jaitanischen Archipels, festsetatea.
liald ers(^hienrn auch Missionäre im liande, geführt von FrandscoB
Xaverius, und pre<ligten die christliche Lehre, welche in dem ideenarmen
Volke rasche Ausbreitung fand. Die schnellen und uncr^Tirtetcn Erfolge
der fronnnen Patres setzten die christliche Welt in Erstaunen. Üi»
Kifcrsucht d<M* IloUändcT, die auf ihren Zügen gegen spanische und
portugiesische (olonicn auch nach .Ia]un gt.'konnnen waren, brachte
indess neben .M issgritfeu der PortugiestMi die Sache des Christenthnmi
/um Fall(>. Im .lahre 1.'><JG rottete (^ine 8chrei*kliche Verfolgung du
diristenthmn wiinhT aas, und die Portugiesen wurden su^ich
Dm Iiu6lr«ieli des Osten». 209
aw JapAn vortrieben, woliei die Ilotländer als Vergeltunß der Verf»!-
(nniKMi, <lle nie von Alba und der katholischen hKiuisition erlitten, den
Japanem Hälfe leiKteten.
AIh 1639 die Portugioflen definitiv aus Nagasaki verbannt wurden,
wtzten sich die Holländer dasellist fest, obschon nur sieben von ihnen
in llrnma, einer kanstlich erliauten Ins(»l in der Ikii von Nagasaki,
Hn whr besrhränkte» liOlien führen durften. Alle al)rig(»n Fremden
wirni aii!tgew*h](MRen. Wer Jaitsin ohne Fj*laubniss lM»trat, war dein
T«Kle verfiülen, das I^and sellwt war (»in Feu^lilrtMch im allerstn^ngstcn
Sinne des Worte». Dies war «üis Werk d(»s Yeyas, Fürsten von Ikn-
dorm, mit dessen Knkeltoehter Taiku-Sama sein(»n Sohn s^'hon in frülwster
Kimlheit verfaeiratbet hatte, um «kidureli den mächtigen Vasallen fester
an mne Ih'nastie zu ketten. Ihn darf man als den eigtmtlichen Gesi>tz-
rtuT der Japaner betnM'hten.
IHe errte Nothwendigkeit war eine (h»finitive Regelung des Ver-
bÜtniHHeK zwischen Shogim und Mikailo, dess(*n Macht Yeyas zu einer
Ivl nur religiösen herabdrUckte. Kr mi^ ihm seine Ilesidenz in Kioto
<'aarli Mijako genannt) an, während er s<>ll>st seinen Sitz in Yeddo auf-
«Hihiit. In Kioto wohnte der Kaiser in eiiuMu lK.>scluMdenen S<*hlos8(i
inniitti*n einer von hohen (Sebirgen umnngten Stailt, zu welcher ein
«-inziiPT Zugang vom Meere herführte. Dic^sen iM'wachto in einem
l»-*teu Castell ein (letreuer d(»s Sliogun, d(T in Ki(»to 8(»ll>st unter dem
Titel eines (louvenieurs einen Delegaten unterhielt mit dem Auftrage,
Ufh df*n geringsten der Acte am Hofe des Mikado zu Überwachen
ind !(tn*nge I*olizei zu ttlien. Sich sell)st stellte der Sh<H<un zwischen
ifn KaiMT and die grossen Feudalherren, die Daimios, welchen der
.\aitnithalt in Kioto untersagt war, denen d(T Mikado keine Ik'fehle zu
ttkeilen, von denen er keine AI)galM'n zu iK^zielwu luatte. Der Shogun
l»4jilt aOe Andagon des kaiserlichen Hofes, kurz sorgt(^ für alles,
Bahn aber dafür auch alle Steu(Tn ein. Selbst die kirchliclieii (rerichtc
vmlen von Kioto, dem japanis('h(*n Roul, nach Yeddo verlegt, so dass
«W Mikailo der Monarch //« ./"''^i <1<t Sh<>guii aber der Momirch de
fftrfo wanl. Vji konnte keincMi P'ürsten mit geringerer MiU'ht geben
al« den Mikailo, und seine Sti'lle wünlt* längst (>iug(^^angen sein, wenn
'fip Japaner nicht so fest an ihren alten (Tebriluchen hingen. S) ge-
Uoff en nidit, in den Angen des Volkes die Vorurtheile ihrer höchsten
Wanli*. Kani(i^ und Heiligkeit den Mikados zu niuben, welche mit fa.st
T^iCtiiclMT Achtung ven»brt wurden, schon weil sie unerreichliar waren.
■Mb«! dir KviTiinente des Mikado galten als heilig; ji'des (Tefiiss, ilas
• r finrual liiMiutzt, je«les (lewand, (Lis er einmal angelegt, ward ver-
War die Slelli» di*s Sh<»gun dem kai*i<*rlichen Hofe gegenülMT bc-
f'^itft, güll es nunmehr sich die übrig(Mi KIeinent<? des Volkes dienst-
bar zu mai'lv'iL ZuniU^LSt nmssten die Feudalfürsten die M;icht vcr-
lif.yn «tchiiilich zu sein. D.>sshalb viTordniMi die ,,il(ni(lert (fes(>tze^,
du» «nn j«^r I^mio <lcn Übrigen fremd und streng auf s4Mn Gebiet
{«w-hrAnkt bleibe. Sie durften also kein(*n Verkt»hr unter sich unter-
kaitf'a. nml wenn ihrer mehrere zugleich an 4len H(»f l)eruf(*n wurden,
t ll«i;wAl4, CalUrgwckteliU. S. Aufl. 11. 14
206
den Btreitenden Penonen gemBiaachiftltd» Sacfae niMhte inÜ iliaA
Bcin eigenes Int*TPww onqwnmbriiip'n nH*(*. Nwfc rtwm iHrtnjHiil^^
gen Kri^e nuidiU' er iudui« <1cji Kaiser Kinn Krijcnii^ti, wpui|ptciis tl
Ntunen nadi, wilbrctul diß wirklich» Muirhl in iciniT fi|{iuipji IIarf|
blieb, Diew vuchs aucb so sclir, da« er «kti niclit nur uniiinscIirSnU'
Macht in Entiu^hcidiing aller weJtJicliüTi Ilflii<)ol ilnt KaiM-ribstiM i ~
nuuato, Bondern andi nodi iloui 'I'imIu des Milcndo vollem itwtvnxin J" '
licrrBcbto und douieii Nuclifolitur diiPit inäi'JitlKr>n Vaniiiiiul xa bccUini
woKt«. Hierdurch erlitt Ain iiewa\t tlpr guistücbtti l'>likai»w i "
tUdtlicheu 8t»icU-, ja uach Yorituiiio'M Toile ging will Titel auf «dnt
Hobn ober.
Dies war der Anfung diT Mächt dtr Slinguns chI^ wi-ltfidi
Uerrsdier, deren Ami nllmiUilluli al« nrbtirJi l>otJiu-litcl wiinlp.
galt der HüauUi inuDir als im DuMt»' de« klnigiiclmii Aiisebc*!»; t
SlKigun war Vinnuiiit, durfte aber nii^bt oßi<ü ideldie 1t«cU[e <
äoaver&aelU lpiiiiisj.iiii:b«ii. Sii blit-Ii n liis y.iir iPtxti-n Uftlft« i
XVL JahrfannikTtf. Lhuimls waren swei IlrUdir, AI)K<>>iiiiilinKe i
Ywitomo, Biviili'ik liist Sho^iinaintoji; diu Fllrhl^^ii iiuhiniii l'iun-i,
entstand ein neuer ItUrgcrkring, in dorn boide l'rateiid'-ni''n v
wurden. Er endßle damit, dasa Nobunua, Prinx viui Owarl,
der maditigrt«! funt des itL'jcJtu», Meli ilw Shu|(iniiilN
Einer sdner bodeulcodstt-n Uei-rfahrer nar Hidi-Yori (aoch BiÄ
yose, Fido-yoiie od«r Ilijnssl, d. b. Scmiinittnt, ({ohoren n
1&37), ein l&um von iiicdürer Ilirkiinft, der anfangs ab If!
unter dem Namen Faxiba dii-nle, dann Soldat ward, sieb i
bcfehlahaber ein|>()nti.'bwiirit: und endlidi, nh Niihungu durnti lUt I
eines HeudielinürderH fiel, den Thron rlen Sliognn loHtii^
schreckte Hiloulu lieilätiKle ilm In soinoni Amte i
Titel Taiku-f^nmn (Herr Tniku) an. Dbwoiil unter d
Manne die Hat^ht der Mikados immer m(>lir xuin f
so Btic% dennuch lüe Macht JiiiitiiiH; er nntto-warf X.
im Be^ffe, dasselbe mit China ku thun, als Um i
jalire abberief
Zn Lebzi-ilcn liieren ürUMii^n Sliogau, <
Jahrhunderte, Gmirbieiieu dlo ersten Kur
Francesco >;iiinnilu nml Fer
lAikhlente abliald vprauchtcn,
treten «od sich im .lalire l.'»tU In 1
sOdlicbsten ~ unter den |{W>«kcrn dw j
Bald ersdiiemMi aucli MisstouBre I
Xaverins, midprediittt^dicid
Volke rasche Ausbreitung &nd..«
der fromroeu l'nln-* Mibsten <~
tjfcrsucht der lloUandor, i
Iturtugicnische (Oloiden j
iiidess neben MIsHgiifft^n ti
zum Falle Im .lalire l&9fij
Chrisl£nthnm wieder l
200 Asien im MltteUUctr.
schiclito iiiclit mir .Tava's iiiid eines grossen Thcilcs von SnnuUnL,
sondern auch in dem übrigen Tlieile dvs indischen Archii^els dadurch
ein, dass von da an sowohl der Kinfluss der Musehnilnner auf die
religiösen Zustände der Bewohner als ihre politische Macht in stets
weiterem Umfange sich verl)reitete. »)
In Voi-stehendem lernten wir „im .Tavanen den durch flinHüssc des
bedeutendstcui östlichen (ultiu^volkes — der Inder — aus seiner Rahheit
gt'rissenen und in gewisser He/iehung verfeinerten Malaycn kennen
AVir linden in ihm einen M(mschen, (h-r sich alles, was ein Culturlobon
ausmacht, angeeigm»t, ja seihst eine reiche Literatur erzeugt hat, wir
nehmen alwr aui'h wahr, dass er über die Nachahmung dtw Fremden
nicht hinausgckonunen ist. Der Javane zeigt uns den Tun et,
bis zu welchem die malayische Kacc sich entwickeln kann,
w(Min alle iiuieren und liusseren ne(Hngungen zusammen wirken, und
(»s ist <lessw(»gen gerade st^in Stuthum von Interesse, weil wir an ihm
den rnterscliied, welcher in der He^ibung der versi^hiedenen Itacen
gelegen ist, deutlich wahrnehmen können."*)
Die enonne Verbreitung der malayisclien I^ace von Madagascar
im Westen bis zur Osterinsel im Osten und von den Sandwicli8-ln<^ln
im Norden bis nach Neuseeland im Süden steht l)eispiello8 da und ist
eine d(.T interessaiitestcMi (^thnogniphischen Krscheinung(;n, welche hier
eine kurze Betrachtung erheischt. Dass diese Zei-splittening der
malayisclien StiUnme nur durch maritime AVandeningen herhcigef&hrt
werd(»n konnte, betlarf keiner besonderen Krwähnung. Die Ursitzc der
Malayen sind wohl im südristlichen Asi(*n zu suchen, v(m wo sie auf
dem Weg«? freiwilliger Wanderung oder unfreiwilliger Zerstreuung,
successive uiul wenigstens im (ianz(>n, wie die linguistische Vergleiehuiig
ausser Zweifel stellt, von Westen nach Osten, gegen Wind und Strö-
mung foilschreitend, in ihre dennaligen Wolnisitze gelangten. IWc?s-
iH'zügliche rnter>uchungen ergaluMi nändich, dass auf den Sandwichs-,
Maniuesis-In^eln, Neuse(?land, Karatcmga, Tahiti die Tradition überall
auf die Samoa-lnsel Savaii zurückweist und nelMMilx;i auch der Tonga-
gruppe erwähnt. Man gelangt daher zu der weiteren Annalimc, dass
die Malayen sich zuerst von einem bestinnnten l^inicte aus nach und
na<*h ülKjr die Inseln des indischen Archipels bis Huro verbreiteten and
erst liaim zur Samoa- und Tcmgagruppc inul von da aus über die
Inseln der Sütlse<; voirückten. B<v.üglich des Zeitpunctes dieser Tren-
nung der beiden Abtheilungen der Malayen dürften aus spradüidien
Kücksichteii mindestens <las Jahr IMUO v. (Hir. anzunehmen sein')
.ledenftills steht es fest, dass dies<» Abs^uiderung der Mynesicr von den
g(»schwisterlichen Malayen vor dem Jahre 7H n. Chr. stattgefunden
habe. Mit di(*sem Jahre k^ginnt nämlich die Zeitrechnung dcH Saka
inlvr Salit'ftna^ die von <len cingciwandertc^n brahmanischen Hindu auf
.lava eingeführt wurde. Nun wissen wir, diiss der Palniwein, der ans
»;Las!*cn. A. ft. O- IV. Bd. S. 461—508.
») Fried rieh M Uli er. Korara-Uehf. Kthnographie. 6.99-
») A. a. ü. H. 21—25.
Di« Ifolftria-Tdlker. 201
den Wanden der Cocosbltttenschcide abgezapft wird, Todätj oder Taddy
Ton den Bfalayen der Sunda-Inseln genannt wird Weil aber dieses
Wort ans dem Sanidmt entlehnt wurde, haben die brahmanischen Hindu
tT< die Kunst der Palmweinerzeugung den Malayen der Sunda-Inseln
niitf^etheilt. l)a nun die Cocospalme auf allen Inseln der Südsee sich
ündet und auf den Korallenringen oder Atollen fast die einzige Nalirung,
ja den einzigen Trunk den Eingebornen liefert, so ist es geradezu
anglaublich, dass die Polynesier, wenn sie vor ihrer Auswanderung das
Geheimniss der Palm weinbereit ung schon gekannt hätten, es wieder
vergeben haben sollten. Es kannten aber die Polynesier zur Zeit, wo
ae von Fkiropftem besucht wurden, die Zubereitung des Toddy nicht. >)
Nach den Angaben Gattanewa's gegenüber von Commodore Porter
würden 88 Geschlechter sich gefolgt sein, seit die Pol}iiesier die Mar-
floeM^-Inseln erreichten, so dass also dieses P>eigniss 800 Jahre v. Chr,
ütattgcfuttden hätte, oder mit anderen Worten nur wenig später als
die Gründang Carthago*» durch die Phöniker, während Nordeuropa
mich mit einem Kusse im Steinzeitalter stand und die Schweizorscen
vtHi I^&hlhauem bewohnt wurden. Um so >ieles später entwickelte
akh im Abendlande die nautische Geschicklichkeit als im ]K)lynesLschen
fhiente !
Jenes VcMTücken der mala}ischen Stämme glicli jedoch völlig einer
■lodemen Aaswanderung, denn die Kanaken brachten ihre Cultur-
ffrwichse, sowie zwei Uausthiere, wid als heimliche I^gleiter die Hatten
■ftrli den Inseln, auf denen, mit wenigen Ausimhmen, Ul)erhaupt alle
SAogethiere gefehlt hatten, die Fledermäuse abgerechnet. Aus jener
Zeit stammen noch die Reste von Steinliauten auf den östlichen Insel-
ptroppen, sowie die steinernen Kiesenbilder auf der Osterinsel, über
deren Krbaoung die Eingebonien so wenig Rechenschaft zu geben
wiMicn, wie der ägyptische P^ellah von den Pyramiden.*)
Von der positiven Geschichte der Festlands-Malayen, die wir heute
haoptsftchlicfa auf der zinnreichen Halbinsel Malakka angesiedelt treffen,
ist Dor Spärliches bekannt Im Jalire 1238 n. Clu*. wanderten Malayen
von Somatra aus nach der gegenüberliegenden Küste des (^ntinentes
■nd legten hier ihre erste Staiit an, die sie Singapura nannten.
Bald ward sie, Daiüc ihrer glücklichen liagc, dio blühendste aller dortigen
Städte« und es kamen hier die Kaufleute aus den westlichen wie aus
dm östlichen I..ändern zusammen. Für die frühere Anwesenheit von
Ikiddhisten in Städten der Halbinsel Malakka sprechen dort entdeckte
iNMkUustische Tempel und Inschriften, welch letztere jedenfalls älter
«umI» als die Kinftthrung des Islam, die nicht wohl früher als i:^80 ge-
setzt werden darf. Schon ein muhammcMianiscber Fürst war es aber,
der 1415 die Stadt Malakka gründete, durch deren lebhaften Ilandels-
%erk<te er einen weit ausgedehnten Eintiuss auf die benachbarten
I.äiidf*r gewann, und da viele maurische, d. h. muhanunedanische Kauf-
J**uti* M diesem Handel sich betheiligten, gewann die Verbreitung des
') P • • e k e I , V9lktrkmnC9. 8. 370.
202
Islam neuen Aofediwnng. Im Jahre 1611 maditoi Ae Pdrtqgleieii
unter der Anführung des grossen Affonso 4*Alhuqoerque dem
Malayen-Reiche auf Malakka ein £ttde. Von den flbrigen Malajeii-
Staatcn besitzt keiner eine grossere Bedeutung fiUr dto aUganeine
Culturgesdiichte. <)
IHis Inselreieh des Ostencu
Zu dem Kreise der buddhistischen Lfinder zahh auch, in adieinliw
gr(y88erer Abgeschlossenheit noch denn China im feinsten Osten dar alten
Welt liegend, das Insehreich der aufgehenden Sonne, JapAn,*) de— en
Entwicklung zu beobachten uns nunmehr obliegt Strenge genoanen
hätte dies schon im Alterthume gesdiehen sollen, denn die jffwtfiwhft
Geschichte geht bis zum Jahre 660 t. Chr. zurQck, also in diesAe
Ki)oche als Griechen und Römer zu den werdenden Natioiien lililfcen,
andererseits aber ist es gerade die in die Zeiten des europiiaghcn
Mittelalters &Uende Gesittungsperiode, welche das meiste Interaae 9»-
währt. Ich hole also hier rasdi nach was aus den ittesten X^odna
zum Verständnisse der späteren Entwicklung erforderlich ist
Jap4ns älteste Bewohner mögen dk) heute in den unfhidittanlen
Theil der Insel Yesso zurückgedrängten und einem skdiereii Dalar-
gange geweihten AKnos gewesen sein, von deren abemiflsIgBr B»>
haarung mancherlei behauptet wurde. Indessen hat ihnen
doch bei den Japanern den Namen Mosinos, die AübehaarteD,
getragen. Nunmehr auf etwa 50,000 Köpfe besdbiflnkt, geMreii die
Alnos zu den uncultivirtesten Völkern der Erde. Und demioch
diese Parias des Nordostens ^ine Gesdiichte und sdiwelgen mit
cholischer PYeude in der Erinnerung, dass ihre Ahnen einat dsr lapaaer
Gleichen, wenn nicht deren Herren gewesen. Um das VL hMnafkat
vor unserer Zeitrechnung sollen die Alnos die unumsdirinkteB OflUflIar
nicht nur Yesso's, sondern sogar des nördlidien Theües von H^pporn
gewesen sein; aber die Ji^paner begannen sie zurOdondriign, auM
über die Strasse von Saiigar, dann nachrQckend alhnihHg in im ¥acäm
Yesso's. Erst gegen Ende des XIV. Jahrhunderts gdaqg Ihn
ständige Besiegung und Unterwerfung.
Die Alnos besitzen die Tradition, dass ihre Urahsn Mi
Westen, also von dem asiatisdien Festlande hei^gekonmeB ahids tee
Gottesverehrung ist sehr urwüchsiger Art und hat rioii tinr tai
Fetischdienst kaum erhoben; ihre rohe Mythokigie bemfat asf
dunklen Princip, das mit den Thieren der Jagd und den^Ui
der Tiefe in Verbindung steht Kosmogonisdier TraditoMi
ermangelt auch selbst dieser Stamm nicht gänzfich: aas des Wa
ist ihnen die VV^elt entstanden. Der erste Mensch abor war
«) Lansen, A. ft. O. IV. Bd. 8. 641-668.
*) Jap4n Ut ein« Verttttmmeluog det eblsMiiektB
Ursprung« der Bonne/*
■k - «..
Dm IflMlMieh des Otton«. 203
eu .Weib, weldics das Glück eines paradiesischen Lebens dadurch
Terior, dass es den Apfel der Erkenntniss von einem Manne
Das heutige in Japdn herrschende Volk, die Japaner, halten sich
ftkr Autochthonen ihres Inselreiches, welches ihre unmittelbar in die
älteste politische Geschidite ^) übergehende Kosmogonie von den eigenen
Landesgöttem ausdrücklich für sie erschaffen werden lässt. Indess steht
(est, dass auch die Japaner von Westen, wahrscheinlich von China her,
angeblich seit 1340 v. Chr. eingewandert sind; sie sollen bereits Be-
wohner auf den Inseln vorgefunden haben, welche sich von ihnen durch
ihre physische Complexion deutlich unterschieden, wohl also die Aiinos.
Kicht nnm^lich übrigens, dass die Bace der asiatischen Papüa, deren
Existenz auf den Philippinen sichergestellt ist, sich bis nach Japdn aus-
gebreitet hätte. 3) Von den neuen asiatischen Ankömmlingen wurden
die Alnos zum Theil gegen Norden, besonders auf die Insel Yesso,
zorftckgedrftngt, zum Theil dvilisirt und mit ihnen vermischt. So ent-
stand die Nation der Japaner, deren beglaubigte Geschichte bis auf
660 vor unserer Zeitrechnung zurückreicht. Seither, also seit länger
deiui zwei Jahrtausenden, blieb das japanische Volk unvermicht; Fremde
kamen nur selten ins I^id und hatten nui* wenig Kinliuss auf das
Leben und die Sitten der Eingebornen. So blieb die Nationalität der
Ja|ianer unangetastet, und sie verstanden es, sich ihrer Gegner wirksam
zn erwehren. Ich glaube nicht, dass sich in der Geschichte ein zweites
Beispiel solcher Aristokratie des Blutes finden lässt
•) DU Witten Ähtot (Ätlg^mtime SMtung vom 7. Januar 1865.) Vgl. über diesen
•rttaAMMO VolkMtamm meine, wie ich glaube, fast 'erschöpfende Arbeit im Äutland
1S73 2Cr. 44 ft 675 aod Nr. 46 8. 911, wo ich alle mir sur Konntniss gelangton Quellen
•«■ikAft gMBAcht und deren Ergebniaao lusammengostellt habe. Nur die schöne Arbeit
W«ajokow*e fiber die Insel Sachalin im Jourmal of tht Rofal G«ographieal SoeMg.
Lott4oB 1673 VoL XLII. 8. S7S— 388 war mir damals noch unsugftnglieh. Seither iei
ck noch ein inierMsanter Aufsaix von Ludwig Promoli Uehtr dit Ätno» CCorrtB-
d§r tUutek^m antkröp. QtttUtchaft 1874 Nr. 3 und 4) su verzeichnen. Die
•iJMm Hrn. de Long in einer Vorlesung su Bacramcnto vertretene Hypothese,
die Alnoe aaf einer Ophirfahrt durch Meeresströmungen nach Japin gebrachte
«•4 verschoUeo« llebrler w&ren, ist natOrlich keiner Widerlegung \verth.
0 Siehe : H. A m a t i , WH^Ha d€l regmo dt Vaxu däl GiapoH4 dtlT antichitä. Roma
t«t5 — P. deCharlevoix. Uittoirt et dtteHptiom g^H*ral$ du Japom. Paris 1796.
t M«. — Ed. Fraissinet, Le Japom; hittolre et dtMcription, moeurt, eoutumee et
reO^^m. Paris 1864. IS*. 3 Bde. — Wilh. Heine, Japan wä eeits Bewohner, Ge-
»ekt^hilicke küclbltcke und eiknographirehe Schilderungen von Land und lauten. Leipiig
(IMDI. 6*. — E. Kämpfer, lUet^ire du Japan. 1729.
*) Fried r. Maller, J*robleme der linguietitehen Ethnographie. (Hehm^e geogr.
Jmär^. Bd. IV. S. 314.) Vivien deSaint-Martin in Paris dagegen nimmt das Be-
•««hca «iaer groesen wcivMn Urrace an, deren eine grosse Abzweigung sich über For-
s >•• nach Japan erstreckt bitte. Siehe: Une nouvelle race ä insertre eur la carte du
/f«4« im BuUettM de Im Sociiti de gfographie de PaH» 1871. II. Bd. H. 3()5— ai'i, und
Am wimmtl 1873 Nr. 30 8. 46U. Der Ansicht von der Verbreitung der schwanten PapOa*s
»af Jaf4a tritt scharf entgegen: O. Mohnike, IH§ Japaner. Kine ethnographieekt
fraphie. Münster I8T3. 6*. 8. 1»-14.
204 AiÜB Im MHMbliM.
Die Geschichte JapAns wlbrend dieser zwei Jahrtausende zerflUIt
in zwei deutlich erkennbare Perioden, welche die Japaner Odiei und
Ilashei nennen. Die erstere reidit Yon 660 v. Chr. bis 1192 der
christlichen Aera, nnd nmihsst die Zeit dex Allgewalt der MUeadon:
es ist das japanisdie Alterthum. Die zweite entspricht der Maebt»
ent<nng der Shoguns oder MiHtfiiherrscher, welche die Europier
lange mit dem anpassenden Namen Taihin za bezeidmen pflegten.
Diese zweite Periode, das japanische Mittelalter, hebt mit dem Jahre
1192 n. Chr. an und endet erst 1868; doch so wie aocfa in der Ge-
schichte Europas bezeichnet das Jahr 1192 keinen jfthen Wedisel in
den Institutionen des Landes, sondern nur (wie in Europa das Jahr
1492, wcnnit man das Mittelalter enden und die Neonit beginnen
Iftsst) den Gipfelpunct einer langsamen, jahrhundertelang vorbeielteten
PiUtwickelung, denn erst mit B^nn des XYL Jahrhunderts wird das
Shogunat eine legale, unbestrittene Einriditung.
In^ der älteren geschichtlichen Zeit haben, wie man für gewhs
halten darf^ keine Bezidiungen der Völker Mttdasiens zu den 'J^pfacn
stattgefunden, dodi scheint in sehr frohen Epodien eine Etaiwaadenqg
aus dem südlichen Corea nach den japanischen Insdn rot Mk ge>
gangen zu sein; man muthmasst^ dass dieses Ereigniss sidi etwa 1100
V. Chr. zugetragen habe. Hierfür spricht der Umstand, dasa dsn
ältesten Bewohnern Japdn's die Bearbdtung der MeCaDe, TornehnKk
aber des Eisens, noch nidit bekannt war, wie aus der Mniga 1w
Pfeil- und I^ianzenspitzen, Streitbeilen, Messern und andern Waftb nal
Geräthschaften aus kieselerdigen Mineralien, die daselbst aflenthalbem
gefunden werden, unzweifelhaft hervorgeht Es sdieint selbit 'im
Steinzeitalter habe bei ihnen nodi ^hr lange nadi ihrer iSnwa&denQB
bestanden.
Die japanisdie Sprache ist eine eigenthflmtkhe, da
grammatischer Bau, noöh die Wurzeln ihrer WOrter im
ein bestimmtes Yerwandtsdialtsverhältniss mit den Idfomen,
von Centralasien, als auch von den Japan zunächst gdegenen
läiidem erkennen lassen. Sie hat allerdings in späterer Zelt eine iqlr
grosse Menge von chinesischen WOrtem au^nommen, da nkht alUn
die Schriftzeichen, sondern audi alle Anftnge der
und sodalen Bildung von China Aber Corea kamen. Die
Literatur war ursprOnglidi eine chinesisdie und hat erst im Laafc iaf
Zeit und aUmählig unter dem Einflüsse der eigenthttmüdien Oetat0^
ankigen des Japaners einen besonderen und selbständigen OiarjdEhr
angenommen. 'J
Gegen Ende des IIL Jahrhunderts unserer Zeitreduungi gOMHi
im Jahre 284 n. Chr. — wurden nämlich die Japaner ndt dem 0^
brauche der chinesischen Schriftzeic bekannt nnd fetbrclteie
die Cultur des Nachbarstaates, die mals schon lange
Entwicklung gekommen war, um so sdmeller und aUgOBMiner
ihnen, als sie vor allen anderen ho iatisdien Yölkem gans
0 Otto Mohnik«, Dit Japaner, B. 4»— 79.
Dm IsMlrolcli dM OsUai. 205
U^fikhigt für die Aufuahme fremder Bildungselcmente erscheinen. Ihre
zanehmeude Bekanntschaft mit der Literatur der Chinesen, den zahl-
lo^Ji tbeokigischen und theosophischen Schriften, tthcrhaupt der ganzen
Denkweise derselben, blieb natürlich nicht ohne Einüuss auf ihre reli-
giösen Anschauungen und somit auch auf den Stnto, der sich
UUd unter dem Einflüsse des Systems von I..ao-tse zu einem
kfinstlich zusammengestellten Polytheismus entwickelte. Im Jahre 552
trat der Bnddliismus, gleich&lls ein chinesischer Ini]K)rt, auf und schlug
feste Wurzeln im Lande. Künste und Gewerbe fülu-tc man gleicli^süls
aus (liina und Corea ein, und gegen 470 n. Chr. werden Maulbeer-
bäume gepflanzt und die Seidenzucht begoimen. Auf die häuslichen
(jcbräucbe der Japaner und ihre ganze Lebensweise hat al)er die
chinesifclie Cultur ungleich weniger tief und umgestaltend gewirkt, wie
auf alle religiösen, wissenschaftlichen und theil weise auch politischen
Verliältnissa Hierher gehört zuerst die in Japiin viel freiere und
geachteterc Stellung des weibUchen Gesclilechtes als in vielen anderen
af^iatiüchen Ländern. Bemerkenswerth ist die Freiheit, welche jungen
Mfldchen zugestanden wird, und wie sie sich sogar das Aeusserste
erlauben können, wenn solches liur ohne Folgen bleibt, während die
verheiratheten Frauen mit Recht als Muster von Keuschheit und allen
wdblidien Tugenden gelten. Die JungfräuUchkeit, also dasjenige, worauf
die semitischen Völker bei ihrer Verheirathung den grössten Werth legen,
»t Air die Japaner im Allgemeinen ziemlich gleichgültig. Diese freiere
Steflaiig des Weibes geht in Japdn auf das früheste Alterthum zurück.
Von Gebräuchen, die bei den Japanern frülier bestanden, ist ferner
ZB erwähnen jener der Menschenopfer. Dieser Gebrauch im Allgemei-
nen gehört keiner Ilace und Völkergruppe an, sondern ist allen gemein-
uun and hat in den verschiedensten Zeiten und bei den verschiedensten
Völkern bestanden. Menschenopfer waren bei allen Culturvölkern des
AlU^rthumg, die Aeg}'pter vielleicht allein ausgenommen, *) eben so ge-
brinchlich, wie bei den damals noch barbarischen keltischen und ger-
manischen Stämmen. In Jajian traten sie in der Form freiwilligen
Selbstmords, des Ilara-kiri oder mit einem feineren Ausdrucke
S^^-puku ') auf^ der genau so in Ehren stand wie im alten liom unter
den ("Isaren.
Die ilänpter der Japaner in alter Zeit, die Mikados, waren
MW aJlena militärische Machthaber, und so lange der Kampf mit den
l'ni'inwohnem des Landes währte, erliielt sich auch ihre Macht In
jener Periode war es, dass man, wiewohl fruchtlos, versuchte, die Sitte,
die lx4ienden mit den Todten zu beerdigen, auszurotten; später ersetzte
•l llerodot II, 45.
*» Tster g«wiM«o UflMt&odea werden die Japaner dareh ihre Btaataein^iehiangwi
•.*€%, kMte oock som lUre-kiri geiwungea. Si'he Äutland 1M9 No. 47 8.1110 — 1119,
«<» Art dabei iblirbe Vorgang nach einer wahren Begebenheit der neuesten Zeit ao»-
T*^M^ beArbrlebea ist. Eine damit siemU<'h überein-«timmendR Sc' ilderung gibt
lleiarteb Freiherr von Hiebold in der H'irtter AbfmlitOBl 1874 No. ft:i; de^sgleichen
Kvpbeai« VOB Kadriaffeky in ihrem Buche: Jnpam. Wien 1S71. h*. 8. ftt— 56,
«■f Qmmä ekam edir aeliMieB j«p«aiackea lUnuecripte»^
206 Asien im Mittelalter.
mau die Mcnschonopfer durch Holzbilder. Nachdem aber die Erobernnj?
drs Laiuies vollendet war, Bank naturgemäss das Ausehen der Mikados,
(leren mau als militärische Anführer nicht mehr bedurfte. Genau das-
selbe hatte sich bekanntlich in Indien ereifijnet, nachdem die Ik^sitz-
ei-jp-eifung von Aryavarta abgeschlossen gewesen; und so wie dort die
Macht von der nunmehr minder wichtigen Krieger- auf die bis dahin
ziemlich untergeordnete Priesterkaste überging, so verwandelte sich in
.la])an der militärische Shogun in einen Priesterkönig. Es erstand der
Sintoismus oder Kami dien st, japanisch Kami no mifsi, d. h.
Weg tler Kami — (ii(> Verehrung von lieistern, deren leiblicher Narh-
konnne <ler Souverän ist. Diese Sint4>religion, wie sie im (liinesischon
bezeichnet wird, verehrt ein höchstens, durch das ganze Universum ver-
breitetes Wesen, viel zu erhaben und heilig, um es direct im (fel)ete
anzureihen und identilicirt, in ihrer älto*ten und einfachsten Form, den
Himmel Teiikn als Sitz der (iottbeit in abstracto mit der let^tpren;
sie beirt auch den liegritf von der Unsterblichkeit der Seele und ewiger
IJi^lohnung (nier Strafe. (l(egenstände der Verehning sind die Himmels-
kör j »er, di«» ElcMuente, sowie die Naturkräfte, die sclion sehr frühe mehr
selbständig und persönlich aufgefasst tind als (Jeister — Kami — an-
gebetet wurden. Auf diese Keligion gi'ündete sich die an Stelle der
Militärautorität tret^mde Sint4)theokrat.ie, welche später dem Buddhismufl
den Platz räumen musste. Mittlerweile waren die Japaner nach Art
der alten (tennanen 1mm der Besitzergreifung des Iknlens vorgegangen;
di(» physisch Schwaciien widmeten sich dem Ackerbau, die Starken
hingegen mieden jede Ar1)eit imd hielten sich dem Mikado zu Kriegs-
(li(»nsten Iwreit; sie wurden die naturgemässen Ik'scliützer der erstem
('lasse, die Vorläufer eines mein* militärischen als territorialen Feudal-
wes<»ns, <üis sich zu Gunsten einiger Machthaber entwickelte, welche
alsbald zu Herren d(^s ganzen liandes heranwuchsen.
Mit der V(Tbindung zwischen Thron und Kirche liegnügtc man
si(*b indess nicht, sondern sann noch auf andere Mittel, um die Sta-
bilität der Dynastie zu befestigten. In der Iit»gel ging die kaiserliche
(i(»walt erblich vom Vater auf den Sobn üb(T, obwohl eine Itestimmte
Voi*s('brift in Bezug hierauf nicht l>Qstand; unter dem Kinfliissc der
rhiiiesischen Ideen gelangte man nun dahin, vier kaiserliche Familien,
Hlii'shin-ipn, zu ernennen, welchen allein das liecht zustand, im Falle
(li's Krlöschcns der directen Linie, di»m Lande Monarchen zw gehen.
V\\\\vY ilnuMi iK^stAud eine ganz conventioneile Hierarchie von fünf an-
dern Familien, der (roftvhhai. Die ^Licbt der Mikados wunlc alhnfthlig
immer schwächer; beinahi» auf di(» klösterliche Abgeschiedenhoit flirw
Serails riiig<*eiigt, saluMi sie sich in den Händen eines intrigoauten
llufstaatrs, di^ssiMi eignitliümlichen Ubarakter el)en der identische Ur-
s])nnig aller seiner Mitgüinier bild<*te. Die Kiujch waren die SprOw-
linge sowohl der S(>it(*nlinien als die Bastarde von den zwOlf kaiser*
liclu'ii (oiicubinen, also iiisgesammt VtTwandt^» des Mikailo; sie bildeten
eine streng in sich abgeschloss(me Kaste, die als höchste Adclakhuse
den Vortritt vor den wichtigsten militärischen Anführern genow, and
Lmge hindurch allein noiii die dem Mikado übriggebliebenen Rechte
Dm iBMlraMh des Oitont. 207
ausübte, indem äe allen andern den Zutritt zum Monarchen verwehrte.
So michtig die MilitArdynasten oder Clanhftoptlinge in ihrem Districte
waren, so hatten sie doch keinen Zutritt bei Hofe, und konnten sich
daher der Regierangsgeschäfte nicht bemächtigen. Japan gewährt dem-
nach in alter Zeit das Schauspiel eines theokratischen Despotismus,
ruhend auf einer Schichte kriegerischer Oligarchie, ein Dualismus, der
in der ganzen Geschichte dieses Volkes wiederkehrt und in der Natur
6e» Naüonalgeistes begründet ist. Die Billigkeit erheischt hinzuzufügen,
das» die Herrschaft des Mikado eine väterliche, ])atriarchalische im
edekten Sinne des Wortes war. Uebrigens übte er seine Macht nicht
selbst aos; frühzeitig schon übertrug er sie einem Kwamhalu oder
ersten Minister, der allein die Decrete unterzeichnete.
Im eigentlichen Sinne war der Mikado, wie noch zur Stunde, der
wahre Besitzer aUes Gebietes im ganzen Reiche; in Wirklichkeit jedoch
entredcto sidi dieses nominelle Recht nur auf die Gokinai oder fünf
lYovinzen, weldie die Stadt Kioto umgeben; nur von diesen bezog der
Mikado die Abgaben in Naturalien, und sein Hof war weit entfernt,
im I^miis zu sdiwelgen. Das lieben war ül>erhau])t ein^h im alten
Japskn, and sehr viele Kuges mussten auf sehr bürgerliche Weise ihr
Brod gewinnen. Sie bildeten in der Hauptstadt jenes geistige C/cntrum,
in welchem die aus China eingewanderten Künste und Wissenschaften
ZBT ReÜR gediehen. Bmen fiel also nebst der religiösen auch die
iBleUectoelle Suprematie zu, und indem letztere das Privilegium des
Ha^Mlels worde, trog sie nur dazu bei, dessen Verachtung für die un-
wimendc KriegerkasPte zu steigern und ihn von dieser, die ihm bald
den Untergang bereiten sollte, zu isolircn. i)
Zm* Zeit, als das Ansehen des geistlichen Erbkaisers zur Neige
ging, raassten sidi die Feudalfürsten des Kaiserthums, welche nebst ihren
Unterthanen wenig Genuss und I'Veudc durch des Mikado Regierung
hallen, nach und nach eine absolute Gewalt in der Regierung ihrer
llerradiaften und Fflrstenthflmer an; sie traten in Allianzen zu ihrer
9i$eenen Besdidtznng und fingen einer wider den andern Krieg an, um
<bs ihnen wirklich zugefügte oder in der Einbildung erlittene Unrecht
zu riehen. In dieser Ver&ssung der Sachen wurde Yoritomo, einer
der anagezeidinetsten Cliaraktere in der japanischen Geschichte, vom
Kaiser znm Generalissimus und Heerführer einer zahb*eiclien Armee mit
anljeiirhrAnkter Gewalt bestellt, die Streitigkeiten l>eizule$9Bn und die
Kriege zwischen den ReiclisfÜrsten zu Inwendigen. Er hiess nun Sio-
t-dmi-Skogun oder „Generalissimus, der gegen die Barbaren fidit.^^ Es
iNt «her eine bekannte und durch die Erfahrung aller Zeiten bestätigte
MaiiBK, dass die mit (tewalt versehenen Männer gar selt^'n bemüht
Mnd, bei solchen Gelegenheiten die Unruhen wirklich zu beseitigen,
weh'hes die Geschichte des Yoritomo auch beweist, der bei einer so
und bequemen ihm in die Hände gespielten Gelegenheit mit
*) VgL Ocorgc Boatqaet, iW« m»tur» et U droit au Japon (Rernt dt» deujt
TMS 15. Jall I87&), «Ina treffliche Studie, welche ich mit lioraiiziehung mAontg»
«•lUgM IUt«rl*le 4l«Mai Abachniti« so Qroade lege.
den streitenden Penonen gemdaBCbaAltdie Satbe mulite imä itimA
sein eigenes Interesse emponabringen sndite. Nadi eiaem ndBJUiifi-
gen Kri^e machte er nide« dea Kaiser ran Regenten, mtügrten 4ap
Namon nach, während die wiiUiclie Hadit tn seiner efgnea Buil
blieb. Diese wuchs auch so sehr, dass «r Oeb tAfht Bor n»DadntdM
Macht in Entscbeidmig aller woiüicben Handel des Kiiseitem ■»
raasstc, sondern auch nach dem Tode des Ulkado toDo immrig JUn
herrschte und dessen Nachfolger dnen mächtigen Vomrand ni biatAllt
wagte. Ilierdurcli erlitt die Gewalt der geistlichen EtVkMiur ' ciHB
tOdt^ichen Streidi; ja naeh ¥oriti»no's Tode ging sein TiM irf iehMi
Sohn Ober.
Dies war der Aniang der Uacht der Bhogons oder'inMMM
Ilerrsdier, do^n Amt allmflhlidi als arhUchbetnrliiii \\\i\^]i: Di-imoi-h
galt der Mikado ünmer als im Beritze des kJMilgti>'li''ri Anx-Inii«-. <I-t
Shogun war Vicorcgent, durfte aber nidit oSbl ^'Icirlx- I'p>'lLtr lii-r
Soaveränetftt beanspracben. So blieb es bis tw Iit/hn Hsüfli- iln
XVL Jahrhondorts. Damals waren iwei BrUdir. MV xlinc«- do»
Y<Riti»no, Bivalon des Shogonamtes; die FDrstei )iruiti Pai-iiH. e*
entstand ein uener BOrgerkrieg, in dem beide l'vuu mliihn ^•fiiHlU't
wurden. Er endete damit, dass Nobnnga, Priik/ mhi omm. damals
der mächtigste -^tllrat des Beichee, sh des S^n^iiniiis l><'iiilb-hli|^
Einer seiner bedeutendsten He^fthrer war Hldi-Ynri fauch Hidc-
yose, Fide-fose oder Hijosei, d. h. Sonnoignt, u<'luirpti am I. Jait
1537), ein lüaa von niedüv Herimnft, der ■aliiius -.ih rfiTnlcknxcfat
unter dem Nfunen Fadba diente, dann ScMal w:i)il. sicli y.uia Oiier-
bcfeUshaber emporschwang und endlich, ab NohniL-u dan-h ilic lUnd
eines MeudielmOrders fid, den Thron dea Slxfiiii K-iior. I><>r er-
sclu-edite Mikado bestuigte ihn fai seinem Amt^ uml i'i' luilini den
Titel Taiku-Sama (Herr Taiku) an. Obwohl vahr <li'i"iii l..-.l.-ui.Mi.Ji-n
Manne die Macht der Wifc«il« immer mehr mm Sdiaticn hrrab^iaiik,
so stieg dennoch die Madit Ji^iArb; er nnterwari Vwm und war t-lien
im Begriffe, dasselbe mit China au thnn, ala ihn drr TikI im (>.t. I<cIm>iii>-
jalire abberiel
Zu Lebzeiten dieses grossen Shognn, gegn dir Milti' ilt-ü \VI.
Jahriiunderts, erschienen die wsten Enropäer ii .htiKin; rt>rtni;in-ra,
Francesco Zoimoto and Fernan Memli'/ Pinto, Anvn
l.Andsleule alsbald veisoditen, mit i «Ihm fai I UiiKli'lxvirlundonK n
treten und dch im Jahre 1564 in uaki, auf lU-r Itisel Kia-^iiu dn-
sttdliduten ~ unter den grOeaem d «nlsnben .\r('in)>i!U, tt-Msiinrn.
Bahl erschienen auch Uisslmäre du umde, geführt von i''iMri<'^->'ii>
Xaveriufl, und predigten die chfistliohe Ldire, wdrhc in liim iil-iriamitii
Volke rasche Ansbrätung bnd. Die: uiellen und iiin^rwartHi-Ti ijf-riK»
der frommen Patres setxlen die di lidie Web in Knitaaiu-iL Die
Eifersucht der Holländer, die auf inren Zttgen mwn i>]iaiiiM-)ir nmt
portugiosiüche Kolonien auch nach Jap&n gäromiiion waren, Iq^cfat«
iiiiless neben Mist^ffon der Portugiesen die Satin' ilat Clirintcjitlmui»
zum Falle. Im Jahre 1590 rottete eine 'n "' ' Vt-rfolguug dti
(liristenthnm wieder ans, und die Pw »i^hdi gum
Dm tiiMlr«leli dM OttsM. 209
an« Ja]iAn vortrieben, woIk»! die Holländer als Vcrgoltiinß der Vorfol-
Koiveii, «Ue 8ic von Allia und der katholischen IiuiiiLsition erlitten, den
Japanern HOlfe leiHteten.
Ah 1639 die Portugiesen definitiv aus Nagasaki verbannt wurden,
«etztrn «ich die Holländer (bisc^llmt fest, ol>sclion nur sielwn von ihnen
in I^ima, einer kttnstlicli erliauten Ins(>l in der Ikii von Nagasiiki,
Hn whr liesi'hränkte» liol^en fllhren durften. Alle übng(»n FY(»iiiden
waren atisge»rh]o8Ren. Wer Jaiwn ohne Fj-laubnks iK^trat, war dem
Tmle Tprfiülen, das I^and sellist wai' ein FeudiilreicJi im allerstrengsten
Sinne il« Wortes. Dies war (bis Werk d(»s Yeyas, Ftirsten von IJan-
dora, mit dessen Knkeltoehter Taiku-Sama seinen Sohn sthon in frühester
Kindheit verheirathet hatte, um «kulurch den miUbtiKen Vasall(»n ft^ster
an «eine Dynastie m ketten. Ihn cbirf man als den eigentlichen (Jesi^tz-
Wfhtr der Ja|ianer b<»traehten.
IHe errte Nothwendigkeit war eine ib'finitivi» U(»golung des Ver-
hihniweft zwischen Shogiin und Mikatb), dessen Macht Yeyivs zu einer
ÜMl nur religiösen henilNlrttckte. Kr yfu^ ihm seine ll4!sidenz in Kioto
anrli Mtjako genannt) an, während er s(>ll»st seinen Sitz in Yeddo auf-
*44iliig. In Kioti) wohnte der Kaiser in einem lN>scheidenen Si'hlosse
tnmitten ein<T von hohen (lebirgen unningten Stadt, zu welcher ein
rinziger Zugang vom Me(»re herführte. Diesen l)ewachte in einem
ft-^en (*astell ein fietreuer dva Shogun, der in Kioto s<»llwt unter (b'm
Titel eines (iimvenieurs einen IMegaU^n unterhielt mit <lem Auftnige,
anrb dfl*n giTingstcn (Ut Acte am Ilofc d(*s Mikado zu Uberwai^hen
ind rtn*nge Polizei zu ül»eu. Sich sell)st stellte <ler Sliogun zwischen
4^ KaiMT and die grossen Fembilherren, die Daimios, welchen der
AifSrnthah in Kioto untersagt war, denen der Mikado keine Ik'fehle zu
mbeilen, um denen er keine Al)gJilH'n zu iKv.iehen liatte. lk*r Shogun
y^tritt alle Ausbignn des kaiserlichen Hofes, kurz sorgte für alles,
ukm ab(*r dafür auch alle Steuern ein. Si'lhst die kirchlichen (ierichte
vmien vt»n Kioto, dem japanis<'h(*n H(»m. nach Yeddo verlegt, so tbiss
«4^ Mikailo der Monarch de jnro^ der Shogun aber der Monarch de
fneh, ward. Va^ ktmnte keinen Fürstc'u mit gri-ingiTcr M;u'bt g(4K»n
«!• den Mikailo. und M'ine Stelle würde längst eing(^^ang(>n sein, wenn
•fi^ JapaufT nicht so f(*st an ihren alten (Tcbräurben hingen. So gc-
liac en nicht, in den Augen d<'s Volkes die Vorurt heile ihrer lu"M'h.4en
Wttnif, Itangi^ und Heiligkeit ilrn Mikiub»s zu nuibcii, web'be mit fiu^t
ff-'ittlirlmr Achtung vi«rehrt wiinl4*n, m-Immi weil sie umTreii'bUir waren.
Mhrt ilie KvT(*in4*nte des Mikado galt<Mi als beilig: jrdt's (li'fäss das
•T fininaJ lN*nut/t, j<'<ieä (irwand, «bis er ciniiuil an<{elegt, wanl ver-
War die Stelir (bs Shogun <b*m kais<*rlielirn Hof»* gcgciiülMT be-
^-^igt. tult (-4 niiinni'hr sich die übrigen Klem<'nte des V<»lkes dieiist-
>*r /a nu«-b«*it Zunäi'kst mu<sten clic Feudalfürsten dir Miicbl ver-
Le.vn MrhaiiUch zu Hein. D^^sshalb verordnen die ,,llunilert (rcsetze^,
4w* inn j«.'der I^mio den Übrigen frenul un«l streng auf s<>in (tt^biet
bearftuninkt bleiU\ Sie durften also keimen Verkehr unter sich unter-
kahtf-n. nml wenn ihrer mehn*rc zugleich an den Hof l)emfen wurden,
« H«ll«ftl4, C«lUrg«MktekU. 9. AuA. 11. 14
21D iOm
so empfieng der Shognn einen jeden in emem i v taitha. AH-
jährlich hatten sie die Verpfliditmg, so einn bertPiMBtOT, tta^ >d«
besonders bekannt gemachten Zeit nadi Teddo ni Irniäfw, na das
Sbogon aufwarten; wAhrend ihrer Abmaenh^ maatm da ihet ffln
Familien als Geissein fai der ^nptstadt im Url-Iirinc Umrilftflifick
mahnt itiese Terpdichtong an die Sitte des franiOdsehen Adeli, tm
Hofe der Ludw^ zeitweise za e einen. War J«ds Vartteteg
zwischen den Fendalheiren ontereinani 3r nnrnflgiirfi genadd, m> md
hingegen die innere Solidarität des ( ob reepeäirL Die Fttdrtaa, lim
TasaHen oder Uni/iihm gegenQber nem Onmdhemi wcfdoi almg
voigezeidineL So gemesst in i FUntenthnme dff DtUo alM
anKiiglich b^renzte, dann aber - mehr sidi erweit^nde AirtariHt.
Dieac kleinen, naheza nnabhfl i Dynasten eriioben StOMra vtA
ihrem Gotdanken, erliessen G e, errichteten Tenqtd, vsnAoD. Ha(M
an ihren HerrenbOfen, übten • Pc , veriangten nnd eririettfla usk
Ton ihren Üntertbaoen einen uni imi Beqiect, amgabaB rieh irit.
einem wahren Hobtaate ond einer ai lee von Getirönen, md, Ja M^
dem ne müde oder grausam, fOllten ie ihr Land mit Bi^"ii gdv
aberbftoften es mit Wohlthaten. Die ( »chichte btw;irii-t i!a^ Andenkai ii
an mandie Hissethat dieser feudalen Gewalthaber, im allgempinen jcdodi
wirkte die Madit der Dfdtnios nur wohlthfttig. Unter ihrem Sdiuti«
gediehen die K&nste, wie in Hellas unter den Tjtudugu. ')
UntCT den DumioB und auf ihre Kosten 'cbtc eine kiciuc, aber
zahlreiche, mit wtcliligen Prlvil^ien i isgesUttetc Arislokrutie, die so-
genannten Soniuraf*. Sie hatten Etedit mn Si:hwcrtor zu tragen,
waren vom Volke durch eine unui» Ivlldliaic Kluft getrennt nnd
durften, wie der Fdnt, neben ihrer iümen EYuu liint! Mehak^ i^Con-
cubine) baltea
Noch viel tiefer unter dieser begOnatJgtdi Adclakatf^orie «tand
das in mehrere Clasgea oder Kasten*] (Bauern, IIunilwiTkcr, KrAmiTJ
gctbeüte Volk, dne nitergebene und gdiorsame Hoorilc, deren Wohl Aa |
Gcsetzgebw der w&rmBten Beaditung empfiehlt, von der er ab»- d&für i
blinden Gehorsam beansprudit Volksredite krant das jätnoischc Gcwa i
nicht „Gdiorcbt^, spricht es zu den Niederen, „BaFdjlet nur Giites"^, spriciitJ
CS za den Grossen; darauf b i 1 mch die Weisungen der Hnndai^l
Gesetze. Wie gross aber an m < x Theorie der Despotismus difl
PrivOet^rten sei, er wird i ui bgeetiniiBt durch eine bcdeut«nj^|
Milde der Sitten, wei is i a alten Adt>I. Die Unt«rgobeij^|
mit Hoflidikeit tind Gute zu I un ist aDerwäru eine jener aHil^|
') aisbt bliTDb«r dM ipaBUnda W«k tna A. Illir.irJ Ta.tn >/ «U ■*'««^|
LaudsB 1811. S'. 1 Bilc, neb 1b traVlKbn voi J. O. K«t i b«-ur|Iu <l«iUch« V<%«^|
trk(Dii|: OnehlMn ■■> AU-Jfmn. L*lpll( ISIt. S*. 1 Uli. ^H
«)•■ lit, dM* UBb In JapiB, flalehwli Hlsb« bal tu ■»••etbjiLb dtr KwUnliiUti^H
IclwBda Parlu de* brilmiiBlMliaa Indtn dar TaU lit, •!•• VallLx^luu buUbl. tf ^^|
■ItaT OanaiBaabafl nlt dn «brlc«B BcTAlkn^ iUB iiburt •■»!• ^^|
baltnwlrd. KtiiaA Um il* JMm aiM MtrU. la MahBlk«|^|
ÄMtUt tSIl. Ni. 10. & WT— TOOJ ^H
Dm toMlreteli d«t Ostens. 211
mtwdien Tngei en, deren Geheimniss den Emporkömmlingen ver-
dilowen bleibt Diese beiden Lebren von so bober socialer Tragweite,
fer G^iorsam der Scbwacben und das Woblwollcn der Mäcbtigcn, finden
hren Tollendetsten Ausdruck in dem Yolksunterricbte, der nirgends
verbreiteter ist als in Jap4n. Aucb bier erbob sieb eine uuübersteig-
idie Sdieidewand zwiscben Patriciern und Plebejern. Nur die esteren
Inrften durcb die Bonzen in die Gebeimnisse der beiligen und profanen
Jteratur der Cbinesen eingewcibt werden, so dass niemand die Hoff-
luig hegen durfte, sieb aus einer Kaste in die andere erbeben zu
iteaen. *)
in allgemeinen Zttgen die mittelalterlicbc Gesellscbaft in Japan. ^)
*) Priedr. von Bellwald. Düt modemt Japan. (Vnttrt Zeit, 1876. I. Bd.
.)
*> Znf fanaasren Oriaatirang Qbar«us empfeblenswerth ist die treffliebe Schrift
•• Bvpbeaii* Yon Kadrlafftkj. Japan. VUr VortrULg« neb$t einem Anhange
OHginatpredfffen. Wien 1874 8\
U*
Beligiöse und geistige EntwioUniig
des Mittelalters.
Enropft's Bflden.
Jene meiner gOtigen Leser, welclie mit nciliiM ilcn ltiH)irrig«ffl
AnsttihTTingen aber das Wesen drä germanisch gi^'wdnlencn AlM-ndlaukil
gefolgt sind, werden üch selbst sagen, dass die IteküiupfiiiiK il<n Ii>ttm i
den damaligen Anschauungen zaG^dge eben so naiuriii'mlLs« ku wie '
jene der Heiden. Idi Terweise hierbei auf das tul.L'sJidj iIit RdiKions-
kämpfe Bchmi Gesagte: die subjective, nkht ilji' nhji'ctivc Wuiirhcit
ist es, welche zu allen Zeiten die Henaehbeit U^wegt, uikI in ilirem
Wesen U^ es, dass sie erst ^ Ueren OpiK-mtiniicn lUs wklif,
d. h. als Irrtbnm erkannt wird, aus liedrigen Ciiltui-atutcn i«t es da»
Fcid des Glaubens, der lU in, wo der Kaiijir um die tiulijt^ve
Wahri>dt am heftigsten tobt; ' ir&lzt er lieh auf äa» In-bict dcr
Politik und zukllnfUge Zmten werc dies vidc^iclit ebenso WlAdidn
und onglSnl^ finden, wie die ( rt die rdigiöse Verbh-ndonff Aei
Vorzeit; woftlr ädi dann die Hen u it sdüagsu wird, ist am veriiOUli
sicher ist nur, dass auch dann tat ehernen NalurKoseUe zofolgo ge-
kämpft, gerungen werden wird.
Der Kampf des christlidien Ab Uandes gingen den Islam \enB-
lasst zunAcbst durch dessen Si i i!Qropfiiadii:iii Il»<ic-ii, wur xifrA
ein Kampf der Notiiwehr, der b t albdd]gaii!i; g>^cn die fruadm
1'lindringlinge; noch vor Karl d. Gr. h tten die itri^^ika l'rankc'u troti
ihrer geringeren 'Cultur die aemitisdi Anber luix GtLlJit^n vmlrätiyl
und selbst die spanischen Gothen &ndeu in dnii iLiiuri'ichcn llcrgcn
einen nie flberwUtigten Hort Von hier aus fUirli-ti sie ,litlirliu>i< Irrte
lang einen erbitterten Kamp^ der endlidi mit Aiintnibuiig der Fn-mdpn
endete. Zweifellos standen die eh id»n Güllu'ii ilnii älaurt^n au
Gesittung weit nach, und > sie «Uefa an Cultur K-:«aNW». yex-
dankten sie nicht zum gern I ii öle den ItcrUhi'uugcii mit dm
Ki-bildetcu Feinden. In den n len Staaten wll»l fmut. Irnl« du
rcligiAscn Antipathie, durch i n'ei i nn' e VcniiiM'liuni]
so weit statt, dosi die apanl* m WortAcliatM
Xitrop**t SadM. 213
nd Satzfaane nodi die deutlichsten Sparen dieser Berührungen trSgtJ)
[an verschmilht mit Unrecht, den Einfluss des weiblichen Geschlechtes
D beachten, welches im grossen Ganzen mit Beiseitesetzung der Feind-
^lalt unter den M&nnem seinen natürlichen Tiieben und Ik^gicrden
phiirrht. Auch wenn die simnischen Literat urdenkmalc nicht davon
lU wftren, Uetlürfte es keines Beweises, dass manches Christenmädchen
inade fand vor den Augen des andalusischen Moslims, manch feurige
famin (his Flehen des stolzen Arragoniers oder Castilianors erhörte.
n d<'n Umarmungen sinnlicher Liebe ward der Völker- und GIaul)ens-
ntfTM*hicd aber nur für den kurzen Augenblick l)egraben, um dann
rMer als mftchtige Flamme emporzulodern. Natürlich wogte in der
Agen Frist der Kampf mit wechselndem Glücke; im Allgemeinen kenn-
ndint't sich seine Geschichte durch das allmählige, schrittweise Vor-
Icken des christlichen, roheren Elements und der damit verbundenen
orQckdrftngung und politischen wie staatlichen Schwächung des an
ahar üf>erlegenen Islam. Es nützt nichts, in ohimiächtiger Verdrossen-
rtt üIkt diesen natumothwendigen Gang der Ereignisse, die christ-
rhen Helden jener Zeit des romantischen Schimmers zu entkleiden,
ffjfiiit die Sage späterer Epochen sie umwoben; ob der Cid ein edler
leid <Kler ein gemeiner Itäuber, ein treuloser, wortbrüchiger, feiler
cbelm gewesen, ist culturhistorisch gänzhch bedeutungslos. Wäre eine
ynfiiiig für so entfernte Zeiten möglich, würde sie vielleicht uns
andirn der homerischen Helden als einen al)gefeimten Schurken
pifCen. Ihre culturgeschichtliche Bedeutung würde dadurch nicht Ik?-
Ilnt. So galt denn auch Cid Cnmpeador als das Prototyp persöu-
Tapferkeit, persönlichen Muthes, nämlich jener Eigenschaft, welche
Clirwten im Kampfe gegen die überlegenen Mauren vor allem
OCldg war. Dass ihnen zuletzt der Sieg verblieb, lehrt, dass eine
Olipre Cnhur an sich kein Schutz ist im Kampfe mit einem roheren
; die (liristen in Si)anien besiegten die Araber aus den näm-
(f runden wie die Germanen seinerzeit die alten Homer; die Cultur
fT Römer und der s|)anischen Araber hatten vornehmlich jene» Eigen-
iMÜleti gezeitigt, welche zur Behaujitung der Herrschaft unfähig machen.
Pir n>lM»ren Stämme hingegen auf ihrer tieferen Stufe entwickelten
orrdididi j^ne Tugenden, die zum Kämpfen und Gebieten unentbehrlich.
o war denn «lie Befreiung der iU'rischen Halbinsel vom maunsclu*n
ofhe - d<*nn ein solches blieb die muhammedanis<'he Herrscliaft trotz
im* Tielfiu-hen Cultursegnungen für die immense Mehrzahl der B(»-
Olkening und ward auch als solches empfunden — (bs imtürliche
>|94ni]sw der Culturentwicklung Innder Volksstämme.
*) Ifm0tirm ri€a ttmgmu d«h§ tomto d la arahtga, no §olo en patahra» tino en fnoilit-
mti, frm99m jr U€mci9m99 mttd/^rUai qm§ pufdt mtrar§* «m «t/a partt eomo um diahcto
mijmmim40. St etirtc p txprttiom dt la Cr6mica geHeral ilt Von Al/nnto X., et
4H ramdf Imemmar, g mtgumm^ Mrmt obt-a» Jet In/amU Den Juan MaHmel, como Im
4» Utirmmmr, eHdm tn HntAxi» mraViga ; p wo lo$ fafta aimo tl nonido moterial
t tm9 pmtmkrmt pmrm lenerimg for pbro» t$erita» §n mwy propHa lengtta Arah<. «A. Cond «>,
EMr#n« d9 f« dmmttmmei^» dt tot Ärmhe» tm Ktpmita. Tom I. c«p. XXIII.)
214 HcligiöKC und gniMigo Entwicklung dea Mittelaltart.
Viel früher als in Spaiücii trat das Ende der Araberherrschaft in
Sicilion ein. Die Normannen waren es, welche auf ihren aben-
tcuorndon Fahrten auch nach Unteritalien gelanti^en, d(»rt die Herrschaft
der laiigobardischen Herzoge vernichteten und uadidem sie sich zu
Herren Süditaliens gemacht, auch Sicilien erolKTten. Wir lernten die
Normannen als die kühnen Segler der nordischen Meere kennen, als
sie noch im Banne des Heidenthumes lagen. Einen Wendepunct ihrer
Geschichte bildet ihre Ansiedlung im nördlichen I'Yankreich, das sie
schon früher so oft mit hnasionen heimgesucht. Hier nahmen sie das
Cliristenthum an, um alsbald dessen Vorkämpfer zu werden. VorQber-
gehende Züge führten die Normannen bald zu Lande nach Spanien,
bald an der Küste vorüber an Lissabon und Sevilki, das sie gelegent-
lich ])lünderten. Andere Hessen sich auf den Azoren nieder, noch
Andere waren am Senegal und Gambia thätig. Am folgewichtiggten
bleibt aber ihr Erscheinen in Unteritalien und Sicilien, wo wir den
Normannenkönigen, von den Püpsten begünstigt, in Kürze als I^efaens-
trügern des Stuhles St. Petii begegnen. Diese gennanischen Nonnannen,
deren Kopfzahl höchstens P^in Trocent der von ihnen beherrschten
Volksmenge betrug und ausschliesslich aus den höheren Classen der
Feudalbarone bestand, waren und bliel>en in Unteritalien eine mili-
türische Colonie inmitten eines fremden, durch mannigfache Natura und
Volksunterscliicde zerklüfteten Landen. Isomer, Griechen, Ijangobankn,
Araber, alle mit verscbieden<»n Sonderint eivssen und Kechtsüberliefer-
ungen, waren dort nach und luich bunt durch eiiuuider angesiedelt und
um eine leidliche Einheit herzustellen, blieb nichts übrig, als sie aDe
mit dem lockeren Netze des I^ehensverlwindes zu überziehen. Was mn
diese Nonnannenherrschaft auszeichnet, ist ihre umfassende Toleranz in
politischen wie in religiösen Dingen. Auf Sicilien wohnten Moslims,
Crriechen und Langobarden *) friedlich neben einander unter dem
Schutze der normannischen Fürsten. Dvtr griechische ErzbisclMtf Ton
Palermo wurde in der Ausübung seines Amtes nicht gehindert, doch
scheinen die Gri(^chen sich an der Politik nicht betheiligt zu haben.
Ihr PiinÜuss machte sich vorwiegend auf dem Gebiete der Kunst geltea
Nicht blos die Kunst der Mosaik, auch die heilige Sprache der Le-
genden und liistcn war griechisch. Etikette und Costümc am nonnftnnh
scluni Hofe waren genau jenen in (Vmstantinopel nachgebildet und
(Jriecben k'sorgten die Verwaltinig der P'lotte, lieferten ihr die besten
Admirale. Noch weiterer Toleranz hatten sich indcss die Sarazenen
zu erfreuen; Anfangs freilich war das Loos der Besiegten mitunter cta
liartes, l>eson(Iei*s dort wo die normannische Eroberung den GriedMi
(ielegenlieit l)ot, ilnvm Jalirhunderte alten Hasse gegen die islftmitisdiea
IJnlrücker Luft zu machen. Ein grosser Unterschied waltete noch
zwischen der Hebandlung der Stildter und der Ijandbewohner ob, welch
letztere meist in die Stellung niedriger Leibeigener herahgcdrückt wurden.
liald alHT erkt^inien wir in den Vorgängen auf Sicilien eine neneriklie
IJestiltigung der Heobaclit ungen ülwr das Einwirken einer höheren Coltar
*) Um den Aetna herum w«r eine grosse LangobAfden-GoloBio Mi(«tl«d«tt.
J
Bwopa^t Buden. 215
nf niedr^tere Stfimmc. Die normannischen Eroberer Unteritaliens, rohe
seefiüirer, noch vor Korzem tief im Heidenthum befangen, kernen zum
nlen Male mit der glänzenden Civilisation der Sarazenen in BiTillirung,
lie sie blendete, wie die römische die (iermanen geblendet hatte. Auch
ie be^rebten sich zu erhalten, nicht zu zerstören, auch sie nahmen in
brer Weise die?c tkberlegene Cultur an, Graf Roger, der »oberer,
tetog den Kasr , die arabische Kesidenzburg in Palermo und duldete
licht« dm irgend ein Moslim das Christenthum annehme. Arabische
^pnuilie in den Diplomen, in der Inschrift der Münzen, in der Dich-
■Bg, selbst das Datum der Hedschra ward beilK'haltcn und sogar das
breiittleben. Der König besass keine treueren Diener und Soldaten
is die Sarazenen. Noch Finde des XII. Jahrhunderts sollen die Wezyre
dmI Kimmerer, Kegierungs- und Hofbeamten Wilhelm des Guten
tfahainniedaner gewesen sein; der König las und schrieb arabisch und
B armlnscben Style fuhren die Normannenkönige zu bauen fort.^) Diese
!?eigaiig für die aitibische Cultur scheint von den Normannen auch der
levtsche Kaiser Friedrich II. geerbt zu haben, der von Mutterseitc her
loniilJinisches Blut in den Adern liatte, und dem Sicilien Geburt sstätte
omI zeitlebens die eigentliche Heimat war. Nie hat die schöne Insel
nen so reizvollen Anblick gewährt, als in dieser noniiünnischen Zeit,
HO die Schöpfungen und Denkmale weit aus einander hegender Zeiten
ind Völker auf engem Räume sich fiiedlich begegneten. Die Bau-
diitifi^eit der Normannen lehnte sich zum Theile l>ei Villen und Palästen
ui den Styl der Araber an,*) anderseits verstand sie (»s, die vei-schie-
leBen Elemente, die sie vorfond, zu einem neuen Ganzen mit glän-
loider (tCüammtwirkung zu verbinden. I lateinisch ist die Grumlfonn
ler römischen Itosilica, griechisch das Vorherrsi'hen der Kuppel und
lie Mocaikverzierung, arabisch die Arabesken und der Spitzbogen, der
Ibrifcens bald auch anderswo in die christlichen Bauten aufgenommen
md nir Gnindhigc eines neuen Styl(»s erholn'n wurde. Im Allgemeinen
Int sich sagen: in Kunst, WisscMischaft , Gewerl)e, (uhur und Philo-
topUe waltete der Orientalismus, der Kinfliiss d<*r (Jri(chen und AralxT,
rar. in Krieg und Pohtik siegte das I^it(>inerthmu. Obwohl nun die
(resittung s<'hon frühzeitig im unteren Italien auch \m chri.st-
Bewohnem iK-fruchtend und bildend wirkte, wie aus drm früheren
KBM«*ben me<iici nischer Schulen zu Monte Tassino, wo der iKTühinti;
IbtaiHi Konstantin schon im XI. Jahrhunderte lehrte, dann s]iäter
■ Sttlemo und Ni^ajK'l henorgeht, so bli(^lM'n doch auch hier die Folgen
Is Eingreifeas eines fremden Volkselementes, wie des nornianniM'tKMi,
Sie äu.**serten sich in einem allgeni<*inen Sinken der Cultur
Vergleiche zu der von den Ai*alx*rn erreichten Höhe. Unter den
*> Jollas Braao. A.a.O. 8. 8S3.
^ Wir b^titten die hohe Autoritit Ainari*n dafür, dnM koin einzigem der noch
i«rt»h#«4«*fi wichtigeren Hauworke auf hicilirn mit Slchrrh<>it aun der Zeit der mnuri-
wWa ll»rr«^haft «tammt. Dennoch tragen die gronnrn Monumente einen wesentlich
«raacr.t«-hrn Charakter. Die Normannen befahlen die Bauten an, aufgeführt wurdeo
I*« %h*s v««a Arabarn.
316
B«II(Um mat («Ml«^ ■BtVhkU>s dw WIUlUlM».
Nonnannen. anf SidUen wurden nnr _.._ _
Toede geetammdt, wiaa die ttaUeniMbe Ij idt u iduiSi ti^mr-
ecits wurden die Konnunen eifrige Yenreicr oer niiiiitHrfcni
und InstlIntJonen, Lehemtriiger und AnhAnger des Faiäta^
AnEprflcben sie ihrePclitik genan in £3uiei^t^iiiiliii>- /.u -it/
Sie leiteten in den Kflmpfen mit den Suu/itiih die Kix
und in den Beihen der Xreuifiibrer tr Een wir sie als Y<irk3ni)AT
ünwillkfiriich wendet, bei Erwllmu ig der Kreu/zttgc, der BIkk
nadi Osten, nach dem byzantinisonen Kaiserreiche, wo!
mebr denn irgend eines von dj YOlkerflui)] des Miltclallpn in
leidenscbaft gezogen ward. Zw
ostrOmische Seich !
' S Ui cteii j
1 qnu 9 in al
1 I - T t bewaorte C
H> wie bis m :
elemenl«, m gutem wie in schlecni
gelten.
frühen MiUdaHer c^
) m CSttureller IliuBichl Eorof«
Go alten Bfinierreiche berra
biBdran als dessen Nachfolger i
Dm viele, jn die uidstcn Ebiri'
Falk- eiuo Fülle reicher CuJt^
Sinne. 1)1 Itjvaiix tjinmte ('
Autokrator (Kaiser), weldter mr deii uumittelbaroii
der rOmisclien ImperaJOTen halt onrfte mul, da dan GiristenUiom
directe YeigOtterung wie bd jenen nidit mt-lir /tüii^, wenigstens
verherrlidienden Titeln sdimüdien li i. Die uiedri^e Kriedieiä
Byzantiner vor dem Panhyp^raebaitoa ist iiidil srhliiiiiuer als
Gebahren der ROmer, welche ihre < -en unter die Gatter v<
dem Cftsar am Framn dncn Tempel muteai mul ilatieU-n (-4
divua AntoninuB und der Faustina. Den Euiver zu liya.ia ui
Tollkommen geordneter Hofstaat, und das osti-OniiMtrlie Reii^h
nee iDotJerncu Staat«
. >etail» iiaL'li nueJi heute gQU^
es, ihj^ Byuuiz uUeg ? '
diente', nieht aiu wcnigiiten i
le flu- eigene» bliuit«wON>n m
modtllen. Nur durin offcnbai
lib der Ity/niititiei', dans %
liübeii vermochten.
schon von allem Anfimge an das B
dessen Verwaltung bis in die klei
Bc^riff^ eingeriditet war. So g
Staalsgebüden ^dchsam zum 31
wir wissraL es — den Arabern, we
grossen Theile dem byzantin
eich noch Sa niedrige« Entwicxn
Erblidikeit in der Thronfolge sidi ni m e
hatte schon die Unbestimmtheit der rjbfblge im weirirötolü'cheii ReiGl|j
unsägliches Unheil gestiftet, und eine gleielie Wirkung buswrte
im Osten der Mangel an StabiliUU der ober^^ten Spitze, bn Uel
war aus dem ostrOmischen Bekfae ein griechiselies i;ew<>riten, m\A
zu Ausgang des VI. Jahrfannderts Griei^liiKrhe als ^Vmtsipracbc
Stelle des lAteinischen trat Doch d )te da^ GriecIieiiUiuiii
nur das berradiende Elonent, keiQ< 3gs lÜv }\asiff der dem
unterstehenden Volker. Die Gr \a B}-/atiz bofaudoii sich
in ähiüicher Lage wie in Axx ueg wart di'' ÜKiniUicn
Staate. Die entschiedene UinoritAt dend, «h-Uekteu dennoch
dem Reiche und deiner Cultnr ihren dgenartiin'n Siemjx!! auf. S]
üKaia
I damM
.. ««w. «r
Earopft*« Sttden. 217
wie beate die Tüikei, war das byzantinische Kaiserthum ein
Xarionalstaat, sondern vereinigte in sich vielerlei an Idiom und Sitte
vendiiedeDC Völker, welche aber durch das Medium der griechischen
SprBcbe mit einander verkehrten. Diese war wohl noch die altgrie(;hische,
doch voUzog sich zwischen dem Yll. und XII. Jalirhuiiderte eine Zcr-
selzung, ans welcher das Neugriechische hervorging. ^) UnläuglMir
ward dieselbe veranlasst durch die zahlreichen, fremden, ethiÜKclien
Bestandtheile, welche in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends die
HAmnaltoder Qberflutheten und mit dem hellenischen Blute sich meng-
ten, liier stehen in erster IJnie wohl die tlinbrüche der Slaven, welche
iBUBer weitere Gebiete des Kelches besetzten und dassell)e zum Theile
slaTisirten in so ferne, als sie selbst in Byzanz zu Macht und Ansehen
gelangten, ja sogar auf den Kaiserthron sich em}K)rschwangen. Dennoch
Iftast och daf^ einstehen, dass die modernen Griechen, in ihrer (ie-
i«niDitbeit betrachtet, ungeachtet der Zersetzmig mit liarbarischen und
jangeren Volkselementen, ungeachtet einer frühzeitig nachweisimren,
tdt dem Ermatten der nationalen Kraft in den Jahrhunderten der
byzantinischen Verwilderung zunehmenden, zuletzt mit der Aufnahme
von albanesischen und walaichischen Ikwtandtheilen vollendeten Sprach-
verderbniss dennoch in Physiognomie und geistiger Anlage „ihre Ab-
fltamraung von dem alten Geschlechte nirgomLs verlüugnen.^ Als un-
betstreithar richtig ist die Theorie von der Slavisirung der (iriechen
höchstens f^ ein sehr enges Terrain anzusehen. ^) Allerdings gestatten
die oncrliörten, das innerste Mark der Geschlechter verzehrenden Um-
wibEWigen, die selbst den Namen der (iriechen zu tilgen dn)hten, „keinen
Vergleich des ncnhellenischen mit dem altgriechischen Volke.^^ Sein
lieiKt and die aiterthümliche Bildung suchte und fiand auf fremdem
Boden, in Italien, eine StAtte. In Griechenland selljst erinnern den
■nfiui'Asunen Beobachter nur gewisse lk?ziehungcn und Merkmale der
aLpQelaaienen CnHur, gewisse Aehnlichkeiten in Sitte und Brauch, Kigen-
thflanlichkeiten des Aberglaubens und des populären (ilauliens, die in
*) I>r. Rttdolf NieoUi, OfehichU dtr ntugritehUchtn Literatur. Leipsig 1876.
H. »!■ lf«UpUaii«n, !■ Moininfttiv«n auf a, in Abtvcbleifong und Verkürtong der
ifKB, U Synkop« ood Aphiras«, in OleiebgOltlgkeit gegen den Gebrauch dar Tem-
Modi, ia AvfkabiiDf der Catusreetion , besonders in Pripositionen nod der
Y«%«lb«lMt«Bf , ia fedahntar Wortbildung, im Mangel an Partikeln und anderen
■akliM^a» Marksalen kOndat sieb der Beginn des Keugriechificben an. Aus welchem
DUt«kta aa sieh harantsubilden begonnen habe: ob aun dem iolischen, wofür man die
Aamfraab« der Voeale und Diphtongen geltend machte, oder aus dem üolo-doriechen
m4m 4«a OMÜlcdoBlaehaB Dialekte, ist eine mOesige Forschung. Lakonismen und lakonische
kat »aa Im Dialekt« derTschakonen nachgewiesen, mundartliche Eigenthümlieh-
aa4 aralt« Aaadrftcke bawahrea benonders Kreta, die Maine und einige Kykladen.*
XmIi Kavaailaa aad Thaod Hjrgomala's Berichten waren mehr als niebtig Dialekt«
aaa imt frtaahlMkan Sprach« herTorgegangen , darunter von allen am verderbtesten das
IdkiM dar — Athener, ein wahrer Augiasstall für den nachmaligen sprachrcinigenden
Eiftrr «Ina« Korab!
*> iSlah« darfibar das ansltthrliche II. Kapitel von Gustav Friedrich Hertberg,
CesrÜf*!* GHeek^mlmmdg §Ht dem Ahtttrhen dt» amtilen J^hen» hh tttr Gtgmmrart. Gotha
in a* 1. Thcii.
218 Religiöse und geistige Entwicklung des Mittelalten.
Hireii Gnindlagcn auf das Altcrthum zurückführen, Sprüchwörter, Mähr-
chon und Lcjjjondon, dass er einem späten, aus der Art getriebenen
und neubofruditcten Nachwüchse des alten Ilellonenthums sich gegenüber
Ix'fiiKlct, der das Slavische his auf Worte und Ortsnamen ausgeschieden,
dag('gou das albanische P^lement allmähh'g an sich gezogen hat
Unter den Culturleistungen der byzantinischen Griechen stehen
ihre Verdienste um die Recht8i)fiege zweifellos obenan, von noch weiter
reicliendpin, dauerndem KinHusse sollte die SiMÜtung sein, welche sicfa
bei ihnen in der christlichen Kirche vollzog. Der Herd dieser Streitig-
keiten, deren innere (ieschicbte für uns jeglichen Interesses entbdu%
war Constantinopel, wo schon 482 n. dir. Kaiser Zeno durch sein
IIvitnftkoH Anlass zur ersten Trennung gab. In das VIII. Jahrhundert
fällt der langwierige Bilderstreit, welcher die 519 vom römischen
Bischof Hormisdas erzwungene Wiedervereinigung beider Kirchen von
Neuem auflöste. Als nämlich im YS. Jahrhunderte das Christenthnm
Staatsreligion geworden, kamen in den cliristlichen Kirchen Bildwerke,
Malereien und Kunstverzierungen allgemeiner in Gebranch als zuvor, wo
die christliche Kunst in das Dunkel der Katakomben flüchten mosstc.
Ks bildete sich (Tle christliche Symbolik aus, zugleich aber, als die
Kirclienlebrer sich dem Ileidenthume immer mehr anbe(|ncmtcn, als sie
den Uebei-getretenen immer mehr gestatteten frühere Gebräuche in
üussenr christliclien Form beizubcihalten , wurde die Bilderverehnmg
immer üblicher und artete, besonders im Morgenlande, in MLssbraoch
aus, indem man Bilder und Statuen behandelte wie die Heiden ihre
(lötzenbilde. Gegen solchen sich sehr natürlich entwickelnden Unfug
eifciien nun manche Kirchenlehrer, welche in Byzanz mächtigen Anhang
fanden. In dem daraus hervorgegangenen Kampfe zwischen den Ikono-
ki asten (Bilderstünnem) und Ikonodulen (Bilderverehrem) st^te der
römische Pontifex sich klug auf Seite des volk.sthümlichen Missbraadies,
der eine ganz allgemeine religionsgeschichtliche Erscheinung ist und anch
im Oriente endh'cb den Sieg davon trug. Inzwischen hatte das orientalische
Cliristcnthum innner concretere Formen angenommen, unter welchen es
bau])tsii('liUch im Osten Kuropa*s Verbreitung fand. Als es 1054 zur
blrilNMiden Trennung der orthodox-griechischen Kirche kam,
wdch(^ blos di(; BescliIUsse der sieben ökumenischen Concile, nicht aber
di(* s])ilt(T auf^okoinuHMien Satzungen des Katholicismus, namentlich
nicht die AutoritiU des Papstes anerkennt, stand diese längst schon
als (?in Ix-sondcrer Zweig des Cbristenthumes da.
Auf dem Boden der Kunst trat Byzanz an die Stelle der alten
Koma, al.s Ausgangs))unrt der neuen Kunst, die desshalb mit Recht
nach ihm gr>nannt wird und die wir an anderer Stelle im Zasammen-
lian^e mit d(T allgemeiiKMi Kunstentwicklung des Mittelalters in's Aoge
fa<s(Mi wollen. In Byzanz war auch sicherlich die grösstc Gelehrsamkeit
im Mittelalter anf|i^(\si)eiebei*t und eine lange Reihe von Schriftstellern,
darunter die Historiker kurzweg als „Byzantiner^ l>ekannt, ') legt ZengnisB
*) Ein i*o gpwirgter Kenner wio Dr. A. Mordtmann sagt TOn den byaanllBla^M
Cic^chichtschrcibcrn: hDah byzantiniüche Mittelalter hat keinen Herodot, kelato Xl
DI« KmobsUc«. 219
rem ah, öm» da Geistesleben noch rege, wenngleich die Zfigo eines
ernden Volkes, die zunehmende Geschmacklosigkeit und Enge des
ndrtakrases mit den fortschreitenden Jahrhuniierten immer deutlicher
m Aosdrucke gelangteiL Die specilisch byzantinische Literaturiienodc
ginnt mit dem VIL Jahrhunderte; zur gleichen Zeit und kurz darnach
twickHte sich aber eine reiche Yolksmuse, die in dem mittelgriechischen
lÜBcpos gipfelta ') Den Stoff dazu lieferten, wie auch später, die
Menkimpfe gegen die Ungläubigen. In einer Epoche, welche weit
iter den Kriegen zwischen den Anuatolen und den Tarken, zwisclien
n Snlioten gogen Ali-Pasclia liegt, begegnen wir dem Kampfe ent-
Bdty nicht zwimrhen den nämlichen Völkern, wohl aber zwischen den
nlidien Glaubensbekenntnissen, dem (liristenthum und dem Islam.
T einzige Unterschied besteht nur darin, dass anstatt Gewehren die
reifer sich Lanzen und Keulen bedienen; statt die weisse Fustanella
tragen, sind sie in Bronzehemden gekleidet; statt Türken und (iriechen
heissen, nennen sie sich Byzantiner und Sarazenen; endlich statt am
ndus, <>ssa, Parnass oder (H>inp, spielen sich die Kämpfe in den
lenen Kleinasiens, in den wilden Schluchten des Taurus und an den
nn des Ku])hrat ab. Und man vergesse nicht, dasn wir hier nicht
r einem einzigen Gedicht, das etwa eine glorreiche, aber isolirtc
»Identhat feiert, sondern vor ganzen Gwlichlcyklen stehen.^;
Die KreuzzO|ä;e.
Der Kamftf gegen den muhammedanischcn Osten äusserte sich
I gewaltigsten in den Kreuz zttgen. Ihn^ geschichtlichen Einzel-
iten gehören nicht hieher, wir haben es mit ihnen blos in ihrer
sanmtheit als culturhistorischem Phänomen zu thun. Und ein solches
dren sie in des Wortes vollstem IkMleutung, mag man sie auch als
klagemtwerthe Verirrung blödsinnigen Fanatismus b<'zeichnen und für
i Urheber nur Worte d(»s S[K>ttes und der VenLinunung lK»sitzen;
001*4 <):tt»li<*h bleilit (l(M'h wahr, dass diese Heihe von Weltkriegen
sich den Perserkri(»gen und der Völkerwanderung, gleich der Uefor-
ilMMijczeit und der französischen Hevoliition eint; n(*ue K]MK*he in
n I^*ben der eun>])äiM'hen M(Mischheit l>ezeiclinen und bilden, in
n-n ViTlaufe das l/^lien der Völker in all s<'inen Theilen sich ver-
indclt. Die Kreuzzüge sind aufzufassen als ein grossiT Al)schnitt in
•B. kttD^o S«IIu«t, keinen T«eitui« hervorfsebracht, nber «ie 10 gen nicht, und In dIeMr
tiekopf »ind »ie den orientAliKChen IIi!*torikeru bedeutend vortuiiehcn.** (Beil. tur
If Z«ituBc \oia IS. Aoguflt lM7f>).
') r'itlie darüber: t'kaiUn popmlairta de Ja Gric§ moderne, reeueiUi§ et puhUitf avec
r trm4m€l»0m /rmmfaiae, de» JclairehMement» et de» itote», par (\ Fauriel. Pftrit
14 — 19J5 tt Bde. 8 • und l'opularia earmtna Oraeeiae rece»tioH» edidit Arnold um
■ •ow. I.ipfiae IMU. 0
»i Le» Krptmil» d4 IHg^mta ÄkrÜa». Epojt^e h^ramtim» dm dirt^m« »neU pmhii*0
■r Im premtir» fiti» d'apri» l» m»mm»erit unique de Tribieonde par C. Hathft« et K.
•grftftd. Fftfi«, U75. gr. S* t). XV— XVII.
dem Kampfe der beiden Weltrd^hMien, des Oiri§teiitlKiB nnd dM
lalfim, einem Kanid^e, der im VUI. JahriHmdat u dqi Greana
Arabiens nnd SfrienB b^onnen, der in nudier Aadcfaniug die Lude
nm das Mittelmeer übräflathet, nnd mufa titunkQUu^aB WedMl
nnscre Zeit wie jene Oregor'g VIL in Bewegung geMM hat ') Der
Kampf Ewisdien beiden Bdigionen kam, wie wir wfnen, flir mebnn
Jahrhunderte mr Bnhe, nnd nor in einten OTen^rfrieten, der
tipaniücben Maiken, den Inseln ItaUens nnd den KSaten fflrlwritt
fletüten eich Örtliche Febden fort, ah stete ürinnenng an den !■ d«
Tiefe nnaafhOrlich gümroenden Gegensatz.
Von diesem Puncte an zeigt dch in den beiden Wetten «Im
vOllig entgegengesetzte innere Entwiddnng, wie sie au der nfr
sobiedenen Begabung den Arier- nnd Semitenthnnu bermrgiiig. Dar
IsIäm verweltlichte eich, verlor seinen ursprfln^idwn F^natinui o^
ersetzte ihn dnrcb rcicbe Bildung, die fOr seine Brenner ein oKb^
barer Gewinn war; allein als streitende Wettreli^oa Tcrior er lefM
I<Yucbtbarkeit und seine kriegerische Uacht gerleth in imner tieftOB
Vcr&lL Mit anderen Worten, wie im alten Römoreidie naliB «K
steigender Gesittung die Widerst andfil&bi^eit ab. Utagefeebit im AJua^.
lande; hier lenkte aus mebr&ch erwAhnten Ursacben die Gedttm
der europ&iscben Nationen immer stSiker nnd ausBcfaliGMlidter h Ab
kircblicben Bahnen und gedieh allmBUig zn einer wahriiaft '
achtenden, mystischen Begeisterung, die nm '
feindlich, die moralische Kraft der Mensche»
Vor allem in Frankreich, Spanien and Italien. _
der romanischen Zunge, war diese Geainnnng durch alle Stfinde ymi
breitet und berrscfaend Kaclidem der religüiKi' VAU-r in Kuk-Inrm Gnd#
der Lebensodem ftlr das ganze Dasein gewtn^liii. ila lixicrle
der Zoni gegen den Unglauben anf, da encliitti Min si-llist ilo.r Ktuit]^
gegea die fidsdie Beligion als die häügste, ]>n'ivwiirili);st(^' Thal. lip^
Rcclit muss man die so allgemnne Vertn^itiiii); gi^wisser lde«n n
sittliche Epidemien halten, wie Fest nnd Cbilcra mIi-Iu: in dvr Vhy*
sind. Wie für diese die Entstehnngsgrfinde uiilii'kanni . und täe aac
fbr jene dunkel, gewiss ist nur, dass S(ricb6 HJtIlii')i>> K|)Metuini wi<.ila
holt die Menschheit befallen haben nnd nii Votliiln^ diiH Auftrete^
neuer reUgiöser Ideen bc^mtea Den IsUm »illist kuuu man In [~'™
wisser Beziehung eine Epidemie nennen. Viillriilil glHdiKklls r
Epidemie war die im X. J^hnndert angeblicli ^ crlircitctc l'obeneuguq
von dem bevorstehenden Ende der Welt,*) ciiin Mee, die trota i|-"^"
l.ftcherlichkeit noch im Jahre 1868 KnA gciiug Ik^sims, um in <
zelnen nngebüdeten Kreisen Angst nnd Schrorlien hfTvoTziirufun.
mals half sie wcecntlich die KrenzzOge Torlx'icitfn iiml du» Anaclia
r .111 ■.j.li liiiivlKiiis ,i]]iiiiv j
1 aber wi'M'iillidi i-rliiltUfc j
en. in ilnn I^tdmi fdaa
Ft iTtr anelilMi Ur KrtaMttfH,
r Wluimthafllrii
DI« Kreosifig«. 221
irdic erhöhen, indem man sich fester an den von ihr gepredigten
m klammerte.
dl hahe wiederholt betont, wie die Religion für die Völker eine
im Kampfe um's Dasein ist und unsere Aufgabe dahingeht,
die IrrthOmer irgend einer religiösen l/ehrc naclizuweisen, sondern
tersuchen, wie sich diesell)e als Waffe in diesem Kampfe bewährt
Als zu Beginn der KreuzzOge die europäischen Völker miter
Banne jenes welthistorischen Irrthums standen, den wür das
enthuni nennen, war der Moment gekommen, wo die arischen
le, früher in einem kosmopolitis^^hen Weltreiclie vereint, dessen
en seilet das Eindringen der germanischen Horden nicht zer-
, dem unerbittlichen Naturprocesse folgend, sprachlich und ethnisch
rachiedene Nationen zerfkllen waren. Aus dem I'Yankenreiche
zwei Völker hervorgegangen-, es gibt seit Hugo Cai)et eine
zösische, seit Heiiyich I. eine deutsche Geschichte; in
i waren Italiener, in Simulien trotz der Mauren Simniei* geworden,
ier englischen Nationalität sollte die normannische Eroberung
ein wichtiges Bildungselement hinzufügen. Der seit der Völker-
niiig andauernde Amalgamirungsprocess hatte sein natürliches
erreiclit in der Abklärung bestimmter Nationalitäten, wie sie
r noch l)estehen. Die Zeit der Völkerbildung, durch die bar-
lie Cultur und die merkwürdige Demoralisation diarakterisirt,
Ursachen lediglich in diesem Bildungsprocesse sell)st liegen, war
T, die Nationen standen etlmisch fertig da, al>er damit war aucli
■nd zerrissen, welches sie im Alterthmne zu einer Einlieit zu-
^nsdmiiedete und in der Erinnerung der nunmehrigen Volks-
ben immer mehr verschwand. Da trat an dessen Stelle der
iche Glaube, er ersetzte den felüenden ethnischen und politischen
tmenhang, er schmiedete die Einheit, deren die späteren Cultur-
en im Kampfe um's Dasein so nothwendig bedurften, um zu
n, was sie sind. In dem natürlich unliewussten Bedürfniss nach
Einheit, nach diesem Bande, von den europäischen Völkern
Imäasig empfunden, wird man die alleinige Fj*klärung für die
liewlich kirchUche Richtung der damaligen ('ultur, das Entstehen
lerwälmten sittlichen Epidemien suclien dürfen. Man verachtete
, WisseiL<ichaft , irdisi^he Dinge ül)erliau))t ; und man muss ge-
, Hie l)esasMen damals in der That für die ('ulturentwicklung
T Werth als Kirche und Glaube, welche die noch unbändigen
ndKiduen zusammenschnürten und verhinderten, jeden für sich
bAmliche Entwicklungspfade einzuschlageiL Der Eigenart der
' sicherte ja ihn* imtürliche, daher unbesiegliche Maclit ohnehin
Virkuiig auf die jeweilige Culturentfaltung. So ward der clu*ist^
'rianlie alhnähUg das Merk/eichen eines grossen WafTenbundes,
Völkersystems, welches in sich selbst von einem heiligen Feuer
I. allen Nichtchriht(.>n mit ungestünu*r Kampflast entgegentrat
ikT Islam \(>m VII. bis zum IX. Jahrhundt^rt die Völker mit
i mäA'htigen Angriffe getroffen, so stand ihm jetzt im XI. die
tong bevor« eine nicht minder gewaltige OffensiTe der Christen-
222 Religiöse und geistige Entwieklong des MitteUliert.
holt ^egen die gesammte muliariimedanische Welt*) Der (reist des
Islam war langsam in (Lis (/liristciithum Ul)orgegangen and verwandelte
CS in sein Abbild. Das Scbanspiel einer wesentlich kriegerischen
Heliginn Iwzauborte Menschen, die selir kriegerisch und gleichzeitig sehr
ab(?i*gläubisch waren. ^)
Von solchem Gesichtsimncte ans sind die Kreiizzügc ebenso be-
preittich als in der Entwickhing der europäischen Völker 1)egründet,
also eine nothwendige Krscheiinmg. .Je tiefer die historische Forscliuug
gedeiht, desto mehr zerstört sie die sagenhafte Auffassung, den Nimbus,
worin man einst jene Kpoche und ihre Helden zu erblicken pflegte.
Die Kriegsztige des christliclien Abendlandes nach dem Orient trugen
das G^'prftge der Rohheit ihrei- Zeit und waren sicherlich die Veran-
lassung zu namenlosem Palende, zum Verderbnisse Tausender und
Tausender, deren (lebeine am Wege nach Jerusalem bleichten. Die
Helden jener Periode, weltliche und geistliche, sie vermögen ans nicht
mehr zu begeistern, wir sehen sie heute im Liclite kritischer Beleuch-
tung als einfache Menschen mit all' den I^astem und Tugenden ihres
Zeitalt ei-s. Und in der That^ mehr darf Jener nicht erwarten, welcher
die Ideale abstreifend in der C-ulturgeschichte nach menschlichen
Tliaten, menschlichen Trieben sucht. Wir können nicht verlangen, in
den Männern jener P^poche gottlKjgnadete Heilige zu finden, wenn wir
a pnoii überzeugt -sind, dass es weder göttliche Gnade noch Heilige
gibt. Wer also (Uimals wirkte, w i e gewirkt ward, es waren Menschen,
es war mensclilich d. h. den damaligen Begriffen entsprechend. Pro-
testiren mtlssen wir nur gegen Jene, welche es sich an der berechtigten
Zerstörung jenes Nimbus nicht genügen lassen, sondern versuchen, die
leitenden Persönlichkeiten der Kreuzztige zu Scheusalen oder Verbrechern
zu stem])eln. Wie gross in wiscren Augen eine Schuld auch ersdieinen
möge, kann doch von I^rbarei oder Verbrechen keine Rede sein, wo
<lie so bezeichneten Handlungen die Billigung der Zeit- oder YoUEqge-
nossen erhalten. Die blutigen (iladiatorenspiele der Römer und dbs
K()]ifschnellen \m den heutigen Dayaks auf Bornco waren und sind
weder Verbrecrhen noch Acte der (imusamkeit, ausser in den Augen
des kleinen Häufleins der jetzigen ('ulturvölker. Mit dem vollen B^
wusstsein, dass den Helden der Kreuzzüge alle Laster ihrer Zeit an-
hafteten, dass sie unt(T dem Drucke einer Stimmung handelten, die,
w<m1 sie uns jetzt fast als Wahnsiim erscheint, doch nicht minder eine
n()thwendig(> P'olge der Entwicklung war, können wir das EiigebnisB der
im Uebrigen resultatlosen Kreuzzüge als einen ("ulturgewinn betrachten,
indem ein neues kriegerisches Ideal aufgestellt ward. Der ideale Held
(1(T KriMizzüge und des Bitterthums, welcher die Kraft und das Feuer
d<s alten Kriegers mit der Milde und l^muth des christHchen HeiligeB
in sich vereinigte, ging aus den zwei Strömungen des religiösen und
kri<'^ei'isihcn (leftlhls hervor, und ol>gleich dieses Ideal, gleidi allen
anderen, eine Schöpfung der Einbildung, selten oder niemals vollkommen
') Hybpl, A. •. O. B. 13.
•) I.ftcky, A. a. O. 11 H. W.^.
lOwteUai« OBd AukUdoBg dar piptUldiea lUcikL 223
■I LdMi TcrwiiUiGlit wurde, Uid) es doch der Typus und das Vorbild
Juifyuiidier GrOase, dem viele Generationen naclistrebten, und sein
HÜdemder Einfloss Iftsst sich sogar jetzt in vollem Maasse in dem
Charakter des modernen Gentleman verfolgen J) Die weiteren Wir-
kungen der KreuzzQge sollen bei den allgemeinen Betrachtungen ttber
die mittelalterliche Cnltur gewtirdigt werden.
EntwiekluDK und Auabildung der pfipstliehen Macht
In dem aber die Kreuzzttge Gesagten ist eigentlich auch die £r-
kllning far das Anwachsen der päpstlichen Macht und ihre schliessliche
Weltberrschaft gegeben. Wie die Stellung des Bischofs) von Rom zu
primus inter pares und weiter sich zu einer factischen Supre-
aber die übrigen Bischöfe der Christenheit ausbildete, habe ich
idKMi einmal angedeutet; es bedarf nun keines Beweises, dass mit dem
erwähnten Erstarken des religiösen Gefühls bei den Europäern
h natnrgemifls die Macht Desjenigen steigen musstc, der als der
Statthalter Gottes auf Erden betrachtet wurde. Mannigfkchc Umstände
indess das Ihrige dazu bei; sie sind in Kürze und mit joner
welche die Gelehrten England*s auszeichnet, von
James Bryce angegeben worden, dem ich im Nachstehenden folge.
Das Mittelalter war, wie bei noch jungen Völkern nicht anders
denkbar, wesentlich unpolitisch. Doch der monschlichc (reist, weit
entfernt trage zn sein, war in gewissen Ikziehungen niemals thätigcr;
aadi war es Ar ihn nicht möglich, ohne allgemeine Begriffe von den
gegenseitigen Beziehungen der Menschen in dieser Welt zu bleiben.
Begriffe waren weder ein Ausdruck der gegenwärtigen Lage
Dinge, nodi durch Induction aus der Vergangenheit hergeleitet;
m waren theüs Ton dem vorhergegangenen System vererbt, theils aus
den Grandlehren jener metaphysischen Theologie entwickelt, die dem
SdKilasticismas entgegenreifte. Nun waren die beiden grossen Ideen,
welcfae das verscheidende AlterAum den folgenden Zeiten hinterliess,
<fie dner Weltmonarchie und einer Weltreligion.') Die logische
Fortbildang dieser zwei Gedanken musste nothwendigerweise sowohl
zur Herstellung des heiligen römuH*hen Iteiches deutscher Nation, welches
kein Anadironismns war, wie Einige uns ghiuben machen wollen,
andererseits zur W^eltherrschaft des Papsthums führen.
Die Nationen beruhen, man täusche sich (larül>er nicht, auf dem
religiösen lieben. Weil die Gottheit im jiolytheistischon Alterthume
gKiwilt wurde, war die Menschheit in gleicher Wcnse getrennt wonlen;
& Lehre von der I'^nheit Gottes erzwang auch die Einlu^it der
Meiuirhen. Die erste Lehre der Giristenheit war Liol>e, W(*lche Jene
la einem Ganzen vereinigen sollte, die bisher Argwohn, Vorurtheil
•> l.crky, A. *. O. 11. 8. 311-213.
*) Drjrce, A. *. O.
224 Religiöse and geintige Entwielclang des MltteUlten.
und Riiconstolz von oiiiauder gotroimt gehalten liatton. Und die neue
Kolij^ion schuf in der That eine Gemeinschaft der Gläubigen, ein heiliges
Reich, hostunnit, alle Menschen in seinem Schoosc aufzunehmen und
den vielgostaltigon Polytheismen der alten Welt feindlich gegenüber
stellend, gerade wie sich die rniversalmacht der C^äsaren den wald-
losen Köiiigreiclien und Roi»ubliken, die ihm vorangegangen m'ai'en,
^et;enUber gestellt hatte. Die Aehnlichkeit Beider h'Ust sie als Theile
einer grosstMi Bewegung der (hilturwelt zur P'inheit erscheinen; ilie
rebereinstinimung ihrer Ziolpuncte, die sich schon vor (V>nstantin an-
g(>l):ihnt hatte, dauerte nach ihm lange genug, um sie unlöslich zu
vt^'binden und die früher so antagonistischen Bezeichnungen R<»mer
und Christ gleichbedeutend zu machen. ')
Wähi'cnd nun die Weltmonai-chie durch die Stürme der Völker-
wanderung und der nachfolgcMiden Jahrhunderte tliat.sächlic^, weiui
auch nicht der Idee iiJU'h, gebrochen wai'd, blieb die Kinheit des
(Uaubens unlterührt erhalten. Niemals jedoch hatte die christliche
Religion einen heftigeren Ktanipf mu*s Dasein zu bestehen, als gerade
in (heseii Jahrh umhüllen, wo sie sich zur Alleinherrscliaft vorbereitete.
Denn, da wir wiss(»n, dass jegliche Religion ein Erzeugniss des mensch-
lichen (teistes, kein ülH'rnatürhches Product ist, so kaun ihr auch
der Kami)f unfs Dasein nicht ei^ipail bleiben, der alle menschlicfacn
Institutionen in seinen AVirk^l zieht. Zuei'st war der Zwies|NUt der
Meinungen zu besiegen, der zu zahlreichen Secten führte, aus denen
endlii^h der Katholicismus siegreich hervoi'ging; dann wanl die christ-
liche Religion, gleich allen übrigen Kultureinrichtungen, tief von jenem
( lähi-ungsprocesse berülu't, der die jetzigen Nationen Europa's gebar.
Um niciit unterzugehen in diesem Kampfe, wo die neuen und rohen
KleuKMite unbewusst die antike Cultur zu einem Zerrbilde umgestalteten,
nuisste aucli sie sich (>ine aasgedehnte VerheidnLschung gefallen lassen,
deren S])ur(Mi noch überall erkenntlich sind. In die Hände barbarischer
Stänune gemthi^n, von di(»sen fortgepflanzt auf noch tiefere Horden,
inusste sie sich oft mit Aeusserlichkeitnii begnügen, die dann von den
unwisscaidon Neo])hiten für das Wesen des neuen Glaubens selbst ge-
lullten wurdiMi. Sie musste sich bctiuemen, heidnische Gebräuche,
heidnische (iöttcT in der Form v(m heiligen, christlichen Ideen in sich
auf/unehmen und sich lu^gnügen, diesellx^n in ein christliches Gewand
zu hüllen. So sind Festtage, der Heiligen- und der Marien dien st
und vieles Andere entstanden, die das ursprüngliche Christenthum
nicht kannte, (iriechen und Römer wussten wolü schon von der Ver-
heissung (»ines Welterlös(»rs, auf welche der eleusinische Cultus be-
gründet ginvesen sein soll, sicher ist es al>er, dass es schon längst
vor dem eigi'utlichen, christlichen Manendienst einen anticipircnden,
vorläutigen gegeben, wie der von Chartres gewesen sein soll Wir
nieiniMi die zu PiiUMieste verehi'te Fortuna primigenia mit dem
') A. ft. 0. S. 0^
XatwtoUuc n»<l AiMbildaiic Ut pipsUiehea KMhi. 225
Jaiiiler als Siugling im Schoo6se, deren Colt schon von alter Zeit her
•ach ia Rom bestand. ^)
Die Materialisirung oder Yeräoäserlichung des Christcuthums ging
sAwohl Yom Oriente, wie schon einmal erwähnt, als auch vom Westen
aos, wo halbbarbarische Stämme in dem Schoosse der Christenheit
Aufnahme fiinden; in Italien selbst wai'en die neuen Ankömmlinge
nur sehr unvollkommen christianisii*t, und da die cliristlichon Hischöfe
und lYiester aus keinem besonderen Teige geknetet, sondern eben der
damaligen Menschheit entnommen waren, so konnte es nicht fehlen,
dasA die Amalgamirung der Völker auch zu einer Amalgainirung der
religiöcfen Ideen, Auf&ssungen und Gebräuche führte, die am Ende
\mi den menschUchen Vertretern d(T Religion sellwt acceptirt wurde
und von ihnen ausging. In diesem gefährlichen Kaiii])fe um's Dasein
äoi^terte sich die Kraft des ('hristentlmms el)en dadur(;h, dass es die
bcmcfaenden Ideen in ein Gewand hüllte, welches den Anforderungen
der damaligen Zeit entsprach. Nicht dass die lieinheit des Ursprung-
Hdi diristlichen Gedankens getrübt ward, sondern dass trotz dieser
Trflbung der Gedanke an sich fort erhalten wurde, ist hervorzulieben.
Und dass dem so war, dass trotz aller Entartung, welcher die Religion
zu Zeiten anheimfiel, die christhche Idee bis in die Gegenwart, man
möchte hsi sagen, ungeschwächt fortlebt, ist eine natürliche und noth-
wendige Folge der hierarchischen Form, welche sich schon in den
frühesten Epochen des Christenthums nothwendig erwiesen hatte. Diese
hierardiische Form schuf die K i r c h e, ein durchaus menschliches
Institut, aber von keinem Glaubenssystem weder zuvor noch nachher
enengt Die Kirdie war es, die, als sie sah, wie eine Institution
nach der anderen um sie her in Stücke ging, wie lünder und Städte
dnrch den Einbruch fremder Stämme und die sich steigende Schwierig-
krii der Verbindung von einander getrennt wurden, sich bemühte,
eine religiöse Genossenschaft zu bewahren, indem sie die kinhüche
Oripmisation durch festere Vereinigung aller auswärtigen Verbindungen
kriftigte. ') Mag man über Charakter und Tliaten Gregor d. Gr.
denken wie man will, so muss man doch U^kennen, dass er mehr als
incend ein anderer Bischof gethan hat, um Rom's kiR.hliche Macht
za trweitem, und dass die hiemrchisohe Form der Kirche allein
MAnncm seinesgleichen das Entfalten ihrer Wirksamki^it omiöglichta
Ans dem Kampfe um's Dasein, der christlichen Idee mit Vernichtung
1 LIII«nfeld. Otdankt» über dif Social tri $ne mg eh a/t der Zul-ntt/t. II. Bd.
ft. IM-IM, omIi O. Pr. Dfturaer. Der Zuku^tfttiideaUümHn der Vortcelt. 1874 H. 13—17
Ick wlU tel di«««r 0«l^enheit benKtrken, da<*8 die modrrnen Au«griibungnn tu Rom
mm IC«^«iUa •!•• Foriaii«-8Uta« fton d«r Zeit Trojans oder neinet Nachfolgers sa Tag«
k*b«B oad dar JOagere Visconti sieh für bereehtiRt hält, eine Reihe vna
ia 4«ff Nähe dea heutigen Bahnhofes für die Reste eines Tempels der Forimttm
s« dautca. Von einar dort aufgefundenen Ära mit Inrchrift sagt er: 81 trattm
di mm mrm dedicata atta Forluna , eol hen noio umo lüola preneetino dt Prtmigenia,
rW ^mmlm 9€mim imroeatm «imA« to FoHmho tuhUea del popolo rowtam>. (Bullettiitc delia
r^mtmia^imm arehemtogicm mmmMpole, Roma 1872. 8* H. *ii)5).
^ Brye«. 8. M.
V Bellwald, OUtorgaaehiahU. 9. Aufl. II. 1^
226 Religiöse und geistige Entwieklung dea lflttel«1ton.
flrolicnd, pdnpc also die Kirche selbst gekrüftigt und Rtftrker denn jo
li(T\or, zugleich den oluustliehen Glauben erhaltend, indem sie ihn
mit kliig(T Nachgiebigkeit den geistigen Bedürfnissen der neuen Be-
keiiner anjiasste. So biegt die Weide sicli nn Sturme, der die Mche
zoi*si>littert. Diese Anjmssung hatte nm^h eine weitere Folge. Die
Machtlosigkeit des ungebildeten Geistes der neuen Adepten, die chriHt-
liclie Idee als eine Idee zu verwirklichen, sprach sich deutlich in dem
lieidnisclien l^emühen aus. Alles verköiiM»it zu sehen, das Gleichniss
in eine Thatsac^he, <lie Lehre in die wörtliche Anwendung, das Sinn-
bild in eine wirkliche CVrenionic» zu verwandeln. ') Die nftmlichen Ur-
sachen, welche die Verheichiischung der Keligion einleiteten, der
nändiche Tineb, welcher ii-tlisirhe Madonnen und Heilige zwischen die
Anbeter und die Gottheit einschob und seine frommen Gellkhle sogar
nur durch sichtlwii'e Bilder dersell>en befriedigen konnte, welcher die
Sehnsuclit und die Vei*suchungen des Mensclien als die nnmittclbare
Thiitigkeit von Kugeln und Teufeln auffasste, ward auch Veranlassung
dass (his ganze Gebüude des mittelalterlichen Christcnthums auf der
Idee von der sichtbaren Kirche Iwruhte, gleichwie die Idee des
neuen römischen Reiches in der Herstellung des sichtbaren Kekfas-
ol)erhauptes sich verkörpert e. Diese sichtbare Kirche konnte im
Mittelalter keine andere (lestalt annehmen als jene der Hierarchie,
gegen welche in dei* (legenwart die Angriffe aller Jener gerichtet and,
die für liberal zu gelten sich zur Klirc rechnen. Wenn sie sich jedoch
(Lilx^i triuin])hirend auf die C'lassiker der deutschen Nation berufen*)
und hervorheben, dass es kaum eine einzige kirchliclie Institution gebe,
UIkt welche man bei Schiller, Goethe und Lossing ein schneidiges
Urtheil vergcblieh suchen würde, wenn Lessing sich nimmennehr be-
reden konnte, ,.dass eine Maxime, welche der päpstlichen Hierardiie
zuti-äglich ist, auch dem wahren ('hristcnthumc zuträglich sein könne",
wenn (loethe meint, ,,eine Hierarchie ist ganz und gar wider den
BegiilF einer echten Kirche'% und wenn endlich diese Meinungen seit-
her um sich geglitten und (liäubige gefuud(ni halben, so wird der vor-
urthcMlslose Foi^scher sich doch weder durch die W\)rte so herrorragender
Ideali.stcMi, wie es (li(» g(Miannt.(>n Dicht eifüi'sten sind, blenden noch
durch cijis G(»schrei drT Menge bein-en lasscMi düifen. ¥x wird zuni&chst
fragen, was denn (MgiMitlich das .,wahre" Christeuthum, was eine ^echtfl"
Kirche s<>i und erkennen, dass di(\se Begi'iffe völlig subjcctiver Natur
^incl und keinen Massstab zu einer culturg(*schichtlichen Ik^urtheilnng
ab^rrben köunrn. Das wahre Christeuthum, die echte Kirche sind
Jeweils jene, wehhe die Zeit selbst erzeugt, und es ist völlig undenkbar,
iliiss die iKliistliclu; Hierarchie hätte erstellen mid sich cntwickdn
k()]inen, wenn dies(,>s Krstehen, dies(i Kntwicklung dem zuwider gewesen
wäi'c, was man in jener Zeit als wahres Christenthum, als echte Kirdie
ansah. Disshalb wird die sichtbare Kirche in ihrer jeweiligen Form
auch st(;ts für die wahi*stc Kepräscntantin des „waliren" Chrifitenthoms
') A. ft. O. S. CO.
*> Z. H. in tlnm Aufitetze: Clanniktr und Cleriktr ia der Ntuwm frH^n IVifM« voa
'2d. Aiigii4t läT;l.
■■HrUlEhH« «sd Amttliaai« 4«r piptt1i«b«B ll*^t 227
ffdien mflflwn, nlmlidi jenes Christenthnms (respective gegenwärtig
KatholidflnDs) wie es die weitaas grösste Menge seiner Bekenner aof-
fiunt nnd auslegt
Die Zierde und Statzc dieser sichtbaren Kirche, die im Papst-
thame ihren Ausdruck ftmd, war nun die Priesterschaft und durch
^^e, in der sich Alles, was in Europa an Wissenschaft und Geist
Ohrig geblieben, vereinigte, wurde die zweite grosse Idee, der Glaube
an eine allumfiissende weltliche Staatsgemeinschaft, an die Welt-
monarchie, erhalten. Weit entfernt, im VII. und VIIF. Jahrhundert
d«T Staatsgewalt feindlich gesinnt zu sein, wohin er im XII. und
Xlll. Jahrhunderte gelangte, war der (lerus vielmehr vollstündig
davmi flberzeugt, dass die l*>ha]tung des Staates für seine eigene
WiihlftJurt nothwendig sei Es besteht ein unläugbarer Zusammen-
hang zwisdien Papstthum und Kaiserthum; die realistisclie Philosophie
imd die ZeitbedQrfnisse verlangten, da der Begriff von bürgerlicber
oder religiöser Ordnung einzig in der Unterwerfung unter die Gewalt,
^ aUeiiiigen Zochtmeisterin unreifer Völker, bestand, dass das Welt^
reich eine Monarchie sei; die Ueberlieferung wie die Fortdauer gewisser
Rnirkhtiingen gaben dem Monarchen den Namen eines römischen
KaiKTB. Ein König konnte nicht Weltbeherrscher sein, denn es gab
Bodi mehrae Könige, der Kaiser musste es sein, denn es hatte nie
■efar ab einen Kaiser gegeben; der Sitz seiner Macht wurde dem
dei geistlidien Selbstherrschers der Christenheit an die Seite gestellt
Wie GoU inmitten einer himmlischen Hierarclüe selige Geister im
Piamdieae regierte, so beherrschte der Papst, sein Vicar, erhöht Qber
Prieatar^ Bischöfe, Metropoliten, hier unten die Seelen der sterblichen
Aber da Gott Herr des Himmels und der Erde ist, so
dnrch einen zweiten irdischen Statthalter, den Kaiser, ver-
trKen sein, denen Macht von dieser Welt und für das gegenwärtige
lieben sein soU. Und da in dieser Welt die „Seele"^ nur vermittelst
des Körpers eine Thfttigkeit entfalten kann, während der Körper
jf^doefa nichts weiter als ein Werkzeug und ('in Mittel für die Offen-
baraagen der Seele ist, so wird für die Konnr d(*r Menschen eine
dnrlie Obhot und FQrsorge wie für ihre Seelen «'rfonlert, aber stet«
■it der Unterordnung unter die Wohlfahrt Desjoni^en, welches das
ReiBfre ond Dauerndere ist. Der Natur und dt^m Unifan««» nach ist
ako die Herrschaft des Papsti^s und dtn« Kaisers diesell)<\ indem sie
«rfa nnr in ihrem Wirkungskreise' unterscheidest und ist es gleichgültig,
ob wir den Papst einen geistlichen Kaiser oder den Kaiser einen
velÜirlieD Papst nennen. Eben so wenig geht, obwohl die eine
TkitiRiu>it der anderen untergeonlnet ist, die kais«»rli(rhe Macht von
dnr piprithchen ans, denn (fOtt als Herr der Enlr ülNTtriigt sein Amt
aof den Kaiser. Feindschaft zweier Diener desselben
iii aber onbegreifhch, da sie verpflichtest sind, einander bei-
nnd zu fMem, da das Zasammt*ngehen Beider in Allem,
die Wohlfiihrt der Christenheit besonders angeht, nothwendig ist •)
15*
228 RttllgiÖM und geistige Entwleklang det MltUUlton.
Diese Aiischauuiigeu waren es, welche das PapstUmm und das
Kaisortliuni gleichzeitig entwickelten. So lange es noch keinen
Kaiser gab, war die Madit des römischen Bischof) freilich noch gering
und in ihm Kampfe, welchen Kirche und Glauben um ihre Existenz
damals zu fulinin hal>en, sehen mr ilm als das Ilaupt der Kirche
si<ii klugerweise der Gewalt der fränkischen Herrscher eben so fügen,
wi(; die It(>ligiou selbst sich gegen die Aufnahme heidnischer B^riffe
duldsjiin zeigte. Als dann gerade die Einführung dieser heidnischen
J ^'griffe zur Aufstellung einer sichtbaren Kirche und eines sieht-
baion Keicbes geführt liatten, trat die Kirche auch allenthalben
dem Iteiche stützend zur Seite und das lleich betrachtete sich natur-
gcinäss als Schützer der Kii'che. Schon Karl d Gr. &88t seinen
kaiserli(ii(;n Beruf wesentlich als religiösen auf. Die Eroberung ist
üb(>rall auch Bek(>hrung; wohl dient umgekehrt die Auslnreitung der
christlichen Lehre auch zur Befestigung der Herrschaft, aber das
(M>te leitende (iefühl ist doch stets der Gedanke, dass der Kaiser der
lleiT des ludkreises und der Wächter des echten Glaubens auf Erden
s(>i; die Ii(>ligion wmde füi*'s Ei-ste als Gebot, als Herrschaft Gottes
geüisst, und wer nicht die rechte Ileligion hatte, als KebcU gegen die
j\Iaj(\stät des Herrn veifolgt. ^)
Win die wir k(iine Nöthigung empfinden, der Religion, dem Papstp
thum(> und der kaiserlichen JVIacht göttlichen Ursprung zuzuschreiben,
die wir die „Seele'^ für eine Ausgeburt der Phantasie und dwnnadi
die Sorge um das Heil eines gar nicht existu:*enden Dinges ffür über*
flüssig lialten müssen, erkennen das Papstthum für eine rein mensch-
liclu; Kinriehtung, aus den o\m\ angedeuteten Ursachen hervorgewaduen,
unrl sind daher im Vorliinein überzeugt, dass dasselbe, wie jede Insti-
tution, dem elua-nen Gesetze der Entwicklung unterw(ufen sein muasta
lOntwicklung aber ist Wandel, allmähliger, unmerklicher, erst nach
längeren Zeitabs(*hnitten walu*nehmlKirer. Diesem Wandel, dem auch
die niensehlichen Ideen unterliegen, ist es zuzuschreiben, dass das Ver-
bältniss zwischen Papst- und Kaiseilhum im Laufe der Jahrhunderte
in das (iegentheil dessen verkehrt ward, was es ursprünglich geweaea
Der Bruch mit der (rrundidee des Mittelalters, welcJie zum Helle der
Christ HcIhmi Welt die beiden Gewalten geistig mit einander verbaadi
war nach beiden S<Mten hin venhu'blich; die Vernichtung der attei
Weltordnung tmf, wenn gleich nicht in gleichem Masse, Papstthum wie
Kais(>rthum. Doch (Twies sich die Idee des Papstthums, schon um dfll
geistigeren KIement(*s willen, als die leliendigerc und nachhaltigen.
Kine piiss(>nde IlandlialM; zu di(;sem Bruche gab die damals allgememe,
^ell»t h(>ut(> noch nieht ülKTwundene Vorstellung von der Unterardnong
des Leiblichen unter «Lls (i(istige, d. h. in die Sprache dos X. — XIIL
.)abrbiind(>rts übeisetat, des Weltlichen unter (hü Geistliche, weldies
/UMiiruniiitiel mit dem Kirchlichen. Fügen wir hinzu, da« dieecr
(ie^f^nsatz in-alt ist, so alt wie die Menschheit seihst und stets denseibea
Macht st reit hervorgerufen hat. Sehr wahr sagt desshalb ein modaver
') Hybel. A. a. 0. 8. S— 9
Batwleilaag ud AatbUivBC der pipttUehen ÜMki. 229
SUatdenker: ^ fet der Machtstreit zwischen Königthmn und Priestcr-
thmn, der Maditstreit, der viel ftiter ist, als die »scheinung unseres
l->k)eerB in dieser Welt, der Machtstreit, in dem Agamemnon in AuHs
mit seinem Seher lag, der ihn dort die Tochter kostete und die
ttriecben am Auslaufen verhinderte, der Machtstreit, der die deutsche
<te!)diichte des Mittelalters his zur Zersetzung des deutschen Keiches
f-rfUlt hat unter dem Namen der Kämpfe der Päpste mit den Kais(^ni."')
S> lange freilich Ansehen und Macht der Pä]>ste gering waren, konnte
dieser Gegensatz nicht zum offenen Streite füllen, er war alwr l)c-
sUn<l^ so zu sagen latent vorhanden und drückte sich in der aner-
kannten Uehennrdnung der Kirche tiher die weltlichen Dinge aus.
Nacbdem aber die Kirche an der Hand des Reiches erstarkt, wie
ojngekehrt dieses mit Hülfe der Kirche, nachdem die Suprematie des
irriütlicfaen Oberhirten zu Rom durch weltliche Schenkungen aus der
Hand der Kaiser ihre Weihe emp&ngen, musste auch der Augenblick
kommen, wo die Kirche versuchen würde, ihre principiell anerkannte
reberurdnang zu einer tliatsftchlichen zu machen. ]3ei der ersten
Weigening der weltlichen Machthaber, dieser Suprematie sich zu fügen,
machte der innere Gegensatz Ik?ider zum offenen Machtstrcit fuhr(»n.
lüeites Ziel der [»äiMtliclien Macht, die Unterwerfung der weltli(!jicn
ifcwah unter die geistliche, ist zugleich ein eminent jK^litischer Zweck,
ein Zweck, der i^eich&Us „so alt ist wie die Menschheit, denn so lange
hat e» auch, sei es kluge Ixjute, sei es wirkliche Priester gegol)en, die
die Behauptung aufstellten, dass ihnen der Wille Gottes genauer l)e-
kannt sei, ab) ihren Mitmenschen, und dass sie auf Grun<l dieser Ik*-
haoplsui? das Rocht hfltten, ihre Mitmenschen zu beherrs<'hen/^ ^j
Worauf es mir liau])tsftchlich ankam war zu zeigen, wie einerseits
KirriiG and Papstthum mit dem Kaiserthum in innigem, innerem Zu-
«aunmeuhange standen, anderentheils wie gera<le dic^ser Zusaniinenliang
za gpwaHflamen C7onilicten fthren nmsste. Eines war so natürlich und
«nanifweidilich wie das Andere; die Menschheit l>ewegt sich stets in
Widerxprflchen, der Widerspruch selbst alKT Ri)ringt aiw natürlichen
Motiven hervor, ist von der Natur gegel)en. Dies ist so wahr, dass
dFTftelbe Streit noch die Gegenwart in heftigster W(»ise l)ewegt und
die fvltiirwelt in alle Zukunft l)ewegen wird, wenn auch dereinst Pa]>st-
tknm and (liristenthuin zu den g<>w('senen Dingen /ühlen; es ist der
Streit zwischen Physis und Psyche, die im Wesen Eins, in dfT Er-
«ciirinanK zwei sind Er wünle aufliön*n, soluild die Einheit Keider
nkannt, in*s allgemeine Rewusstscin dränge. Seitdem Menschen «hinken,
14 ili*9»e ansrhfttzliare Erkenntniss stets nur Wenigen iK^si'h^M^rt gewes(»n
■nd vrnn«»hte die Massen nie zu en)lK»m; lieut/utage rechnen (»s sich
<ip Jieiften KApfe" zur Ehre an, gegen den von der Wissenschaft
mit anwitb-rhifliclier Kraft, gelehrten Monismus zu Felde zu ziehen
■wt für «i«'n Ihialütmus als für die V^rtheidigun«^ der <Mli]st(*n (iüter
*) i'«rii Blta*rek*« Rtde vom lU. Mira 1873 im königlich prau8ti«eh«ii H«rrcii-
} A. ft. O.
2i)0 BeligiöM and geistige Entwicklung des MitteUltan.
unseres Gesclilechtes zu kämpfen. Dies ist die Nothwendigkeit des
inonscbliclieu Irrthunis; der Machtstreit zwischen Papst und Kaiser war
nichts anderes, als der durch die Nothwendigkeit des Irrthums bedingte
Widerspruch zwisclien Physis und Psyche iu's Mittelalterliche übersetzt
Wer mit vorurtlieiltüoscm, von den Vorgängen der Jetztzeit unge-
trübtem Auge die einzelnen Phasen dieses langwierigen Kampfes aber-
scliaut, wird crkonneu, dass Gregor VII., so gewaltig und ebrfürcht^
gebietend, doch weder der Begründer noch der erste Vertreter jener
Doctrinen einer absolaten Oberhoheit der geistlichen Herrschaft war,
welche so weit ging, zu erklären, dass der Papst, der Verleiher Yoa
Kronen, auch enttlironen könne. Lange schon vorher hatten diese
Ansichten, durchwebt mit seinen wesentlichsten Lefaron, einen Tfaeil
des mittelalterlichen Christenthums gebildet Aber Grqgor war der
Erste, der es wagte, sie der Welt gegenüber, wie er sie fand, zur An-
wendung zu bringen. Dass er dies wagte, ist in der ¥rachsenden
Neigung zur kirchlichen Richtung in der damaligen Gesellsdiaft begrOndet,
wovon die Kreuzzüge ein Beis])iel geben. I*jn Wunder ist es, nidit
dass man den Päpsten gehorchte, sondern dass man ihnen nicht un-
bedingteren Gehorsam leistete. ^)
Da nun dem unerschütterlichen Gresetze der Entwicklung znfblge
jeder Zustand nur erreicht wird, um wieder verlassen, Oberwunden zu
werden, so war natürlich auch die grössto Machtftille des Papsttlinmes
an eine relativ kurze Zeitspaime gebunden, nach welcher sein Ansdien
und Glanz wieder erblassen mussten. Unnöthig, zu bemeriicn, diSB
dies Sinken der päpstlichen Macht mit dem Wandel der Ideen in Bemig
auf Keligion in innigster Verbindung stand. Bei allen Völkern und za
allen Zeiten - auch im classischen Alterthume — war eine EncbQt-
terung der Keligion mit dem Sinken des priesterlidien Ansehens und
lungekehrt verknüpft; bei ni(motheistischen Keligionssystemen — die
sich als ,^eofibnl)artc'^ ausgeben — ist dies natürlich noch mdir der
Fall, am meisten beim Christen thume, dem der Kampf um'a DtaseiB
eine hierarchische Fonn sein(*r Priesterschaft au^enöthigt hat Hier
ist mehr deim irgendwo Kirche und Glaube identisch und man kian
die Eine nicht ohne den Anderen schädigen.') Die heutzutage so be-
liebte Trennung der Begi*iffe von Kirche und Religion ist treiTlidi flkr
alle Jene, welclie auf Untergmbung des Glaubens sinnen, es sdilift
aber der cuitui-gescbichtlichen Wahrheit ins Gesicht zu behaupten, man
strebe nach Vernichtung der priesterlichen Macht und zugleich nach
Erhaltung der It(.>iigion. Die ersten Versiiclie selbständigen Denkem
bei den europäischen Völkern, welche die Walurheit des bisher so IM
(Geglaubten in Zweifel zu ziehen wagten, mussten die Geister von dem
.loche der Priest erheri*schaft zu entziehen versuchen und damit die
(irundv(^sten ihrer Macht, ihr Ausehen erschüttern.
*) Bryce, A. a. O. ü. 116.
*) Hehr richtig und wahr »agt dor in Milwaukeo orteheineAde
11. Jnni 1876 B. 6: „Die Kirehe aniugreifen und lugleleh i« UgtBf
gegen die Religion, wie das beBonders von den deutecheo und flttnT«|i
kämpfern betont wird, halten wir für eben so unehrlich ala frnehtloa.*
»■tutolilin «Bd AuMlAiuig Ut pipitlkhtB Xadlt 281
Wie man sieht, w»r es also die nfimlidie Ursache, welche zum
AdsUui uod in weiterer Folge zum langsamen Einbrüche der päpstlichen
Macht Veranlassung gab: der Wandel in der Gesinnung der europäischen
Men^Hchheit Später werde ich in Kürze erzälilen, was diesen Wandel
hcnorbrachte: hier genügt es zu erkennen, dass das Pa])sthum im
volk^en Einkhinge mit der jeweilig erreichten geistigen Entwicklung der
europäischen Menschheit stand. Es herrschte über Kaiser, Könige und
Völker seinerzeit mit dem gleichen Rechte als es heute auf den Vatican
beschränkt ist, seine liannflüche wurden mit dem gleichen Rechte be-
filrditet als sie heute mitleidsvoll belächelt werden. Eine culturhistorische
Wünügong des Papstthums kann aber nicht zu seiner Yerurtheilung
leiten, vielmehr hat dasselbe der allgemeinen Culturentwicklung unzweifel-
hafte Dienste geleistet Bekanntlich stellt es sich als der sichtbare
Aoailmck für die hierarchische Form der Kirche dar. Diese hierarchische
Funu ist aber die Waffe, die der Eccletna nnlitana zur Zeit, als sie
eine solche noch thatsächlich war, den Sieg im Kampfe um's Dasein
sicherte. Die systematische Aasbreitung des Christenthums, die kein
atiden's Glaubenssystem, selltst nicht der Islum, in gleichem Grade auf-
zuw<i>en hat, war ein Werk der Kirche und ennöglicht durch ilu'e
t>nQini2ration. £uroi»a's Christianisiioing, so roh sie auch vor sich ging,
war aU.*r (Üe nothwendige Grundlage zur heutigen Culturentwicklung;
ftie schuf durch den (tlaubenszwang jene geistige Einheit der Völker,
dlie ohne sie in Abgeschiedenheit und damit auf tiefer Stufe stehen
gcMielien wären. Nur wer den I^weis zu erbringen vermöchte, dass
auch ohne Christenthum die rohen Stämme Europa*» das geistige Binde-
mittd gi^unden liätten, welches den Aufbau einer gemeinsamen Cultur
ermöglidite, dürfte die Bedeutung des Christenthums vornehm ignoriren.
Su laiiKe solcher Iksweis nicht vorliegt, ist wohl dem Christenthume und
|Qui/ birsouders seiner Kirche das Verdienst zu/us])rechen, zuerst ein
Iknd tier Vereinigung ftU* die losen Volksstünnue gesirhaffen, dann diese
im \«Teine mit der alisoluten llerrschergewult gewaltsam in das Joch
des (ieliorsamH gezwängt zu haben. Und dieses Jik'Ii war ein üljeraus
«ulilthätigCH. D(>nn da es eine al>solute Freiheit nicht gibt, da vielmehr
Alles, was sich der al)soluten Freiheit nähert, auf thierische Zustände,
auf ni(^inf:;<'re (Ufsittungsstufeii /ui*ückfülirt, da endlich die Freiheit „die
wir nwin^'n^ wie sie gegenwärtig das Streben der Aufgeklärten bildet
nit «h*ni Vendchte auf den eigenen Willen und die Unterordnung unter
die \oü iler (lesammtheit gegelienen Ges<>t/e beginnt, so ist d(T
(tetwifKain der noüiwendige (irundpfeiler aller staatliehen iuitwicklung.
Üi»x*u d«*n roh(*n unbändigen Europäern zu lehren, trug die Kirche
MÄcbtig lM*i; und mibillig ist es, ihr vor/u weifen, sie hätte uiuseren
Wfittli4*il in geistige Nacht versetzt, denn \m den N'ölkern, die sie l>e-
l^TT^:hte. kitte es zu tagen n(K'h nie l»egonnen. Das Verbreiten wi.ssen-
•i-ii.iflli<'iRT K^'untnisM^ wäre ilnuMi noch völlig nutzlos gewesen, ihr
^uct'iMUi^-lw'r (teist hätte sie so wenig erfasst al> ein zweijähriges Kind
dir l>.*hrsitze der hpliärischen Trigonometrie b(*greifen kamt Ue)>erall
haU'ii wir «lie \Vissens<*liaft als eine Spätfruclit der Cultur erblickt,
».!.1j«t Kun>t und in der Literatur l'oesie v(»ranzugehen ])Hegen. So
232 Bollgiöee und geistige Entwieklang des MitteUlten.
auoli hior, und es goroiclit zum iinansspreclilichen Vordienste der Kirche
und spcH'ipll dos Papstthunies, dass es schon fi-ühzeitig ein Bttmlniss
mit der Kunst einf^ing. Die Ptlepe der Musik zog schon früh die
Aufnierksanikoit violcr fn^osson (leist liehen auf sich und Gregor cL Gr.
srliuf d(?n t^llon riiniischcn nacli ihm hcnannten Gesang, der in Walir-
hrit als die (Jrnndhij^(^ alles (irosscn und Erhak»nen in der neueren
Musik hczrii'linet >v(>rd(Mi ist. *) Mit der Annahme des Bilderdi(»nstes
trat au<h die iMalerei in ihn» Kochte, die als vorwiegend christliche
Kunst in der Nilhe dos julpst liehen Thrones ihre prangendsten BlÜthen
oiitfalton sollte. Tnd dieses Bündniss mit der Kunst hat durch Ent-
wilderung der noch lialhrohen Menschen fllr die allgemeine Cnltur-
ontwicklung sicherHch mehr gethan, als etwa das Lesen des Aristoteles
hei Friesen, Sachsen und Wenden geleistet hahen würde.
Als nach Erfüllung dieser Aufgal)en Papstthum und Kirelie dem
woltlichon Kaiserthunu? feindliche Bahnen l)eschritten, ist es noch immer
nicht am Tlatzi», von ,.vei*schmitztor, tückischer und consetpienter
riaiforoi'' zu roden, donii Pai)st und Kaiser thaton nur, was da kom-
iiiou mu<ste. I'nd so wie Alles, was hostoht, werth ist, dass es zu
Grunde geht, liegt os doch andererseits im Ui"grunde jedes Dinges, soiii
Dasein zu b(*wahroii. Kaisorthum und Papstthum, sie fochten Beide
um ihre Existenz, indem sie imi die ll(»rrschaft rangen, denn im lielien
dfr Völker wie der Ideen und Institutionen ist der Kampf um's Dasein
fa^t immer ein Kam]»f um die Herrschaft. Dass der endliche Sieg anf
Seite der weltlichen Macht verhlieh, dass das Geistesjoch des ]>fl]>stlichf]i
( )beiliirten gohroch(Mi ward, ist der Stolz spüterer G(»s<?hk»chter gewor-
den; allein diosei- zweite Culturgewinn, der Si(»g der weltlichen Macht
über die Kirche wäre ninuner möglich gewesen, ohne den vorangehen-
den Sieg der Kirche üIkt den menschlichen (ieist. Sellwt Canossa fÖgt
als nothwendiger Stein in den Bau unserem Cultur]»alastes sich «n,
denn der Sieg der ]>ili)stlichon Gewalt ül)er tlie weltliche lieknndet ein
/«•italtor des (Jlauhcns, ohne welchen er unmöglich gewesen wftre.
Drnn nicht nur der Gehorsam, auch der Cilaulie, der feste blinde
(ilaulx; gehört zu den nothwondigen PrilmissiMi der (-i\ihsation. Ohne
diesen (Jlaubon wilro niemals die Skejjsis erwacht, der Aasgangspnnd
aller AVisseiisehaft. Ehe etwas bezweifelt wird, muss es
g e g 1 a u b t wer d o n.
Ich halx» mich bemüht, freilich nur so oljerflächhch als der knappe
l!aum es gestattet, den ('ulturw(n*th des Papstthums, der Kirche und
df's Christenthums, dieser trui junrta in uno, anzudeuten, seine be-
deuteude Kollo in der Culturentwickluiig zu jirilcisirt^n. Als mensch-
liches Institut kaini os auf Vollk<»mmoidieit keinen Ansprm^li erheben;
sein Culturwerth wird jedoch nicht durch die liaster und Flecken ge-
trübt, womit sich Einzi'lne behandelten. Papstthum, Kin^hc und (linsten-
thum, in Wahrheit unzertrennlich, waren, eben weü Menschen und
durchaus m^Mischlich, was die Zeiten wan?n und darin liegt die Gewähr,
dass sie keine anderen Ea^^ter und Fehler hal>en konnten. Desshalb
•} Drap er. A. a. O. ö. 272.
S«IUKm> der SekoltftiV. 283
' k* nicht jene Ansicht, welche ans der Biographie der Päpste
Werth des Papstthunis abzuleiten sucht. Üem Missbrauch ist
inthch jedes menschliche Ding ausgesetzt, gerade weil es mensch-
ist; und aus dem Vorkommen lasterhafter Pftjjste den menschlichen
rang des Institutes darthnn zu wollen, hcisst wohl Eulen nach
B tragen. Es hat Scheusale auf dem pftpstlichen Stuhle gegeben,
auch VjUe und Tugendhafte. Nicht die Personen der Pftpste sind
i»''rOrhte, woran das Pa|)stthum zu erkennen, sondern seine all-
Inen licistungen. Die Scheusslicbkeiten einer Marozia feilen stets
die Zeitgenossen zurück, welche sie duldeten; sie gestatten nur
I Scbluss auf die allgemeinen socialen Zustände; eben so wenig
flkh aus den Niederträchtigkeiten gewisser republikanischer Präsi-
n Werth oder Unwerth der Republik ableiten; man kann daraus
itens auf das Volk schliessen, welches solche Männer an seine
p stellt; Werth oder Unwerth der Staatsform wird an ihn»n all-
inen C^ilturleistungen erkaimt, worfllxjr stets erst die Nachwelt
eh zu Gerichte sitzt.
Zoitaltor der Scholastik.
Die fortlaufende Culturentfeltung kennt krine Grenzen zwischen
'faüter und Neuzeit el)en so wenig als zwiscb«'n Altertlium und
Uter. Der üeberganj? aus dem einen Zeitalter in das andere
puiz unmerklich statt und ward wie» jede andere ('ulturi)base von
I, nicht v(m ol)en aus angelKibnt. U('l»erschaut man den Cultur-
I bis» auf die Gegenwart, so gewahrt <las Auge ülM^rall die innigste
!>ttang von Ereignis« zu Ereigniss, von Phiin(»men zu Pbänomen;
rfrr die Fors<'hung in die dunkeln (leschichtspartien (Miidringt,
unerwartetere Auf<(rblüsse bringt sie ttlxT den Zusammenbang der
iliw im-oberentesten Dinge; nirgc»iul< best(?bt eine Lücke, ülwrall
'anmlconnex, df»ssen Nacliweis für di(» ncM*b unergründeten ('Ultur-
Fnnnngcn nur nu-br eine Fnige der Zeit ist. Dit^ses gesetzmilssige
phreitcn der Fjitwicklung, dir logiscli notbwendige Aufeinanderfolge
'ohuridiasen wäre alKT undenkbar, uimiöglicb, wenn es v<m dem
im eines Einzelnen, \(m sein<T Willkür je al)gebangen hätte, der
rf-nt wirklang diese (wler jene Hicbtuiig zu geben, (Kler sie am
gar zu untenlrüeken. Einzelne Tbaten und Hundlungen machen
I Kndnick, so wie man sie a\>or im Zusammenliange mit dem
Tgecangenen, (ileicbzeitigen und Späteren Ixjtracbtet, ergibt sieb,
rir nierkwünlig g(mau in ibre bistorisclM» rmgebung bineinjuissen.
I am nä4*btlieben Sternen liimmel ui-j)l(Uzlieh ein unennartetes
ti»nliild aufflammt, dessen Bahn jed(T Ik^ree